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(1.) [SchonDie mit ( ) bezeichneten Zahlen im Anfange der Capitel und die Zeichen der Einklammerung [ ] unterscheiden in diesen letzten mangelhaften Büchern Creviers Ergänzungen, die auch Drakenborch aufgenommen hat, weil Freinsheim diese unergänzt gelassen hatte, vom Texte des Livius. hatte das Römische Volk durch alle Theile des Erdkreises seine siegreichen Waffen umhergetragen und fern gelegene, durch mehr als Ein Meer von ihm getrennte Länder durchzogen. Da es aber bei diesem so großen Glücke seiner nach Wunsch sich an einander reihenden Unternehmungen den Ruhm der Mäßigung sich zu erwerben wußte, so vermochte es mehr durch seine Vollgültigkeit, als durch sein Gebot, und konnte sich rühmen, bei den Völkern des Auslandes durch Klugheit mehr zu bewirken, als durch Gewalt und Drohung. Gegen die besiegten Völker und Könige ohne Härte, freigebig gegen seine Bundesstaten, für sich nur nach der Ehre des Sieges strebend, hatte es den Königen ihre Majestät; den Völkern, mochte es sie mit sich gleich oder auch ungleich gesetzt haben, dennoch ihre Gesetze, ihre Rechte und Freiheit erhalten; und ungeachtet es schon beide Küsten des Mittelmeers von Gades bis nach Syrien mit seinen Waffen umfaßte und in unermeßlichen Strecken der Erde dem Römischen Namen Ehrfurcht erworben hatte, so hatte es doch zu seinen Unterthanen bloß die Völker Siciliens, der Italien umgebenden Inseln, und des größten Theils von Spanien, das aber sein Joch noch nicht mit gelehrigem Nacken trug. Veranlassung und Stoff zur Erweiterung seiner Herrschaft wurden ihm von der gedankenlosen Verkehrtheit seiner Feinde und Nebenbuhler mehr geboten, als von ihm selbst gesucht. Vorzüglich richtete die 170 allgemein verhaßte, an seinen Unterthanen ausgeübte, Grausamkeit des Perseus, der sich durch Tücke und Frevel auf den Thron von Macedonien gesetzt hatte, sein unsinniger Geiz bei ungeheuren Reichthümern, sein gedankenloser Leichtsinn in Fassung und Ausführung seiner Maßregeln, nicht bloß ihn selbst zu Grunde, sondern auch Alles, was sich halten konnte, so lange dieser, ich möchte sagen: kräftige Zügel der Römischen Macht sich hielt. Denn sein Fall ging auf die Andern über und zog nicht allein den Sturz der angränzenden Völker nach sich, sondern auch den der weit entfernten. Dem Untergange Macedoniens folgte nebst den Achäern Carthago: und da das Unglück jener die Lage Aller zerrüttet hatte, so fielen nun die übrigen Reiche, eine Zeitlang als die abhängigen, bald darauf als die gestürzten, alle der Römischen Oberherrschaft anheim. So sehr auch Ort und Zeit diese Auftritte schieden, so wünschte ich sie doch als zu Einem Wirkungspunkte vereinigt hier unter Einen Überblick zu stellen, weil ich den bald gegen die Römer ausbrechenden Krieg des Perseus im Auge hatte, welcher hauptsächlich dem Zuwachse der Römischen Macht seinen Anfang gab. Jetzt brütete Perseus insgeheim über diesem Kriege: die Ligurier und Gallier neckten Roms Waffen mehr, als daß sie dieselben übten.]
(2.) [So waren denn die den Consuln Marcus Junius Brutus und Aulus Manlius Vulso angewiesenen Standplätze Gallien und Ligurien. Den Manlius traf Gallien, den Junius Ligurien. Die Prätoren erloseten, Marcus Titinius Curvus die Rechtspflege in der Stadt, Tiberius Claudius Nero die über die Fremden; Publius Älius Ligus Sicilien; Titus Äbutius Carus Sardinien; Marcus Titinius – denn in diesem Jahre bekleideten zwei Marcus Titinius die Prätur – das diesseitige Spanien, Titus Fontejus Capito das jenseitige. In der Gegend des Marktes brach eine Feuersbrunst aus, welche sehr viele Gebäude in Asche legte, und den Tempel der Venus bis auf die letzte Spur niederbrannte. Das heiligbewahrte Feuer der Vesta erlosch. Die Jungfrau, welche 171 die Wache gehabt hatte, wurde auf Befehl des Hohenpriesters Marcus Ämilius mit der Geißel gepeitscht, auch ließ er die dann gewöhnlichen Betandachten anstellen. In diesem Jahre begingen die Censorn Marcus Ämilius Lepidus, Marcus Fulvius Nobilior die Schlußfeier der Schatzung. Geschatzt wurden zweihundert dreiundsiebzigtausend zweihundert vierundvierzig Bürger. Vom Macedonischen Könige Perseus kamen Gesandte mit dem Antrage an den Senat, ihn als König, als Bundsgenossen und Freund anzuerkennen, und das Bündniß, in welchem Rom mit seinem Vater Philipp gestanden hatte, zu erneuern. Den Römern war Perseus verdächtig und verhaßt, und die meisten zweifelten nicht daran, daß er den von Philipp seit so vielen Jahren nach geheimen Entwürfen vorbereiteten Krieg, sobald sich Gelegenheit fände und er selbst mit seinen Kräften völlig zufrieden sei, eröffnen werde. Allein um sich nicht den Schein zuzuziehen, als hätten sie den Ruhehaltenden und Friedliebenden gereizt, und selbst zum Kriege Veranlassung gegeben, bewilligten sie ihm seine Forderungen. Perseus, der nach dem Empfange dieser Antwort sich nun auf seinem Throne völlig bestätigt hielt, beschloß, sich auch bei den Griechen Anhang zu verschaffen. Um sich ihre Gewogenheit zu erwerben, berief er alle, welche Schulden halber, oder als gerichtlich Verurtheilte ins Ausland entwichen waren, oder als Majestätsverbrecher Macedonien geräumt hatten, sämtlich nach Macedonien zurück, und ließ auf der Insel Delos, und zu Delphi und im Tempel der Itonischen Minerva öffentlich seine Bekanntmachungen anschlagen, worin er ihnen, wenn sie zurückkämen, nicht bloß die Ungestraftheit bewilligte, sondern auch die Rückgabe aller ihrer Güter nebst deren Ertrage von jener Zeit an, wo jeder ausgewandert war. Ja er erließ auch denen, welche in Macedonien wohnten, jede Forderung der Strafcasse und gab allen, die wegen eines Majestätsverbrechens eingekerkert waren, die Freiheit. Dadurch erregte er Aufmerksamkeit bei Vielen, zog die Blicke von ganz Griechenland auf sich und erfüllte es mit großen 172 Erwartungen. Auch in seinem übrigen Äußeren behauptete er eine königliche Würde. Seine Bildung hatte Anstand, sein Körper zu Ausrichtung aller Geschäfte des Kriegs und Friedens Stärke und Geschicklichkeit, und seinem schon reifenden Alter angemessene Majestät ruhete auf seiner Stirn und in seinem Blicke. Von seines Vaters Ausschweifungen, von dessen ungezügeltem Hange zu Liebe und Wein hatte er nichts. Durch solche Eigenschaften empfahl Perseus den Anfang seiner Regierung, der aber keinen mit den ersten Thaten im Einklange bleibenden Ausgang haben sollte.]
