Titus Livius
Römische Geschichte
Titus Livius

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317 Zehntes Buch.

1. Unter den Consuln Lucius Genucius und Servius Cornelius hatte man fast von allen auswärtigen Kriegen Ruhe. Nach Sora und Alba wurden Pflanzungen ausgeführt. In das Äquerland, für Alba, wurden sechstausend Anbauer auf das Verzeichniß gesetzt. Sora hatte zum Volskischen gehört; allein die Samniten hatten es im Besitze gehabt. Hieher schickte man viertausend Menschen. In eben dem Jahre wurde den Einwohnern von Arpinum und Trebula das Bürgerrecht ertheilt. Die von Frusino mußten zur Strafe ein Drittel ihres Gebietes abtreten, weil man erfahren hatte, daß die Herniker von ihnen aufgewiegelt würden; und die Häupter dieser Verschwörung wurden, nach einer von den Consuln auf Befehl des Senats angestellten Untersuchung, mit Ruthen gepeitscht und mit dem Beile enthauptet.

Um indeß die Römer nicht das ganze Jahr ohne Krieg hinbringen zu lassen, mußte sich eine kleine Unternehmung in Umbrien finden, weil die Nachricht einlief, daß dort Bewaffnete aus einer Höhle Streifereien im Lande machten. Man drang in Schlachtordnung in diese Höhle ein, und sah sich hier im Dunkeln vielen Wunden ausgesetzt, hauptsächlich durch Steinwürfe, bis man, da die Höhle den Durchgang gestattete, die andre Öffnung fand, und beide Mündungen durch davor gebrachte Holzhaufen in Feuer setzte. An zweitausend Bewaffnete, die zuletzt, bei dem Versuche zu entkommen, selbst in die Flammen rannten, kamen so inwendig durch Rauch und Dampf ums Leben.

Unter den Consuln Livius Denter und Ämilius – beide mit dem Vornamen Marcus – ging der Krieg mit den Äquern wieder an. Da sie, aus Verdruß über die 318 gleich einer Zwingburg in ihrem Gebiete angelegte Pflanz-Stadt, diese mit aller Macht zu erstürmen gesucht hatten, waren sie von den Pflanzern selbst zurückgeschlagen. Weil es indeß kaum glaublich war, daß die so sehr geschwächten Äquer für sich allein zum Kriege aufgestanden sein sollten, so bewirkten sie zu Rom einen so großen Schrecken, daß man dieses plötzlichen Krieges wegen einen Dictator ernannte, den Cajus Junius Bubulcus. Dieser brach mit dem Magister Equitum Marcus Titinius auf; besiegte die Äquer im ersten Zusammentreffen, kehrte den achten Tag nachher triumphirend in die Stadt zurück, und gab dem Tempel der Salus, den er als Consul ihr verheißen, als Censor in Verding gegeben hatte, als Dictator die Weihe.

2. In diesem Jahre eroberte eine Griechische Flotte, die unter Anführung des Lacedämoniers Cleonymus an Italiens Küsten landete, die Stadt Thuriä im Sallentinischen. Der gegen ihn ausgeschickte Consul Ämilius jagte den in Einer Schlacht besiegten Feind auf seine Schiffe zurück. Thuriä wurde seinen alten Bewohnern wieder eingeräumt, und im Sallentinischen der Friede hergestellt. In einigen Jahrbüchern finde ich, der Dictator Junius Bubulcus sei in das Sallentinische geschickt, und Cleonymus habe, ehe er noch nöthig gehabt, mit den Römern zu schlagen, Italien geräumt. Als er hierauf um Brundusium's Vorgebirge herumgefahren war, und ihn die Winde mitten durch den Hadriatischen Meerbusen führten, kam er am Ende desselben, weil ihn zur Linken die hafenlosen Küsten Italiens, zur Rechten die Illyrier, Liburner und Istrer abschreckten, lauter wilde und großentheils ihrer Seeräubereien wegen verrufene Völker, an die Küste der Veneter. Nachdem er hier einige seiner Leute ausgesetzt hatte, um die Gegend auszukundschaften, so ließ er auf ihre Aussage, daß hier dem Meere nur ein schmaler Uferstrich vorgebreitet sei; daß man, wenn man über diesen hinaus sei, Sumpfe hinter sichDas Wort sint hinter ab tergo verwerfen Gronov und Drakenborch mit Recht, weil es gegen die Lateinische Construction ist. Aus letztem führe ich noch, als kritischen Beweis, an, daß mehrere Handschriften statt dieses sint den Indicativ sunt haben, und in einer andern sint vor die Worte a tergo gesezt ist. Schon diese Ungewißheit der Stellung macht es als einen Zusatz der Abschreiber verdächtig. habe, die von der 319 Meeresflut bewässert würden; daß man von da die Aussicht über das Land in der Nähe habe, zunächst über Gefilde, weiter hin auf Hügel; dann komme man an die Mündung eines sehr tiefen Stroms, wo sie auch Schiffe zu einem sichern Standplatze hätten einbeugen sehen – dies war der Strom Meduacus – seine Flotte hier hineinlaufen und stromaufwärts gehen. Doch die schwersten Schiffe trug der Strom nicht bis dahin. Der größte Theil seiner Bewaffneten, der auf leichtere Fahrzeuge überging, kam in eine volkreiche Gegend, wo drei Seebezirke der Pataviner die Küste bewohnten. Da sie hier, nach zurückgelassener schwacher Bedeckung für die Schiffe, an das Land gegangen waren, erstürmten sie die Dörfer, zündeten die Häuser an, machten Beute an Menschen und Vieh, und entfernten sich über das Vergnügen zu plündern immer weiter von ihren Fahrzeugen. Als dies die Einwohner Patavium's erfuhren, theilten sie ihre Mannschaft – denn die Nachbarschaft der Gallier hielt sie beständig unter den Waffen – in zwei Theile. Der eine zog in die Gegend, aus welcher die zügellose Plünderung gemeldet wurde; der andre, um den Plünderern nicht zu begegnen, auf einem andern Wege nach dem Standplatze der Schiffe: er war vierzehntausend Schritte von der Stadt, Nach Erlegung der Wachen fielen sie auf die kleinen Schiffe, und vor Schrecken sahen sich die Schiffssoldaten genöthigt, mit ihren Schiffen an das andre Ufer des Stroms hinüberzufahren. Zu Lande hatte der Kampf gegen die zerstreuten Plünderer gleiches Glück; und als die Griechen zu ihrem Standplatze zurückfliehen wollten, versperrten ihnen die Veneter den Weg. So wurden die in die Mitte genommenen Feinde umzingelt und niedergehauen, und die Gefangenen sagten aus, daß ihre Flotte und ihr König Cleonymus dreitausend Schritte von hier stehe. Die Veneter also, die 320 ihre Gefangenen im nächsten Dorfe in Verwahrung geben, bemanneten theils ihre Flußschiffe, denen man zur Überfahrt über die seichten Stellen der Sümpfe den erforderlichen flachen Boden gegeben hatte, theils auch die erbeuteten Fahrzeuge, steuerten auf die Flotte zu und griffen die unbeweglichen Schiffe, denen die Unbekanntschaft mit der Tiefe noch furchtbarer war, als der Feind, von allen Seiten an; und da sie die ernstlicher auf die Flucht ins hohe Meer, als auf Gegenwehr bedachten Feinde bis an die Mündung des Stroms verfolgt hatten, kehrten sie siegreich wieder um, nachdem sie einige feindliche Schiffe, welche die Eilfertigkeit auf Untiefen gerathen ließ, erobert und verbrannt hatten. Cleonymus, von dessen Flotte kaum der fünfte Theil noch brauchbar war, zog ab, ohne irgend wo im Hadriatischen Meere mit Glück gelandet zu haben. Es sind ihrer noch Viele am Leben, welche zu Patavium im ehemaligen Tempel der Juno die aufgehängten Schiffschnabel nebst der übrigen Lacedämonischen Beute gesehen habenIch habe mich nicht enthalten können, hier von der gewöhnlichen Interpunction abzugehen. Ich setze das Punctum hinter das Wort Patavii, so daß die Worte supersunt, qui viderunt Patavii zusammengehören. Läßt man die folgende Periode mit Patavii anfangen, so scheint es, als sollte hier von einer andern Stadt geredet werden, als von welcher in der vorigen die Rede war. Auch gehörte doch wohl zur Angabe des Junonstempels die Angabe der Stadt, wo er gestanden hatte, in die erste Periode. Dagegen ist im letzten Punctum der Name unnöthig, weil er hier durch das Wort oppidi ersetzt wird.. Das Andenken an jenes Gefecht zu Wasser wird noch jährlich am Tage der Schlacht, durch einen feierlichen Schiffskampf auf dem Flusse, der mitten durch die Stadt fließt, erneuert.

