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27. Diese Geschwätze fanden ihre Unterbrechung durch eine in der Nacht vor dem Quinquatrusfeste in der Gegend des Marktes an mehreren Stellen zugleich entstandene Feuersbrunst. Auf einmal sah man die sieben Kramladen, deren nachher nur fünf waren, und die Wechslerladen, welche jetzt die Neuen heißen, in Flammen, Dann ergriff das Feuer auch Privatgebäude; denn damals 295 standen hier noch keine Statspalläste; ferner den Steinbruchskerker, den Fischermarkt, die Königshalle. Der Tempel der Vesta wurde kaum gerettet, und zwar hauptsächlich durch dreizehn Sklaven, welche nachher der Stat an sich kaufte und freiließ. Eine Nacht und einen Tag hielt das Feuer an. Auch zweifelte niemand daran, daß es boshafter Weise angelegt sei, weil es zugleich an mehrern und zwar entgegengesetzten Orten ausgebrochen war. Deswegen machte der Consul auf ein Senatsgutachten in einer Volksversammlung bekannt, wer die Thäter anzeigen würde, die dies Feuer veranstaltet hätten, sollte zur Belohnung, wenn er ein Freier sei, eine Geldsumme; ein Sklave, die Freiheit haben. Diesen Preis zu verdienen, sagte der Sklave der Calavier, einer Campanischen Familie, – Mannus hieß er – folgendes aus: «Seine Hausherren nebst fünf andern jungen Adlichen aus Capua, deren Väter Quintus Fulvius hatte enthaupten lassen, hätten diesen Brandschaden gestiftet, und würden, wenn man sich ihrer nicht versichere, hin und wieder noch mehrere stiften.» Sie wurden mit ihren Bedienten festgenommen: und anfangs machten sie den Angeber und seine Aussage durch den Vorwurf verdächtig: «Der Mensch sei Tages zuvor von seinen Herren mit Schlägen gezüchtigt und ihnen entlaufen. Aus Rache und Leichtsinn habe er dann diesen Zufall zu ihrer Verläumdung benutzt.» Als aber das persönliche Gegenverhör sie widerlegte, und mit den Handlangern ihres Frevels mitten auf dem Gerichtsplatze die peinliche Untersuchung vor sich ging, da bekannten sie Alle: und Herren und mitschuldige Sklaven wurden hingerichtet. Dem Angeber schenkte man die Freiheit und zwanzigtausend AssUngefähr 624 Conventionsgulden..
Als der Consul Lävinus vor Capua vorbeireisete, umringte ihn eine Menge Campaner, die ihn mit Thränen um die Erlaubniß baten, sie nach Rom an den Senat gehen zu lassen, um die Väter, wenn endlich noch einiges Mitleiden sie zu rühren vermöchte, zu bitten, sich 296 doch nicht ihr völliges Verderben zum Zwecke zu machen, und nicht Alles, was Campaner heiße, vom Quintus Flaccus vertilgen zu lassen.
Flaccus betheuerte dagegen: «Er stehe durchaus nicht als Privatmann mit den Campanern in einem Misverständnisse. Er hasse sie als Statsbürger und öffentlicher Feind, und werde sie hassen, so lange er überzeugt sei, daß sie eben so gegen Rom gesinnet wären. Denn es sei gegen Alles, was Römer heiße, kein Volk auf Erden, kein Völkerstamm, erbitterter als sie. Darum halte er sie in die Mauern eingeschlossen, weil sie, so wie sie entsprängen, gleich wilden Thieren im Lande umherstreiften und Alles, was ihnen in Wurf komme, zerfleischten und niederrissen. Einige wären zum Hannibal übergelaufen, Andre nach Rom gegangen, um es in Brand zu stecken. Die Spuren Campanischen Frevels werde der Consul auf dem halb niedergebrannten Markte noch finden. Es sei auf den Tempel der Vesta abgesehen gewesen, auf das Ewige Feuer und jenes im Allerheiligsten verwahrt liegende Kleinod, an welches vom Schicksale die Dauer des Römerreichs geknüpft sei. Er halte es durchaus nicht für sicher, Campanern den Eintritt in die Mauern Roms zu gestatten.» Doch erlaubte Lävinus den Campanern, ihm nach Rom zu folgen, nachdem sie dem Flaccus hatten schwören müssen, fünf Tage nach erhaltener Antwort vom Senate, sich wieder in Capua einzustellen. An der Spitze dieses ihm nachströmenden Schwarmes, und zugleich vor den ihm entgegen gegangenen Sicilianern und Ätolern her kam er nach Rom, und führte also die im Kriege Besiegten, jetzt als Kläger gegen die beiden hochgepriesenen Eroberer der berühmtesten Städte, in die Stadt ein. Doch der erste Vortrag der Consuln im Senate betraf die Lage des Stats und die Provinzen.
