Titus Livius
Römische Geschichte
Titus Livius

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23. Die Prätoren gingen auf ihre Standplätze ab. Die Consuln hielt eine fromme Bedenklichkeit auf; weil ihnen nach eingegangenen Berichten von mehreren Schreckzeichen kein Opfer gelingen wollte. Auf jener Seite war aus Campanien gemeldet, zu Capua habe der Blitz zwei Tempel getroffen, den der Fortuna und des Mars, und mehrere Gräber; zu Cumä hatten die Mäuse – so mischt ein verkehrter Glaube die Götter auch in die größten Kleinigkeiten – im Tempel Jupiters am Golde genagt; zu Casinum habe sich ein ungeheurer Bienenschwarm auf dem Markte niedergelassen. Von dieser Seite: zu Ostia habe der Blitz in die Mauer und in ein Thor eingeschlagen; zu Cäre sei ein Geier in Jupiters Tempel geflogen; zu Volsinii habe der See Blutwasser gehabt. Dieser Schreckzeichen wegen wurde ein eintägiges Betfest angestellt. Mehrere Tage lang schlachtete man große Opferthiere ohne Erfolg und konnte lange den Frieden der Götter nicht erbitten. Die unglückliche Erfüllung der Schreckzeichen kostete, ohne den Stat zu treffen, den Consuln das Leben.

Die Apollospiele waren zum erstenmale unter den Consuln Quintus Fulvius und Appius Claudius vom Stadtprätor Publius Cornelius Sulla angestellt. Seitdem hatten sie alle Stadtprätoren der Reihe nach begangen, sie gelobten sie aber nur auf das eine Jahr und feierten sie auf einen unbestimmten Tag. In diesem Jahre wurde die 383 Stadt und ihre Gegend von einer schweren Pest heimgesucht, die aber mehr zu langwierigen als tödlichen Krankheiten ausschlug. Dieser Seuche wegen wurden in der ganzen Stadt auf den Kreuzwegen Betübungen angestellt, und der Stadtprätor Publius Licinius Varus mußte bei dem Gesamtvolke darauf antragen, daß die Feier dieser Spiele auf immer, auf einen festgesetzten Tag, verheißen sein sollte. Er war der erste, der sie auf diese Bedingung gelobete und am fünften Quinctilis beging. Dieser Tag blieb nachher ein unbeweglicher Festtag.

24. Das über die Stadt Arretium sich verbreitende Gerücht wurde täglich schlimmer und für die Väter beunruhigender. Deswegen schrieben sie dem Cajus Hostilius, er möge die Abforderung der Arretinischen Geisel nicht aufschieben, und Cajus Terentius Varro wurde mit der Vollmacht eines Oberfeldherrn hingeschickt, um sie sich von ihm zur Ablieferung nach Rom übergeben zu lassen. Als dieser ankam, ließ Hostilius sogleich eine Legion, die ihr Lager vor der Stadt hatte, in die Stadt einrücken, stellte an den gehörigen Plätzen Wachen aus und forderte auf dem Markte von den vor ihn beschiedenen Senatoren Geisel. Als sich der Senat zwei Tage Bedenkzeit ausbat, kündigte er ihnen an, sie müßten sie entweder sogleich stellen, oder er werde morgen lauter Senatorenkinder nehmen. Darauf erhielten die Kriegstribunen, die Obersten der Bundsgenossen und die Hauptleute Befehl, die Thore zu besetzen, damit niemand bei Nacht aus der Stadt ginge. Dies wurde nicht schnell und thätig genug vollzogen. Sieben der ersten Senatoren entkamen noch vor Nacht mit ihren Kindern, ehe die Wachen an den Thoren ausgestellt waren. Tages darauf, als am frühen Morgen der Senat auf den Markt gefordert wurde, vermißte man sie und verkaufte ihre Güter. Von den übrigen Senatoren nahm man hundert und zwanzig Geisel, ihre eigenen Kinder, in Empfang und lieferte sie dem Cajus Terentius zur Abführung nach Rom. Dieser gab der Sache vor dem Senate in allen Stücken ein noch verdächtigeres Ansehen, als sie schon gehabt hatte. Also 384 erhielt, gleich als wäre ein Hetrusker-Aufstand schon im Ausbruche, er selbst, Cajus Terentius, Befehl, eine von den beiden Stadtlegionen nach Arretium zu führen und sich mit ihr dort in Besatzung zu legen. Mit dem übrigen Heere sollte Cajus Hostilius in der ganzen Provinz umherziehen und Alles abwenden, was ihnen bei ihrer Lust zur Umwälzung zu statten kommen könnte. Als Cajus Terentius mit der Legion zu Arretium ankam, forderte er der Stadtobrigkeit die Thorschlüssel ab. Als sie ihm antworteten, sie wären nicht zu finden, und er vermuthete, sie möchten eher absichtlich weggeschafft als aus Nachlässigkeit verloren gegangen sein, belegte er die sämtlichen Thore mit neuen Schlössern, und ließ sichs eifrig angelegen sein, Alles in seiner Gewalt zu haben. Den Hostilius forderte er ernstlich auf, seine ganze Hoffnung, daß die Hetrusker keine Unruhen anfangen würden, nur darein zu setzen, wenn er dafür sorgte, daß sie keine anfangen könnten.

25. Nun kam im Senate die Angelegenheit der Tarentiner unter lebhaften Erörterungen zur Sprache, und zwar in Gegenwart des Fabius, der seine Überwundenen in Schutz nahm, da Andre auf sie erbittert und großentheils geneigt waren, sie für eben so schuldig und strafbar zu erklären, als die Campaner. Der Senatsschluß wurde so abgefaßt, wie Manius Acilius gestimmet hatte: die Stadt sollte mit einer Besatzung belegt werden, die sämtlichen Tarentiner sich auf ihre Mauern beschränken, und ihre Sache demnächst, wenn Italien mehr Ruhe habe, von neuem zum Vortrage gebracht werden. Über den Marcus Livius, den Befehlshaber der Tarentinischen Burg, entstand ein eben so lebhafter Streit; denn Einige stimmten dahin, es ihm in einem Senatsschlusse zu verweisen, daß er als Befehlshaber durch seine Sorglosigkeit Tarent den Feinden preisgegeben habe; Andre trugen für ihn auf Belohnungen an, weil er doch die Burg fünf Jahre lang behauptet und man vorzüglich durch sein Zuthun Tarent wieder gewonnen habe; und zwischen beiden in der Mitte behaupteten die Dritten, die Untersuchung über ihn 385 gehöre vor die Censorn, nicht vor den Senat. Dieser Meinung trat auch Fabius bei, doch fügte er hinzu: «Er gestehe, daß Tarent durch Zuthun des Livius wieder erobert sei; wie dessen Freunde so laut im Senate gerühmt hätten; denn die Wiedereroberung würde ja nicht möglich gewesen sein, wenn es nicht verloren gewesen wäre.»