(3.) [Ehe die Prätoren, welche durch das Los die beiden Spanien bekommen hatten, auf ihren Standplätzen eintrafen, hatten dort Postumius und Gracchus große Thaten verrichtet. Allein ein verzügliches Lob hatte Gracchus: denn da er in der Blüte der Jahre Alle, die mit ihm gleiches Alters waren, an Tapferkeit und Klugheit weit übertraf, so wurde er schon damals mit allgemeinem Rufe genannt und ließ auf die Zukunft noch mehr von sich erwarten. Zwanzigtausend Celtiberer belagerten Carabis, eine Bundesstadt der Römer. Gracchus eilte herbei, seinen Verbündeten zu helfen. Nur machte die Sorge ihn verlegen, durch welches Mittel er den Belagerten seinen Entschluß mittheilen sollte, da die Feinde die Stadt so enge eingeschlossen hielten, daß die Überkunft eines Boten kaum möglich zu machen schien. Die Kühnheit des Cominius führte dies schwere Geschäft aus. Er war Oberster eines Geschwaders der Reuterei. Nachdem er seinen Plan gehörig überdacht und dem Gracchus seine Absicht mitgetheilt hatte, mischte er sich, als gemeiner Spanier gekleidet, unter die feindlichen Futterholer. Mit diesen kam er ins Lager, eilte von hier im Laufe zur Stadt und meldete die Annäherung des Tiberius. Die Bürger, die durch diese Nachricht aus der äußersten Verzweiflung zur Thätigkeit und Kühnheit geweckt, sich zu einer tapfern Gegenwehr ermanneten, sahen sich schon am dritten Tage, als bei Ankunft des Gracchus die Feinde abzogen, entsetzt. Als die Barbaren nachher dem 173 Gracchus selbst eine Schlinge legten, wußte er mit einer durch Kunst erhöheten Kraft die Gefahr so zu vereiteln, daß die List die Erfinder selbst traf. In der Stadt Complega, welche kaum vor mehreren Jahren erbauet, aber durch ihre Mauern fest und durch schnellen Zuwachs emporgekommen war, hatten sich viele Spanier gesammelt, welche vorher, aus Mangel an Land, hie und da hatten umherirren müssen. Aus dieser Stadt kamen gegen zwanzigtausend Menschen im Aufzuge der Flehenden und mit dargereichten Ölzweigen heran, und blieben im Angesichte des Lagers stehen, als wollten sie um Frieden bitten. Bald aber fielen sie mit Wegwerfung alles dessen, was sie als Bittende einführte, unvermuthet die Römer an und erfüllten Alles mit Bestürzung und Getümmel. Mit weiser Entschließung ließ Gracchus in verstellter Flucht sein Lager im Stiche; und während sie dieses mit der Barbaren eigner Gier plünderten und mit der Beute sich belasteten, überfiel er sie bei seiner plötzlichen Rückkehr, als sie so etwas nicht im mindesten besorgten, hieb die meisten nieder und bemächtigte sich sogar der Stadt selbst. Einige erzählen die Sache anders. Als Gracchus von dem Mangel gehört habe, den die Feinde litten, habe er sein Lager, mit allerlei Esswaren reichlich versehen, preisgegeben: der Feind, der dies Alles erbeutete und sich unmäßig mit dem Vorgefundenen erfüllte und überlud, sei, ehe er sich dessen versah, von dem zurückgeführten Römischen Heere vernichtet.]
