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13. Hannibal ging aus dem Hirpinischen nach Samnium hinüber, verheerte die Gegend um Benevent, eroberte die Stadt Telesia, ja er reizte den Römischen Feldherrn recht angelegentlich, um ihn vielleicht, empört durch so manchen ärgerlichen Auftritt, so manches Unglück seiner Verbündeten, zu einer Schlacht in der Ebene herabzulocken.
Zu den vielen Italiänischen Bundesgenossen, welche 523 vom Hannibal am Trasimenus zu Gefangenen gemacht und entlassen waren, gehörten auch drei Campanische Ritter, welche Hannibal schon damals mit vielen Geschenken und Versprechungen gewonnen hatte, ihre Landsleute ihm zu Freunden zu machen. Diese veranlaßten ihn durch die Versicherung, daß ihm der Besitz von Capua nicht fehlschlagen könne, wenn er nur sein Heer in Campanien einrücken ließe, ungeachtet seiner Zweifel, da ihm die Leute, um sich auf ihr Wort einzulassen, für eine so wichtige Sache zu unbedeutend schienen, und so sehr er zwischen Trauen und Nichttrauen schwankte, dennoch endlich, aus Samnium nach Campanien aufzubrechen: er entließ sie mit der wiederholten Aufforderung, ihre Versprechungen durch die That zu bekräftigen und hieß sie, mit Mehreren und zwar mit einigen der Vornehmsten wieder zu ihm kommen. Er selbst befahl dem Wegweiser, ihn in das Gebiet von Casinum zu führen, weil er sich von der Gegend Kundigen hatte belehren lassen, daß er den Römern durch Besetzung jenes Passes jede Auskunft sperren würde, ihren Bundesgenossen Hülfe zu leisten. Doch seine Punische mit der Aussprache Latinischer Namen unverträgliche Mundart ließ den Wegweiser statt Casinum – Casilinum verstehen; und so zog Hannibal, ganz von seinem Wege ab, durch die Gebiete von Allifä, Calatia und Cales in die Ebene bei Stella hinunter. Als er sich hier in einer von Bergen und Flüssen eingeschlossenen Gegend sah, ließ er den Wegweiser rufen und fragte ihn: Wo in aller Welt sie wären? Als dieser versicherte, sie würden noch heute zu Casilinum Nachtquartier nehmen, da erst entdeckte sich das Misverständniß, und daß Casinum weit von hier in einer ganz andern Gegend liege. Er ließ den Wegweiser mit Ruthen peitschen und den Übrigen zum Schrecken ans Kreuz schlagen, legte ein festes Lager an und sandte den Maharbal mit der Reuterei zum Plündern in das Falerner Gebiet. Diese Verheerung erstreckte sich bis an die Bäder von Sinuessa. Die Numider richteten ungeheuren Schaden an; noch allgemeiner verbreiteten sie Flucht und Schrecken. Und dennoch ließen sich die Bundesgenossen durch diesen Schrecken, obgleich Alles umher in Kriegsflammen stand, von ihrer Treue nicht entfernen; natürlich, weil sie unter einer gerechten und schonenden Regierung standen, und – was das einzig Band der Treue ist, – zum Gehorsame gegen Bessere sich angezogen fühlten.
14. Als nun Hannibal gar am Flusse Vulturnus ein Lager aufschlug, die reizendste Gegend Italiens verheeret ward und allenthalben die Landhäuser im Rauche aufgingen, indeß Fabius auf den Höhen des Gebirges Massicus umherzog, da kam es von neuem unter seinen Soldaten beinahe zum Aufstande. Sie hatten sich einige Tage ruhig verhalten, weil sie bei den schnelleren Märschen, als sie gewöhnlich machten, geglaubt hatten, man eile so, um den Plünderungen Campaniens zu steuren. Als sie aber auf die letzten Höhen des Gebirges Massicus gekommen waren, den Feind unter sich vor Augen hatten, der die Gebäude des Falernergebiets und der Anbauer von Sinuessa niederbrannte, und dennoch von keiner Schlacht die Rede war; da fing Minucius an:
«Sind wir denn hiehergekommen, um gleichsam zur Augenweide den Ermordungen unsrer Bundesgenossen und den Feuersbrünsten zuzusehen? Und schämen wir uns, wenn auch vor niemand sonst, auch nicht einmal vor diesen unsern Mitbürgern, die von unsern Vätern als Anbauer nach Sinuessa geschickt wurden, um vor den Feindseligkeiten der Samniten eine Gegend zu schützen, welche jetzt nicht der benachbarte Samnit in Flammen setzt, sondern der Punier, ein Ausländer, den unsre Zögerung und Schläfrigkeit von den äußersten Gränzen des Erdkreises bis hieher vordringen ließ? So sehr sind wir leider! unsern Vätern ausgeartet, daß wir dieselbe Küste, an welcher Punische Flotten schwärmen zu lassen, sie schon für einen Schimpf ihrer Oberherrschaft ansahen, jetzt von Feinden überschwemmt und in ein Besitzthum der Numider und Mauren verwandelt sehen. Wir, die wir neulich noch, aus Unwillen über die Bestürmung Sagunts, nicht Menschen allein, sondern Bundesrecht und 525 Götter aufboten, sehen jetzt kaltblütig den Hannibal an den Mauern einer Römischen Pflanzstadt hinansteigen. Von den brennenden Landhäusern und Dörfern zieht uns der Hauch in Augen und Mund: die Ohren gellen uns vom Geschreie unsrer jammernden Bundesgenossen, die in ihrem Hülferufen öfter unsern, als der Götter Namen nennen. Und wir – führen unser Heer, gleich den Heerden, auf sonnigen Waldhöhen und ablaufenden Pfaden, in Wolken und Gehölz versteckt. Hätte Marcus Furius eben so, auf Wanderungen über Berggipfel und Waldhöhen, den Galliern Rom wieder nehmen wollen, wie dieser neue Camillus – dies uns in unserm Unglücke aufgestellte Muster eines Dictators – dem Hannibal Italien wieder abgewinnen will; so gehörte Rom den Galliern noch, das jetzt von unsern Vorfahren durch ihre mehrmalige Rettung – bei dieser unsrer Saumseligkeit muß ich das fürchten! – für Hannibaln und für die Punier gesparet sein wird. Aber als ein Mann und ächter Römer bot er dem Feinde, noch an demselben Tage, als zu Veji die Nachricht einlief, daß er auf des Senates Gutachten und Befehl des Volks zum Dictator ernannt sei, obgleich das Janiculum hoch genug war, um ihn als den Stillsitzenden auf den Feind herabsehen zu lassen, die Schlacht in der Ebene, und hieb noch an eben dem Tage mitten in der Stadt, wo jetzt die Gallischen Brandstäten sind, und am folgenden diesseit Gabii die Gallischen Legionen zusammen. Und wie? als uns viele Jahre nachher bei der Caudinischen Klause die Samniten unter dem Jochgalgen durchgehen ließen, legte damals Lucius Papirius Cursor das dem Römernacken abgehobene Joch dem übermüthigen Samniten etwa dadurch auf, daß er Samniums Höhen durchwandelte, oder dadurch, daß er Luceria zusetzte und es einschloß, und den siegreichen Feind forderte? Was anders gab unlängst dem Cajus Lutatius den Sieg, als Schnelligkeit? daß er gleich den Tag darauf, nachdem er den Feind entdeckte, die mit Vorräthen belastete, durch ihre eigne Ladung und Rüstung behinderte Flotte überfiel. Glauben, daß man durch 526 Stillsitzen oder fromme Verheißungen den Krieg beendigen könne, ist Thorheit. Bewaffnet werden müssen die Truppen, die man in die Ebene hinabführen muß, um Mann gegen Mann auftreten zu lassen. Durch Wagen und Handeln hob sich der Römische Stat, nicht durch diese unthätigen Maßregeln, die der Feige Vorsicht nennt.»