28. Hier setzte Lävinus die Lage Macedoniens und Griechenlands, der Ätoler, Acarnanen und Locrer, und was er selbst dort zu Lande und zur See geleistet habe, aus einander. «Philipp, der schon gegen die Ätoler 297 angerückt gewesen sei, den er aber nach Macedonien zurückgeschlagen habe, habe sich in das Innerste seines Reichs davon gemacht; und die Legion könne dort abgeführt werden: den König von Italien abzuhalten, sei die Flotte hinreichend.» So viel sagte er über sich selbst und über den Schauplatz seines nun beendigten Oberbefehls. Den Vortrag wegen der anzuweisenden Kriegsplätze thaten die Consuln gemeinschaftlich. Die Väter beschlossen: «Italien und der Krieg gegen Hannibal solle nur Einem Consul angewiesen werden, und der andre die bisher vom Titus Otacilius geführte Flotte haben, und Sicilien als seinen Geschäftskreis mit dem Prätor Lucius Cincius gemeinschaftlich.» Ihm wurden die beiden Heere bestimmt, welche Hetrurien und Gallien hatte: dies waren vier Legionen. Die beiden Stadtlegionen vom vorigen Jahre sollten nach Hetrurien gehen, und die beiden, welche Sulpicius als Consul befehligt habe, nach Gallien. Gallien und seine Legionen sollten unter dem stehen, dem der Consul, welcher Italien bekäme, sie anvertrauen wolle. Cajus Calpurnius, dem man nach seiner Prätur den Heeresbefehl auf ein Jahr verlängerte, wurde nach Hetrurien geschickt, und dem Quintus Fulvius Capua als Provinz bestimmt, ebenfalls mit jähriger Verlängerung seines Heerbefehls. Die Römischen und verbündeten Truppen sollten vermindert werden, so daß aus zwei Legionen nur Eine, von fünftausend Mann zu Fuß und dreihundert Rittern, gemacht würde, und diejenigen, welche die meisten Dienstjahre hätten, entlassen würden: an Bundesgenossen sollte sie siebentausend Mann zu Fuß und dreihundert Ritter behalten, und auch hier bei Entlassung der alten Soldaten auf das Verhältniß der Dienstjahre gesehen werden. Mit dem Consul des vorigen Jahres, Cneus Fulvius, traf man weder in Ansehung seiner Provinz Apulien, noch des Heeres, welches er gehabt hatte, die mindeste Änderung, außer daß man ihm den Heerbefehl auf ein Jahr verlängerte. Sein Amtsgenoß, Publius Sulpicius, wurde angewiesen, sein ganzes Heer, die Seeleute ausgenommen, zu verabschieden. So sollte auch nach der Ankunft des Consuls in 298 Sicilien das Heer, welchem Marcus Cornelius vorstand, aus dieser Provinz entlassen werden. Dem Prätor Lucius Cincius gab man zur Behauptung Siciliens die Soldaten von Cannä, welche zwei Legionen ausmachten. Für Sardinien bestimmte man dem Prätor Publius Manlius Vulso eben so viele Legionen, diejenigen, welche voriges Jahr in dieser Provinz Lucius Cornelius angeführt hatte. Für die Stadtlegionen sollten die Consuln mit der Werbung so verfahren, daß sie niemand zum Soldaten nähmen, der schon unter dem Marcus Claudius, Marcus Valerius, oder Quintus Fulvius im Heere gestanden habe; und die Zahl der Römischen Legionen sollte sich für dieses Jahr nicht über einundzwanzig belaufen.
29. Nach Abfassung dieser Senatsschlüsse loseten die Consuln um ihre Kriegsplätze. Den Marcellus traf Sicilien und die Flotte, den Lävinus Italien und der Krieg gegen den Hannibal. Diese Entscheidung des Loses brachte die Sicilianer, – und sie waren in Erwartung, wie das Los ausfallen würde, den Consuln näher getreten – nicht anders, als sähen sie Syracus zum zweitenmale erobert, so aus aller Fassung, daß sie schon jetzt durch ihre Wehklagen und weinerlichen Stimmen Aller Augen auf sich zogen und auch nachher zu mancherlei Gerede Anlaß gaben. Denn sie gingen in Trauerkleidung bei den Senatoren umher und versicherten: «Sie würden nicht nur Jeder seine Vaterstadt, sondern ganz Sicilien verlassen, wenn Marcellus abermals als Oberbefehlshaber dorthin geschickt würde. Ohne alles ihr Verschulden sei er schon vorher gegen sie der Unversöhnliche gewesen: was er nun aus Rache thun werde, da er wisse, daß die Sicilianer, um über ihn zu klagen, nach Rom gekommen wären? Unter den Feuern des Ätna verschüttet zu werden, oder im Meere zu versinken, sei ihrer Insel zuträglicher, als sich ihrem Feinde gleichsam zur Züchtigung preisgegeben zu sehen.» Diese Klagen der Sicilianer, die anfänglich in den Häusern der Vornehmen herumgingen, und dann durch Äußerungen in Umlauf kamen, welche theils das Mitleiden mit den Sicilianern, theils der Neid gegen den Marcellus 299 veranlaßte, gelangten endlich auch vor den Senat. Hier verlangte man von den Consuln, beim Senate auf eine Vertauschung der Provinzen anzutragen. Da sagte Marcellus: «Wenn der Senat die Sicilianer schon abgehört hätte, so möchte seine Erklärung vielleicht anders ausgefallen sein: so aber wolle er sich bloß deswegen, damit niemand sagen könne, die Furcht halte diese Leute ab, mit der gehörigen Freimüthigkeit über den zu klagen, der sie nächstens in seiner Gewalt haben werde, wenn sein Amtsgenoß nichts dawider habe, den Tausch der Provinzen gefallen lassen. Er verbitte sich aber jede vorgreifende Entscheidung von Seiten des Senats. Denn da es schon unbillig gewesen sein würde, seinem Amtsgenossen die Wahl einer Provinz ohne Losung zu überlassen, wie viel größer dann die Beleidigung, ja die Beschimpfung für ihn sein müsse, wenn man sein Los auf jenen übertrüge?» Und so wurde der Senat, der freilich seine Willensmeinung zu erkennen gegeben hatte, entlassen, ohne sie als Beschluß auszufertigen. Die Consuln verglichen sich selbst über die Provinzen; und der Tausch kam zu Stande, weil das Schicksal den Marcellus zum Hannibal hinriß, zu dessen Ruhme er, so wie er die Ehre davon getragen hatte, ihn zuerst besiegt zu haben, gerade unter den glücklichsten Fortschritten des Krieges als der letzte Römische Feldherr fallen sollte.