3. Auch wurde in diesem Jahre zu Rom mit den Vestinern, welche um Freundschaft baten, ein Bündniß geschlossen. Darauf kündigten sich vielfache Schrecken an. Es wurde gemeldet, daß Hetrurien den Krieg erneure, und daß diesen Aufstand ein Parteienstreit zu Arretium veranlaßt habe, wo man schon Hand anlegte, das mächtige Geschlecht der Cilnier, dem man seines Reichthums wegen übel wollte, mit den Waffen zu vertreiben: ferner, daß die Marser ihr Gebiet, in welches man eine 321 Pflanzung nach Carseoli ausgeführt, und viertausend Menschen für dieselbe aufgezeichnet hatte, mit Gewalt behaupteten. Der dieser schleunigen Kriege wegen zum Dictator ernannte Marcus Valerius Maximus wählte sich den Marcus Ämilius Paullus zum Magister Equitum. Dies glaube ich lieber, als daß man den Quintus Fabius bei seinen Jahren und nach solchen Amtsführungen dem Valerius untergeordnet habe: hingegen möchte ich nicht leugnen, daß die Veranlassung zu diesem Irrthume in dem Zunamen Maximus liege. Der Dictator zog mit dem Heere aus und wurde durch eine einzige Schlacht der Marser Sieger. Da sie hiedurch in ihre befestigten Städte getrieben wurden, eroberte er in wenig Tagen Milionia, Plestina, Fresilia, und nachdem er sie zur Strafe einen Theil ihres Gebietes hatte abtreten lassen, stellte er das Bündniß mit den Marsern wieder her.

Darauf wandte sich der Krieg gegen die Hetrusker, und während der Dictator, um sich der göttlichen Zustimmung von neuem zu versichern, nach Rom gereist war, wurde der Magister Equitum, als er auf Futterholung ausgegangen war, in einem Hinterhalte umringt, und nach der Einbuße mehrerer Fahnen, wobei der Verlust an Leuten und die Flucht gleich schimpflich war, in sein Lager getrieben. Ein so beunruhigender Misgriff laßt sich nicht allein deswegen vom Fabius nicht denken, weil er seinem Zunamen, wenn irgend durch andre Vorzüge, hauptsächlich doch durch seine Verdienste im Kriege entsprach; sondern auch darum nicht, weil er, der Strenge des Papirius eingedenk, sich nie würde haben bewegen lassen, ohne Befehl des Dictators ein Gefecht zu wagen.

4. Die Nachricht von dieser Niederlage erregte zu Rom einen größern Schrecken, als die Sache werth war. Denn es wurden nicht anders, als ob das ganze Heer vernichtet sei, ein Gerichtsstillstand angesagt, Posten an den Thoren und Wachen straßenweise gefordert, und Waffen zum Schutze und zum Angriffe auf die Mauern zusammengebracht. Der Dictator, der nach Beeidigung aller Dienstfähigen zum Heere geschickt wurde, fand über seine 322 Erwartung Alles ruhig und durch die Vorkehrungen des Magisters Equitum in Ordnung; das Lager an einen sicherern Ort zurückgezogen; die Cohorten, welche ihre Fahnen verloren hatten, außer dem Lagerwalle ohne Zelte allein gestellt; das Heer voll Begierde zu fechten, um so viel eher den Schimpf zu tilgen. Er rückte also sogleich mit dem Lager von da in das Gebiet von Rusellä vor. Dahin folgten auch die Feinde: und ob sie sich gleich nach jenem glücklichen Vorfalle von der Prüfung ihrer Streitkräfte auch in offenem Felde den besten Erfolg versprachen, so suchten sie doch auch diesmal dem Feinde durch einen Hinterhalt beizukommen, weil sie davon vorhin so glücklichen Gebrauch gemacht hatten. Nicht weit vom römischen Lager standen die halbzerstörten Häuser eines bei der Verheerung des Landes niedergebrannten Dorfs. Hier versteckten sie Bewaffnete und ließen im Angesichte des Römischen Kohrs, das unter dem Legaten Cneus Fulvius stand, Viehheerden hervortreiben. Als sich auf diese Lockung niemand vom Römischen Posten regte, so trat Einer der Hirten dicht unter die Verschanzungen, und rief den übrigen, welche das Vieh von den Schutthaufen des Dorfs nur zögernd hertrieben, laut entgegen: «Warum sie so zauderten, da sie sicher mitten durch das Römische Lager treiben könnten?» Da dies dem Legaten von einigen Cäriten verdollmetscht wurde, und die Soldaten alle in ihren Haufen vor Unwillen laut wurden, ob es gleich niemand wagte, ohne Befehl aufzubrechen, so hieß er die der Sprache Kundigen Acht geben, ob die Mundart der Hirten mit der ländlichen oder städtischen übereinkomme. Als sie ihm meldeten, der Ton der Sprache, der Anstand und ihr schmuckes Äußere sei für Hirten zu gebildet, so sprach er: «So geht denn hin und sagt ihnen, sie möchten ihren umsonst versteckten Hinterhalt nur enthüllen; die Römer wüßten Alles, und ließen sich jetzt eben so wenig durch List fangen, als durch Waffen besiegen.» Als jene dieses hörten und es den im Hinterhalte Liegenden anzeigten, so traten diese plötzlich aus ihrem Schlupfwinkel hervor und rückten mit ihren Fahnen in ein zur Übersicht 323 von allen Seiten offen liegendes Feld. Da schien dem Legaten ihre Linie stärker, als daß sein Kohr sie aufhalten könnte. Er schickte also eilends zum Dictator, um Hülfe zu holen: bis dahin hielt er die Angriffe der Feinde allein aus.