Bei diesem im Rednertone gehaltenen Vortrage umstand den Minucius eine Menge Römischer Obersten und Ritter, ja seine kecken Äußerungen drangen selbst den gemeinen Soldaten zu Ohren: und sie sagten ganz unverhohlen, wenn es auf ihre Stimmen ankäme, so würden sie sich den Minucius lieber zum Feldherrn nehmen, als den Fabius.
15. Fabius, in beständiger Aufmerksamkeit, auf die Seinigen nicht minder, als auf die Feinde, behauptete sich in seiner Festigkeit zuerst gegen jene. Wußte er gleich sehr gut, daß sein Zögern nicht bloß in seinem Lager, sondern auch schon zu Rom in übelm Rufe stand, so ließ er dennoch unverrückt den noch übrigen Theil des Sommers bei demselben Gange seiner Maßregeln verstreichen, so daß Hannibal, den die Hoffnung einer sehnlichst gewünschten Schlacht im Stiche ließ, sich schon für seine Winterquartiere nach einem Orte umsehen mußte, weil die Gegend seiner desmaligen Stellung – lauter Baumgärten und Weinberge, und überall mehr mit lieblichen als mit nothwendigen Früchten bestellt – Vorräthe für die Gegenwart, nicht aber für die Dauer, lieferte. Fabius erfuhr dies durch seine Kundschafter. Da er darauf rechnen konnte, daß Hannibal durch eben den Paß, durch den er in das Falernische eingerückt war, wieder zurückgehen werde, so besetzte er den Berg Callicuta und die Stadt Casilinum, die, vom Flusse Vulturnus getheilt, das Falernische Gebiet vom Campanischen scheidet, mit mäßigen Truppen; schickte den Lucius Hostilius Mancinus mit vierhundert Mann Bundesreuterei auf Kundschaft, und führte sein eignes Heer wieder auf denselben Höhen zurück. Als Mancinus, der anfangs bloß als Kundschafter sich nur so weit hervorwagte, daß er aus einer sichern 527 Stellung den Feind beobachten konnte, die Numider hie und da in den Dörfern herumstreifen sah, und, weil er im Vortheile war, auch einige niederhieb; so fühlte er sich sogleich – – er gehörte ja zu jenen jungen Männern, die oft in Haufen den kecken Vorträgen des Magisters Equitum zugehört hatten – – von Kampflust hingerissen; und vergessen waren die Vorschriften des Dictators, der es ihm zur Pflicht gemacht hatte, wenn er, so weit er sicher könnte, vorgerückt wäre, sich gleich zurückzuziehen, ehe ihn die Feinde gewahr würden. Die Numider, von denen immer wieder andre bald auf ihn heranjagten, bald zurücksprengten, lockten ihn mit völliger Erschöpfung seiner Pferde und seiner Leute fast bis an ihr Lager. Als Carthalo, unter welchem die Reuterei stand, bloß dadurch, daß er in vollem Galoppe hervorbrach, den Feind, noch ehe man zum Pfeilschusse kam, geworfen hatte, so verfolgte er die Fliehenden in ununterbrochener Nachjagd beinahe fünftausend Schritte weit. Mancinus, der den Feind nicht nachlassen, und sich ihm zu entreißen keine Möglichkeit sah, kehrte nach einem Zurufe an die Seinigen, in ein Gefecht zurück, dem er in keiner Rücksicht gewachsen war. Umzingelt blieben er und seine erlesenen Ritter auf dem Platze. Die Übrigen, die nun wieder davonjagten, retteten sich zuerst nach Cales, und von hier auf beinahe unwegsamen Pfaden zum Dictator. Gerade an diesem Tage hatte mit dem Fabius sich Minucius wieder vereinigt. Er war abgeschickt gewesen, ein Kohr in den Gebirgswald zu werfen; der oberhalb Tarracina, wo er sich zu einem engen Passe schließt, am Meere hinzieht; weil sonst Hannibal, wenn ihm die Appische Heerstraße ungesperrt blieb, in die Gegend von Rom hätte vordringen können. Nach Vereinigung ihrer Heere zogen sich Dictator und Magister Equitum mit ihrem Lager in den Weg hinab, den Hannibal nehmen mußte. Die Feinde standen zweitausend Schritt von ihnen.
16. Am folgenden Tage bedeckte der Zug der Punier den ganzen Weg zwischen beiden Lagern. Ob nun gleich die Römer dicht unter ihrem Walle offenbar im Vortheile 528 standen, so rückten die Punier dennoch mit leichten Truppen und Reuterei von unten herauf, und machten mit kleinen bald heransprengenden bald wieder zurückweichenden Posten den Angriff, bloß um den Feind zur Schlacht zu bringen. Allein die Römische Linie behauptete ihre Stellung. Das Gefecht nahm einen zögernden Gang und war mehr in des Dictators als in Hannibals Hand. Auf Römischer Seite fielen zweihundert; auf feindlicher achthundert.