30. Nach Vertauschung der Provinzen machten die im Senate vorgelassenen Sicilianer eine weitläufige Schilderung von des Königs Hiero ununterbrochener Treue gegen das Römische Volk, um ihrer Stadt daraus ein Verdienst zu machen. «Hieronymus hingegen, und nachher Hippocrates und Epicydes, wären ihnen zwar auch als Tyrannen aus andern Gründen, hauptsächlich aber wegen ihres Übertritts von den Römern zum Hannibal, verhaßt gewesen. Darum sei auch Hieronymus von ihren vornehmsten jungen Männern, man möchte sagen, auf Anschlag des ganzen Volks, ermordet: und so hätten sich auch zur Ermordung des Epicydes und Hippocrates siebzig der edelsten Jünglinge verschworen gehabt, die aber 300 alle, da durch Marcells Saumseligkeit die Sache ausgekommen sei, – denn er sei nicht zur bestimmten Zeit mit seinem Heere auf Syracus angerückt; – von den Tyrannen hingerichtet wären. Ja selbst dieser Tyrannei des Hippocrates und Epicydes habe Marcellus durch die grausame Plünderung zu Leontini das Dasein gegeben. «Nie hätten es die ersten Männer von Syracus seit jener Zeit an Übertritten zum Marcellus und an Versprechungen fehlen lassen, ihm die Stadt, sobald er wolle, zu überliefern. Allein anfangs habe er sie lieber mit Sturm einnehmen wollen. Dann aber, als ihm dies durch alle Versuche zu Lande und zu Wasser nicht gelungen sei, habe er lieber einem Kupferschmiede Sosis und einem Spanier Mericus, als den ersten Syracusanern, die sich hierzu so oft von selbst, immer umsonst, erboten hätten, die Übergabe von Syracus verdanken wollen; freilich um einen gerechtern Vorwand zu haben, die ältesten Bundesgenossen des Römischen States morden und plündern zu können. Wenn nicht Hieronymus, sondern Volk und Senat von Syracus an den Hannibal abgefallen wären; wenn die Syracusaner selbst vermöge eines Statsbeschlusses, nicht aber, nach Unterdrückung der Syracusaner, ihre Tyrannen, Hippocrates und Epicydes, dem Marcellus die Thore von Syracus verschlossen hätten; wenn die Syracusaner diesen Krieg mit Carthagischer Wuth gegen Rom geführt hätten; ob Marcellus alsdann noch feindseliger hätte verfahren können, als er verfahren sei, es müßte denn sein, daß er Syracus völlig vertilgt hätte. Wenigstens habe er, die Mauern und ausgeplünderten Häuser, und die erbrochenen und entweiheten Göttertempel abgerechnet, da er selbst die Götter samt ihren Kostbarkeiten weggeführt habe, der Stadt Syracus nichts übrig gelassen. Vielen habe er auch ihre Güter genommen, so daß sie auch nicht einmal von dem nackten Boden, dem Überreste ihrer geplünderten Habe, sich und die Ihrigen ernähren könnten. Sie bäten die versammelten Väter, wenn es nicht möglich sei, Alles, wenigstens doch das, was sich finde und anerkannt werden könne, an die 301 Eigenthümer wieder abliefern zu lassen.» Als sie nach diesen Klagen Lävinus aus dem Rathhause abtreten ließ, damit im Senate über ihre Forderungen die Umfrage vor sich gehen könnte, so sagte Marcellus: «Laßt sie ja hier bleiben, damit ich ihnen in ihrem Beisein antworten kann, weil wir Feldherren doch einmal bei Führung eurer Kriege, ihr versammelten Väter, in der Lage sind, daß wir unsre Besiegten zu Anklägern haben müssen. Mögen doch die beiden in diesem Jahre eroberten Städte, Capua den Fulvius, Syracus den Marcellus vor Gericht stellen.»
31. Als die Gesandten wieder in das Rathhaus eingeführt waren, sprach der Consul: «Der Hoheit des Römischen Stats und der Würde dieses Oberbefehls, versammelte Väter, kann ich unmöglich so sehr vergessen, daß ich, wenn jetzt eine Anklage gegen mich zur Sprache käme, mich als Consul gegen beschuldigende Griechen verantworten würde: allein es kommt hier nicht in Untersuchung, was ich etwa gethan haben mag, sondern was ihnen zu leiden oblag. Sind sie nicht unsre Feinde gewesen, so ist es einerlei, ob ich mich jetzt, oder noch bei Lebzeiten des Hiero, an Syracus vergriffen habe. Sind sie aber von uns abgefallen; sind sie auf unsre Gesandten mit Schwert und Waffen eingedrungen; haben sie ihre Stadt und Mauern uns verschlossen und sie mit einem Carthagischen Heere gegen uns vertheidigt: wer darf alsdann darüber unwillig sein, daß sie Feindseligkeiten litten, da sie deren genug begingen? Die ersten Männer von Syracus, die mir die Stadt hätten übergeben wollen, soll ich abgewiesen, soll einen Sosis, einen Spanier Mericus, in einer so wichtigen Sache meines Vertrauens würdiger gehalten haben. Ihr seid doch wohl nicht die Geringsten zu Syracus: denn ihr werft ja Andern die Niedrigkeit vor. Ist einer unter euch, der mir versprochen hätte, mir die Thore zu öffnen? meine Soldaten mit Waffen in die Stadt einzulassen? Ihr hasset, ihr verwünscht ja die, die es thaten, und enthaltet euch nicht einmal hier der Schmähungen gegen sie: so weit waret ihr davon entfernt, so etwas selbst zu thun. Selbst die Niedrigkeit, 302 ihr versammelten Väter, die sie jenen vorwerfen, ist ja der stärkste Beweis, daß ich niemanden, der unserm State seine Dienste leihen wollte, abgewiesen habe. Ehe ich Syracus einschloß, habe ich bald durch abgeschickte Gesandte, bald durch eingegangene Unterredungen den Frieden versucht; dafür aber habe ich auch nachher, als man sich nicht scheute, sich an meinen Gesandten zu vergreifen, und selbst ich in der Zusammenkunft am Thore von ihren Großen nicht einmal eine Antwort erhielt, so viele Beschwerden ich auch zu Lande und zu Wasser zu besiegen hatte, doch endlich Syracus durch Sturm und Waffen erobert. Was ihnen als Besiegten wiederfuhr, darüber dürften sie sich mit mehrerem Rechte bei dem Hannibal und den Carthagern, ihrenVictosque iustius.] – Statt victosque lese ich mit Gronov, Drakenborch und Crevier victos secum, wohin auch die Lesart so vieler Msc. (victos sese) leitet. Mitbesiegten, beklagen, als vor dem Senate der Sieger. Daß ich Syracus habe plündern lassen; wenn ich dies leugnen wollte, versammelte Väter, so würde ich ja auf keinen Fall mit der Beute von dort die Stadt Rom verschönert haben. Habe ich als Sieger diesem oder jenem etwas genommen oder zugesprochen, so bin ich gewiß, hierin sowohl nach Kriegsrecht, als nach dem Verdienste eines Jeden gehandelt zu haben. Daß ihr dies genehmigt, versammelte Väter, wahrlich daran liegt dem State mehr, als mir. Ich habe meine Pflicht erfüllt; jetzt muß es Wunsch des States sein, daß ihr nicht etwa durch den Umsturz meiner Verfügungen die Schritte künftiger Feldherren lähmet. Und nun, ihr versammelten Väter, da ihr in beider Theile Gegenwart sowohl die Sicilianer, als mich, gehört habt, so wollen wir auch zugleich von dieser Stäte abtreten, damit der Senat in meiner Abwesenheit so viel freier die Stimmen abgeben könne.» Nachdem er so die Sicilianer entlassen hatte, ging auch er zu einer Aushebung der Truppen auf das Capitol.