5. Auf diese Anzeige ließ der Dictator die Fahnen ausrücken und seine Bewaffneten folgen: allein fast in Allem kamen sie seinen Befehlen zuvor. Augenblicklich wurden die Fahnen, die Waffen fortgerissen; und kaum ließen sie sich abhalten, im Laufe auf den Feind einzustürzen; da theils die Erbitterung über die neulich erlittene Niederlage, theils das Geschrei sie spornte, das vom zunehmenden Kampfe immer lauter herüberscholl. Folglich drängten sie Einer den Andern, und ermunterten die Fahnenträger, schneller zu gehen. Je mehr der Dictator sie eilen sah, je angelegentlicher hielt er ihren Zug auf und hieß sie langsam gehen. Die Hetrusker hingegen, die gleich mit dem Anfange des Gefechts herbeigeeilt waren, waren schon mit ihrer ganzen Macht aufgetreten: und Boten über Boten meldeten dem Dictator, die sämtlichen Legionen der Hetrusker hätten sich auf den Kampf eingelassen, und die Seinigen könnten nicht länger Widerstand leisten; ja er sah selbst von einer Anhöhe die große Gefahr jenes Kohrs. Da er indeß darauf rechnen konnte, daß der Legat auch jetzt noch den Kampf aushalten werde, und daß er selbst, als Retter in der Gefahr, so nahe sei, so wünschte er den Feind so viel möglich ermüden zu lassen, um ihn in der Erschöpfung mit frischen Kräften anzugreifen. Selbst bei dem langsamen Vorrücken hatten sie jetzt bis zum wirklichen Angriffe nur noch einen mäßigen Zwischenraum, vollends die Reuterei. Die Legionen zu Fuß mit ihren Fahnen gingen voran, damit die Feinde keinen versteckten oder plötzlichen Schlag besorgen möchten: allein er hatte zwischen den Haufen des Fußvolks Zwischenräume gelassen, so daß die Pferde, um hervorbrechen zu können, Platz genug hatten. Kaum erhob die Linie das Schlachtgeschrei, so stürzte auch die durchgelassene Reuterei in ungehemmtem Fluge auf die Feinde, und 324 goß über die zu einem Gefechte mit Reuterei Unvorbereiteten einen plötzlichen Schrecken aus. So wie also für die vom Feinde fast schon Umzingelten die Hülfe beinahe zu spät kam, so war ihnen jetzt die völligste Ruhe gewahrt. Die frischen Völker übernahmen den Kampf: er war aber weder lang, noch mißlich. Die geschlagenen Feinde eilten ihrem Lager zu, wichen aber den einrückenden Römern und drängten sich am äußersten Ende desselben zusammen. In den engen Thoren stopften sich die Fliehenden: ein großer Theil stieg auf die Böschung und den Wall, um sich entweder von der Höhe zu vertheidigen, oder irgendwo hinüber zu kommen und zu entrinnen. Es fügte sich, daß die Böschung an einer Stelle, wo sie nicht gehörig gedichtet war, unter der Last der darauf Stehenden in den Graben schoß; und unter dem Geschreie, daß ihnen die Götter selbst den Weg zur Flucht bahnten, entkamen sie, mehrere ohne, als mit Waffen.

Durch dieses Treffen wurde zum zweitenmale die Macht der Hetrusker gebrochen; und unter der Bedingung, den Sold für dies Jahr und auf zwei Monate Getreide zu liefern, erhielten sie vom Dictator Erlaubniß, eines Friedens wegen Gesandte nach Rom zu schicken. Den Frieden schlug man ihnen ab, und bewilligte einen Waffenstillstand auf zwei Jahre. Der Dictator kam triumphirend nach Rom zurück. Ich finde bei Einigen angegeben, daß Hetrurien vom Dictator ohne irgend eine denkwürdige Schlacht beruhigt sei, da er bloß die Parteienzwiste der Arretiner beigelegt und das Cilnische Geschlecht mit seinem Bürgerstande wieder ausgesöhnt habe. Aus seiner Dictatur ging Marcus Valerius in das ihm ertheilte Consulat über. Einige meldenIch lese mit Gronov, Duker, Drakenborch und Crevier statt credidere lieber tradidere., man habe ihn ohne sein Gesuch, ja sogar abwesend gewählt, und dieser Wahltag sei von einem Zwischenkönige gehalten. Nur das allein ist außer Streit, daß er dies Consulat mit dem Appulejus Pansa verwaltet hat.