Nun schien Hannibal, da der Weg nach Casilinum besetzt war, eingeschlossen zu sein, und zwar so, daß Capua und Samnium und so viele reiche Bundesgenossen im Rücken der Römer, ihnen Zufuhr liefern konnten, indeß die Punier keine andre Winterquartiere gehabt hätten, als zwischen den Klippen von Formiä, den Sandsteppen Liternums und wildverwachsenen Sümpfen. Auch sah Hannibal sehr wohl, daß man seine eigenen Künste gegen ihn gebrauche. Da er also bei Casilinum nicht durchkommen konnte, sondern sich gegen die Gebirge wenden und die Höhe des Callicula übersteigen mußte, so beschloß er, – um ein zur Täuschung des Feindes ersonnenes, dem Anscheine nach fürchterliches Blendwerk ausführen zu können, wodurch die Römer gehindert würden, seinen zwischen Thälern eingeschlossenen Zug anzugreifen, – mit einbrechender Nacht sich unvermerkt gegen die Berge zu ziehen. Der listige Plan selbst war so angelegt. Aus den Dörfern rund umher zusammengebrachte Fackeln, Ruthenbündel und dürres Reisig ließ er den Ochsen, deren er eine Menge, zahme und wilde, unter der übrigen Landbeute mit sich führte, auf die Hörner binden. Er brachte gegen zweitausend Stück zusammen, und gab dem Hasdrubal den Auftrag, beim ersten Dunkel der Nacht die Heerde mit der angezündeten Ladung auf den Hörnern gegen die Berge treiben zu lassen, und vorzüglich, so viel er könnte, über die vom Feinde besetzten Waldpässe.
17. Mit dem ersten Dunkel brach das Lager in aller Stille auf: die Ochsen wurden eine ziemliche Strecke vorangetrieben. Als man an den Fuß der Berge und die engen 529 Wege kam, wurde sogleich das Zeichen gegeben, das Holz auf den Hörnern der Rinder anzuzünden, und sie zu den Bergen hinan zu treiben: und schon die Furcht vor der ihnen vom Kopfe herab leuchtenden Flamme, und die Hitze, die ihnen bald an das Leben, an die Wurzeln der Hörner kam, jagte die Ochsen wie von Wuth gespornt. So wie sie aus einander rannten, schienen alle Gebüsche umher, nicht anders als wären Wald und Gebirge angezündet, plötzlich in Feuer zu stehen; und bei der reißenden Bewegung, mit der sie die Köpfe schleuderten und die Flammen noch vermehrten, glaubte man, überall umherfahrend BlitzeCapitumque irrita quassatio, flammam excitans, hominum passim discurrentium speciem praebebat]. – Wenn unser Text sagte, man habe die leuchtend umherlaufenden Ochsen für umherlaufende Menschen gehalten, so möchte das hingehen. Wenn es aber heißt, das Kopfschütteln selbst, wodurch die Flamme noch verstärkt wurde, habe Menschen ähnlich gesehen, so gestehe ich, daß ich das nicht begreife. So etwas kann Livius nicht sagen. Wenn es hieße: capitum quassatio – – ignivomorum hominum speciem praebebat, oder hominum passim cum facibus discurrentium speciem praebebat, so wäre doch zwischen der angegebenen capitum quassatio und dem daraus durch die Phantasie erzeugten Bilde ein Zusammenhang. Allein ist es möglich, daß die von einem springenden Ochsen wüthend geschleuderte Flamme, die einem feurigen Zickzacke gleichen mußte, Menschen vorstellen kann? Verdiente auch ein bloßer discursus hominum, wenn er auch einige Gefahr vom Feinde befürchten ließ, daß er an das schreckliche Bild des ganzen, wie es schien, in Feuer stehenden Waldes angereihet wurde? Diese ganze Stelle ist von den Abschreibern übel mitgenommen. Gronovs Verbesserung, der aus der Patavischen, und Florentinischen Lesart (captumquaeritaquaeratio) und aus der Puteanischen (captumque rita quaesatio) das in den Text aufgenommene capitumque irrita quassatio errieth, wurde noch von seinem Sohne dadurch verbessert, daß dieser statt des unnöthigen irrita lieber cita las, welchem auch Drakenborch darum den Vorzug giebt, weil es der Lesart rita (in einem andern sita) am nächsten kommt. Ich lese also mit Jak. Gronov und Drakenborch capitumque cita quassatio. Allein statt des folgenden hominum möchte ich lieber fulminum lesen. Das F mit seinem Mittelstriche und dem ersten Striche des V gab dem Abschreiber ein H, und war im L die andere Hälfte erloschen, so gab ihm der Fuß, mit dem zweiten Striche des V zusammengelesen, ein O. Vielleicht glaubte er auch, daß das folgende Wort discurrentium besser zu hominum als zu fulminum passe, obgleich Virgil von einer ähnlichen Erscheinung sagt: Stella facem ducens multa cum luce cucurrit. Und an einer andern Stelle: Ignea rima micans percurrit lumine nimbos. Was mich in meiner Vermuthung bestärkt, ist die vom Silius Italicus in der Erzählung eben dieser Geschichte dem Livius, fast möchte ich sagen, nachgebildete Gedankenfolge. B. VII. 353.
zu sehen.
Hic vero ut, gliscente malo et quassantibus aegra
Armentis capita, adiutae pinguescere flammae
Coepere. – Vom anscheinenden Brande des Waldes V. 360
Per iuga, per valles errat Vulcania pestis,
Nusquam stante malo; vicinaque litora fulgent. – Und V. 366
At facie subita volitantum in montibus altis
Flammarum, quis tunc cecidit custodia sorti,
Horrere, atque ipsos nullo spargente vagari [discurrentium]
Credere, et indomitos pasci sub collibus ignes.
Caclone exciderint, et magna fulmina dextra
Torserit omnipotens, an caecis rupta cavernis
Fuderit egestas accenso sulfure flammas
In felix tellus, media in formidine quaerunt.
530 Als die zur Besetzung des Waldpasses ausgestellten Wachen oben auf den Bergen und über sich einige Feuer gewahr wurden, so verließen sie, weil sie sich umgangen glaubten, ihren Posten: aber ob sie gleich ihrer Meinung nach den sichersten Weg, nach den Höhen der Gebirge einschlugen, wo sie die wenigsten Flammen leuchten sahen; so stießen sie doch auf einige Ochsen, welche von ihren Haufen abgestreift waren. Anfangs, so lange sie sie noch aus der Ferne sahen, standen sie, von der seltsamen Erscheinung dieser Flammenhauchenden wie bedonnert: und als sie menschliche List darin erkannten, und nun vollends, weil sie sich eines Hinterhalts versahen, in so viel größerer Bestürzung sich auf die Flucht machten, rannten sie sogar auf die leichten Truppen des Feindes. Doch hielt die Nacht, von welcher beide Theile gleich viel zu fürchten hatten, beide ab, vor Tage in ein Gefecht sich einzulassen, und Hannibal, der unterdeß den Paß mit seinem ganzen Zuge zurückgelegt hatte, schlug nun im Gebiete von Allifä sein Lager auf.