Der eine von den Consuln, Titus Quinctius Crispinus ging mit den Ergänzungstruppen nach Lucanien zu dem Heere, welches Quintus Fulvius Flaccus gehabt hatte. Den Marcellus hielten noch die frommen Bedenklichkeiten, die sich ihm eine nach der andern aufdrängten. Dahin gehörte, daß die Oberpriester ihm die Weihe des Tempels nicht gestatten wollten, den er im Gallischen Kriege bei Clastidium dem Honos und der Virtus verheißen hatte. Sie behaupteten, Eine Götterwohnung könne nicht gut Zweien gewidmet werden, denn wenn der Blitz hineinschlüge, oder sich sonst ein Wunderzeichen darin ereignete, so habe die Sühne ihre Schwierigkeiten, weil man nicht wissen könne, welcher von beiden Gottheiten das Opfer zu bringen sei; denn dasselbe Opferthier Zweien zugleich zu weihen, es müßten denn gewisse Gottheiten sein, gehöre sich nicht. So wurde in beeiltem Baue für die Virtus noch ein Tempel angehängt; wiewohl er selbst die Weihe beider nicht vollzog. Nun endlich ging er mit den Ergänzungstruppen zu dem Heere ab, welches er im vorigen Jahre zu Venusia gelassen hatte.

Crispinus, in dessen Augen sich Fabius durch die Eroberung von Tarent so großen Ruhm erworben, hatte zur Belagerung von Locri im Bruttischen alle Arten von Wurfgeschütz und Maschinen aus Sicilien kommen lassen: auch waren Schiffe von dort hieher beschieden, welche die Stadt von der Seeseite bestürmen sollten. Diese Belagerung unterblieb, weil Hannibal schon bis Lacinium vorgerückt war, und auch dem Crispinus das Gerücht sagte, sein Amtsgenoß, mit dem er sich vereinigen wollte, sei schon mit dem Heere von Venusia aufgebrochen. Also ging er aus dem Bruttischen nach Apulien zurück, und zwischen Venusia und Bantia standen beide 386 Consuln, nicht volle dreitausend Schritte aus einander, in zwei Lagern. Als Hannibal den Angriff auf Locri abgewandt hatte, zog auch er wieder in jene Gegend. Hier rückten nun die Consuln, beide voll Unternehmungsgeist, beinahe täglich zur Schlacht aus, in der gewissen Hoffnung, wenn es der Feind mit zwei vereinigten consularischen Heeren aufnähme, dem Kriege ein Ende zu machen.

26. So wie sich Hannibal, weil er im vorigen Jahre bei seinem zweimaligen Zusammentreffen mit dem Marcellus Sieger und Besiegter gewesen war, wenn er jetzt nur wieder mit ihm allein kämpfen sollte, zur Hoffnung und zur Besorgniß berechtigt halten mußte, so hielt er sich doch beiden Consuln durchaus nicht gewachsen. So viel mehr sah er sich, ganz im Geiste seiner alten Schliche, nach einem Hinterhalte um. Indessen gab es zwischen beiden Lagern leichte Gefechte von wechselndem Ausgange. Da die Consuln, wenn sie auch glaubten, den Sommer damit hinbringen zu können, doch die Belagerung von Locri hierbei für thunlich hielten, so schrieben sie an den Lucius Cincius, er möchte mit seiner Flotte von Sicilien nach Locri übersetzen. Und damit die Mauern auch von der Landseite angegriffen würden, ließen sie von Tarent einen Theil des Heeres, das dort in Besatzung lag, heranrücken. Hannibal, der diese Vorkehrungen durch einige Thuriner erfuhr, ließ den Weg von Tarent besetzen. Hier nahmen unter der Höhe von Petelia dreitausend Mann Reuterei, zweitausend zu Fuß eine verdeckte Stellung, und da die ohne eingezogene Kunde heranrückenden Römer ihnen in die Hände fielen, so hatten sie einen Verlust von etwa zweitausend Todten und fast tausend zweihundert Gefangenen. Die andern kamen, als Flüchtlinge über die Felder und Waldungen zerstreuet, nach Tarent zurück.

Zwischen dem Punischen und Römischen Lager war ein waldiger Hügel, anfangs von beiden unbesetzt: denn die Römer wußten nicht, wie er auf der dem feindlichen Lager zugekehrten Seite aussehe, und Hannibal hielt ihn für tauglicher zu einem Hinterhalte, als zum Lager. 387 Deswegen hatte er auch einige bei Nacht dazu ausgeschickte Numidische Geschwader mitten im Walde versteckt, von denen bei Tage niemand vom Posten ging, um so wenig Waffen als Leute in der Ferne sichtbar werden zu lassen. Im Römischen Lager rief man durchgängig, der Hügel müsse besetzt und mit einer Schanze belegt werden, damit man nicht, wenn ihn Hannibal besetze, den Feind wie auf dem Nacken habe. Marcellus, der darauf hörte, sagte seinem Amtsgenossen: «Sollen wir selbst mit einiger Reuterei hingehen, ihn zu erkunden? Die Ansicht wird uns so viel sicherer bestimmen.» Als Crispinus einwilligte, rückten sie mit zweihundert und zwanzig Rittern aus, von denen vierzig Fregellaner, die übrigen Hetrusker waren. Mit ihnen gingen als Obersten Marcus Marcellus, Sohn des Consuls, und Aulus Manlius, und ebenfalls zwei Obersten der Bundesgenossen, Lucius Arennius und Manius Aulius. Einige Schriftsteller haben die Erzählung aufbewahrt: Consul Marcellus habe an dem Tage geopfert. Bei dem zuerst ausgeschlachteten Opferthiere habe an der Leber ein Lappen gefehlt: bei dem zweiten habe sich Alles, wie gewöhnlich, gezeigt, ja man habe sogar den einen Lappen übergroß gefunden, und dies sei dem Opferschauer gar nicht lieb gewesen, daß sich nach Erscheinung des Verstümmelten und Misgestalteten gleich etwas Übererfreuliches gezeigt habe.