32. Der andre Consul that über die Forderungen der Sicilianer den Antrag an die Väter. Hier wurde freilich 303 bei der Abstimmung lange gestritten, und sehr Viele vom Senate, die sich der Stimme des Titus Manlius Torquatus anschlossen, waren der Meinung:
«Mit den Tyrannen, als Feinden der Syracusaner und Römer zugleich hatte der Krieg geführt werden müssen; die Stadt aber hätte man wieder in Schutz nehmen, nicht erobern, und nach der Wiederaufnahme auf ihre alte Verfassung und Freiheit begründen, nicht aber in ihrer Ermattung unter der kläglichsten Sklaverei durch Krieg noch elender machen sollen. Über die Kämpfe der Tyrannen mit dem Römischen Feldherrn sei sie selbst, als in der Mitte aufgestellter Preis des Siegers, zu Grunde gegangen, eine der schönsten und berühmtesten Städte, ehemals die Korn- und Schatzkammer des Römischen Volks, die durch ihre Freigebigkeit und Geschenke in so manchem Sturme, selbst noch zuletzt in eben diesem Punischen Kriege, dem State Hülfe und Ehre geschafft habe. Wenn König Hiero, dieser treueste Verehrer des Römischen Stats, von den Todten aufstehen sollte, mit welcher Stirn man ihm entweder Syracus oder Rom zeigen wolle; wenn er, nach dem Hinblicke auf seine halbzerstörte und geplünderte Vaterstadt, schon bei seinem Eintritte in Rom, auf dem Vorplatze der Stadt, beinahe im Thore, die Prunkbeute aus seiner Vaterstadt zu sehen bekäme?» – Ich sage, obgleich dies und mehr dergleichen dem Consul zum Vorwurfe und zur Erregung des Mitleids mit den Syracusanern vorgebracht wurde, so faßten die Väter dennoch in Hinsicht auf den Marcellus den schonenden Beschluß ab: «Was er als kriegführender Feldherr und Sieger verfügt habe, müsse gültig bleiben. Für das Weitere wolle sich der Senat die Sache der Syracusaner empfohlen sein lassen, und dem Consul Lävinus den Auftrag geben, so viel sich ohne Nachtheil für das Ganze thun lasse, sich der Umstände jenes States anzunehmen.» Zwei auf das Capitol an den Consul abgefertigte Senatoren riefen ihn in das Rathhaus zurück, und nach abermaliger Einführung der Sicilianer wurde der Senatsschluß verlesen. Die Gesandten, die man nach einer gütigen Anrede entließ, 304 warfen sich dem Consul Marcellus mit der Bitte zu Füßen: «Was sie zur traurigen Darlegung und Erleichterung ihres Unglücks gesagt hätten, möge er ihnen verzeihen, und sie und die Stadt Syracus seines Beistandes und Schutzes würdigen.» Und darauf wurden sie vom Consul, der ihnen mit Sanftmuth zusprach, entlassen.
33. Nun ließ der Senat die Campaner eintreten, deren Vortrag kläglicher, wie ihre Sache schlimmer, war. Denn sie konnten nicht leugnen, die Strafe verdient zu haben, und hatten auch keine Tyrannen, auf die sie die Schuld wälzen konnten. Doch glaubten sie, da sich so viele ihrer Senatoren vergiftet, so viele unter dem Richtbeile geblutet hätten, Strafe genug gelitten zu haben. «Wären doch nur Wenige von ihren Adlichen noch am Leben; und diese habe weder ihr Gewissen gezwungen, sich selber Leides zu thun, noch der erbitterte Sieger sie zum Tode verdammt. Diese bäten für sich und die Ihrigen um die Freilassung und um die Zurückgabe einiges Vermögens, da sie selbst Römische Bürger, meistentheils vermöge der alten Berechtigung zu Gegenheirathen mit Römischen Häusern verschwägert und durch nahe Verwandschaft mit ihnen verbunden wären.»
Nachdem man die Gesandten aus dem Rathhause hatte abtreten lassen, bedachten sich die Väter ein wenig, ob sie nicht den Quintus Fulvius von Capua kommen lassen sollten, – denn der Consul Claudius war gleich nach Einnahme der Stadt gestorben – um die Sache eben so in Gegenwart des Feldherrn auszumachen, der dort der Handelnde gewesen sei, wie man es mit dem Marcellus und den Sicilianern gemacht habe. Als sie aber den Marcus Atilius und den Cajus Fulvius, des Flaccus Bruder, seine beiden Unterfeldherren, und eben so die Unterfeldherren des Claudius, den Quintus Minucius und Lucius Veturius Philo im Senate sitzen sahen; sämtlich Augenzeugen von Allem, was dort vorgenommen war; und sie weder den Fulvius von Capua abrufen, noch die Campaner auf einen andern Tag bestellen wollten, so wurde Marcus Atilius Regulus, unter den vor Capua gewesenen der Geltendste, 305 um seine Meinung befragt. «Ich erkläre,» sprach dieser, «daß ich von den Consuln zu dem Kriegsrathe gezogen bin, in welchem nach Eroberung von Capua die Frage vorkam, ob sich irgend ein Campaner um unsern Stat ein Verdienst erworben habe. Man brachte in Erfahrung, es fänden sich zwei Frauenspersonen, die Vestia Oppia, eine zu Capua wohnende Atellanerinn, und die Faucula Cluvia, welche in früheren Zeiten von ihren käuflichen Reizen gelebt hatte; jene habe täglich für Roms Erhaltung und Sieg geopfert, diese den nothleidenden Gefangenen heimlich Nahrungsmittel gereicht. Die Gesinnung aller übrigen Campaner gegen uns war die der Carthager, und hielt sich Quintus Fulvius bei ihrer Hinrichtung an eine Auszeichnung, so war es mehr die durch Stand, als durch Schuld. Ich sehe ein, daß der Senat gegen die Campaner, weil sie Römische Bürger sind, ohne Beistimmung des Gesamtvolkes nicht verfahren kann: und daher kam es auch bei unsern Vorfahren in der Angelegenheit der abgefallenen Satricaner, daß der Bürgertribun Marcus Antistius vorher bei dem Bürgerstande darauf antragen und der Bürgerstand sich erst erklären mußte, daß der Senat zum Urtheilspruche über die Satricaner berechtigt sein solle. Nach meiner Meinung also müßte man die Tribunen ersuchen, daß einer oder mehrere von ihnen einen Antrag an den Bürgerstand thue, wodurch wir das Recht bekommen, über die Campaner zu verfügen.» Der Bürgertribun Lucius Atilius that nach einem Senatsgutachten den Antrag bei dem Bürgerstande mit diesen Worten: «Über alle Einwohner von Capua, Atella, Calatia und die Sabatiner, welche sich durch die Übergabe an den Proconsul Fulvius der Verfügung und Landeshoheit des Römischen Volks unterworfen haben: auch was sie mit sich zugleich übergeben haben; ihr Land, ihre Stadt, geweihetes und ungeweihetes Eigenthum, ihre Geräthschaften und was sie sonst noch übergeben haben: wie mit dem Allen eurem Willen gemäß verfahren werden solle, darüber befrage ich euch, Quiriten.» Der Bürgerstand erklärte 306 sich so: «Was in einem hierzu vereideten Senate die «Mehrzahl von euch in der Sitzung Gegenwärtigen für Recht erkennen mag, das wollen und beschließen wir.»