325 6. Unter den Consuln Marcus Valerius und Quintus Appulejus war auswärts Alles ziemlich friedfertig. Die Hetrusker bestimmte ihr Unglück im Kriege und der Waffenstillstand, Ruhe zu halten; und den Samniten, durch ihre Niederlagen seit so vielen Jahren gedemüthigt, war das neue Bündniß noch nicht unwillkommen. Auch zu Rom hatten die Abführungen so vieler Menschen in Pflanzstädte den Bürgerstand beruhigt und entlastet. Damit aber ja nicht von allen Seiten Ruhe herrschen möchte, mußten die Bürgertribunen, die beiden Ogulnier, Quintus und Cneus, zwischen den Vornehmsten des Stats, sowohl vom Patricier- als Bürgerstande, einen Streit entzünden. Da sie auf allen Seiten Gelegenheit gesucht hatten, die Väter bei dem Bürgerstande zu beschuldigen, so stellten sie, nach mehrern vergeblichen Versuchen, eine Klage an, durch welche sie nicht etwa die niedrige Bürgerclasse aufwiegelten, sondern selbst die Häupter des Bürgerstandes, welche als Männer dieser Classe Consulate verwaltet und Triumphe gehalten hatten; insofern nämlich ihren Ehrenämtern die Priesterthümer allein noch abgingen, welche noch nicht aus beiden Ständen besetzt wurden. Sie ließen also den Vorschlag aushängen, daß man, da es jetzt vier Vogelschauer und vier Oberpriester gebe, und die Zahl der Priester zu vermehren sei, vier Oberpriester und fünf Vogelschauer, sämtlich aus dem Bürgerstande, hinzuthun sollte. Wie die Gesellschaft der Vogelschauer auf die Zahl von Vieren habe herabkommen können, wenn nicht etwa Zwei gestorben waren, finde ich nicht: denn es ist unter den Vogelschauern festgesetzt, daß ihre Anzahl ungleich sein müsse, so daß die drei alten Stadtbezirke, die Ramnen, Titienser und Luceren, jeder seinen Vogelschauer haben, oder wenn sie der Priester mehr haben wollen, sie verhältnißmäßig in gleicher Anzahl vermehren, gerade wie sie damals vermehrt sind, als die fünf zu den vier früheren Hinzugekommenen die volle Zahl Neun gaben, so daß jeder Bezirk seine Drei hatte. Weil sie aber aus dem Bürgerstande hinzugethan werden sollten, so war die Sache den Vätern eben so unangenehm, als damals, da sie den 326 Antheil am Consulate Jedem gegeben sahen. Ja sie gaben ihr das Ansehen, als sei dies mehr die Sache der Götter, als ihre eigene: «die Götter würden schon dahin sehen, daß ihnen geweihte Dinge nicht beschmutzt würden; Sie für ihre Person wünschten nur, daß daraus kein Unglück für den Stat hervorgehe.» Indeß, gewohnt, in dergleichen Streitigkeiten besiegt zu werden, setzten sie sich mit minderem Ernste entgegen. Und sie sahen hier auch Gegner vor sich, die nicht etwa nach hohen Ehrenstellen als einem Preise strebten, den sie ehemals kaum hatten hoffen dürfen, sondern die schon Alles, wonach sie bei noch so zweifelhaften Hoffnungen gerungen hatten, dennoch erreicht hatten, vielmalige Consulate, Censuren und Triumphe.

7. Doch sollen zur Empfehlung und Bestreitung des Vorschlages hauptsächlich Appius Claudius und Publius Decius Mus gegen einander aufgetreten sein. Nachdem sie über das Recht der Väter und des Bürgerstandes fast dieselben Gründe aus einander gesetzt hatten, welche damals für und wider den Licinischen Vorschlag angeführt wurden, als man auf Besetzung des Consulats durch Bürgerliche antrug; soll Decius dem Volke das Bild seines Vaters ins Gedächtniß zurückgerufen haben, so wie jenen noch viele der in der Versammlung Anwesenden gesehen hatten, in demselben Aufzuge, in welchem er sich, in Gabinische Umhüllung geschleiert, auf einem Pfeile stehend, für das Römische Volk und dessen Legionen die Weihe zum Tode geben ließ.

«Der Consul Publius Decius,» sagte er, «sei damals «in den Augen der unsterblichen Götter eben so rein, eben so gottgefällig gewesen, als wenn sich sein Amtsgenoß Titus Manlius hatte zum Tode weihen lassen. Und eben diesen Publius Decius sollte man, ohne eine Sünde zu begehen, zur Ausrichtung des öffentlichen Gottesdienstes in Rom, nicht haben wählen dürfen? Ob er etwa fürchten solle, daß die Götter seine Gebete weniger gern hörten, als die des Appius Claudius? daß dieser bei seinem häuslichen Gottesdienste frömmer sei, als er, und die Götter gewissenhafter verehre? Wer wohl Ursache 327 gehabt habe, mit der Anrufung der Götter unzufrieden zu sein, die von den Lippen so vieler bürgerlichen Consuln, so vieler Dictatoren kam, entweder bei ihrem Hingange zu den Heeren, oder mitten unter den Kriegen selbst? Man möge die Feldherren derjenigen Jahre zählen, seit welchen der Gang der Kriege unter dem Oberbefehle und der Leitung von Bürgerlichen gestanden habe; man möge die Triumphe zählen. Selbst mit ihrem neuen Adel hätten die Bürgerlichen nicht Ursache, unzufrieden zu sein. Er sei überzeugt, wenn jetzt ein plötzlicher Krieg ausbreche, so werde Roms Senat und Gesamtvolk auf die patricischen Heerführer keine größere Hoffnung setzen, als auf die Bürgerlichen. Wo ist der Gott, fuhr er fort, wo der Mensch, der unter diesen Umständen eine Unwürdigkeit darin finden kann, wenn Männer, die ihr mit dem Thronsessel, mit der Purpurverbrämung, mit der Palmenweste, mit der Stickerei auf dem Rocke, mit dem Triumphskranze und dem Lorber beehrt habt, deren Häuser ihr durch Anheftung des den Feinden abgenommenen Raubes vor andern ausgezeichnet habt, zu dem Allen noch die Ehrenzeichen der Oberpriesterwürde und des Vogelschaueramts hinzuthun? Wenn der, der in der majestätischen Tracht des allmächtigen Jupiter in einem vergoldeten Wagen durch die Stadt zum Capitole hinauffahren durfte, sich mit einer Opferschale, mit einem Krummstabe sehen ließe, ein geweihetes Thier opferte, von der Burg die Zustimmung der Vögel holte; wenn ihr dem, auf dessen Bildnisse man einst in der Unterschrift das Consulat, die Censur, den Triumph ohne Anstoß lesen wird, das Vogelschaueramt, die Oberpriesterwürde noch dazu gegeben hättet: dann sollten die Augen der Leser von diesem Gräuel sich abwenden? Ich darf die Hoffnung äußern – mögen mir die Götter es nicht ungnädig nehmen! – daß wir den Priesterämtern, da wir durch die Wohlthaten des Römischen Volks schon so sehr gehoben sind, durch unsre Würdigsprechung nicht geringere Ehre ertheilen werden, als wir durch sie erhalten möchten, und daß wir mehr um der Götter, als um unserer selbst 328 willen, darauf dringen müssen, ihnen eben so gut, als wir sie in unsern Häusern verehren, auch öffentlich dienen zu dürfen.»