18. Diese Bewegung war dem Fabius nicht unbemerkt geblieben. Weil er aber theils einen Hinterhalt vermuthete, theils vorzüglich jedes nächtliche Gefecht scheuete, so behielt er seine Leute in den Verschanzungen. Mit dem ersten Tageslichte kam es am Abhange des Berges zu einem Gefechte, in welchem die Römer die von den Ihrigen abgeschnittenen leichten Truppen des Feindes bald besiegt haben würden; denn sie waren ihnen an Zahl bei weitem überlegen; wenn nicht die eben deswegen vom 531 Hannibal zurückgeschickte Cohorte Spanier angekommen wäre. Diese, der Gebirge mehr gewohnt, und theils durch körperliche Geschwindigkeit, theils durch die Beschaffenheit ihrer Waffen zum Ansprunge zwischen Felsen und Klippen geschickter und behender, vereitelte bei dieser Art des Gefechts den Angriff eines Feindes leicht, der mit seiner schweren Rüstung in die Feldschlacht und in Reihe und Glied gehörte. Als sie nach einem eben darum ungleichen Kampfe von einander abließen, zogen die Spanier fast alle ohne Wunde, die Römer mit Verlust Mehrerer von den Ihrigen, in ihr Lager. Auch Fabius brach sein Lager ab und als er den Paß zurückgelegt hatte, setzte er sich oberhalb AllifäIch glaubte das Komma hinter den Worten super Allifas voran setzen zu müssen. Hannibal hatte sich im Gebiete von Allifä gelagert, Fabius also auf einer Höhe oberhalb. in einer hohen und befestigten Gegend. Darauf zog sich Hannibal, der zum Scheine den Weg durch Samnium nach Rom einschlug, unter lauter Verheerungen wieder in das Pelignische zurück. Fabius, zwischen dem Zuge der Feinde und der Stadt Rom in der Mitte, führte sein Heer immer auf Höhen weiter, ohne vom Feinde abzulassen, noch mit ihm zusammen zu treffen. Aus dem Pelignischen bog Hannibal seitwärts ab, und kam, auf seinem Rückmarsche gegen Apulien, nach Geronium, einer Stadt, die von den Ihrigen, weil ein Theil ihrer Mauer in Trümmern lag., aus Furcht verlassen war. Der Dictator verschanzte sein Lager im Gebiete von Larinum.
Von hier in gottesdienstlichen Angelegenheiten nach Rom gerufen, reisete erInde sacrorum caussa Romam revocatus]. – Auf diesen Vordersatz folgt am Ende des Cap. der Nachsatz Romam est profectus. Die Herausgeber haben nicht wohl gethan, daß sie nach dem Worte respirasse ein Punctum setzten und das folgende haec mit einem großen H anfingen. Es ist dies wieder ein Beweis (s. oben XXI. 38. bei den Worten amisisse in Taurinis), daß Livius nach einer Einschaltung eins oder ein par Worte von den vor der Einschaltung vorhergegangenen zu wiederholen pflegt. Precibus agens cum magistro equitum, «ut plus consilio – – – – cladibus respirasse»: haec necquicquam praemonito magistro equitum, Romam est profectus. S. XXIIII. 26. vv., nachdem er dem Magister Equitum nicht bloß befehlsweise, sondern als rathgebender 532 Freund und beinahe bittend vorgestellt hatte: «er möge lieber auf Vorsicht, als auf Zufall bauen; als Feldherrn lieber ihn, als einen Sempronius oder Flaminius zum Muster nehmen; ja nicht glauben, es sei damit nichts gethan, daß sich der Feind fast den ganzen Sommer über habe gängeln lassen müssen; auch die Ärzte richteten zuweilen mehr durch Ruhe, als durch bewegende und anregende Mittel aus; es sei keine Kleinigkeit, von einem so oft siegreichen Feinde sich nicht mehr schlagen zu lassen, und von den beständigen Niederlagen sich erholt zu haben:» ich sage, nach diesen dem Magister Equitum – freilich vergeblich – gemachten Vorstellungen, ging er nach Rom ab.
19. Im Anfange des Sommers, in welchem dieses vorfiel, nahm der Krieg auch in Spanien zu Lande und zu Wasser seinen Anfang. Hasdrubal verstärkte die Zahl der ausgerüsteten und schlachtfertigen Schiffe, die er von seinem Bruder empfangen hatte, mit zehn neuen, übergab dem Himilco eine Flotte von vierzig Schiffen, und da er so von Neucarthago an der Küste hinsegelte, ließ er das Heer am Ufer mitgehen, zur Schlacht bereit, mit welchem Theile seiner Macht der Feind ihm aufstoßen möchte. Denselben Vorsatz hatte Cneus Scipio, als er den Aufbruch des Feindes aus den Winterquartieren hörte, anfangs auch. Nachher aber, da er es bei dem allgemeinen Gerüchte von neuen, zum Feinde gestoßenen Hülfstruppen bedenklich fand, sich zu Lande einzulassen, blieb er sich nur in so fern treu, daß er mit einer Flotte von fünfunddreißig Schiffen, auf welche er die zum Seedienste ausgesuchten Soldaten eingeschifft hatte, dem Feinde entgegen zog. Am vierten Tage nach seiner Abfahrt von Tarraco erreichte er einen Ankerplatz, welcher zehntausend Schritte von der Mündung des Ebro entfernt war. Zwei von hier vorausgeschickte Massilische Spähschiffe meldeten, die Punische Flotte stehe in der Mündung des Stroms und habe ihr Lager am Ufer. Um sie also mit dem Schrecken eines allgemeinen auf einmal hereinbrechenden Angriffs unversehens und unvorbereitet zu 533 überfallen, ließ er die Anker lichten und segelte auf die Feinde zu.