34. Der nach diesem Volkserkenntnisse um seine Stimmen befragte Senat erkannte gleich zuerst der Oppia und Cluvia ihre Güter und Freiheit wieder zu, und hieß sie, wenn sie sich noch andre Belobungen beim Senate zu erbitten hätten, nach Rom kommen. In Rücksicht der Campaner richteten sich die Beschlüsse nach den verschiedenen Familien, und es ist nicht der Mühe werth, sie alle anzuführen. Bei einigen beschloß man die Einziehung ihrer Güter: sie selbst, ihre Kinder und Frauen sollten verkauft werden, diejenigen Töchter ausgenommen, welche, ehe die Römer Landesobrigkeit geworden wären, ins Ausland geheirathet hätten. Andre sollten gefesselt, und demnächst über sie verfügt werden. Bei andern Campanern ließen sie auch den Unterschied des Vermögens bestimmen, ob ihre Güter eingezogen werden sollten, oder nicht. Das ihnen weggenommene Vieh, die Pferde ausgenommen, ihre Sklaven, außer die männlichen Erwachsenen, und Alles, was nicht zum Boden gehörte, erklärten sie für zurükzugebendes Eigenthum. Alle Campaner, Atellaner, Calatiner, Sabatiner, diejenigen ausgenommen, die entweder selbst, oder deren Ältern sich bei den Feinden aufhielten, sollten frei sein, doch so, daß niemand von ihnen Römischer oder Latinischer Bürger sein könne; auch sollte keiner von denen, die während der Sperrung in Capua gewesen wären, länger, als bis zu einem bestimmten Tage, in der Stadt und im Gebiete von Capua bleiben dürfen. Diesen sollte ein Wohnort jenseit der Tiber angewiesen werden, der aber die Tiber nicht berühren dürfe. Wer aber in der Zeit des Krieges weder zu Capua, noch in einer von Rom abgefallenen Campanischen Stadt gewesen wäre, sollte bis in die Gegend diesseit des Flusses Liris, nach Rom zu, entfernt werden; und die zu den Römern übergegangen wären, ehe Hannibal vor Capua erschienen sei, bis diesseit des Vulturnus: keiner von ihnen sollte dem Meere näher, als 307 funfzehntausend Schritte, ein Landstück oder Gebäude haben dürfen. Diejenigen von ihnen, welche über die Tiber hinausgewiesen wären, sollten so wenig selbst, als ihre Nachkommen, irgendwo ein Grundeigenthum erwerben oder besitzen können, außer im Gebiete von Veji, Sutrium, Nepete, und auch dies nur unter der Bedingung, daß es das Maß von funfzig Morgen nicht übersteige. Die Güter der sämtlichen Senatoren und Obrigkeiten von Capua, Atella, Calatia sollten zu Capua verkauft werden. Die Freien, deren Verkauf bestimmt war, sollten nach Rom geschickt und zu Rom verkauft werden. Was von den ehernen Bildern und Statüen, welche sie den Feinden abgenommen haben wollten, als Heiligthum anzusehen sei oder nicht, überließ man dem Gesamtamte der Oberpriester zu entscheiden. Durch diese Beschlüsse noch weit tiefer gebeugt, als sie gekommen waren, wurden die Campaner aus Rom entlassen. Und nun klagten sie nicht mehr über die Härte des Quintus Fulvius gegen sie, sondern über die Ungerechtigkeit der Götter und über ihr fluchwürdiges Schicksal.
35. Nach Entlassung der Sicilianer und Campaner nahm man die Aushebung der Truppen vor, und als man ein Heer geworben hatte, beschäftigte man sich mit Entwürfen zur Ergänzung der Ruderknechte. Da man aber hierzu weder Menschen genug hatte, noch in der Schatzkammer zu deren Ankaufe und Besoldung damals das mindeste Geld war, so machten die Consuln bekannt, jeder Einzelne habe nach seinem Vermögen und Stande, so wie vormals, Ruderer zu stellen, mit Sold und Beköstigung auf dreißig Tage. Auf diese Bekanntmachung wurden die Bürger so laut und ihr Unwille so groß, daß es zum Aufruhre mehr an einem Anführer, als an Zunder fehlte. «Bei den Consuln komme nun die Reihe des Vertilgens und Hinwürgens nach den Sicilianern und Campanern an die Römischen Bürger. Seit so vielen Jahren durch Geldlieferungen erschöpft, hätten sie nichts mehr übrig, als den nackten und verödeten Boden. Die Häuser hätten ihnen die Feinde in Brand gesteckt; die Sklaven 308 zum Ackerbaue habe der Stat hingenommen, indem er sie bald für eine Kleinigkeit zum Kriegsdienste ankaufe, bald für die Ruderbank sie fordere. Das Wenige, was dieser und jener an Silber und Kupfer gehabt habe, sei durch die Besoldung der Ruderknechte und die jährlichen Geldlieferungen daraufgegangen. Zu geben, was sie nicht hätten, könne keine Gewalt, kein Befehl sie zwingen. Man möge das Ihrige verkaufen, möge gegen ihre Person, das Einzige ihnen übrig Gebliebene, wüthen; Sie hätten auch nicht einmal so viel noch, daß sie sich als Sklaven freikaufen könnten.»