27. Allein bei dem Consul Marcellus war die Begierde, mit Hannibal zu schlagen, so groß, daß ihm nie Lager an Lager nahe genug stand. Auch jetzt gab er, schon im Wegreiten aus dem Lager, Befehl, der Soldat solle sich schlagfertig auf seiner StelleAd locum.] – Ich nehme hier nicht paratus ad locum zusammen, sondern verstehe ad locum für in loco, wie ad urbem, ad Capuam, ad aedem u. s. w. Quisque in tentorio paratus (ad pugnam) esset; nemo pabulatum, lignatum, ambulatum ex castris abiret. – Ich sehe jetzt, daß Hr.  Walch S. 24. dies noch mit andern Beispielen belegt. halten, um sogleich, falls ihnen der Hügel, den sie jetzt in Augenschein nehmen wollten, gefiele, aufbrechen und folgen zu können. Vor dem Lager war eine kleine Feldstrecke; von da führte ein auf allen Seiten offener und 388 übersehbarer Weg zum Hügel. Den Numidern gab ihr Auflaurer, den sie wahrlich nicht in Hoffnung eines so großen Fangs ausgestellt hatten, sondern nur, um kleine Streifparteien aufheben zu können, die sich etwa bei Futter- oder Holzholungen zu weit vom Lager entfernten, das Zeichen, auf einmal aus ihren verschiedenen Winkeln hervorzubrechen. Die, welche dem Feinde gerade entgegen von der Höhe her aufbrechen mußten, kamen ihm nicht eher zu Gesichte, bis ihn die, welche ihm den Weg im Rücken abschneiden sollten, schon umgangen hatten. Da brachen Alle von allen Seiten hervor und thaten mit Feldgeschrei den Angriff. Ob sich gleich die Consuln in einem Thale befanden, aus dem sie weder zu der vom Feinde besetzten Höhe hinaufdringen, noch sich zurückziehen konnten, weil sie im Rücken umzingelt waren, so hätte sich doch der Kampf länger fortsetzen lassen, wenn nicht die Hetrusker durch ihren Anfang zur Flucht die übrigen bestürzt gemacht hätten. Dennoch gaben die von den Hetruskern im Stiche gelassenen Fregellaner das Gefecht nicht auf, so lange noch die Consuln unverwundet durch ihre Ermunterungen und selbst für ihren Theil als Mitstreiter die Sache hinhielten. Als sie aber beide Consuln verwundet, den Marcellus sogar, von einer Lanze durchbohrt, sterbend vom Pferde sinken sahen, so machten auch sie – es waren aber nur sehr wenige übrig – mit dem von zwei Wurfspießen getroffenen Consul Crispinus, und dem jungen ebenfalls verwundeten Marcellus sich davon. Der Oberste Aulus Manlius blieb auf dem Platze, und von den beiden Obersten der Bundsgenossen wurde Manius Aulius getödtet, Lucius Arennius gefangen. Auch fielen den Feinden fünf Lictoren der Consuln in die Hände; die übrigen wurden entweder getödtet oder entkamen mit dem Consul. Dreiundvierzig Ritter fielen entweder im Gefechte oder auf der Flucht; achtzehn wurden gefangen. Auch im Lager war man in Bewegung gerathen, um den Consuln zu Hülfe zu eilen, als man schon den einen Consul und den Sohn des andern, beide verwundet, mit dem kleinen Reste der unglücklichen Unternehmung auf das 389 Lager zukommen sah. Der Tod des Marcellus, an sich schon bedaurenswerth, war es dadurch noch mehr, daß er weder seinen Jahren, – denn er war schon über sechzig – noch der Klugheit eines alten Feldherrn gemäß, so unvorsichtig sich selbst, seinen Mitconsul und beinahe den ganzen Stat ins Verderben stürzte.

Ich würde mich bei diesem Einen Umstande auf viele Nebenwege einlassen müssen, wenn ich die verschiedenen Angaben der Geschichtschreiber über den Tod des Marcellus sämtlich verfolgen wollte. Um der andern nicht zu erwähnen; Lucius Cölius allein stellt den Gang der Begebenheit in einem dreifachen Verfolge auf; in dem einen, wie das Gerücht sie erzählt habe; in dem andern, wie sie in der vom Sohne, einem Augenzeugen, gefertigten Leichenrede zu lesen sei; und im dritten, wie er sie selbst seinen Untersuchungen und Erfahrungen gemäß berichte. So verschieden indeß die Aussagen sind, so erzählen doch die meisten, daß Marcellus bei einem Ritte aus dem Lager, zur Besichtigung einer Gegend, und alle, daß er in einem Hinterhalte gefallen sei.

28. Hannibal, der es sich dachte, wie sehr der Tod des einen, und die Verwundung des andern Consuls die Feinde geschreckt haben müsse, verlegte sein Lager sogleich, um keine Gelegenheit unbenutzt zu lassen, auf den Hügel, wo sie gefochten hatten. Hier fand man den Körper des Marcellus, den er begraben ließ. Crispinus, muthlos durch den Tod seines Mitconsuls und seine eigne Wunde, brach in der folgenden Nacht in aller Stille auf und nahm sein Lager auf den nächsten Bergen, die er erreichen konnte, in einer hohen ringsum gedeckten Stellung. Hier boten die Feldherren beide ihre Schlauheit auf, der Eine, jenem einen Streich zu spielen, der Andre, sich dagegen zu verwahren. Mit des Marcellus Leiche war auch sein Siegelring in Hannibals Hände gekommen. Aus Besorgniß, der Punische Feldherr möge durch eine Täuschung mit dem Petschafte irgend jemand belisten, hatte Crispinus die nächsten Städte mit der Anzeige beschickt, sein Mitconsul sei gefallen, und dessen Siegelring 390 in Feindes Händen: sie möchten keinem Briefe unter Marcellus Namen trauen. Eben war dieser Bote vom Consul zu Salapia angekommen, als ein Brief von Hannibal, in Marcells Namen abgefaßt, die Bestellung machte: «Er werde in der nächstfolgenden Nacht zu Salapia eintreffen. Die Truppen der Besatzung sollten sich bereit halten, wenn er etwa ihre Dienste nöthig habe.» Die Salapitaner durchschauten die List; und weil sie fürchteten, seine Rache suche nur Gelegenheit, sie theils für ihren Abfall, theils für seine getödtete Reuterei,Man sehe B. XXVI. C. 38. zur Strafe zu ziehen, so vertheilten sie nach Zurücksendung des Boten – es war aber ein Römischer Überläufer – um den Soldaten bei ihren Vorkehrungen freie Hand zu lassen, ihre Bürger auf die Mauern und dazu sich eignenden Stadtplätze, und besorgten die Anstellung der Posten und Wachen für diese Nacht mit vieler Pünktlichkeit. An dem Thore, wo sie die Ankunft des Feindes erwarten mußten, stellten sie ihm die ganze Stärke der Besatzung entgegen.