8. «Doch warum habe ich bis jetzt so gethan, als hätten die Patricier in Betreff der Priesterthümer noch völlig reine Sache, und als wären wir nicht schon im Besitze eines der ehrenvollsten Priesterämter? Zehnmänner des Gottesdienstes, Dollmetscher der Sprüche der Sibylle und der Schicksale unsres Volks, und eben so Vorsteher des Apollinarischen Opfers und andrer Feierlichkeiten sehen wir ja im Bürgerstande schon jetzt. So wenig damals den Patriciern das mindeste Unrecht geschah, als die Zahl der Zweimänner des Gottesdienstes den Bürgerlichen zum Besten vermehrt wurde; eben so will auch jetzt der Tribun, dieser biedere und thätige Mann, die Zahl der Vogelschauer um fünf, die der Oberpriester um vier mit Bürgerlichen zu besetzende Plätze vermehren, nicht etwa deswegen, Appius, daß sie euch aus euren Plätzen verdrängen sollen, sondern daß die Männer vom Bürgerstande euch eben so in Besorgung der göttlichen Angelegenheiten zu Hülfe kommen mögen, wie sie euch in allen andern menschlichen Geschäften auch von ihrer Seite behülflich sind. Du darfst nicht erröthen, Appius, im Priesterthume einen Amtsgenossen zu haben, den du auch in der Censur, oder den du im Consulate zum Amtsgenossen haben konntest; bei dem du eben so gut Magister Equitum werden, wenn er Dictator ist, als sein Dictator sein kannst, wenn er Magister Equitum ist. Einen Sabinischen Ankömmling, den Stammvater eures Edelhauses, – mögt ihr ihn lieber Attus Clausus oder Appius Claudius genannt wissen – nahmen jene alten Patricier in ihre Zahl auf: so mußt auch du nicht zu ekel sein, uns in die Zahl der Priester aufzunehmen. Mit uns bringen wir der Ehrentitel viele, ja gerade alle diejenigen mit, die euch so übermüthig gemacht haben. Lucius Sextius war der erste ernannte Consul vom Bürgerstande, Cajus Licinius Stolo der erste Magister Equitum, Cajus Marcius Rutilus der erste Dictator 329 und Censor, Quintus Publilius Philo der erste Prätor. Man hört immer euer ewiges Einerlei, daß ihr nur das Recht hättet, die Vögel zu befragen, daß ihr nur von Familie wäret, daß ihr allein im Frieden und im Kriege den Oberbefehl und die Befragung der Vögel gehörig versehen könntet. Beides war bisher mit gleichem Glücke in den Händen der Patricier und der Bürgerlichen, und wird es ferner sein. Ihr habt wohl nie davon erzählen hören, daß nicht etwa gewisse vom Himmel Gefallene zu den ersten Patriciern genommen wurden, sondern solche, die ihren Vater angeben konnten, das heißt, nichts weiter, als Freigeborne, waren? Ich kann ja schon in meinem Vater einen Consul anführen, und mein Sohn kann das demnächst in seinem Großvater. Bei der ganzen Sache, ihr Quiriten, ist es darauf abgesehen, daß uns Alles, was wir erlangen, erst abgeschlagen werden soll. Es ist bloß Streit, was die Patricier suchen, ohne sich darum zu kümmern, was sie von ihren Streitigkeiten für einen Erfolg haben werden. Ich bin der Meinung, daß dieser Antrag, zum Glücke, Heile und Segen für euch und den Stat, vorgeschlagenermaßen, zum Gesetze zu machen sei.»

9. Sogleich befahl das Volk, die Bezirke zum Stimmen aufzurufen, und man sah der Annahme des Vorschlages entgegen: gleichwohl ging dieser Tag durch die Einsage verloren. Am folgenden Tage wurde er, da die Tribunen den Muth sinken ließen, mit großer Einstimmung angenommen. Zu Oberpriestern wurden gewählt Publius Decius Mus, der Fürsprecher des Vorschlages; Publius Sempronius Sophus, Cajus Marcius Rutilus, Marcus Livius Denter. Und gleichfalls aus dem Bürgerstande fünf Vogelschauer: Cajus Genucius, Publius Älius Pätus, Marcus Minucius Fessus, Cajus Marcius, Titus Publilius. So wurde die Zahl der Oberpriester auf acht, die der Vogelschauer auf neun gesetzt. In diesem Jahre brachte auch der Consul Marcus Valerius seinen Vorschlag wegen der Ansprache an das Volk, der er eine größere Unverletzlichkeit gab, zur Annahme. Dies war das drittemal 330 seit Vertreibung der Könige, daß auf dieses Gesetz angetragen wurde, und immer von Einem aus dieser Familie. Ich glaube, die Ursache, es so oft zu erneuern, war keine andre, als weil das Übergewicht einiger Mächtigen der Freiheit des Bürgerstandes zu drückend wurde. Indeß scheint doch das PorcischeNach Pighius und Ernesti (im Clavis) brachte dies der Bürgertribun Publius Porcius Läca zum Vortrage, und Cato Censorius war nur Suasor legis. Gesetz allein zur Sicherstellung der Bürger vor körperlicher Mißhandlung gegeben zu sein, weil es dem eine schwere Strafe drohete, der einen Römischen Bürger peitschte oder tödtete. Denn das Valerische Gesetz fügt zu dem Verbote, daß man niemand, der das Volk anspricht, mit Ruthen peitschen oder mit dem Beile hinrichten soll, weiter nichts hinzu, als daß das Verfahren dessen, der dagegen handle, gesetzwidrig sei. Vermuthlich glaubte man bei der damaligen Rechtlichkeit der Leute, das Gesetz bedürfe keines stärkern Bandes: jetzt möchte in diesem Tone wohl niemand im Ernste drohen wollen. Eben dieser Consul führte gegen die aufgestandenen Äquer einen Krieg, der aber, weil ihnen von ihrem alten Wohlstande nichts als der Trotz geblieben war, gar nicht merkwürdig ward. Der andre Consul Appulejus schloß in Umbrien die Stadt Nequinum ein. Der Ort hatte eine steile Lage; auf der einen Seite, wo jetzt Narnia liegt, einen Absturz, und konnte weder durch Sturm, noch durch Werke genommen werden. Also kam dies Geschäft unvollendet an die neuen Consuln, Marcus Fulvius Pätinus, Titus Manlius Torquatus.

