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10. (14.) Während dies in Rom vorging, führten die Consuln des vorigen Jahrs, Marcus Junius und Aulus Manlius, nachdem sie zu Aquileja überwintert hatten, ihr Heer mit Frühlings Anfange auf das Gebiet der Istrier. Als sie hier Alles weit und breit verheerten, setzte die Istrier mehr der Schmerz und der Unwille in Bewegung, mit dem sie das Ihrige plündern sahen, als die Hoffnung, gegen zwei Heere stark genug zu sein. Aus allen Völkerschaften thaten sich die Dienstfähigen zusammen, und ihr in der Eile und Unordnung aufgebrachtes Heer focht mehr mit Hitze beim ersten Angriffe, als mit Ausdauer. Gegen Viertausend von ihnen wurden in der Schlacht getödtet: die Übrigen gaben den Krieg auf und verliefen sich nach allen Seiten in ihre Städte. Von hier aus schickten sie zuerst Gesandte ins Römische Lager mit der Bitte um Frieden, dann schickten sie die geforderten Geisel. Als man dies zu Rom durch ein Schreiben der Proconsuln erfuhr, reisete der Consul Cajus Claudius aus Besorgniß, dies möchte ihn um seinen Kriegsposten und um den Heerbefehl bringen, ohne Darbringung der Gelübde, ohne den 189 Feldherrnpurpur, ohne Beilträger, so daß er es ganz allein seinem Amtsgenossen anzeigte, in der Nacht ab und eilte im Fluge seinem Amtsposten zu. Hier benahm er sich noch unbesonnener, als er gekommen war. Denn nachdem er sich vor der berufenen Versammlung auf die Flucht des Aulus Manlius aus dem Lager eingelassen hatte – nicht ohne Beleidigung der Soldaten, die ja zuerst geflohen waren –; auch dem Marcus Junius Vorwürfe darüber gemacht hatte, daß er sich selbst an der Schande seines Amtsgenossen zum Theilnehmer gemacht habe, befahl er zuletzt beiden, den Kriegsschauplatz zu verlassen. Als dieseQuod quum milites]. – Die von Mehreren vorgeschlagenen Änderungen dieser Stelle giebt Drakenb. Mich dünkt, man müßte nur das Wort milites nicht für den Nominativ ansehen. Um es für den Accusativ nehmen zu können, erlaube ich mir bloß die kleine Änderung des quod in qui, welches beides (nach Drak. 37, 35, 3.) so oft von den Abschreibern vertauscht wird. Ich lese so: Qui quum, milites consulis imperio dicto audientes futuros esse, dicerent, quum is more maiorum etc. Die beiden Proconsuln konnten aus keinem bessern Grunde dem Befehle des Consuls, abzugehen, sich widersetzen, als wenn sie ihm sagen, die Soldaten würden ja dann ohne Oberfeldherrn sein, da sie ihm als noch nicht geweiheten, noch nicht eingekleideten Consul nicht zu gehorchen brauchten. Dies war zugleich eine versteckte Aufforderung an die Soldaten, mit ihnen Partei gegen den Consul zu machen: und die Soldaten verstanden sie sehr geschwind. erwiederten: «Ihm würden ja die Soldaten nur dann erst als ihrem befehlenden Consul Gehorsam leisten, wenn er der herkömmlichen Sitte gemäß, nach Darbringung der Gelübde auf dem Capitole, mit Beilträgern, im Feldherrnpurpur von Rom ausgezogen sei,» so ließ er, wüthend vor Zorn, den proconsularischen Schatzmeister des Manlius rufen, forderte Ketten von ihm und drohete, er wolle den Junius und Manlius gefesselt nach Rom senden. Aber auch dieser kehrte sich nicht an des Consuls Befehl; und das rund umstehende Heer, mit der Vorliebe für die Sache seiner Feldherren und voll Erbitterung gegen den Consul, machte ihm Muth, nicht zu gehorchen. Der Demüthigungen von Einzelnen und des Gespöttes von Allen – denn sie verlachten ihn noch oben ein – wurde zuletzt der Consul müde und ging mit eben dem Schiffe, auf dem er gekommen war, zurück nach Aquileja. Von hier schrieb 190 er an seinen Mitconsul, er möchte der Abtheilung Neugeworbener, die für Istrien, als ihren Standort, ausgehoben sei, bekannt machen, daß sie sich zu Aquileja einzufinden habe, damit ihn selbst in Rom nichts aufhielte, nach Darbringung der Gelübde im Feldherrnpurpur aus der Stadt zu ziehen. Dies wurde für ihn als Amtsgenossen mit Folgsamkeit ausgerichtet und den Truppen nur eine kurze Frist gesetzt, sich einzustellen. Beinahe holte Claudius seinen eignen Brief ein. Als er bei seiner Ankunft in einer gehaltenen Volksversammlung über den Manlius und Junius geredet hatte, ging er, ohne sich über drei Tage in Rom aufzuhalten, im Feldherrnpurpur, mit seinen Beilträgern, nach Ablegung der Gelübde auf dem Capitole, mit eben der reißenden Geschwindigkeit, als das vorigemal, nach seinem Standposten ab.