Hannibal kam gegen die vierte Nachtwache vor der Stadt an. Den Vortrab machten die Römischen Überläufer, die auch Römische Waffen hatten. Als sich diese dem Thore näherten, riefen sie, alle in Lateinischer Sprache, die Wachen an und hießen sie das Thor öffnen: der Consul sei da. Die Wachen, gleich als kämen sie durch ihren Anruf aus dem Schlafe, machten sich laut, thaten sehr eilig und arbeiteten am Thore. Es war durch ein niedergelassenes Fallgatter gesperrt. Dies lüfteten sie theils mit Hebebäumen, theils zogen sie es durch Seile so weit in die Höhe, daß man aufrecht darunter weggehen konnte. Kaum war der Durchgang groß genug, als die Überläufer wetteifernd zum Thore hereinstürzten: und als ihrer beinahe sechshundert eingedrungen waren, stürzte das Fallgatter, weil das Seil, an dem es hing, nachgelassen wurde, mit großem Geprassel nieder. Nun fielen die Salapitaner hier auf die Überläufer, die ihre Waffen 391 noch vom Marsche nachlässig, wie in Freundes Lande, auf den Schultern hängen hatten; dort trieben sie vom Thurme des Thors und von den Mauern herab den Feind mit Steinen, Pfählen und Wurfpfeilen zurück. So mußte Hannibal, in seiner eignen Schlinge gefangen, hier abziehen. Er machte sich nun auf den Weg, die Stadt Locri zu entsetzen, welche Cincius aus allen Kräften mit Werken und aus Sicilien herbeigeführtem Wurfgeschütze aller Art bestürmte. Dem Mago, der schon beinahe den Muth aufgab, die Stadt zu behaupten und den Feind abzuhalten, ging der erste Strahl von Hoffnung auf, als er den Tod des Marcellus erfuhr. An diese Nachricht schloß sich die zweite: Hannibal, der die Numidische Reuterei vorangehen lasse, komme selbst mit dem Fußvolke in den schnellsten Eilmärschen herangezogen. Sobald ihm also das von den Warten ihm mitgetheilte Zeichen die Ankunft der Numider verkündigte, brach auch er aus einem plötzlich geöffneten Thore mit dreister Kühnheit auf die Feinde ein. Und anfangs blieb das Gefecht unentschieden, mehr weil er sie überrascht hatte, als weil er ihnen gewachsen gewesen wäre. Als aber nachher die Numider dazu kamen, wurde die Bestürzung unter den Römern so groß, daß sie allenthalben, mit Hinterlassung ihrer Werke und Maschinen, die sie zum Stoße auf die Mauern gebraucht hatten, dem Meere und ihren Schiffen zueilten. So nahm durch Hannibals Ankunft die Belagerung von Locri ein Ende.

29. Als Crispinus sah, daß sich Hannibal in das Bruttische gezogen habe, trug er dem Obersten Marcus Marcellus auf, das Heer, welches sein Mitconsul befehligt hatte, nach Venusia abzuführen. Er selbst, mit seinen Legionen schon auf dem Wege nach Capua, auf dem er bei seinen schweren Wunden kaum die Bewegung der Sänfte ertragen konnte, meldete durch einen Brief den Tod seines Amtsgenossen und seine eigene bedenkliche Lage nach Rom. «Er könne zu den Wahlversammlungen nicht nach Rom kommen, theils weil man es ihm nicht zutraue, die Beschwerden der Reise aushalten zu 392 können, theils weil er für Tarent besorgt sei, wenn sich Hannibal aus dem Bruttischen dort hinwenden sollte. «Es sei nöthig, ihn durch Absendung einiger einsichtsvollen Männer in den Stand zu setzen, daß er seine Vorschläge in Hinsicht des States mündlich thun könne.» Dieser vorgelesene Brief erregte gleich große Trauer über den Tod des einen und Besorgniß wegen des andern Consuls. Also schickte man nicht bloß zum Heere nach Venusia den Quintus Fabius, den Sohn, sondern auch an den Consul drei Abgeordnete, den Sextus Julius Cäsar, Lucius Licinius Pollio, Lucius Cincius Alimentus, der kaum einige Tage vorher aus Sicilien zurückgekommen war. Sie mußten dem Consul sagen, wenn er selbst zu den Wahlversammlungen nach Rom nicht kommen könne, so möge er auf Römischem Boden einen Dictator zur Haltung der Wahlen ernennen. Falls der Consul schon nach Tarent abgegangen sei, finde man es nöthig, den Prätor Quintus Claudius mit den Legionen von dort in eine Gegend rücken zu lassen, wo er die meisten verbündeten Städte decken könne.

In diesem Sommer ging Marcus Valerius mit der Flotte von hundert Schiffen aus Sicilien nach Africa über, und nach einer bei der Stadt Clupea bewerkstelligten Landung verheerte er, fast ohne einem Bewaffneten zu begegnen, das Land weit umher. Aber eilig warfen sich die Plünderer wieder auf ihre Schiffe, weil ihnen unerwartet das Gerücht von Annäherung einer Punischen Flotte zu Ohren kam. Sie bestand aus dreiundachtzig Schiffen. Nicht weit von Clupea hatten die Römer mit ihr ein glückliches Gefecht. Sie nahmen achtzehn Schiffe, schlugen die übrigen in die Flucht und kehrten reich an Beute, die sie zu Lande und zur See gemacht hatten, nach Lilybäum zurück.

In diesem Sommer kam auch Philipp den Achäern auf ihre Bitte zu Hülfe. Der Lacedämonische Zwingherr Machanidas bedrängte sie als Nachbar mit Kriege, und von den Ätolern, welche mit einem Heere über die, von den Einwohnern Rhion genannte, Naupactus und Paträ 393 scheidende, Meerenge setzten, waren sie ausgeplündert. Auch sagte man, Attalus, König von Asien, werde nach Europa herüberkommen, weil ihm die Ätoler auf ihrer letzten Versammlung die höchste obrigkeitliche Stelle ihres Landes übertragen hätten.