(4.) [Mag dies übrigens nur eine verschiedene Darstellung einer und derselben That sein, oder eine ganz andre Begebenheit, ein ganz andrer Sieg, so bezwang Gracchus wenigstens sehr viele Völker und das der Celtiberer völlig. Daß er dreihundert ihrer Städte erobert und zerstört habe, führt es gleich Polybius an, ein Schriftsteller von vorzüglichem Gewichte, so möchte ich dies doch nicht für gewiß behaupten, es müßten denn unter der Benennung Städte nur Thürme und Schanzen zu verstehen sein; eine Art der Unwahrheit, welche sich nicht allein die Feldherren selbst, sondern auch die Geschichtschreiber 174 zur Aufschmückung der Thaten zu erlauben pflegen. Wenigstens kann Spanien bei seinem trocknen und unangebauten Boden eine große Menge Städte nicht nähren. Auch widersprechen dem die Sitten der Spanier, die, wenn man die Anwohner unsres Meeres ausnimmt, wild und bäurisch sind; da hingegen durch das bürgerliche Zusammenwohnen in Städten die Sinnesart der Menschen sanfter zu werden pflegt. Was man aber auch in Rücksicht der Zahl und Art der Städte, die Gracchus eroberte, annehmen will – denn auch über die Anzahl sind die Schriftsteller nicht einig, und er soll nach diesen hundert und funfzig, nach andern hundert und drei erobert haben – so verrichtete er doch herrliche Thaten, und machte sich nicht allein durch sein Verdienst als Krieger berühmt, sondern zeigte sich auch den besiegten Völkern als Beschützer des Friedens und der Gesetze und als Schiedsrichter von Auszeichnung. An die Armen theilte er Ländereien aus, wies ihnen Wohnsitze an, und bekräftigte die für alle Völker jener Gegenden mit Genauigkeit verfaßten Gesetze, nach welchen sie als Roms Freunde und Verbündete leben sollten, durch gegenseitige Eidesleistung. Und mehrmals warfen sich die späteren Geschlechter in den nachher entstandenen Kriegen in den Schutz dieses Vertrages. Als Denkmal seiner Tapferkeit und seiner Verrichtungen bezeichnete man nach seinem Willen die Stadt Gracchuris, welche vorher Illurcis hieß, mit seinem Namen. Die Thaten des Postumius haben keinen so lauten Ruf, doch bezwang er die Vaccäer und Lusitanier und erlegte in den Kriegen mit diesen Völkern vierzigtausend Menschen. – Als sie Beide nach diesen Thaten ihren ankommenden Nachfolgern die Heere und die Provinzen übergeben hatten, gingen sie zum Triumphe ab. – In Gallien ergriff der Consul Manlius, dem dieser Standplatz zugefallen war, bei dem Mangel an Stoff zum Triumphe, die ihm vom Glücke gebotene Gelegenheit, einen Krieg mit den Istriern anzufangen, sehr begierig. Die Istrier hatten vormals den Ätolern im Kriege beigestanden und auch neulich sich in Bewegung gesetzt. Es 175 beherrschte sie damals König Apulo, ein Mann voll kecken Muthes: wie es hieß, hatte er seinem Volke,] welches sein Vater in Frieden beherrscht hatte, die Waffen gegeben, und war deswegen ein Liebling der jungen beutelustigen Krieger.
1. (5.) Als der Consul wegen des Feldzuges gegen die Istrier Kriegsrath hielt, stimmten Einige dafür, den Krieg sogleich zu unternehmen, ehe die Feinde ihre Truppen zusammenziehen könnten; Andre, vorher bei dem Senate anzufragen. Die Meinung derer, welche keinen Aufschub wollten, drang durch. Der Consul brach von Aquileja auf und lagerte sich am See Timavus. Dieser See ist in der Nähe des Meers. Hier fand sich auch mit zehn Schiffen der Zweiherr beim Seewesen Cajus Furius ein. Man hatte nämlich gegen die Flotte der Illyrier Zweiherren des Seewesens ernannt, welche mit zwanzig Schiffen zum Schutze des Obermeersqui tuendam]. – Ich folge der verbesserten Lesart: qui tuendae viginti navibus maris Superi orae Anconam veluti cardinem haberent. gleichsam ihren Wendepunkt zu Ancona haben sollten: von hier aus sollte Lucius Cornelius die Küste zur Rechten bis nach Tarent zu decken haben, Cajus Furius die zur Linken bis Aquileja. Diese Schiffe wurden in Begleitung von Lastschiffen und großer Zufuhr zum nächsten Hafen an die Istrische Gränze gesandt, und der Consul, der ihnen mit seinen Legionen nachzog, lagerte sich fast fünftausend Schritte vom Meere. Zur Einfuhr der Waren wurde im Hafen ein Platz angelegt, der bald sehr stark besucht wurde, und von hier aus wurde Alles ins Lager geschafft: damit auch dies um so viel sicherer geschehen könne, wurden auf allen Seiten des Lagers Posten ausgestellt; gegen IstrienIn Istriam versum praesidium stativum]. – Dieser von Drak. u. Crev. genehmigten bessern Lesart Gronovs bin ich gefolgt. Noch näher kommt, wie ich jetzt sehe, der alten Lesart in Istriam QVESVVM Herr Walch durch das von ihm vorgeschlagene in Istriam obversum. Auch nachher folge ich der älteren Lesart Catmelus, statt Carmelus. zu ein feststehendes Kohr; zwischen dem Meere und dem Lager wurde die Cohorte Placentinischer Nothtruppen aufgepflanzt, und damit sie zugleich am Flusse die 176 Wasserholer decken könnte, mußte der Oberste der zweiten Legion Marcus Äbutius mit zwei Haufen zu ihr stoßen. Die beiden Obersten Titus und Cajus, beide Älier, hatten mit der dritten Legion, um die Futterholungen zu decken, ihren Platz auf dem Wege genommen, der nach Aquileja führt. Auf eben dieser Seite, beinahe tausend Schritt weiter, stand das Lager der Gallier, mit nicht mehr als dreitausend Mann; welche Catmelus als Fürst befehligte.