So rief, nicht etwa hinter den Wänden, sondern ganz öffentlich auf dem Markte und unter den Augen der Consuln selbst, ein großer, sie umströmender, Schwarm; und weder durch harte, noch durch sanfte Worte konnten die Consuln die Leute zur Ruhe bringen. Darauf erklärten sie, sie gäben ihnen drei Tage Bedenkzeit; diese Frist aber nutzten sie selbst, die Sache zu prüfen und möglich zu machen. Den Tag nachher hielten sie über die Ergänzung der Ruderer eine Senatssitzung. Als sie hier weitläufig aus einander gesetzt hatten, warum die Weigerung der Bürger nicht unbillig sei, schlossen sie ihren Vortrag mit der Behauptung: «Den Privatpersonen müsse diese Last, es sei nun billig oder unbillig, aufgebürdet werden. Wovon sie sonst die Seeleute stellen sollten, da die Schatzkammer kein Geld habe? Wie man aber ohne Flotten entweder Sicilien behaupten, oder den Philipp von Italien abhalten, oder Italiens Küsten decken wolle?»
36. Als bei diesen Schwierigkeiten niemand Rath zu schaffen wußte, und jeder sich wie am Verstande gelahmt fühlte, da sprach der Consul Lävinus: «Die Statsbeamten müßten dem Senate, und der Senat dem Gesamtvolke, wie sie ihm an Ehre vorgingen, so auch zur Übernahme alles Drückenden und Unangenehmen als Führer vorangehen. Wolle man den Geringeren etwas aufbürden, so würde man sie Alle so viel folgsamer finden, wenn man dieselbe Verpflichtung zuerst sich selbst 309 und den Seinigen auferlegte. Auch wird ihnen die Ausgabe nicht schwer, wenn sie sehen, daß Jeder der Vornehmsten an Beiträgen, mehr als auf seinen Antheil fällt, übernimmt. Wollen wir also, daß das Römische Volk Flotten habe und bemanne, daß die Einzelnen ohne Weigerung Ruderer stellen; so müssen wir sie uns zuerst auferlegen. Alles unser Gold, Silber, geprägtes Kupfer wollen wir Senatoren morgendes Tages dem State einliefern, so daß Jeder nur für sich, seine Gattinn und Kinder die Ringe, für seinen Sohn den Brustknopf, und diejenigen, welche Frau und Töchter haben, für jede eine Unze Gold behalte. Wer schon den Thronsessel bekleidet hat, behält an Silber den Pferdeschmuck und noch ein Pfund, um die Götter mit Salzfaß und Opferschale bedienen zu können. Von uns übrigen Senatoren behält jeder Hausvater für sich nur Ein Pfund Silber und an Kupfermünze fünftausend5000 Kupferasse. Nach Crevier etwa 94 Gulden Convent. G. Ass. Alles übrige Gold, Silber und gemünzte Kupfer wollen wir sogleich den Dreiherren der Bank einliefern, und zwar ohne vorhergegangenen Senatsschluß, damit unser freiwilliger Beitrag und Wetteifer in Unterstützung des States zuerst dem Ritterstande, dann auch den übrigen Bürgern Lust mache, es uns nachzuthun. Nach Allem, was wir Consuln darüber besprochen haben, fanden wir diesen einzigen Weg. Betretet ihn unter göttlichem Beistande. Die Rettung des Stats verbürgt uns auch die Rettung unseres Eigenthums ohne Schwierigkeit: opfert man den Stat auf, so rettet man das Seinige umsonst.»
Hierzu. gaben Alle ihre Beistimmung mit solchem Edelmuthe, daß sie sogar den Consuln ihren Dank erklärten. Nach Entlassung des Senats lieferte Jeder für seine Person sein Gold, Silber, Kupfer dem State ein, mit einem so aufbietenden Wetteifer, ja seinen Namen unter den ersten im öffentlichen Verzeichnisse obenan geschrieben zu sehen, daß die Dreiherren der Bank nicht Hände genug zum in Empfang nehmen, die Buchhalter, 310 nicht zum Einschreiben hatten. Dieser Einstimmigkeit des Senats folgte der Ritterstand, und dem Ritterstande die Bürger. So war der Stat, ohne Abkündigung, ohne obrigkeitlichen Zwang, mit Mannschaft zur Ergänzung der Seeleute und dem Solde für sie versehen; und wie Alles zum Kriege in Bereitschaft war, gingen die Consuln auf ihre Kriegsplätze ab.
37. Auch gab es in diesem Kriege nie einen Zeitpunkt, in welchem Carthager und Römer, beide von mannigfachem Wechsel umkreuztCasibus immistis.] – Besser nach Hrn. Walch: casibus immisti. , so sehr zwischen Hoffnung und Furcht geschwankt hätten. Bei den Römern hatte theils in den Provinzen, dort das Unglück in Spanien, hier das Glück in Sicilien, Trauer und Freude gemischt; theils in Italien selbst, der Verlust von Tarent Schaden und Betrübniß, aber auch die mit der Besatzung behauptete Burg Tarents, unerwartete Freude veranlasset; und den plötzlichen Schrecken und die Bestürzung bei dem Angriffe und Sturme auf Rom verwandelte die Eroberung Capua's nach wenig Tagen in Jubel. Auch jenseit des Meers wogen sich die Erfolge gewissermaßen auf. Sehr zur Unzeit hatte man an Philipp einen Feind bekommen; dafür waren die Ätoler neue Bundesgenossen geworden, mit ihnen Attalus, der König Asiens; gleich als wollte das Schicksal den Römern schon jetzt auf die Beherrschung der Morgenländer Hoffnung machen.