30. Als Philipp aus diesen Gründen nach Griechenland herabzog, stießen ihm bei der Stadt Lamia die Ätoler auf, unter ihrem Feldherrn Pyrrhias, den sie für dies Jahr nebst dem abwesenden Attalus zum Prätor gewählt hatten. Auch standen Hülfsvölker vom Attalus bei ihnen, und fast tausend Mann von der Römischen Flotte, die ihnen Publius Sulpicius geschickt hatte. Gegen diesen Feldherrn und diese Truppen focht Philipp zweimal mit glücklichem Erfolge. In beiden Gefechten tödtete er an tausend Feinde. Als sich die Ätoler hiedurch geschreckt auf die Mauern der Stadt Lamimia beschränkten, ging Philipp mit seinem Heere nach Phalara zurück. Dieser Ort liegt an dem Maliacischen Meerbusen, und war vormals wegen seines herrlichen Hafens, der sichern Ankerplätze in seiner Nähe und bei so manchen ihm zu Wasser und zu Lande eigenen Vortheilen sehr bevölkert. Hier fanden sich Gesandte von Ägyptens Könige Ptolemäus, von den Rhodiern, Athenern und Chiern ein, um den Krieg zwischen Philipp und den Ätolern beizulegen. Die Ätoler zogen auch von ihren Nachbaren den König der Athamanen, Amynander, als Friedensvermittler mit dazu. Bei allen aber war dies nicht sowohl Sorge für die Ätoler, deren Trotz für die Sinnesart jedes Griechischen Volks viel zu groß war, als vielmehr die, daß sich Philipp und Macedonien, von denen einst für die Freiheit zu fürchten war, in Griechenlands Angelegenheiten mischen möchten. Die Berathschlagung über den Frieden wurde bis zur Versammlung der Achäer verschoben, und zu dieser Versammlung Ort und Tag angesetzt, indeß aber ein Waffenstillstand von dreißig Tagen bewilligt. Der König, der von hier aufbrach, kam durch Thessalien und Böotien nach Chalcis auf Euböa, um dem Attalus, von dem er gehört hatte, er werde mit seiner Flotte auf Euböa zusteuren, die Hafen und die Anfahrt an die Küste zu 394 verwehren. Nach seinem Aufbruche von hier, wo er einige Mannschaft gegen den Attalus zurückließ, wenn dieser unterdessen übersetzen sollte, kam er nur mit wenigen Reutern und Leichtbewaffneten nach Argos. Von hier, wo ihm die Besorgung der Junonischen und Nemeischen Spiele durch Stimmenwahl des Volks übertragen wurde, weil die Macedonischen Könige ihre Abkunft aus dieser Stadt herleiten, ging er, so wie die Junonischen Spiele beendigt waren, unmittelbar nach der Feierlichkeit, nach Ägium zu der schon längst dorthin beschiedenen Versammlung seiner Bundesgenossen. Hier besprach man sich über die Beendigung des Ätolischen Krieges, damit weder die Römer, noch Attalus einen Vorwand hätten, Griechenland zu betreten. Dies Alles wurde, beinahe noch vor Ablauf des Waffenstillstandes, durch die Ätoler wieder umgeworfen, sobald sie nur hörten, daß Attalus nach Ägina gekommen sei und daß bei Naupactus eine Römische Flotte stehe. Denn als sie in die Versammlung der Achäer gerufen waren, in welcher sich dieselben Gesandschaften einfanden, die zu Phalara den Frieden zu bewirken suchten, so beklagten sie sich zuerst über einige Kleinigkeiten, welche während des Waffenstillstandes gegen die Verabredung vorgefallen waren, und am Ende erklärten sie, der Krieg könne nicht beigelegt werden, wofern nicht die Achäer den Messeniern Pylus wiedergäben, die Römer die Landschaft Atintania zurückbekämen, und Skerdilädus und Pleuratus das Land der Ardyäer. Voll höheres Unwillens, daß seine Besiegten ihm, dem Sieger, sogar Bedingungen vorschreiben wollten, sagte Philipp: «Er habe schon vorher den Friedensvorschlägen nicht etwa deswegen Gehör gegeben oder den Waffenstillstand bewilligt, weil er von Seiten der Ätoler die mindeste Friedfertigkeit erwartet habe, sondern um alle Bundesgenossen zu Zeugen zu haben, daß er selbst es auf den Frieden, jene aber auf Krieg angelegt hätten.» Als er die Versammlung, ohne Frieden geschlossen zu haben, entlassen hatte, ließ er den Achäern zum Schutze viertausend Mann seiner Truppen hierbleiben, und sich dagegen von ihnen fünf 395 Linienschiffe geben. Denn er hatte sich vorgenommen, wenn er diese mit der ihm neulich zugeschickten Carthagischen Flotte und mit jenen Schiffen vereinigt hätte, welche aus Bithynien vom Könige Prusias unterwegs waren, den Römern, welche lange schon in dieser Gegend zu Meere die Oberhand hatten, eine Schlacht anzubieten. Er selbst ging von jener Versammlung nach Argos zurück; denn die Zeit der Nemeischen Spiele ruckte heran, welche er durch seine Gegenwart glänzender machen wollte.