Spanien hat viele, auch auf Höhen angelegte, Thürme, deren man sich theils zu Warten, theils zu Blockhäusern gegen die Räuber bedient. Von einer solchen gab man dem Hasdrubal, sobald man die feindliche Flotte entdeckte, ein Zeichen; und es gerieth Alles zu Lande und im Lager früher in Bewegung, als zur See und auf den Schiffen, wo man noch keinen Ruderschlag oder andres Getöse der Seeleute gehört hatte, und auch die Vorgebirge noch keine Flotte sehen ließen: als plötzlich ein Reuter nach dem andern vom Hasdrubal ankam und die Seesoldaten, die in ihrer Zerstreuung am Ufer, in ihrer Ruhe unter Zelten, nichts weniger als heute einen Feind oder eine Schlacht erwarteten, eilends zu Schiffe gehen und sich bewaffnen hieß: eine Römische Flotte sei schon nicht weit mehr vom Hafen. Allenthalben meldeten die abgeschickten Reuter diese Befehle. Bald kam Hasdrubal selbst mit dem ganzen Heere dazu, und überall tobte vielfaches Getümmel durch einander, weil zugleich Ruderknechte und Soldaten, mehr vom Lande Flüchtenden, als in die Schlacht Gehenden ähnlich, auf die Schiffe stürzten. Kaum waren alle an Bord, so fuhren diese hier, wenn sie das Hintertau gelöset hatten, gegen die Anker an; dort kappte man, um sich durch nichts aufhalten zu lassen, die Ankertaue; und da sie Alles im Fluge mit völliger Übereilung betrieben, so störten die Vorkehrungen der Soldaten die Geschäfte des Seedienstes, und die Verwirrung der Seeleute hinderte die Soldaten, die Waffen zu holen und anzulegen. Und schon nahete Scipio nicht bloß, sondern hatte auch seine Schiffe in die Schlachtreihe gestellt. Die Punier, durch den Feind und das Treffen nicht eigentlicher, als durch ihr eigenes Gewühl in Verwirrung gebracht, dreheten ihre Schiffe, da sie die Schlacht anzufangen mehr versucht, als wirklich angefangen hatten, zur Flucht um. Und da sie in einem so ausgebreiteten Zuge, und ihrer so viele auf einmal, durchaus nicht in die Mündung, dem Strome entgegen, einlaufen konnten, so fuhren sie hier und dort mit den 534 Schiffen gegen den Strand, und nahmen durch einen gelungenen Sprung, jene auf eine seichte Stelle, diese auf das trockne Ufer, theils mit, theils ohne Waffen, ihre Zuflucht zu der am Ufer aufgestellten Linie der Ihrigen. Docht waren gleich beim ersten Zusammentreffen zwei Punische Schiffe genommen, und vier in Grund gebohrt.
20. Die Römer, die ohne Anstand zu nehmen, ob sie gleich das Land in des Feindes Gewalt, und seine bewaffnete Linie an der ganzen Küste hinunter sich ihnen entgegenbreiten sahen, dennoch der flüchtigen feindlichen Flotte nachsetzten, zogen theils diejenigen Schiffe, die bei dem Stoße auf den Strand das Vordertheil nichtNaves omnes, quae non aut perfregerant.] – Crevier wollte dies non ganz wegstreichen. Einige Schiffe, sagt er, retteten sich doch in die Mündung des Stromes; die übrigen, mit beschädigten Vordertheilen, oder auf den Sandbänken festgefahrnen, zogen die Römer auf die Höhe. Perizonius hingegen setzt das non hinter aut, und so lieset auch eine Handschrift bei Drakenborch. Ich glaube, dem Letztern folgen zu können, wenn ich unter perfringere ein penitus oder prorsus frangere verstehe. gänzlich zertrümmert hatten, theils die mit dem Kiele auf Sandbänken festgefahrnen, sämtlich im Schlepptaue hinter ihren Schiffen her auf die Höhe. Von vierzig Schiffen eroberten sie an fünfundzwanzig. Gleichwohl war dies bei diesem Siege nicht ihr Hauptgewinn, sondern sie sahen sich durch eine einzige leichte Schlacht im Besitze dieses ganzen Küstenmeeres. Da sie also mit ihrer Flotte nach Honosca segeln konnten und, nach bewerkstelligter Landung die Stadt erstürmt und geplündert hatten, zogen sie von da gegen Neucarthago; und nachdem sie die ganze Gegend umher verwüstet hatten, steckten sie zuletzt sogar die an die Stadtmauer und an die Thore stoßenden Häuser in Brand.
Von da kam die Flotte, schon mit Beute belastet, nach Longuntica, wo Hasdrubal zum Schiffsbedarfe einen großen Vorrath von PfriemengrasSpartum Plinii ist nach Linné stipa tenacissima. (Triandr. digyn.) aufgehäuft hatte. So viel man nöthig hatte, nahm man weg und verbrannte das Übrige insgesamt. So fuhrProiectas oras praetervecta]. – So fuhr sie nicht bloß u. s. w. Dieses So habe ich eingeschoben, um dadurch anzudeuten, daß unter praetervecta kein bloßes friedliches Vorbeisegeln, sondern ein mit Landungen und Plünderungen verbundenes Hinunterfahren an der Küste zu verstehen sei. Auf diese Art glaubte ich dies praetervecta vielleicht retten zu können. Denn da vorhin von lauter Plünderungen der Küste die Rede war, und Livius nun fortfährt: «Auch fuhr die Flotte nicht bloß an der Küste vorbei, sondern sie setzte auch nach Ivica über, belagerte dort die Hauptstadt und machte noch größere Beute, als auf dem festen Lande»:– so muß praetervecta, wenn es stehen bleiben soll, hier mehr als ein bloßes Vorüberfahren bedeuten. Da indeß das beste Msc., das Florentinische, und außer ihm noch elf andre das Wort praetervecta gar nicht kennen, so wird es durch so viele Stimmen als Einschiebsel verdächtig. Wenn man also so läse: Nec continentis modo proiectas oras, sed in Ebusum insulam transmissum, so müßte entweder aus dem voraufgegangenen pervenit, oder aus dem folgenden transmissum ein adiit, accessit, oder aus dem Zusammenhange des Ganzen ein vastavit, diripuit supplirt werden. Eben so vertrat VI. 25. in den Worten: proposita omnia in medio vidit – – et ludos literarum strepere discentium vocibus – das vorhergehende vidit ein bei strepere fehlendes audivit: und in den Worten III. 67. Esquilias ab hoste prope captas et scandentem – Volscum nemo submovit lag in dem nachfolgenden submovit das bei Esquilias prope captas vermißte tutatus est, oder defendit. Drakenb. giebt von dieser dem Livius eigenen Kürze mehrere Beispiele. Man sehe in seinem Register im Artikel Verbum unter den Worten nach: unum pluribus nominibus iunctum altero verbo suppresso; und gleich im folgenden 21sten Cap. ein Beispiel, wo Gronov statt legatos obsidesque dederant, ich glaube, gegen die Manier des Livius, uns lesen lässet: legatos miserant obsidesque dederant. sie nicht bloß an den 535 vortretenden Küsten des festen Landes hin, sondern setzte auch auf die Insel Ebusus über. Als hier die Römer, – die bei Belagerung der Hauptstadt dieser Insel, trotz ihrer zweitägigen äußersten Anstrengung die Zeit unter vergeblichen Hoffnungen hingehen sahen, nach nunmehr vorgenommener Plünderung und Niederbrennung mehrerer Dörfer – mit einer ansehnlichern Beute, als ihnen das feste Land gegeben hatte, sich wieder auf ihre Schiffe begaben, so erschienen vor Scipio Gesandte von den Balearischen Inseln mit der Bitte um Frieden. Von hier wandte sich die Flotte rückwärts und kehrte in die diesseitige Gegend der Provinz zurück, wo die Gesandten aller Völker, welche diesseit des EbroQui cis Iberum incolunt]. – So lese ich nach Gronovs von Drakenborch und Crevier gebilligten Verbesserung. Die Beläge aus Livius selbst und Cäsar giebt Drakenborch. wohnen, und auch Vieler vom äußersten Spanien zusammentrafen. Und es waren der Völker, welche sich wirklich durch Stellung ihrer Geisel der Römischen Hoheit und Oberherrschaft unterwarfen, mehr als hundert und zwanzig. Da sich also Scipio nun auch 536 dreister auf seine Landmacht verlassen konnte, so rückte er bis zu dem Waldgebirge von Castulo vor. Hasdrubal zog sich nach Lusitanien und naher an den Ocean zurück.