2. (6.) Sobald das Römische Lager nach dem See Timavus aufgebrochen war, nahmen die Istrier eine verdeckte Stellung hinter einem Hügel: von hieraus folgten sie dem Zuge auf Querwegen, auf jede Gelegenheit aufmerksam; und von Allem, was man zu Lande und zu Wasser that, entging ihnen nichts. Als sie nun das Lager durch so schwache Posten geschützt sahen, und den WarenplatzForum, turba inermi frequens]. – So lesen Skaliger und Gronov mit Creviers und Drakenborchs Zustimmung., den nur der wehrlose Haufe der zwischen dem Lager und dem Meere Handel Treibenden besetzte, sowohl von der Land- als von der Seeseite ohne alle Verschanzung; so thaten sie einen Angriff auf zwei Posten zugleich, auf die Placentinische Cohorte und auf die Haufen von der zweiten Legion. Ein Morgennebel verdeckte die Unternehmung. Als dieser bei der ersten Sonnenwärme zerfloß, so zeigte das schon durchblickende, aber wie gewöhnlich noch ungewisse Tageslicht, das dem Auge den Schein aller Gestalten vervielfältigt, den Römern, auch jetzt nicht ohne Täuschung, die feindliche Linie in weit größerer Stärke, als sie wirklich hatte; und da die Soldaten von beiden Posten, hiedurch geschreckt, unter lautem Lärmen zum Lager flüchteten, so erregten sie hier einen noch weit größeren Schrecken, als sie selbst mitgebracht hatten. Sie waren nicht im Stande zu sagen, wovor sie geflohen waren, oder auf Erkundigungen Auskunft zu geben: in den Lagerthoren – denn hier stand ja kein Posten, der einen Angriff hätte aufhalten können – hörte man nur Geschrei; und das Zusammenlaufen der im 177 Dunkeln auf einander Stürzenden machte es ungewiß, ob nicht der Feind schon in der Verschanzung sei. Man hörte nur den Einen Ruf: «Nach dem Meere!» Dies zufällig von Einem ohne Überlegung ausgestoßene Geschrei tönte jetzt durch das ganze Lager. Also liefen anfangs nur wenige Bewaffnete, ein weit größerer Theil ohne Waffen, als hätten sie den Befehl, dem Meere zu; bald ihrer Mehrere, endlich fast Alle und der Consul selbst, weil bei seinen vergeblichen Bemühungen, die Fliehenden zurückzuhalten, sein Amtsbefehl, sein Ansehen, zuletzt selbst seine Bitten nichts vermochten. Ein Einziger blieb, Marcus Licinius Strabo, Oberster der dritten Legion, den an der Spitze von drei Haufen seine Legion im Stiche ließ. Nach einem Angriffe auf das leere Lager überfielen ihn die Istrier, da ihnen weiter niemand bewaffnet entgegentrat, als er auf dem Feldherrnplatze die Seinigen stellte und ihnen Muth einsprach. Der Kampf war hartnäckiger, als sich von der kleinen Schar der Widerstandleistenden erwarten ließ, und endete nicht eher, bis der Oberste und die sich um ihn Anschließenden gefallen waren. Als die Feinde das Hauptzelt niederrissen, und was dort war, geplündert hatten, kamen sie auf den Markt am Schatzmeisterzelte und auf die Gasse Quintana. Weil sie hier alle Vorräthe von Lebensmitteln zum Kaufe ausgestellt, und in dem Schatzmeisterzelte selbst die Tafelsessel schon überzogen fanden, so lagerte sich der Fürst zu Tische und fing zu schmausen. Eben so machten es die Übrigen alle, ohne an Waffen und Feinde zu denken; und da ihnen ein besseres Mahl etwas Ungewohntes war, so überluden sie sich mit Wein und Speise so viel gieriger.
3. (7.) Unterdessen hatten die Sachen bei den Römern eine ganz andre Gestalt. Auf dem Lande, auf dem Meere nichts als Bestürzung, Die Seeleute brachen ihre Zelte ab und rafften ihre am Ufer ausgestellten Vorräthe wieder in die Schiffe. Die Soldaten eilten vor Schrecken in die Kähne und auf das Meer. Die Seeleute aus Besorgniß, die Schiffe möchten zu voll werden, wehrten hier dem Haufen, dort stießen sie mit den Schiffen vom Ufer ab, 178 um die See zu gewinnen. Darüber kam es zwischen den Soldaten und Seeleuten zum Streite, bald sogar zum Gefechte, nicht ohne Wunden und Leichen von beiden Seiten, bis auf des Consuls Befehl die Flotte weiter vom Lande abfuhr. Nun fing er an, die Unbewaffneten von den Bewaffneten zu sondern. Bei einer so großen Menge fanden sich kaum zwölfhundert mit Waffen; nur sehr wenige Reuter, die ihr Pferd mitgebracht hatten. Die Übrigen bildeten einen kläglichen Schwarm, wie von Marketendern und Holzknechten, der in der That des Feindes Beute werden mußte, wenn dieser auf einen Angriff gedacht hätte. Nun endlich ging ein Bote ab, die dritte Legion und das Kohr Gallier wieder herzurufen, und zugleich kam Alles von allen Seiten zurück, um das Lager wieder zu erobern und den Schimpf wieder gut zu machen. Die Obersten der dritten Legion geboten ihr, die Futterbündel und alles Holz abzuwerfen: den Hauptleuten befahlen sie, von den bejahrteren Soldaten immer zwei auf die einzelnen Lastthiere zu setzen, von denen man das Gepäck heruntergeworfen hatte. Jeder Ritter sollte Einen von dem jüngeren Fußvolke zu sich aufs Pferd nehmen. «Die Legion werde sich einen ausgezeichneten Ruhm erwerben, wenn sie durch ihre Tapferkeit das Lager wieder gewönne, das man durch die Feigheit der zweiten Legion eingebüßt habe. Und die Wiedereroberung sei leicht, wenn man die mit ihrer Beute beschäftigten Barbaren schnell überrasche. So wie diese es gewonnen hätten, könne es wiedergewonnen werden.» Die Soldaten hörten auf diese Ermunterung mit großer Lebhaftigkeit. Auf den Ruf brachen sie mit den Fahnen auf, und blieben unter ihren Waffen dem Fahnenträger nicht nach: doch trafen der Consul und die Truppen, die vom Meere zurückgeholt wurden, vor dem Walle zuerst ein. Der erste Oberste der zweiten Legion, Lucius Atius, ermunterte die Soldaten nicht allein, sondern bewies ihnen auch: «Wenn die Istrier Willens wären, das mit den Waffen eroberte Lager eben so mit den Waffen zu behaupten, so würden sie zuerst den aus seinem Lager getriebenen Feind bis 179 an das Meer verfolgt, und dann wenigstens vor ihrem Walle Posten ausgestellt haben. Wahrscheinlich lägen sie in tiefem Rausche und Schlafe.»