Eben so stellten die Carthager den Verlust von Capua und die Eroberung Tarents gegen einander; und so wie sie sichs zum Ruhme anrechneten, daß sie niemand habe hindern können, bis an die Mauern von Rom zu dringen, so wehe that ihnen die aufgegebene Unternehmung, und sie schämten sich, so wenig geachtet zu sein, daß während sie selbst vor den Mauern Roms lagen, aus einem andern Thore ein Römisches Heer nach Spanien abging. Selbst die beiden Spanien, je näher sie dort der Hoffnung gewesen waren, durch Vertilgung zweier so großer Feldherren und Heere den Krieg beendigt und die 311 Römer ausgetrieben zu haben, erfüllten sie mit so viel größerem Unwillen darüber, daß ihr ganzer Sieg von einem Lucius Marcius, einem solchen Nothfeldherrn, so ganz vereitelt und vernichtet war.
Bei diesem Gleichgewichte der Schicksale blieb auf beiden Seiten alles im Schwanken, so daß sie alle ihre Hoffnungen, alle ihre Besorgnisse noch eben so vor sich hatten, als fingen sie gerade jetzt den Krieg erst an.
38. Den Hannibal beunruhigte nichts mehr, als dies, daß der Ruf, wie viele Beharrlichkeit die Römer im Angriffe auf Capua, wie wenig er selbst zur Rettung desselben bewiesen, viele Völker Italiens ihm abwendig gemacht hatte, die er eben so wenig alle durch Besatzungen fesseln konnte, wenn er sein Heer nicht in viele und kleine Theile zerstückeln wollte, was ihm jetzt durchaus nicht zuträglich war; als er es wagen durfte, die Treue seiner Bundsgenossen, wenn er seine Besatzungen abführte, entweder ihren ungehinderten Wünschen, oder einer bedrohenden Gefahr preis zu geben. Seine Neigung zur Habsucht und Grausamkeit bestimmte ihn, was er nicht behaupten konnte, zu plündern, um es dem Feinde verwüstet zu hinterlassen. So schlimm es war, sich auf eine solche Maßregel einzulassen, so war sie in ihren Folgen noch schlimmer: denn dadurch wandte er nicht bloß die Herzen der Gemishandelten, sondern auch der Übrigen von sich ab, weil das Beispiel mehreren fühlbar ward, als der Schade. Und der Römische Consul ließ es an Versuchen auf die Städte, wo sich nur einige Hoffnung zeigte, nicht fehlen. Zu Salapia waren Dasius und Blattius die ersten Männer. Dasius hielt es mit Hannibal, Blattius begünstigte, so viel er mit Sicherheit konnte, die Partei der Römer, und hatte durch geheime Boten dem Marcellus Hoffnung zu einer Übergabe gemacht; allein ohne Mitwirkung des Dasius konnte die Sache nicht durchgesetzt werden. Nach vielen und langen Bedenklichkeiten, und auch jetzt mehr aus Mangel eines bessern Plans, als in Hoffnung des Erfolgs, trug er beim Dasius selbst darauf an. Dieser, eben so sehr gegen die Sache 312 eingenommen, als aus Feindschaft gegen den Nebenbuhler seiner Macht, entdeckt das Ganze dem Hannibal. Als beide vorgefordert waren, Hannibal auf der Richterbühne noch einiges abthat, um sogleich die Untersuchung über den Blattius vorzunehmen, und Kläger und Beklagter, weil das Volk hatte Platz machen müssen, allein standen, so erneuerte Blattius beim Dasius seinen Antrag. Da rief Dasius, der Unläugbarkeit des Verbrechens gewiß, laut aus: «Nun fordere man ihn sogar unter Hannibals Augen zum Verrathe auf.» Eben ihrer Kühnheit wegen schien dem Hannibal und seinen Beisitzern die That so viel weniger wahrscheinlich. «Es sei gewiß zwischen ihnen bloß Eifersucht und Haß; und jener bringe eine Beschuldigung vor, die er eben darum, weil kein Zeuge darüber möglich sei, so viel dreister habe erdichten können.» Sie wurden also entlassen: und Blattius gab seinen kühnen Plan nicht auf, bis er durch fortgesetzte Zudringlichkeit und durch die Vorstellungen, welchen Vortheil sie selbst und ihre Vaterstadt davon haben würden, bei jenem es dahin brachte, daß sie die Punische Besatzung – sie bestand aus fünfhundert Numidern – und Salapia dem Marcellus überlieferten. Doch ging die Übergabe nicht ohne vieles Blutvergießen ab: denn jene waren bei weitem die tapfersten Reuter im ganzen Punischen Heere. Ob sie also gleich überrascht wurden, und von ihren Pferden in der Stadt keinen Gebrauch machen konnten, griffen sie dennoch während des Auflaufs zu den Waffen, suchten sich durchzuschlagen, und als sie nirgend durchbrechen konnten, fielen sie kämpfend bis auf den letzten Mann. Nicht über funfzig von ihnen kamen den Feinden lebendig in die Hände: und der Verlust dieses Geschwaders seiner Reuterei war dem Hannibal empfindlicher, als der von Salapia: auch waren die Punier seitdem an Reuterei, in welcher ihre Hauptstärke bestanden hatte, nicht mehr die Überlegenen.