Licinius Macer und Tubero berichten, da die sämtlichen Centurien den Quintus Fabius ohne sein Gesuch zum Consul auf dies Jahr ernannt hätten, so habe er selbst darauf angetragen, ihm das Consulat auf ein kriegerischeres Jahr zu versparen; für dies Jahr werde er dem State, durch Verwaltung eines Amtes in der Stadt, von größerem Nutzen sein: und so habe man ihn, da er, ohne darum anzuhalten, sich doch merken ließ, was er lieber wünschte, mit dem Papirius Cursor zum Curulädil gewählt. Dies 331 nicht als ausgemachte Wahrheit aufzustellen, veranlasset mich Piso, der seine Jahrbücher früher schrieb, und als Curulädilen dieses Jahrs den Cajus Dominus Calvinus, des Cneus Sohn, und den Spurius Carvilius Quinti Filius Maximus angiebt. Ich glaube, daß dieser Zuname den Irrthum über die Ädilen veranlaßt, und die Erzählung zur Folge gehabt habe, die als ein Gemisch von Angaben über die Ädilen- und Consulnwahl den Irrthum in Schutz nahm. Auch beendeten in diesem Jahre die Censorn Publius Sempronius Sophus und Publius Sulpicius Saverrio eine Schatzung, und vermehrten die Zahl der Bezirke um zwei, mit dem Aniensischen und Terentinischen. So viel von den Begebenheiten in Rom.

10. Bei der Stadt Nequinum hingegen, wo man die Zeit mit einer nichts schaffenden Einschließung verlor, kamen zwei Einwohner durch einen geheimen Gang, den sie unter der Erde gemacht hatten, zu den Römischen Posten, und als sie zum Consul geführt wurden, versprachen sie, ein bewaffnetes Kohr in die Werke und Mauern einzulassen. Der Vorschlag schien sich eben so wenig zur Abweisung, als zur unvorsichtigen Annahme zu eignen. Mit dem Einen von ihnen – denn der Andre wurde als Geisel zurückbehalten – mußten zwei Kundschafter durch den Erdgang hineingehen, und als man sich durch diese hinlänglich unterrichtet hatte, zogen, von dem Überläufer geführt, dreihundert Bewaffnete in die Stadt und besetzten in der Nacht das nächste Thor. Als dies erbrochen war, rückte der Consul mit dem Römischen Heere ohne Gefecht in die Stadt. So kam Nequinum an den Römischen Stat. Es wurde dort eine Pflanzstadt gegen die Umbrier angelegt, welche vom Flusse den Namen Narnia bekam: und das Heer zog mit großer Beute nach Rom zurück.

In diesem Jahre rüsteten sich auch die Hetrusker, gegen den Waffenstillstand, zum Kriege. Allein ein großes Heer von Galliern, welches ihnen in das Land fiel, rief sie, mit ganz andern Vorkehrungen beschäftigt, eine Zeitlang von dieser Unternehmung ab. Im Vertrauen auf ihr Geld, welches sie zu einer Macht von Bedeutung 332 erhob, versuchten sie es, aus diesen Feinden Bundesgenossen zu machen, um in Vereinigung mit diesem Heere den Krieg gegen die Römer zu führen. Die Barbaren waren zu dem Bündnisse nicht abgeneigt; nur über die Bezahlung kam es zu Unterhandlungen. Als sie diese verabredet und erhalten hatten, Alles schon zum Kriege fertig war, und die Hetrusker sie aufforderten, ihnen zu folgen, so leugneten jene, sich diese Summe zur Führung eines Krieges mit den Römern bedungen zu haben. Was sie bekommen hätten, hatten sie dafür erhalten, daß sie das Gebiet der Hetrusker nicht verheeren und die Einwohner nicht als Feinde beunruhigen sollten. Doch wollten sie, wenn dies die Hetrusker durchaus verlangten, Dienste thun; allein unter keiner andern Bedingung, als daß sie Antheil an ihrem Lande und endlich einmal einen festen Wohnsitz bekämen.» Hierüber hielten die Völkerschaften Hetruriens viele Versammlungen, ohne zum Abschlusse zu kommen, nicht sowohl aus Abneigung gegen die Schmälerung ihres Gebiets, als vielmehr, weil sich Jeder fürchtete, ein so zügelloses Volk zum Nachbar anzunehmen. So zogen die Gallier ab, und nahmen eine ansehnliche Summe Geldes mit, ohne Mühe und Gefahr gehabt zu haben. Zu Rom bewirkte das Gerücht von dem Ansturze der Gallier, der sich mit dem Hetruskischen Kriege vereinigen würde, großen Schrecken: um so viel weniger bedachte man sich, mit dem Volke der Picenter ein Bündniß zu schließen.

11. Dem Consul Titus Manlius gab das Los zum Schauplatze seiner Kriegsführung Hetrurien. Kaum hatte er das feindliche Gebiet betreten, als er bei einer Übung mit der Reuterei an einem Sturze vom Pferde, mit dem er in gestrecktem Laufe umwandte, fast entseelt liegen blieb. Drei Tage nach diesem Falle gab der Consul den Geist auf. Die Nachricht hob, als wäre sie eine Vorbedeutung auf den ganzen Krieg, den Muth der Hetrusker, die es laut erklärten, daß statt ihrer die Götter den Feldzug eröffnet hätten. Für Rom war dies, theils weil man den Mann ungern vermißte, theils unter so ungünstigen Umständen, eine traurige Meldung; so daß nur die auf das 333 Gutachten der vornehmsten Senatoren zur Wiederbesetzung der Consulstelle veranstaltete Wahl die Väter von Ernennung eines Dictators abhielt. Alle Raths- und Volksstimmen ernannten den Marcus Valerius zum Consul, den der Senat zum Dictator hatte ernennen wollen. Dann bekam er sogleich Befehl, zu den Legionen nach Hetrurien abzugehen. Schon seine Ankunft zügelte die Hetrusker, so daß es keiner wagte, aus den Verschanzungen zu gehen, und ihre Eingezogenheit einer Einschließung ähnlich war. Auch konnte sie der neue Consul nicht durch die Verheerung ihres Landes und Niederbrennung ihrer Gebäude, da allenthalben nicht bloß die Landhäuser, sondern auch volkreiche Dörfer im Rauche aufgingen, zu einer Schlacht herauslocken. Während dieser Krieg gegen die Erwartung schläfrig ging, kündigte das Gerücht, laut der Aussage der Picenter, dieser neuen Bundesgenossen, einen zweiten Feind an, welchen viele gegenseitige Niederlagen nicht mit Unrecht furchtbar gemacht hatten. Sie meldeten, daß die Samniten mit Krieg und Aufstand umgingen, und daß sie selbst von ihnen zur Theilnahme aufgefordert wären. Den Picentern wurde vom Senate Dank gesagt; und ein großer Theil der Sorge, welche die Väter wegen Hetrurien gehabt hatten, ging nun auf Samnium über. Auch setzte eine Theurung die Stadt in Verlegenheit, und wie diejenigen Schriftsteller melden, nach deren Berichte Fabius Maximus in diesem Jahre Ädil gewesen sein soll, würde der Mangel aufs höchste gestiegen sein, wäre nicht die Sorgfalt dieses Mannes in dem friedlichen Geschäfte der Austheilung der Lebensmittel, durch seine Bestellungen und Zufuhren von Getreide, eben so musterhaft gewesen, als sie es in Führung der Kriege zu wiederholtenmalen gewesen war.