4. (8.) Mit diesen Worten befahl er einem seiner Fahnenträger, Aulus Bäculonius, einem Manne von bekannter Tapferkeit, mit der Fahne einzudringen. Dieser antwortete, wenn sie ihm als einem Einzigen folgen wollten, so wolle er schon machenfacturum dixit]. – Es liegt, wenn ich nicht irre, in der Manier des seiner Sache so gewissen Kriegers, lieber errathen zu lassen, was er thun will – und nachher zeigt es sich in den Worten: quum trans vallum signum traiecisset, primus omnium portam intravit, worin sein Vorsatz bestanden hatte – als seinem Vorhaben durch das herausplatzende se iacturum die ganze Überraschung zu benehmen. Aus dieser Rücksicht nehme ich die alte Lesart facturum gegen Gronovs iacturum in Schutz. Ich verstehe die Stelle so: Quum iuberetur signum inferre, si se unum sequerentur (i. e. in castra irrumpentem) iam se facturum esse dixit, ut id (signum castris inferri) eo celerius fieret., daß das so viel geschwinder gehen solle. Dann holte er zum Wurfe aus, schleuderte die Fahne über den Wall hinein, und drang Allen voran in das Thor. Auf der andern Seite kamen die beiden Älier, Titus und Cajus, Obersten der dritten Legion, mit der Reuterei heran. Sogleich folgten auch jene, die man parweise auf die Packpferde gesetzt hatte, und der Consul mit dem ganzen Zuge. Bei den Istriern dachten nur wenige, die mäßigeren Trinker, ans Fliehen; bei den Andern reihete sich der Tod an den Schlaf; und die Römer bekamen alles Ihrige unversehrt wieder, außer was an Wein und Speise verzehrt war. Auch die kranken Soldaten, die man im Lager zurückgelassen hatte, ergriffen, sobald sie die Ihrigen im Lager gewahr wurden, die Waffen und richteten ein großes Gemetzel an. Vor allen that der Ritter Cajus Popilius ausgezeichnete Dienste. Er hatte den Zunamen Sabellus. Wegen seiner Wunde am Fuße war er zurückgelassen, und tödtete bei weitem die meisten Feinde. Gegen achttausend Istrier wurden erschlagen, keiner zum Gefangenen gemacht, weil Erbitterung und Unwille an keine Beute denken ließ. Doch entkam der berauschte König der Istrier, geschwind von den Seinigen auf ein Pferd geworfen, durch seine Flucht vom Schmause. 180 Von den Siegern fielen zweihundert siebenunddreißig Gemeine, mehr auf der Flucht am Morgen, als bei Wiedereroberung des Lagers.
5. (9.) Zufällig traf es sich so, daß die beiden Gavillius, Cneus und Lucius, neue Pflanzbürger von Aquileja, die mit Zufuhr ankamen, und von nichts wußten, beinahe in das von den Istriern eroberte Lager gerathen wären. Als diese mit Einbuße ihrer Fuhren nach Aquileja zurückgeflohen kamen, erfüllten sie Alles mit Schrecken und Bestürzung, nicht bloß zu Aquileja, sondern auch einige Tage später zu Rom; weil hier nicht bloß von der feindlichen Eroberung des Lagers, nicht bloß von der Flucht der Römer Nachricht kam; – dies war beides wahr; – sondern, es sei Alles verloren und das ganze Heer aufgerieben. So wurden denn, wie gewöhnlich bei überraschender Kriegsgefahr, außerordentliche Werbungen nicht bloß in der Stadt, sondern in ganz Italien angesagt. Man hob zwei Legionen Römischer Bürger aus und ließ das verbündete Latium zehntausend Mann Fußvolk nebst fünfhundert Rittern aufbringen. Der Consul Marcus Junius erhielt Befehl, nach Gallien überzugehen und von den Städten dieser Provinz so viele Truppen einzutreiben, als jede stellen könnte. Zugleich wurde beschlossen, der Prätor Tiberius Claudius sollte den Soldaten der vierten Legion und fünftausend verbündeten Latinern nebst zweihundert funfzig Rittern bekannt machen, daß sie sich zu Pisä einzufinden hätten, und diesen Standplatz so lange besorgen, als der Consul von dort abwesend sei. Der Prätor Marcus Titinius sollte die erste Legion und eben so viel Bundsgenossen zu Fuß und zu Pferde sich zu Ariminum sammeln lassen. Nun ging Nero im Aufzuge eines Feldherrn auf den Standplatz zu Pisä ab. Titinius schickte den Obersten Cajus Cassius nach Ariminum, der Legion vorzustehen und hielt zu Rom Werbung. Der Consul Marcus Junius, der aus Ligurien in die Provinz Gallien überging, und sogleich Hülfstruppen in den Gallischen Städten und in den Pflanzstädten Soldaten forderte, kam zu Aquileja an. Hier erfuhr er, das Heer sei in gutem 181 Stande, schrieb nach Rom, man möge nicht unruhig sein, erließ den Galliern die eingeforderten Hülfstruppen und zog zu seinem Amtsgenossen. Zu Rom war die Freude groß und unerwartet: die Werbung unterblieb; die schon zur Fahne geschworen hatten, wurden verabschiedet, und das Heer, das zu Ariminum von der Seuche angesteckt war, nach Hause entlassen. Als die Istrier, die mit einem großen Heere nicht weit vom Lager des Consuls in ihrem Lager standen, die Ankunft des andern Consuls mit einem neuen Heere erfuhren, verliefen sie sich nach allen Seiten in ihre Städte. Die Consuln führten die Legionen nach Aquileja zurück in die Winterquartiere.