21. Nun schien es, als würde man die übrige Zeit des Sommers Ruhe haben, und sie würde auch von Seiten der Punier nicht durch Feindseligkeiten gestört sein; allein außerdem, daß die Spanier an sich unruhige und neuerungssüchtige Köpfe sind, hatten Mandonius und Indibilis, der vorhin Fürst der Ilergeten gewesen war, sobald die Römer von dem Gebirge nach der Seeküste zurückgingen, ihre Landsleute aufgewiegelt und fielen als Plünderer auf Freundesgebiet, auf Römische Bundesgenossen. Ein Oberster, der vom Scipio mit leichten Truppen von den Hülfsvölkern gegen sie abgeschickt wurde, jagte sie Alle, als einen zusammengerafften Haufen, nach leichtem Kampfe in die Flucht, und nachdem er ihnen Einige getödtet und Gefangene gemacht hatte, entwaffnete er ihrer eine große Menge. Gleichwohl zog dieser kleine Krieg den zum Oceane weichenden Hasdrubal jetzt zum Schutze seiner Verbündeten wieder in die Gegend diesseit des Ebro. Das Punische Lager stand im Gebiete von Ilercao, das Römische Lager bei Nova Classis; als eine unerwartete Nachricht den Krieg nach einer andern Seite wandte. Die Celtiberer, welche den Römern die Häupter ihres Volks als Gesandte, auch Geisel, zugeschickt hatten, griffen, auf die vom Scipio erhaltene Anzeige, zu den Waffen und brachen mit einem starken Heere in die Provinz der Carthager ein. Drei Städte nahmen sie mit Sturm. In zwei darauf erfolgten Schlachten mit Hasdrubal selbst, in denen sie sich vortrefflich hielten, erlegten sie funfzehntausend Feinde, nahmen viertausend gefangen und erbeuteten viele Fahnen,
22. Bei dieser Lage der Dinge in Spanien kam Publius Scipio, der nach seinem Consulate unter Verlängerung seines Oberbefehls vom Senate in die Provinz geschickt wurde, mit dreißig Kriegsschiffen, mit achttausend Mann und vielen mitgebrachten Vorräthen an. Diese Flotte, die man mit ihrem großen Zuge von Ladungsschiffen von 537 weitem erblickte, lief zu großer Freude der Römer und ihrer Bundsgenossen von der Höhe in den Hafen von Tarraco ein. Hier schiffte Scipio die Truppen aus, zog zu seinem Bruder, um sich mit ihm zu vereinigen, und seitdem befolgten sie in der Führung des Krieges einerlei Geist und Plan.
Sie gingen ungesäumt, weil jetzt die Carthager mit dem Celtiberischen Kriege beschäftigt waren, über den Ebro, und drangen, ohne einen Feind gesehen zu haben, bis Sagunt vor, weil die vom Hannibal hier in Verwahrung gegebenen Geisel des gesammten Spaniens, wie man erfuhr, auf der Burg nur eine mäßige Wache hatten. Dies wichtige Pfand hielt die zur Freundschaft mit Rom geneigten sämtlichen Völker Spaniens noch zurück, um nicht die Schuld des Abfalls mit dem Blute ihrer Kinder büßen zu müssen. Von diesem Zwange befreite Spanien ein Einziger durch einen Anschlag, der seiner Gewandtheit mehr Ehre macht, als seiner Treue.
Zu Sagunt befand sich ein Spanier von Rang, Abelux, bisher ein treuer Anhänger der Punier. Jetzt aber wurde (der gewöhnlichen Denkungsart der Barbaren gemäß) mit dem Glücke seine Treue wandelbar. Weil er nun glaubte, daß ein Überläufer, der bei den Feinden ankomme, ohne eine Sache von Wichtigkeit zu verrathen, nichts weiter mitbringe, als sein einziges unbedeutendes und ehrloses Ich, so legte er es darauf an, seinen neuen Freunden durch sich einen der größten Vortheile zuzuwenden. Da er alle die Mittel durchdachte, die ihm seine Lage an die Hand geben konnte, so richtete er sein Augenmerk vorzüglich auf eine Überlieferung der Geisel, weil gerade dies nach seiner Einsicht den Römern die Freundschaft der Spanischen Großen mehr als Jedes andre Mittel gewinnen mußte. Weil er aber gewiß war, daß ohne Geheiß des Befehlshabers Bostar die Wachen der Geisel sich auf nichts einlassen würden, so machte er listig sich an Bostar selbst. Bostar hatte sein Lager außerhalb der Stadt dicht am Ufer, um den Römern den Zugang von der Hafenseite zu versperren. Hier war es, wo er ihn allein 538 nahm und ihn über die Lage der Dinge, als wäre sie ihm unbekannt, belehrte. «Bis heute habe die Spanier Furcht im Zaume gehalten, weil die Römer fern gewesen waren; jetzt aber stehe ein Römisches Lager diesseit des Ebro, eine sichere Burg und Zuflucht für Alle, die eine Statsveränderung wünschten. Also müsse man die, die keine Furcht mehr fessele, sich durch Wohlthat und Liebe verpflichten.» Als Bostar in Verwunderung gerieth und ihn fragte, womit man ihnen denn in der Geschwindigkeit ein so wichtiges Geschenk machen könne; antwortete er: «Schicke die Geisel in ihre Staten zurück. Dies wird als Familiengeschenk den Vätern, die gerade die geltendsten in ihren Staten sind, und als Statsgeschenk den Völkern sehr willkommen sein. Jeder will sich gern sich selbst anvertrauet wissen, und meistentheils macht bewiesenes Vertrauen zu Gegenvertrauen sogar verbindlich. Das Geschäft, die Geisel ihrer Heimat wieder zuzuführen, erbitte ich mir selbst, um meiner Angabe auch durch aufgewandte Thätigkeit zu Hülfe zu kommen, und einer Sache, die sich schon durch sich selbst empfiehlt, noch alle mir mögliche Empfehlung mitzugeben.»