In diesem Jahre trat, ohne daß man die Ursache angegeben findet, eine Zwischenregierung ein. Zwischenkönige waren Appius Claudius und dann Publius Sulpicius. Dieser hielt den consularischen Wahltag und erklärte den Lucius Cornelius Scipio und Cneus Fulvius für erwählte Consuln. Vor den neuen Consuln erschienen 334 im Anfange des Jahrs Gesandte der Lucaner, um sich über die Samniten zu beschweren, «die ihnen, weil sie sie durch keine Anerbietungen zur Theilnahme am Kriege hätten vermögen können, nach einem feindlichen Einbruche das Land verheerten und sie durch Krieg zum Kriege zwingen wollten. Das Lucanische Volk habe sich Einmal mehr als zu sehr vergangen; jetzt aber sei es fest überzeugt, daß es ein gelinderes Übel sei, Alles zu tragen und zu leiden, als sich je wieder am Römischen State zu versündigen. Sie bäten die Väter, einmal, die Lucaner zu Freunden anzunehmen, und zum andern, die Gewaltthätigkeiten und den Frevel der Samniten von ihnen zu entfernen. Wären sie gleich durch den mit den Samniten schon unternommenen Krieg zur Treue gegen die Römer gezwungen, so wären sie dennoch bereit, Geisel zu geben.»

12. Der Senat kam bald zum Schlusse. Einmüthig stimmten Alle dafür, den Bund mit den Lucanern zu schließen und von den Samniten Ersatz zu fordern. Die Lucaner erhielten eine gütige Antwort, und der Bund wurde geschlossen. Man schickte Bundespriester ab, den Samniten anzudeuten, daß sie das Land Römischer Bundsgenossen räumen und ihr Heer aus dem Lucanischen Gebiete abführen sollten. Allein Samnitische Abgeordnete kamen ihnen schon entgegen, um ihnen zu sagen: «Wofern sie sich in Samnium auf irgend einer Versammlung betreten ließen, würden sie nicht ohne Mishandlung wegkommen.» Auf die hiervon zu Rom gemachte Anzeige wurde der Krieg gegen die Samniten von den Vätern beschlossen und vom Gesamtvolke gebilliget. Die Consuln theilten sich in die Schauplätze des Krieges. Dem Scipio gab das Los Hetrurien, dem Fulvius die Samniten; und sie rückten nach entgegengesetzten Richtungen, jeder zu seinem Kriege, aus. Dem Scipio, der einen schläfrigen, dem vorjährigen Feldzuge ähnlichen, Krieg erwartete, kamen die Feinde bei Volaterrä mit einem schlachtfertigen Heere entgegen. Man schlug sich fast den ganzen Tag mit großem Verluste auf beiden Seiten, und wurde, noch 335 ungewiß, für welche Seite sich der Sieg erklärt habe, von der Nacht überfallen. Das folgende Tageslicht entdeckte den Sieger und Besiegten: denn in der Stille der Nacht verließenIch glaube, es müsse hier heißen reliquer ant: doch habe ich das von Drakenb. und Stroth beibehaltene reliquer unt übersetzt. die Hetrusker ihr Lager. Als die in Linie ausgerückten Römer durch den Abzug des Feindes sich den Sieg zugestanden sahen, rückten sie zu seinem Lager vor, und nahmen es, freilich menschenleer, aber mit sehr vieler Beute in Besitz: denn der Feind hatte lange darin gestandenIch lese hier (nam et stativa, et trepide deserta, fuerant) und muß gestehen; daß mir die gewöhnliche Lesart nam et stativa trepide etc. worin nur Einmal et gelesen wird, anstößig sei. Soll Livius damit sagen wollen: denn auch das Standlager hatten sie in Eile verlassen, so muß ich hier zwei feindliche Lager annehmen; das Eine, welches die Römer des Morgens verlassen fanden, und dann noch ein Zweites (vielleicht weiter hinten gelegenes) als Standlager der Feinde, wozu das et gehören soll. Davon sagte uns aber Livius nichts. Am meisten wundre ich mich, daß Drakenb. sagen kann: Recepta scriptura genuina est. Caussa, cur Romani plurima praeda in castris Etruscorum potiti sunt, erat, quod trepide ea deseruerant. Allein gerade aus seiner Anmerkung erfahren wir, daß Gebhard und er in zwölf Handschriften et stativa et, und in der 13ten et stativa etiam fanden. Nimmt man dies et stativa, et trepide etc. als wahre Lesart an, so fallen nicht allein jene Schwierigkeiten weg, sondern Livius macht es dann noch so viel glaublicher, daß das eroberte Lager eine sehr reiche Beute geliefert haben müsse, wenn er nicht Einen, sondern zwei Gründe angiebt. Nam haec, castra et stativa et trepide deserta, fuerant. 1) Die Feinde hatten es nicht etwa seit gestern bezogen, sondern hier ihre stativa gehabt, also vielerlei Vorräthe lange gehäuft; 2) sie hatten es in Eile verlassen. Will man aber annehmen, daß der Sinn etwa der sei, wie ihn Drakenb. und die übrigen Herausgeber, die hier keinen Anstoß fanden, genommen haben müssen: «Denn dies Lager war auch ihr – noch dazu eilig verlassenes – Standlager gewesen,» so müßte man doch durch die Interpunktion, nam et stativa, trepide deserta, fuerant, dem Leser zu Hülfe kommen. Zum Andern würde Livius, wenn ich nicht irre, dann durch das Wort deserta noch einmal sagen, was er schon vorher in den Worten Etrusci silentio noctis castra reliquerunt gesagt hatte. 3) Hingegen würde in meiner Lesart durch das zweite et der Accent deutlicher auf trepide fallen; 4) bliebe noch immer die Mehrzahl der Handschriften für die Wiederholung des et. , und es eilig verlassen. Als sie von hier ins Gebiet der Falisker zurückgeführt waren, und ihr Gepäck mit einer mäßigen Bedeckung in Falerii gelassen hatten, setzten sie mit ihrem entledigten Heere den Zug zur Plünderung des feindlichen Gebietes weiter fort. Alles wurde mit Feuer und Schwert verwüstet; allenthalben Beute weggetrieben: man ließ dem Feinde nicht bloß den Boden verödet zurück, sondern zündete auch Schlösser und 336 Dörfer an: nur auf Belagerung der Städte, in welche die Hetrusker die Furcht getrieben hatte, ließ man sich nicht ein.