6. (10.) Als endlich der durch die Istrier veranlassete Aufstand gestillet war, wurde ein Senatsschluß ausgefertigt, die Consuln möchten sich darüber vergleichen, wer von beiden zur Besorgung des Wahlgeschäfts nach Rom zurückkommen solle. Da die Bürgertribunen Aulus Licinius Nerva und Cajus Papirius Turdus den abwesenden Manlius in ihren Volksreden mit Schmähungen überhäuften und den Vorschlag thaten, Manlius müsse den Oberbefehl – denn schon waren den Consuln ihre Standplätze auf ein Jahr verlängert – nicht länger als bis zum funfzehnten März behalten, damit er sich sogleich nach seinem Abgange vom Amte zur Verantwortung stellen könne, so that ihr Amtsgenoß Quintus Älius gegen diesen Vorschlag Einsage und bewirkte, nicht ohne heftige Streitigkeiten, daß er nicht durchging. Als in diesen Tagen Tiberius Sempronius Gracchus und Lucius Postumius Albinus aus Spanien nach Rom zurückkamen, stellte sie der Prätor Marcus Titinius im Tempel der Bellona dem Senate vor, um ihre Verrichtungen aus einander zu setzen und auf die verdienten Ehrenbezeigungen anzutragen, damit den unsterblichen Göttern der Dank dargebracht würde. Zu gleicher Zeit erfuhr man aus einem Schreiben des Prätors Titus Äbutius, welches sein Sohn dem Senate überbrachte, daß auch in Sardinien ein großer Aufstand sei. Die Ilienser, von den Balarern durch Hülfstruppen verstärkt, hatten die dortige Provinz in ihrer Ruhe 182 angegriffen; und mit einem schwachen, großentheils von der Seuche aufgeriebenen Heere hatte man ihnen nicht widerstehen können. Dasselbe meldeten auch Gesandte von den Sardiniern, mit der Bitte, der Senat möge wenigstens ihren Städten Hülfe leisten; denn die Dörfer ständen schon nicht mehr zu retten. Dies Gesuch und Alles, was Sardinien betraf, wurde für die neuen Obrigkeiten zurückgesetzt. Eine Gesandschaft der Lycier nahm das Mitleiden in gleichen Anspruch. Sie klagten über die Grausamkeit der Rhodier, denen sie vom Lucius Cornelius Scipio zugetheilt waren. «Sonst hätten sie unter der Hoheit des Antiochus gestanden. Diese Dienstbarkeit unter einem Könige, verglichen mit ihrer gegenwärtigen Lage, erscheine ihnen als eine ehrenvolle Freiheit. Sie würden nicht bloß im Allgemeinen von der Regierung gedrückt, sondern jeder Einzelne leide völlige Sklaverei. So wie sie, würden auch ihre Weiber und Kinder gequält: sie würden persönlich, auf ihrem Rücken gemishandelt: was das Ärgerlichste sei, ihr guter Name werde befleckt und entehrt: ganz offenbar begehe man die empörendsten Dinge, sogar um sich nur das Recht herauszunehmen, und sie nicht darüber in Ungewißheit zu lassen, daß zwischen ihnen und um Geld gekauften Leibeignen kein Unterschied Statt finde.» Hiedurch bewogen gab der Senat den Lyciern dieses Schreiben an die Rhodier mit: «Es sei nicht die Meinung, daß die Lycier den Rhodiern oder überhaupt Freigeborne an irgend jemand zur Sklaverei gegeben würden. Die Lycier ständen so zugleich unter der Oberherrschaft und Vormundschaft der Rhodier, daß beide unter Römischer Hoheit verbündete Staten blieben.»
7. (11.) Nun schlossen sich zwei Triumphe an einander, beide über Spanien. Zuerst triumphirte Sempronius Gracchus über die Celtiberer und ihre Bundesgenossen; am folgenden Tage Lucius Postumius über die Lusitanier und andre Spanische Völker jener Gegend. Vierzigtausend1,250,000 Gulden Conv. M. Pfund Silber führte Tiberius Gracchus als Beute 183 ein, zwanzigtausend625,000 Gulden. Albinus. Jedem Soldaten gaben sie zu seinem Antheile fünfundzwanzig4 Thaler 4 Ggr. Denare, dem Hauptmanne das Doppelte, dem Ritter das Dreifache, und eben so viel, als sie ihren Römern gaben, auch den Bundesgenossen. Es traf sich so, daß in diesen Tagen der Consul Marcus Junius aus Istrien zum Wahltage nach Rom kam. Nachdem ihn die Bürgertribunen Papirius und Licinius mit ihren Fragen über die Vorfälle in Istrien lange genug im Senate geplagt hatten, führten sie ihn auch dem Volke vor. Als der Consul auf die Fragen die Erklärung gab: «Er sei in jener Gegend des Krieges nicht über elf Tage gewesen; und was in seiner Abwesenheit vorgefallen sei, das habe auch er, so wie sie, nur durch das Gerücht erfahren;» so kamen sie nun auf die weiteren Fragen: «Warum denn nicht statt seiner Aulus Manlius nach Rom gekommen sei, um dem Römischen Volke Rechenschaft darüber geben zu können, daß er aus Gallien, diesem durch das Los ihm bestimmten Standplatze, nach Istrien hinübergegangen sei? Wann der Senat diesen Krieg beschlossen habe? Wann das Römische Volk diesen Kriegquando id bellum populus]. – Crevier sagt: Male profecto iteratur id bellum. Tolle ingratam repetitionem. Ich aber gestehe, daß mir gerade in dieser Wiederholung etwas zu liegen scheint. (Man vergleiche Cap. 24, 6.) Hätte sich Manlius einen schnellen Streifzug erlaubt, so würde seine Partei in Rom leicht einen Vorwand gefunden haben, diesen zu entschuldigen. Da er aber einen förmlichen Krieg daraus macht, so kann sein Ankläger die Worte quando id bellum nicht dringend genug wiederholen. genehmigt habe? Aber bei Gott! könne man vielleicht sagen, der Krieg wurde freilich nur nach eignem Gutbefinden unternommen, allein mit Klugheit und Tapferkeit geführt. – Wahrhaftig, es lasse sich nicht entscheiden, ob er unrechtmäßiger angefangen, oder unbesonnener geführt sei. Zwei Posten wären durch Überfall von den Istriern zu Grunde gerichtet, das Römische Lager verloren gegangen, und Alles, was sich an Fußvolk, an Reuterei, im Lager befunden habe. Die Übrigen wären waffenlos und in vollem Laufe, vor allen 184 Andern der Consul selbst, zum Meere und zu den Schiffen geflohen. Er solle noch als Privatmann, weil er es als Consul nicht habe thun wollen, hierüber Rechenschaft geben.»