Als er den in Vergleich mit andern Punischen Köpfen nicht so schlauen Menschen beredet hatte, ging er in der Nacht heimlich zu den feindlichen Vorposten hinaus, wandte sich an einige von den Spanischen Hülfstruppen, wurde von ihnen vor den Scipio gebracht und eröffnete seinen Antrag. Nach gegenseitiger Zusage und Verabredung, wo und wann die Geisel überliefert werden sollten, ging er nach Sagunt zurück, und brachte den folgenden Tag bei dem Bostar damit hin, sich mit den zur Ausführung der Sache nöthigen Befehlen versehen zu lassen. Nach der Entlassung machte er sich, weil die Abreise, um den feindlichen Posten zu entkommen, auf die Nacht verabredet war, mit den Wachen der Kinder, die er um die ihnen bestimmte Stunde in Bewegung setzte, auf den Weg, und führte sie, wie es schien, ohne es zu wissen, den durch seine List bestellten Auflaurern in die Hände. Sie wurden ins Römische Lager gebracht. Übrigens nahm die 539 ganze Zurückgabe der Geisel, der Verabredung mit Bostar gemäß, denselben Gang, den sie genommen haben würde, wenn gerade dasselbe im Namen der Carthager geschehen wäre. Dennoch ernteten von einerlei Verfahren die Römer eine weit größere Liebe ein, als daraus für die Carthager erwachsen sein würde. Denn da man von diesen während ihres Glücks Druck und Härte zu leiden gehabt hatte, so konnte man denken, Unglück und Furcht habe sie gütiger gemacht. Die Römer hingegen, bei aller früheren Unbekanntschaft, hatten gleich bei ihrer Ankunft mit Gnade und Edelmuth den Anfang gemacht; und ein so kluger Mann, als Abelux, schien nicht ohne Grund in der Wahl seiner Freunde getauscht zu haben. Folglich war bei den Spaniern die Stimmung zum Abfalle allgemein, und sie würden sogleich zu den Waffen gegriffen haben, wenn nicht der Winter eingetreten wäre, der selbst die Römer und Carthager in die Quartiere trieb.
23. So ging es auch in Spanien in diesem zweiten Sommer des Punischen Krieges, indeß in Italien die Niederlagen der Römer durch des Fabius kluges Zögern eine kurze Zwischenzeit gewonnen hatten. In so große Verlegenheit dieses den Hannibal setzte, welcher jetzt sah, daß die Römer die Leitung des Krieges endlich den Händen eines Mannes anvertrauet hatten, der im Kriege mit Überlegung, nicht auf gut Glück zu Werke ging; in eben so großer Verachtung stand es bei des Fabius Mitbürgern, in den Waffen so gut wie in der Toga; und vollends jetzt, da in seiner Abwesenheit durch die Planlosigkeit des Magisters Equitum ein Gefecht Statt gehabt hatte, dessen Ausgang, die Wahrheit zu sagen, mehr gern gesehen, als glücklich war. Die Unzufriedenheit mit dem Dictator zu vergrößern, waren noch zweierlei Veranlassungen zusammengetroffen. Die eine durch Hannibals List und Bosheit; in so fern das Landgut des Dictators, welches ihm Überläufer gezeigt hatten, das einzige war, das auf seinen Befehl, da Alles umher dem Boden gleich gemacht wurde, von Feuer und Schwert und jeder feindlichen Gewaltthat unberührt bleiben mußte, um die Leute hierin den Preis 540 eines geheimen Verständnisses finden zu lassen. Die andre durch sein eignes Benehmen, das anfangs vielleicht in einem zweifelhaften Lichte erschien, weil er hiebei die Genehmigung des Senats nicht abgewartet hatte; das aber zuletzt unstreitig zu seiner größten Ehre ausschlug, nämlich bei der Auswechselung der Gefangenen; insofern beide Feldherren, der Römische und der Punische, so wie man es im ersten Punischen Kriege gehalten hatte, mit einander übereingekommen waren, daß derjenige Theil, welcher mehr Gefangene zurückerhielte, als ablieferte, auf den Mann drittehalbEtwa 50 Thlr. Conv. M. Pfund Silber zu zahlen habe. Da nun die Römer zweihundert und siebenundvierzig mehr zurückerhielten, als die Punier, und das dafür schuldige Geld, so oft die Sache im Senate zur Sprache kam, weil er die Väter nicht darum befragt hatte, erst nach Zögerungen verwilligt wurde; so ließ er durch seinen Sohn Quintus, den er nach Rom schickte, das vom Feinde unberührt gelassene Landgut verkaufen und erfüllte auf eigne Kosten die im Namen des Stats gethane Zusage.
Hannibal hatte sein Standlager vor den Mauern der Stadt Geronium, von der er, als er sie eroberte und anzündete, einige Gebäude zu Vorrathshäusern hatte stehen lassen. Von hier schickte er zwei Drittel seines Heeres auf Futterholung aus; mit dem dritten marschfertigen blieb er in seiner Stellung, theils zur Beschützung seines Lagers, theils auf Umsicht nach allen Seiten, um seine Futterholer nirgends überfallen zu lassen.