Der Consul Cneus Fulvius hingegen lieferte in Samnium bei Bovianum eine sich auszeichnende Schlacht, in welcher der Sieg durchaus nicht zweifelhaft blieb. Er griff Bovianum an, und bald darauf Aufidena, und eroberte beide mit Sturm.

13. In diesem Jahre wurde auch nach Carseoli eine Pflanzung in das Land der Äquicoler ausgeführt. Der Consul Fulvius triumphirte über die Samniten. Als die Consulnwahl herannahete, entstand ein Gerücht, die Hetrusker und Samniten brächten große Heere auf; öffentlich thue man in allen Versammlungen der Hetrusker den Großen die bittersten Kränkungen an, daß sie die Gallier nicht unter jeder Bedingung in den Krieg hineingezogen hätten; der Samnitischen Regierung würden Vorwürfe gemacht, daß sie ein Heer, welches man nur gegen Feinde geworben hatte, wie die LucanerIch folge Drakenborch. Er lieset mit Gronov: quod exercitum, in Lucanum hostem comparatum, obiecerint Romanis, und sagt von der Lesart adiecerint aus triftigen Gründen: ad eam non attendendum puto. Darum bin ich auch über die Worte itaque suis sociorumque viribus consurgere hostes ad b. et haudquaquam pari etc. der Meinung Gronovs. Er sagt: Pendent a superiore: fama exorta, et sunt, quae Romae iactarentur. Ich setze hinzu: Wollte man dies ängstliche Bekenntniß den Feinden Roms in den Mund legen, so sieht man nicht, wie Livius von den Römern sagen konnte: Hic terror omnes ad creandum cos. Q. Fabium impellebat. Nimmt man sie hingegen für Äußerungen der Römer, als ihnen jenes Gerücht zu Ohren kam, so kann Hic terror bestehen; und dann gehen im Munde der Römer die Worte suis viribus consurgere auf die Samniten, die vorher nur ein schwaches Heer gegen die Lucaner aufgestellt hatten, und nun viribus consurgentes ein stärkeres gegen Rom aufstellen werden: die Worte sociorum viribus hingegen beziehen sich auf die von den Hetruskern gewünschte Hülfe der Gallier. Denn die Unzufriedenheit der Hetrusker mit ihrer Regierung, daß sie die Verbindung mit den Galliern nicht quacumque conditione beibehalten hatte, ließ jetzt, was man in Rom fürchtete, erwarten, diese Verbindung solle wieder angeknüpft werden. Dann sind socii nicht bloß die Hetrusker in Vereinigung mit den Samniten, sondern auch die Gallier als Verbündete der Hetrusker. waren, den Römern entgegen geworfen habe. – Hieraus folge, daß die Feinde ihre eignen und ihrer Bundsgenossen Kräfte aufböten, und daß man einen durchaus ungleichen Kampf zu bestehen 337 haben werde. Dieser Besorgniß wegen richteten Alle, da sich jetzt mehrere angesehene Männer um das Consulat bewarben, ihre Augen auf den Quintus Fabius Maximus, der anfangs nicht darum anhielt, und nachher, als er sah, daß diese Stimmung den Ausschlag bekam, es sich sogar verbat. «Warum sie ihn, den Greis, der schon der Beschwerden, so wie des Lohns für diese Beschwerden, genug getragen habe, aus seiner Ruhe aufstörten? Weder Körper- noch Geisteskraft bleibe immer dieselbe. Ja er fürchte, daß selbst sein Glück irgend einem der Götter zu groß und anhaltender scheinen möge, als das Los der Sterblichen es erlaube. So wie er selbst einst dem Ruhme der Bejahrteren nachgereift sei, so mache es ihm jetzt wieder Freude, Andre zu seinem Ruhme sich hinanheben zu sehen. Es fehle zu Rom weder an Ehrenämtern für tüchtige Männer, noch an tüchtigen Männern für die Ehrenämter.» Durch diese Bescheidenheit wurde ihre so gerechte Zuneigung nur noch verstärkt; und da er es nunmehr für Pflicht hielt, diese durch die Achtung für die Gesetze niederzuschlagen, so ließ er das Gesetz vorlesen, nach welchem derselbe Mann innerhalb zehn Jahren nicht wieder zum Consul gewählt werden durfte. Allein vor Geräusch konnte man das Gesetz kaum hören; und die Bürgertribunen erklärten, dies sollte kein Hinderniß sein: sie wollten bei dem Volke darauf antragen, daß er von den Gesetzen entbunden sein solle. Standhaft bei seiner Weigerung beharrend ließ er sie zu wiederholtenmalen die Frage hören: «Was es helfen könne, Gesetze zu geben, wenn ihnen selbst durch diejenigen Eintrag geschehe, welche sie gegeben hätten? Das heiße, den Gesetzen gebieten; nicht, sie gebieten lassen.» Nichtsdestoweniger begann das Volk die Stimmensammlung, und jede Centurie, so wie sie in die Schranken gerufen war, ernannte ohne Bedenken den Fabius zum Consul. Da endlich ergab er sich der einmüthigen Stimme des Volks und sprach: «Mögen die Götter genehmigen, ihr Quiriten, was ihr jetzt thut, und künftig thun werdet. Da ihr indeß über mich, eurem Willen gemäß, verfügen sollt, so lasset 338 bei der Wahl meines Amtsgenossen meine Bitte bei euch geltend sein. Ich ersuche euch, den Publius Decius, einen Mann, mir durch einträchtige Amtsführung bewährt und ganz eurer und seines Vaters würdig, mit mir zum Consul zu machen.» Man glaubte, seine Empfehlung ehren zu müssen; und alle noch übrigen Centurien ernannten den Quintus Fabius und Publius Decius zu Konsuln. In diesem Jahre wurde von den Ädilen gegen Mehrere eine gerichtliche Klage erhoben, weil sie ein größere Eigenthum an Ländereien haben sollten, als durch das Gesetz bestimmt war. Fast nicht ein Einziger konnte sich rechtfertigen; und die unmäßige Habsucht wurde kräftig gezügelt.


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