8. (12.) Nun wurden die Wahlversammlungen gehalten. Zu Consuln wurden gewählt Cajus Claudius Pulcher, Tiberius Sempronius Gracchus; und die am folgenden Tage ernannten Prätoren waren Publius Älius Tubero zum zweitenmale, Cajus Quinctius Flamininus, Cajus Numisius, Cajus Mummius, Cneus Cornelius Scipio, Cajus Valerius Lävinus. Den Tubero traf die Rechtspflege in der Stadt, den Quinctius die über die Fremden, den Numisius Sicilien, den Mummius Sardinien; – doch hieraus machte man des größeren Krieges wegen einen Standplatz für einen Consul –:Gracchus eam sortitur, Istriam Claudius]. – Nur in der Note mögen diese fünf Worte (Ihn erlosete Gracchus, Claudius Istrien) stehen bleiben. Denn nach Drakenb. wurden sie nur als Erläuterung aus Cap. 9. hieher an den Rand gesetzt und von einem spätern Abschreiber in den Text genommen. Überhaupt scheint dies Capitel sehr gelitten zu haben. Scipio und Lävinus erloseten Gallien, das in zwei Provinzen vertheilt wurde.
Am funfzehnten März, an welchem Tage Sempronius und Claudius ihr Consulat antraten. war im Senatementio tantum de prov.]. – Ich wünschte, diese ganze Stelle so lesen zu dürfen: mentio tantum de provinciis Sardinia Istriaque et utriusque hostibus in senatu fuit. Postero die cum legatis Sardorum, qui ad novos magistratus dilati erant, L. Minucius Thermus, qui legatus Manlii consulis in Istria fuerat, in senatum venit. Ab his edoctus est senatus, quantum belli eae provinciae haber ent et qui in his provinciis bellum concivissent. Moverunt senatum etc. Ich setze die Worte in senatu deswegen hinzu, weil sie zu mentio fuit gehören, wenigstens dabei verstanden werden müssen. Standen sie aber wirklich da, wie man doch erwarten könnte, so sieht man leichter ein, wie wegen des öfteren in senatu fuit, in senatum venit, edoctus est senatus, moverunt senatum der Abschreiber irre wurde, und die Worte qui in his provinciis bellum concivissent versetzte. Er hängte sie an das unrechte in senatu fuit. Crevier will sie als hier unpaßlich, wenigstens unnöthig, ganz wegstreichen. Ich schlage nur die Versetzung vor. Gehören sie, wie ich vermuthe, zu edoctus est senatus, quantum belli eae provinciae haberent, und war die Endigung des letzten Wortes ēt geschrieben, so daß darum ein et ausfiel, so bezogen sich hierauf die Worte am Ende des elften Cap.: auctores belli virgis caesi et securi percussi. Die Änderung des Worts legati in cum legatis schlage ich nicht deswegen vor, weil legati und nachher der Singular venit nicht zusammengehören könnten. Dies haben Drak. und Crev. (nicht an unserer Stelle allein) bewiesen. Sondern weil (außer dieser angefochtenen Verbindung) das et vor L. Minucius fehlt; und Duker sagt: copula et omissa ingratam ac duam reddit orationem. Noch mehr aber, als beide Gründe, bestimmt mich die Wahrscheinlichkeit, daß in den Worten die c legatissardorum das c (cum) wegen des voraufgehenden e in die, und das s in legatis wegen des folgenden s in Sardorum wegfielen, so daß dem Abschreiber nur die legati Sardorum übrig blieb. 185 nur von den Standorten beider, von Sardinien und Istrien, und ihren Feinden die Rede. Am folgenden Tage erschien mit den Sardinischen Gesandten, welche man auf die neuen Obrigkeiten vertröstet hatte, Lucius Minucius Thermus, der gewesene Unterfeldherr des Consuls Manlius in Istrien, vor dem Senate. Sie zusammen belehrten den Senat über die Größe des Krieges in diesen Provinzen und über die Ruhestörer, die den Krieg in diesen Provinzen bewirkt hatten. Eben so erregten mehrere Gesandschaften der verbündeten Latiner, die mit ihren Klagen sowohl den Censorn als den vorigen Consuln lästig fielen, als sie endlich dem Senate vorgestellt wurden, dessen Aufmerksamkeit. Der Hauptpunkt ihrer Klage war der: «Ihre in Rom geschatzten Bürger wären meistentheils nach Rom gezogen. Wenn dies erlaubt sei, so würde es nach einigen Schatzungen dahin kommen, daß ihre verlassenen Städte, ihre verlassenen Dörfer, nicht Einen Soldaten stellen könnten.» Auch klagten die Samniten und Peligner, es wären viertausend Familien von ihnen nach Fregellä hinübergezogen, und dessen ungeachtet werde ihnen, den Einen so wenig als den Andern, an ihrer zu stellenden Mannschaft das Mindeste erlassen. Aus einer Bürgerschaft einzeln in die andre übergehen zu können, hatte man zweierlei Arten des Betruges eingeführt. Ein Gesetz gestattete den Bundesgenossen und Latinern, wenn sie einen leiblichen Erben in ihrer Heimat zurückließen, Römische Bürger zu werden. Durch unerlaubte Anwendung dieses Gesetzes schadeten Einige den Bundesgenossen, Andre dem Römischen Volke. Die Einen, um keinen Erben in der Heimat zurückzulassen, gaben ihre Kinder dem ersten dem besten Römer unter der Bedingung zu Leibeignen hin, daß sie freigelassen würden und dann freigelassene Bürger wären: die Andern, denen es an Erben 186 fehlte, welche sie hätten zurücklassen können, [nahmenrelinquerent, ut cives Romani fiebant.]. – Ich folge nicht nur nachher in der Erklärung des suum faceret und alienaret, sondern auch hier in der Ergänzung dieser Lücke, welcher letztern auch Crevier schon auf die Spur kam, Herrn Walch, und glaube, wenn uns Livius über die Sache so bestimmt und deutlich belehren wollte, als wir es uns wünschen mußten, so könnte er kaum anders schreiben, als Hr. W. ihn schreiben lässet, nämlich: Et quibus stirps deesset, quam relinquerent, ii simulatis adoptionibus liberorum, quos tamquam ex sese natos in coloniis relinquerent, cives Romani fiebant. Was außer dem ganzen gebietenden Zusammenhange die Auslassung wahrscheinlich macht, ist das doppelte relinquerent, und sie wird dadurch noch wahrscheinlicher, daß wir sehen, der Abschreiber fand noch von dem zweiten relinquerent die beiden letzten Buchstaben nt, die er in ut verwandelte, woraus unser ut vor cives R. fiebant entstand. zum Scheine Kinder an, um sie gleichsam als ihre leiblichen Erben in den Pflanzstädten zu hinterlassen und] wurden so Römische Bürger. Ja nachher gingen sie, selbst ohne Gebrauch von diesen Scheingründen des Rechts zu machen, ohne Unterschied, dem Gesetze zuwider und ohne Erben, vermittelst der Auswanderung und Schatzung in die Römische Bürgerschaft über. Die Gesandten baten um Abstellung dessen auf die Zukunft, und um den Befehl, daß die Bundesgenossen in ihre Städte zurückgehen sollten: auch darum, durch ein Gesetz zu bestimmen, «daß niemand, um in eine andre Bürgerschaft überzugehen, einen Sohn annehmen oder in die Leibeigenschaft geben dürfe, und daß, wer auf diese Art Römischer Bürger geworden sei, [keinsi quis ita civis R. factus esset . . .]. – Diese kleine Lücke auszufüllen, schlägt Crevier vor: civis ne esset; Hr. Walch: ne is esset. Mir scheint es, weil ctus in factus esset mit ciuis esset so viele Ähnlichkeit hat, daß die Abschreiber eben darum die Worte ne civis esset ausließen. Bürger sein solle.]» Dies wurde ihnen vom Senate bewilligt.