24. Das Römische Heer lag damals im Gebiete von Larinum. Der Magister Equitum Minucius hatte den Oberbefehl, weil der Dictator, wie vorhin gesagt, zur Stadt gereiset war. So wurde denn das Lager, das man auf einem hohen Berge und sichern Platze genommen hatte, gleich in die Ebene verlegt, und der Sinnesart des Befehlshabers gemäß wurden, raschere Maßregeln genommen, so daß man entweder auf die sich zerstreuenden Futterholer oder auf das nur schwach besetzt gebliebene Lager einen 541 Angriff that. Auch entging dem Hannibal die Bemerkung nicht, daß sich mit dem Befehlshaber auch der Gang des Krieges abgeändert habe, und daß die Feinde mehr mit Kühnheit, als Überlegung zu Werke gehen würden. Und doch schickte er selbst (kaum sollte man es glauben), da sich der Feind genähert hatte, ein Drittel seiner Leute auf Fütterung aus, so daß er nur zwei Drittel im Lager behielt; dann rückte er selbst mit seinem Lager dem Feinde näher, beinahe zweitausend Schritte von Geronium, auf einen Hügel, der dem Feinde vor Augen lag, um ihm zu verstehen zu geben, daß er bei jedem Angriffe, der auf seine Futterholer geschehen könnte, sie zu schützen bereit stehe. Von hier aus zeigte sich ihm ein noch näherer Hügel, der hart an das Römische Lager stieß. Weil ihm nun, wenn er zur Besetzung desselben am Tage vor aller Augen ausrücken ließ, der Feind unstreitig auf kürzerem Wege zuvorkommen mußte, so ließ er ihm durch heimlich hingeschickte Numider bei Nacht besetzen. Kaum hatten die Römer am folgenden Tage den ihnen verächtlichen schwachen Posten aus dem Besitze des Platzes vertrieben, so verlegten sie selbst ihr Lager hieher.
Jetzt also, da Wall und Wall nur ein geringer Zwischenraum schied, bedeckte nicht allein die Römische Linie diesen beinahe ganz, sondern zu gleicher Zeit verbreitete ihre Reuterei, die mit den leichten Truppen aus dem von Hannibals Lager abgewandten Lagerthore auf die Futterholer gelassen wurde, unter den zerstreuten Feinden allenthalben Tod und Flucht. Und Hannibal wagte es nicht, sich auf eine Schlacht einzulassen, weil er, wenn ein Sturm auf sein Lager unternommen wäre, mit so wenig Truppen kaum dieses hätte schützen können. Ja, bald führte er den Krieg [(pars exercitus aberat)]. – Bestünde diese kleine Parenthese nur aus diesen drei Worten, so wäre hier, in so fern aus dem vorhergegangenen Iamque nach der Parenthese ein iam wiederholt wird, abermals ein Beweis für den bekannten (XXI. 38. erwähnten) Latinismus. Und dieser scheint auch die gelehrten Ausleger veranlasset zu haben, die Worte iam ferme nicht mit in die Parenthese einzuschließen. Und doch will ich dies Mal lieber den Latinismus aufgeben, und den gesunden Zusammenhang retten, der hier Gefahr läuft, wenn man die Parenthese nicht erweitert. Stroth sagt sehr richtig: Es läßt sich nicht erwarten, daß Livius – der schon einmal gesagt hatte, tertiam partem militum frumentatum, duabus in castris retentis, dimisit; der wieder daran durch die Worte erinnerte, quia tanta paucitate vix castra tutari poterat – hier zum dritten Male mit den Worten pars exercitus aberat dasselbe sagen sollte. Er will also mit Gronov lesen dum pars exercitus aberat, und weil dann diese Worte aufhören, Parenthese zu sein, auch mit Gronov das folgende iam vor ferme wegfallen lassen. Allein kein Msc. hat eine Spur von jenem dum; und alle behalten dieses zweite iam. – Crevier sagt ebenfalls gar nicht unrecht: Hannibal habe von des Fabius Kunstgriffen nicht etwa an dem Einen Tage, an welchem Minucius den kleinen Vortheil über ihn erhielt, sondern noch mehrere Tage nachher Gebrauch gemacht, und hiervon rede Livius in dem mit Iamque artibus angefangenen §. Nun aber fährt Crevier fort: Es lasse sich nicht denken, daß jenes abgeschickte Drittel des Heers immer noch gefehlt habe; und darum gehöre die kleine Parenthese nicht hieher, sondern weiter voran müsse es heißen: quia tanta paucitate (pars exercitus aberat) vix castra – tutari poterat. Allein diese drei Worte dorthin zurückzuziehen, ist aus Stroths oben angeführten Gründen sehr unnöthig; ist ferner gegen alle Msc, und endlich bedarf es dessen ja nicht, unter den Worten tertia pars aberat jenes Drittel zu verstehen, welches am Tage des Gefechts mit Minucius auf Fouragirung ausgegangen war. Aus Polybius ergiebt sich, daß Hannibal aus Noth so oft Theile des Heers ausschicken mußte. Ich ziehe also die Worte iam ferme mit in die Parenthese: Iamque artibus Fabii, (pars exercitus aberat iam ferme); sedendo et cunctando bellum gerebat. Daß ferme beim Livius oft plerumque bedeutet, beweisen die Stellen: ut ferme solent und ähnliche, und XXI. 54.: locus obsitus palustribus herbis et, quibus inculta ferme vestiuntur, virgultis vepribusque. Um diesen Sinn deutlich zu machen, ließ ich hier die Übersetzung lieber mehr erklärend sein, als genau sich anschließen. Ein Theil des Heeres fehlte ihm 542 jetzt fast immer] nach Art des Fabius, als der Stillsitzende und Zögernde, und hatte sich auch in sein voriges Lager, das an Geroniums Mauern stand, zurückgezogen.
Einige melden, daß man sich in ordentlicher Linie eine förmliche Schlacht geliefert habe. Bei dem ersten Zusammentreffen wären die Punier bis an ihr Lager zurückgeschlagen; dann habe sich bei dem von hieraus erfolgten Ausfalle der Schrecken auf die Römer geworfen; endlich sei durch die Ankunft des Samniten, Numerius Decimius, das Treffen wieder hergestellt. Da dieser Mann – er war nicht bloß in Bovianum, seiner Heimat, sondern in ganz Samnium der Vornehmste und Reichste, auf seinem Zuge zum Römischen Lager, dem er auf Befehl des Dictators achttausend Mann zu Fuß und fünfhundert zu Pferde zuführte, sich dem Hannibal im Rücken gezeigt habe, hätten beide Theile geglaubt, ein neues Kohr mit dem Quintus Fabius von Rom ankommen zu sehen; auch habe 543 Hannibal aus Furcht eines Hinterhalts seine Truppen zurückgezogen; die Römer, die ihm nachgegangen waren, hätten an dem Tage mit Hülfe der Samniten zwei Schanzen erobert; von den Feinden wären sechstausend gefallen, von den Römern volle fünftausend; und dennoch sei, bei einem so fast gleichen Verluste, zu Rom das Gerücht von einem herrlichen Siege mit einem noch prahlerischeren Briefe vom Magister Equitum eingelaufen.