31. Indeß sich der König mit Veranstaltung der Spiele beschäftigte und während der Feiertage sich der Abspannung mit größerer Ungebundenheit überließ, als Kriegszeiten sie gestatten, landete Publius Sulpicius, der von Naupactus mit seiner Flotte absegelte, zwischen Sicyon und Corinth, und verheerte die durch ihre Fruchtbarkeit so berühmte Gegend weit und breit. Das Gerücht hiervon störte den Philipp von den Spielen auf. Nach einem raschen Zuge mit seiner Reuterei, auf dem seine Fußvölker ihm folgen mußten, überfiel er die Römer, die sich, ohne so etwas zu ahnen, allenthalben in den Dörfern zerstreut und mit Beute beladen hatten, und jagte sie auf die Schiffe. So kehrte die Römische Flotte, welcher das Beutemachen gar nicht gut bekommen warhaud quaquam laeta praeda.] Nach Crevier: haudquaquam laetâ praedâ. (Cui praedatio haudquaquam laetabilis facta erat.) , nach Naupactus zurück. Der Ruf dieses, wenn auch unbedeutenden, doch über Römer erfochtenen Sieges machte auch für Philipp die Feierlichkeit der noch übrigen Spiele so viel festlicher, und man beging die Feiertage mit ungemeiner Freude; um so viel mehr noch, weil er mit Ablegung seines Kopfschmucks, seines Purpurs und des übrigen königlichen Anzuges, sich im Äußern Allen gleichstellte, was in Freistaten so wohl aufgenommen wird. Auch würde er ihnen dadurch Hoffnung für die Sicherheit ihrer Freiheit gemacht haben, wenn er nicht dies Alles durch empörende Wollüste verunehrt und entwürdigt hätte. So aber durchschwärmte er mit Einem oder Zweien seines Gefolges bei Tage und bei Nacht die Häuser, wo es Ehen gab; je weniger er auffiel, weil 396 er seine Höhe auf den Fuß eines Privatmannes herabstimmte, desto mehr erlaubte er sich, und machte von aller Freiheitsliebe, die er gegen Andre aus Eitelkeit blicken ließ, nur für seine Zügellosigkeit Gebrauch. Und nicht immer erkaufte oder erschmeichelte er die Gunstbezeugungen: er lieh seinen schändlichen Zwecken auch Gewalt; und Gatten und Ältern liefen Gefahr, wenn sie mit ungefälliger Strenge einem Lustgenusse des Königs in den Weg traten. Sogar einem der vornehmsten Achäer, AratusDieser war Aratus der jüngere. Der berühmte Stifter des Achäischen Bundes war sein Vater. Crevier. , ließ er die Frau, Polycratia hieß sie, wegnehmen und unter Versprechung des königlichen Beilagers nach Macedonien bringen. Nachdem er unter solchen Schandthaten die Feier der Nemeischen Spiele hingebracht und hier noch einige Tage zugegeben hatte, brach er auf, um die Ätolische Besatzung, welche die Eleer gerufen und in die Stadt genommen hatten, zu verjagen. Cycliadas, der Oberfeldherr, und seine Achäer stießen bei Dymä zu dem Könige, theils aus Haß gegen die Eleer, weil sie sich vom Bunde der übrigen Achäer ausgeschlossen hatten, theils aus Erbitterung gegen die Ätoler, denen sie es beimaßen, daß auch die Römer Krieg mit ihnen angefangen hätten. Nach ihrem Aufbruche von Dymä gingen sie mit vereintem Heere über den Strom Larisus, der das Gebiet von Elis vom Dymäischen scheidet.

32. Den ersten Tag, an welchem sie über die feindliche Gränze zogen, brachten sie mit Plündern zu. Am folgenden rückten sie in Schlachtordnung den Eleern vor die Stadt, und schickten die Reuterei voran, welche durch nahes Schwärmen an den Thoren die zu Ausfällen gleich fertigen Ätoler reizen sollte. Sie wußten aber nicht, daß Sulpicius mit funfzehn Schiffen von Naupactus nach Cyllene hinübergesetzt, mit viertausend Mann gelandet, und um seinen Anzug zu verheimlichen, in der Stille der Nacht in Elis eingerückt war. Daher setzte sie die Überraschung in großen Schrecken, als sie zwischen den Ätolern und Eleern Römische Fahnen und Truppen erblickten. Und anfangs hatte der König seine Truppen zurückziehen 397 wollen; weil er aber in dem Gefechte, auf welches sich die Ätoler und die Trallen, ein Illyrisches Volk, schon eingelassen hatten, die Seinigen leiden sah, so sprengte auch er mit seiner Reuterei auf eine Römische Cohorte. Da hier das Pferd, mit einem Wurfpfeile durchschossen, den über Kopf abgeworfenen König zur Erde schleuderte, so wurde der Kampf von beiden Seiten heftig, weil die Römer auf den König eindrangen, und ihn die Seinigen beschützten. Und der König focht nicht ohne Auszeichnung, da er sich zu Fuß unter lauter Reuterei zum Kampfe gezwungen sah. Als endlich der Streit schon ungleich wurde, und viele um den König her sanken und Wunden bekamen, begab er sich, durch die Seinigen weggerissen und auf ein anderes Pferd gesetzt, auf die Flucht. An dem Tage noch nahm er sein Lager fünftausend Schritte von der Stadt Elis. Tags darauf rückte er mit allen Truppen gegen eine kleine Feste, der Thurm genannt, wohin sich, wie er erfuhr, eine Menge Landleute aus Furcht vor Plünderung mit ihren Heerden geflüchtet hatte. Diese ungeordnete und wehrlose Menge machte er bei seiner Ankunft gleich im ersten Schrecken zu Gefangenen, und bekam an dieser Beute für den bei Elis erlittenen Schimpf Ersatz. Als er die Beute und die Gefangenen vertheilte, – es waren viertausend Menschen, und an Vieh edler Art an zwanzigtausend Stück – kam die Nachricht aus Macedonien, daß ein gewisser Eropus, von dem sich der Befehlshaber der Besatzung habe bestechen lassen, sich der Stadt Lychnidus bemächtigt, einige Flecken im Gebiete der Dassaretier besetzt habe, und auch die Dardaner aufwiegele. Da er also vom Achäischen Kriege in so weit abtrat, daß er doch noch zweitausend fünfhundert Mann an Truppen aller Art unter Anführung des Menippus und Polyphantes zum Schutze seiner Bundesgenossen zurückließ, brach er von Dymä auf und kam durch Achaja, Böotien und über Euböa in zehn Tagemärschen zu Demetrias in Thessalien an.

33. Hier kamen ihm schon andere Boten mit der Nachricht von einem noch größeren Aufstande entgegen. 398 Die Dardaner, welche in Macedonien eingebrochen wären, hätten schon die Landschaft Orestis besetzt und sich in die Argestäische Ebene herabgezogen; auch habe sich unter den Barbaren das Gerücht verbreitet, daß Philipp getödtet sei. Auf jenem Zuge, als er in der Gegend von Sicyon das Gefecht mit den Plünderern hatte, hatte er durch einen Satz seines Pferdes gegen einen Baum an einem hervorstehenden Aste das eine Horn seines Helms abgebrochen. Ein Ätoler hatte es gefunden; und da es nach Ätolien an den Skerdilädus kam, welcher den Helm, den es schmückte, kannte, so wurde dadurch der Ruf vom Tode des Königs allgemein. Nach dem Abzuge des Königs aus Achaja vereinigte sich Sulpicius, der mit seiner Flotte nach Ägina ging, mit dem Attalus. Die Achäer lieferten den Ätolern und Eleern nicht weit von Messene ein glückliches Treffen. König Attalus und Publius Sulpicius überwinterten auf Ägina.