9. (13.) Zu Amtsplätzen, welche zugleich Kriegsposten waren, wurden Sardinien und Istrien bestimmt. Für Sardinien sollten zwei Legionen geworben werden, jede zu fünftausend zweihundert Mann zu Fuß und zweihundert Rittern; auch zwölftausend Mann Bundestruppen und Latiner zu Fuß, nebst sechshundert Ritter; ferner sollte der Consul zehn Fünfruderer in See nehmen,naves si deducere]. – Jak. Gronovs Vorschlag, dieser verstümmelten Stelle zu helfen, ist, meiner Meinung nach, der leichteste. Doch setze ich noch das Wort consul hinein, das vielleicht hinter naves stand, und wegen der Endung ves, welcher cos ähnlich war, bis auf die in si übriggebliebene Spur, ausfiel. Ich lese so: naves consul deduceret ex navalibus, quibus vellet. aus 187 welchem Hafen er wolle. Für Istrien wurde eben so viel Fußvolk und Reuterei bestimmt, als für Sardinien. Auch erhielten die Consuln Befehl, eine Legion mit dreihundert Rittern und fünftausend Mann Bundsgenossen zu Fuß nebst zweihundert funfzig Rittern nach Spanien zum Marcus Titinius abgehen zu lassen. Ehe die Consuln um ihre Standplätze loseten, liefen die Meldungen der Schreckzeichen ein. Im Crustuminischen Gebiete sollte in den See des Mars ein Stein vom Himmel gefallen, im Römischen ein verstümmelter Knabe zur Welt gekommen und eine vierfüßige Schlange gesehen sein. Auf dem Markte zu Capua habe der Blitz in mehrere Häuser geschlagen und zu Puteoli ein Wetterstrahl zwei Schiffe verbrannt. Selbst während dieser Meldungen lief zu Rom bei hellem Tage ein gejagter Wolf in das Collinische Thor und mit großem Getümmel verfolgt entkam er aus dem Esquilinischen. Dieser Schreckzeichen wegen brachten die Consuln den Göttern große Opferthiere dar und an allen Altären wurde eine eintägige Betandacht gehalten. Als sie die Opfer glücklich vollzogen hatten, loseten sie um ihre Standplätze. Den Claudius traf Istrien, den Sempronius Sardinien. Darauf brachte Cajus Claudius nach einem Senatsschlusse folgende Verordnung über die Bundsgenossen an das Volk und machte bekannt: «Bundsgenossen und Latiner, möchten sie selbst oder ihre Väteripsi maioresve]. – Vor 13 Jahren, i. J. 563, waren diese Censorn geworden. B. 37. C. 58. von den Censoren Marcus Claudius, Titus Quinctius oder nachher bei den verbündeten Latinern geschatzt sein, sollten alle vor dem ersten November jeder in seine Stadt zurückkehren.» Die Untersuchung über diejenigen, die hiernach nicht zurückkehrten, wurde dem Prätor Lucius Mummius zuerkannt. Dem Gesetze und der Bekanntmachung des Consuls wurde der Senatsschluß beigefügt: «Wer bei Einem 188 von denen, welche alsdannut, dictator etc.]. – Ich folge hier dem von Drakenb. gebilligten Texte Creviers: ut, dictator, consul, interrex, censor, praetor, qui tunc esset, apud eorum quem qui manu mitteretur, in libertatem vindicaretur, uti ius iurandum daret, qui eum manu mitteret, civitatis mutandae caussa manu non mittere. Mit Drakenb. habe ich aber hinter das erste ut das nicht unnöthige Komma gesetzt, weil der Zusammenhang eigentlich dieser ist: ut is, qui apud aliquem eorum, qui tunc dictator, consul etc. esset, manu mitteretur. Auch habe ich das ut vor ius iurandum in ut i verwandelt, wie es Livius bei Wiederholung des ut so oft beibehält; und hier folgte auf ut ein i. VIII. 6. 14. ut, si quando unquam – – – – tunc uti disciplina etc. XXII. 11, 4. ut, quibus oppida – – –, uti in loca tuta commigrarent. die Stelle eines Dictators, Consuls, Zwischenkönigs, Censors oder Prätors bekleideten, entlassen oder in Freiheit gesetzt werde, der solle den Eid leisten, daß sein Freilasser bei dieser Entlassung nicht die Absicht habe, sich in eine andre Bürgerschaft zu begeben.» Man erklärte, wer dies nicht schwüre, sollte nicht freigelassen werden können. Nachher wurde diese Sache und ihre gerichtliche Entscheidung dem Consul Cajus Claudius übertragen.