39. Da um eben diese Zeit der Mangel auf der Tarentiner Burg kaum noch zu ertragen stand, so hatte die dortige Römische Besatzung, so wie ihr und der Burg 313 Befehlshaber Marcus Livius, ihre ganze Hoffnung auf die Zufuhr gesetzt, die ihr von Sicilien geschickt wurde; und damit diese sicher an Italiens Küste vorbeigehen könnte, stand zu Rhegium eine Flotte von beinahe zwanzig Schiffen. Den Oberbefehl über die Flotte, wie über die Zufuhren, hatte Decimus Quinctius, von geringer Herkunft, allein durch viele tapfre Thaten von ausgezeichnetem Kriegsruhme. Anfangs hatte er nur fünf Schiffe, von welchen die beiden größten, zwei Fünfruderer, Marcellus ihm anvertrauet hatte. Nachher wurden ihm wegen seines mehrmaligen braven Benehmens drei Fünfruderer zugegeben; und zuletzt brachte er durch Beitreibung der von den Bundsgenossen, von den Rheginern, von Velia, von Pästum, vertragsmäßig zu stellenden Schiffe, seine Flotte, wie schon gesagt, auf zwanzig Segel. Dieser von Rhegium ausgelaufenen Flotte begegnete Democrates mit eben so viel Tarentiner Schiffen bei Sacriportus beinahe funfzehn tausend Schritte von der Stadt. Die Römer, die sich keines Treffens versahen, hatten sich ganz ihren Segeln überlassen. Doch in der Gegend von Croto und Sybaris hatten sie ihre Ruderknechte vollzählig gemacht, und die Flotte war, der Größe ihrer Schiffe gemäß, vortrefflich ausgerüstet und bemannet: auch traf es sich, daß sich ungefähr zu gleicher Zeit der starke Wind gänzlich legte, und der Feind ihnen zu Gesichte kam, so daß sie völlig Zeit hatten, die Segel einzuziehen und Ruderer und Soldaten zum bevorstehenden Streite in Bereitschaft zu setzen. Nicht leicht trafen vollständige Flotten mit größerer Kampfbegier zusammen: denn sie fochten, um über einen Zweck zu entscheiden, der ihren eignen Werth überstieg; die Tarentiner, um von den Römern, denen sie ihre Stadt fast nach hundert Jahren wieder abgewonnen hatten, nun auch die Burg zu befreien, in der Hoffnung, wenn sie dem Feinde durch die Seeschlacht den Besitz des Meeres entrissen, ihm sogar die Zufuhr abzuschneiden; die Römer, um durch fortgesetzte Behauptung der Burg zu zeigen, daß sie Tarent nicht durch Eroberung oder Tapferkeit, sondern durch Verrath und Büberei verloren hätten. Nachdem sie also von 314 beiden Seiten auf das gegebene Zeichen mit den Schnabeln gegen einander gefahren waren, niemand sein eignes Schiff zurückzog, und eben so vermittelst des angeworfenen Raubhakens dem feindlichen, mit dem er sich eingelassen hatte, alles Losreißen unmöglich machte; so kamen sie in solcher Nähe zum Streite, daß sie nicht bloß mit Geschossen, sondern auch mit dem Schwerte, beinahe Fuß an Fuß, fochten. Die zusammengefahrnen Vordertheile saßen fest; die Wendungen der Hintertheile hingen von den Rudern des feindlichen Schiffes ab. Dicht gedrängt standen sich die Schiffe so nahe, daß zwischen ihnen kaum ein Pfeil, umsonst abgeschossen, ins Meer fiel. Gleich Linien im Felde drangen sie mit der Stirn gegen einander, und die Fechtenden schritten von Schiffe zu Schiffe weiter. Doch zeichnete sich unter den übrigen das Gefecht von zweien aus, die an der Spitze des ganzen Zuges auf einander getroffen waren. Auf dem Römischen Schiffe war Quinctius selbst, auf dem Tarentinischen Nico, mit dem Zunamen Percon, der nicht bloß als öffentlicher Feind, sondern auch für seine Person den Römern verhaßt war, und sie wieder haßte, insofern er zu jener Partei gehörte, welche Tarent dem Hannibal verrathen hatte. Er durchborte den Quinctius, als dieser, mit dem Gefechte und den Ermunterungen seiner Leute zugleich beschäftigt, ihm eine Blöße gab, mit seinem Speere, daßIlle atque praeceps.] – Gronov will dieses atque durch statim oder illico erklären. Allein, in den angeführten Stellen, wo atque diese Bedeutung hat, fängt es den Nachsatz an: atque illum, atque ego u. s. w. nicht wie hier: Ille atque. Auch sagt Drakenborch: De veritate tamen eius lectionis hoc loco dubito. – Bis sich irgendwo die ausgefallenen Worte wieder finden (z. B. etwa so: Ubi hastae affixus ille atque praeceps etc. oder Ubi moribundus ille atque praeceps etc.) will ich für die Übersetzung das gelindere Heilmittel wählen, statt ille atque bloß durch eine Versetzung atque ille übersetzen; und so lange mit Gronov dies atque ille an das Voraufgegangene knüpfen, da es Drakenb. wenn ich nicht irre, lieber zum Anfange des folgenden machen würde. er, in der Rüstung hinabstürzend, am Vordertheile niederfiel. Schon trieb der Tarentiner, als Sieger, welcher rasch auf das durch den Verlust seines Anführers in Verwirrung gesetzte Schiff herüberschritt, die Feinde vor sich her; schon waren die 315 Tarentiner vom Vordertheile Meister, als sich plötzlich am Hintertheile ein neuer Feind, ein Dreiruderer, zeigte. So wurde das in die Mitte genommene Römische Schiff erobert. Kaum sahen die übrigen das Hauptschiff verloren, so bemächtigte sich ihrer der Schrecken. Nach allen Seiten nahmen sie die Flucht, sanken zum Theile auf der Höhe, zum Theile ruderten sie auf den Strand, wo sie gleich nachher den Thurinern und Metapontinern zur Beute wurden. Von den Lastschiffen, welche der Flotte die Lebensmittel nachführten, fielen den Feinden nur sehr wenige in die Hände: die übrigen gewannen dadurch die Höhe, daß sie ihren Segeln gegen die wechselnden Winde bald hier- bald dorthin die schräge Richtung gaben.
Bei Tarent selbst hatten die Sachen in diesen Tagen einen ganz andern Erfolg. Denn da ihrer an viertausend, die auf Getreideholung ausgerückt waren, allenthalben in den Dörfern schwärmten, so schickte Livius, der Befehlshaber der Burg und der Römischen Besatzung, der keine Gelegenheit zu einem glücklichen Streiche aus der Acht ließ, den Cajus Persius, einen tüchtigen Mann, an der Spitze von Zweitausenden aus der Burg ab. Dieser überfiel die in den Dörfern ausgelassen umherstreifenden und zerstreuten, hieb sie lange auf allen Seiten nieder; und es retteten sich von den Vielen nur Wenige durch die eiligste Flucht in die Thore, die man ihnen, um nicht die Stadt von dem zugleich heranstürzenden Feinde erobern zu lassen, nur halb geöffnet hatte. So hielten sich bei Tarent der Römische Sieg zu Lande und der Tarentinische zur See das Gleichgewicht. Die gehoffte Zufuhr an Getreide, die sie schon vor Augen sahen, ging beiden verloren.