Am Ende dieses Jahrs starb der Consul Titus Quinctius Crispinus, nachdem er den Titus Manlius Torquatus zur Haltung der Wahlversammlungen und Spiele zum Dictator ernannt hatte, an seiner Wunde; Einige sagen, zu Tarent, Andere, in Campanien, So hinterließen, was noch in keinem Kriege der Fall gewesen war, beide Consuln, die nicht einmal in einer denkwürdigen Schlacht fielen, den Stat gleichsam verwaiset. Der Dictator Manlius ernannte den damaligen Curulädil Cajus Servilius zu seinem Magister Equitum. Am ersten Tage seiner Zusammenkunft befahl der Senat dem Dictator, die Großen Spiele anzustellen, welche der Stadtprätor Marcus Ämilius unter den Consuln Cajus Flaminius und Cneus Servilius angestellt und auf alle fünf Jahre gelobet hatte. Der Dictator besorgte die Spiele und gelobte sie wieder auf das nächste Schatzungsopfer. Da nun zwei consularische Heere ohne Feldherren in einer solchen Nähe des Feindes standen, so beschäftigte die Väter und das Volk mit Beiseitsetzung alles Andern die Hauptsorge, je eher je lieber Consuln zu wählen, und zwar ganz vorzüglich solche zu wählen; die sich bei ihrer Tapferkeit auch gehörig gegen 399 Punische List zu sichern wüßten. «Denn außerdem, daß in diesem ganzen Kriege die vorschnellen und hitzigen Köpfe der Feldherren nur Schaden gestiftet hätten, so wären selbst in diesem Jahre beide Consuln über ihre Sucht, sich mit dem Feinde zu messen, in eine unvorhergesehene Schlinge gefallen. Allein aus Mitleid mit dem Römerstamme hätten die unsterblichen Götter der unschuldigen Soldaten geschont, und ihr Misfallen an der Unbesonnenheit der Consuln durch den über sie selbst verhängten Tod offenbaret.»

34. Als sich die Väter nach Männern umsahen, die sie zu Consuln machen könnten, fiel ihnen vor allen andern Cajus Claudius Nero auf. Für ihn suchte man nun einen Amtsgenossen: denn ihn selbst hielten sie freilich für einen vortrefflichen Mann, allein auch für rascher und unternehmender, als die Verhältnisse des Krieges und ein Feind Hannibal ihn verlangten: seinen unternehmenden Geist glaubten sie durch einen als Mitconsul ihm an die Seite zu stellenden Mann von Bedacht und Einsicht mildern zu müssen. So ein Mann war Marcus Livius, der vor mehreren Jahren bei seinem Abgange vom Consulate durch einen Gerichtsspruch des Volks verurtheilt war. Dieser Schimpf war ihm so empfindlich gewesen, daß er auf das Land hinauszog und viele Jahre lang sich der Stadt und aller Zusammenkünfte enthielt. Beinahe schon im achten Jahre nach seiner Verurtheilung hatten ihn die Consuln Marcus Claudius Marcellus und Marcus Valerius Lävinus wieder in die Stadt geholt: allein noch immer ging er im abgetragenen Rocke mit langgewachsenem Hare und Barte, und legte in Miene und Aufzug das unverkennbare Bewußtsein des erlittenen Schimpfes zu Tage. Die Censoren Lucius Veturius und Publius Licinius zwangen ihn, sich scheren zu lassen, das trübe Äußere abzulegen, in den Senat zu kommen und andere öffentliche Verrichtungen zu übernehmen. Allein auch jetzt noch gab er seine Zustimmung mit einem Ja, oder trat zu einem Stimmgeber hinüber, bis er sich in der Sache eines seiner Verwandten, des Marcus Livius Macatus, dessen guter Name 400 gefährdet ward, genöthigt sah, vor dem Senate aufzutreten und seine Meinung vorzutragen. Der Redner, der nach so langer Zwischenzeit sich wieder hören ließ, zog aller Augen auf sich, und gab Gelegenheit, daß man äußerte: «Er habe das Unrecht vom Volke nicht verdient, und es sei für den Stat ein großer Verlust gewesen, in diesem schweren Kriege die Thätigkeit und den Rath eines solchen Mannes nicht benutzt zu haben. Dem Cajus Nero könne man weder den Quintus Fabius, noch den Marcus Valerius Lävinus zum Amtsgenossen geben, weil man zwei Consuln von Adel nicht wählen dürfe. Dies sei auch der Fall bei dem Titus Manlius, außerdem daß er schon einmal das angetragene Consulat ausgeschlagen habe und es auch wieder ausschlagen werde. Das würde ein herrliches Par Consuln sein, wenn man den Marcus Livius dem Cajus Claudius zum Amtsgenossen gäbe.» Auch das Volk wies den von den Vätern ausgegangenen Vorschlag nicht von der Hand. Nur Einer von der ganzen Bürgerschaft, gerade der Mann, dem die Ehrenstelle geboten wurde, verweigerte die Annahme, weil ihm die Bürger zu leichtsinnig wären. «Sie hätten mit ihm, als Beklagten im Trauergewande, kein Mitleiden gehabt, und jetzt trügen sie ihm gegen seinen Willen die blendende Toga an. Mit Ehrenämtern und Strafen behäuften sie denselben Mann. Wenn sie ihn für einen rechtschaffenen Mann hielten, warum sie ihn als den Schlechten und Strafwürdigen verurtheilt hätten? Hätten sie ihn schuldig befunden, wozu dem, dem das erste Consulat so übel anvertraut gewesen sei, ein zweites anvertrauen?» Diese und ähnliche Vorwürfe und Klagen verwiesen ihm die Väter, und erinnerten ihn, «auch Marcus Furius, den man doch aus der Verbannung zurückgerufen, habe die von ihrer Stelle verrückte Vaterstadt wieder eingesetzt. Die Härte «des Vaterlandes müsse man, wie die der Ältern, durch Dulden und Tragen mildern.» Alle drangen in ihn; und mit dem Cajus Claudius wurde Marcus Livius Consul.

35. Drei Tage nachher war Prätorenwahl. Die gewählten Prätoren waren Lucius Porcius Licinus, Cajus 401 Mamilius und die beiden Hostilius Cato, Aulus und Cajus. Nach Beendigung der Wahlen und Vollziehung der Spiele gingen der Dictator und Magister Equitum von ihrem Amte wieder ab. Cajus Terentius Varro wurde als Proprätor nach Hetrurien geschickt, weil aus dieser Provinz Cajus Hostilius (Tubulus) nach Tarent zu dem Heere gehen sollte, welches der Consul Titus Quinctius gehabt hatte. Auch sollte Lucius Manlius als Gesandter auf die jenseitige Küste gehen und zusehen, wie es dort stände. Zugleich sollte er, weil für diesen Sommer die Spiele zu Olympia bevorstanden, welche Griechenland durch eine äußerst zahlreiche Zusammenkunft verherrlichte, wenn er es der Feinde wegen mit Sicherheit könnte, diese Versammlung besuchen; um theils die während des Krieges dorthin verschlagenen Sicilianer, theils die vom Hannibal verwiesenen Tarentiner zur Heimkehr einzuladen und sie wissen zu lassen, daß ihnen das Römische Volk Alles, was sie vor dem Kriege gehabt hätten, wiedergebe.

Weil dies Jahr so viele Gefahren mitzubringen schien und der Stat noch ohne Consuln war, so wünschte man, die nächstbestimmten Consuln, auf die sich Aller Augen richteten, sobald als möglich um die Plätze ihrer Bestimmung losen zu lassen, und früh genug zu erfahren, welchen Standort jeder von ihnen bekommen, welchen Feind er vor sich haben werde. Auch kam es im Senate über ihre Aussöhnung zur Sprache, wozu Quintus Fabius Maximus die Einleitung machte. Ihre Feindschaft nämlich war stadtkundig, und die Erbitterung und der Unwille auf Seiten des Livius noch durch sein Unglück vergrößert, weil er sich bei seinem Misgeschicke für den Verachteten hielt. Er also war auch der Unversöhnlichere, und behauptete: «Es bedürfe keiner Aussöhnung: sie würden Alles mit so viel mehr Eifer und Anstrengung betreiben, um nicht im Amtsgenossen den Feind auf ihre Kosten glänzen zu lassen.» Doch der Einspruch des Senats bestimmte sie, mit Beiseitsetzung alles Grolls, zur einträchtigen Führung der Geschäfte und Befolgung gemeinschaftlicher Plane. Ihre Standorte wurden ihnen, nicht wie im vorigen Jahre auf 402 vereinigtem Gebiete, sondern auf entgegengesetzten Punkten des äußersten Italiens angewiesen; dem Einen, als Gegner Hannibals, die Bruttier und Lucaner, dem Andern gegen den Hasdrubal, welcher sich schon den Alpen nähern sollte, Gallien. Von den zwei in Gallien und Hetrurien stehenden Heeren mit Zugabe der Stadttruppen, sollte sich der, dem das Los Gallien beschiede, eins nach Gefallen aussuchen. Wem aber sein Platz in Bruttien zufiele, sollte sich, nach Aushebung neuer Stadtlegionen, eins von den beiden Heeren der vorjährigen Consuln wählen. Das vom Consul nicht gewählte Heer sollte der Proconsul Quintus Fulvius übernehmen und auf ein Jahr den Oberbefehl behalten. Den Cajus Hostilius (Tubulus), den sie vorhin seinen Platz in Hetrurien gegen Tarent hatten vertauschen lassen, hießen sie jetzt Tarent gegen Capua vertauschen. Er bekam die eine Legion, welche voriges Jahr unter dem Fulvius gestanden hatte.

36. Die Besorgniß wegen Hasdrubals Annäherung gegen Italien nahm mit jedem Tage zu. Seinen Übergang nach Gallien hatten die Gesandten der Massilier zuerst gemeldet, auch den Eindruck, den seine Ankunft auf die Gallier gemacht habe, weil er eine Menge Goldes mitgebracht haben sollte, Hülfstruppen in Sold zu nehmen. Die mit den Massiliern von Rom aus zu näherer Erkundigung abgegangenen Gesandten Sextus Antistius und Marcus Räcius hatten berichtet, sie hätten mit Massilischen Wegweisern Leute ausgechickt, welche ihnen durch Vorschub ihrer Gastfreunde unter den Oberhäuptern der Gallier von Allem genauere Nachricht hätten geben müssen. Jetzt hielten sie es für ausgemacht, daß Hasdrubal mit seinem großen schon zusammengerückten Heere im nächsten Frühjahre über die Alpen gehen werde; und schon jetzt halte ihn nichts weiter ab, als daß ihm der Winter die Alpen sperre.

An die Stelle des Marcus Marcellus wurde Publius Älius Pätus zum Vogelschauer gewählt und geweihet. Statt des vor zwei Jahren verstorbenen Marcus Marcius bekam Cneus Cornelius Dolabella die Weihe als OpferkönigHoc eodem anno et]. Diese vier Worte verschiebe ich nach Creviers Vermuthung, der ich völlig beistimme, bis zu den Worten comitium tectum, und nehme die des folgenden Perioden Eo anno primum – – – in Italiam venisset vor die Worte Lustrum conditum herüber. Man sehe eine ähnliche Verirrung der Abschreiber, in unserm Buche oben Cap. 2.. In diesem Jahre wurde zum erstenmale seit Hannibals Ankunft in Italien ein Schatzungsopfer gehalten, von den Censorn Publius Sempronius Tuditanus und Marcus Cornelius Cethegus. Geschatzt wurden hundert und siebenunddreißig tausend einhundert und acht Bürger, eine beträchtlich kleinere Zahl, als sie vor dem Kriege gewesen war. Von eben diesem Jahre finde ich noch bemerkt: einmal, der Versammlungsplatz habe ein Obdach bekommen; zum andern: die Curulädilen Quintus Metellus und Cajus Servilius hätten die Römischen Spiele auf Einen Tag, und die Bürgerädilen Quintus Mamilius und Marcus Cäcilius Metellus die Bürgerspiele an zwei Tagen gegeben. Diese stellten auch drei Statüen im Tempel der Ceres auf. Auch war in Bezug auf die Spiele Jupitern zu Ehren ein Opferschmauß.

Nun traten Cajus Claudius Nero und zum zweitenmale Marcus Livius ihr Consulat an. Weil sie schon als bestimmte Consuln um ihre Standplätze geloset hatten, so ließen sie nun die Prätoren losen. Den Cajus Hostilius (Cato) traf die Rechtspflege in der Stadt; man gab ihm die über Ausländer dazu, damit man noch für drei Prätoren Plätze behielte. Aulus Hostilius erlosete Sardinien, Cajus Mamilius Sicilien, Lucius Porcius Gallien. Die sämtlichen dreiundzwanzig Legionen wurden so auf die Provinzen vertheilt, daß man für jeden Consul zwei; für Spanien vier; für jeden der drei Prätoren in Sicilien, Sardinien und Gallien, zwei; für den Cajus Terentius in Hetrurien zwei; zwei für den Quintus Fulvius im Bruttischen; zwei dem Quintus Claudius für die Gegend von Tarent und das Sallentiner Gebiet, und eine dem Cajus Hostilius Tubulus für Capua bestimmte, und noch zwei Stadtlegionen ausgehoben werden sollten. Die Obersten bei den vier ersten Legionen wählte das Volk; bei den übrigen stellten die Consuln sie an.


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