11. (15.) Wenige Tage vorher thaten Junius und Manlius auf die Stadt Nesactium, in welche sich die vornehmsten Istrier und selbst der Fürst Äpulo geworfen hatten, einen heftigen Angriff. Claudius, der seine zwei neuen Legionen hieher führte und das alte Heer mit seinen Anführern entließ, schloß nun selbst die Stadt ein, ließ sichs angelegen sein, sie durch Annäherungshütten anzugreifen; und einen an der Mauer hinfließenden Strom, der nicht nur den Belagerern hinderlich war, sondern auch den Istriern die Wasserholung gestattete, grub er durch eine Arbeit vieler Tage ab und gab ihm in einem neuen Bette einen andern Lauf. Die Barbaren erfüllte dies bewerkstelligte Wunder der Abschneidung des Wassers mit Schrecken; und da sie, selbst jetzt, von keinem Frieden wissen wollten, gingen sie zur Ermordung ihrer Weiber und Kinder über; ja um eine so schreckliche That ihren Feinden zur Schau zu stellen, stürzten sie die vor aller Augen auf der Mauer Gemordeten herab. Mitten unter dem Jammergeheule der Weiber und Kinder, und zugleich noch während des unerhörten Mordens erstiegen die Römer die Mauer und drangen in die Stadt. Als sich der König aus dem Angstgeschreie der Flüchtenden das Getümmel der Eroberung erklärte, stieß er sich, um nicht 191 lebendig gefangen zu werden, das Schwert durch die Brust; die übrigen wurden Gefangene, oder getödtet. Darauf wurden noch zwei Städte, Mutila und Faveria, mit Sturm erobert und zerstört. Die Beute war nach der Armuth dieses Volks über Erwartung groß, und wurde sämtlich den Soldaten überlassen. Fünftausend sechshundert zweiunddreißig Menschen wurden im Heerkreise zu Sklaven verkauft; die Aufwiegler zum Kriege mit Ruthen gestäupt und mit dem Beile enthauptet. Mit der Zerstörung dieser drei Städte und dem Tode des Königs wurde ganz Istrien zur Ruhe gebracht, und von allen Seiten kamen die Völker, stellten Geisel und ergaben sich. Gegen das Ende des Istrischen Krieges hielten die Ligurier schon Zusammenkünfte, die den Krieg bezweckten.
12. (16.) Tiberius Claudius hatte als Stellvertreter des Consuls und als vorigjähriger Prätor, unter der Bedeckung von einer Legion den Oberbefehl zu Pisä. Durch ein Schreiben von ihm hiervon benachrichtigt, beschloß der Senat, eben dieses Schreiben dem Cajus Claudius – denn der andre Consul war schon nach Sardinien übergegangen – einhändigen zu lassen, und legte die Verordnung bei: «Weil der Kriegsschauplatz in Istrien geschlossen sei, so solle er, falls er nichts dawider habe, sein Heer nach Ligurien hinüberführen.» Zugleich wurde auch nach dem Briefe des Consuls über die in Istrien von ihm verrichteten Thaten ein zweitägiges Dankfest angeordnet. Auch der andre Consul Tiberius Sempronius führte den Krieg in Sardinien mit Glück. Er rückte mit seinem Heere in das Gebiet der Iliensischen Sardinier. Ein großer Schwarm von Balarern war den Iliensern zu Hülfe gekommen. Mit beiden Völkern schlug er in einer förmlichen Schlacht. Die Feinde wurden geschlagen, in die Flucht getrieben und ihres Lagers beraubt. Zwölftausend Krieger wurden ihnen getödtet. Am folgenden Tage ließ der Consul die zusammengelesenen Waffen auf Einen Haufen werfen und dem Vulcan zum Opfer verbrennen. Das siegreiche Heer führte er in die verbündeten Städte in die Winterquartiere zurück. Eben so ging auch Cajus 192 Claudius, als er den Brief des Tiberius Claudius und den Senatsschluß empfangen hatte, aus Istrien mit seinen Legionen nach Ligurien über. Die in die Ebene vorgerückten Feinde hatten ihr Lager am Flusse Scultenna. Hier wurde ihnen eine Schlacht geliefert. Funfzehntausend wurden getödtet, über siebenhundert entweder im Treffen oder im Lager – denn auch dieses wurde erobert – zu Gefangenen gemacht und einundfunfzig Fahnen erbeutet. Die Ligurier, die aus dem Gemetzel übrig waren, flohen auf allen Seiten in ihre Gebirge zurück, und vor dem Consul, der die Dörfer in der Ebene verheerte, ließen sich nirgend Waffen sehen. So kehrte Claudius, in Einem Jahre Sieger zweier Völker, nach Rom zurück, da er in seinem Consulate, was ein seltener Fall ist, auf zwei Schauplätzen des Krieges Ruhe gestiftet hatte.
13. (17.) Die in diesem Jahre gemeldeten Schreckzeichen waren folgende: im Crustuminischen habe der sogenannte Vogel Sangualis mit dem Schnabel an einem geweiheten Steine gehackt; in Campanien ein Rind geredet; zu Syracus ein Landstier, der sich von der Heerde verlaufen, eine eherne Kuh besprungen und mit seinem Samen bespritzt. Im Crustuminischen wurde Einen Tag an Ort und Stelle eine Betandacht gehalten, in Campanien das Rind auf Kosten des Stats in Futterung gegeben; auch wurde das Syracuser Schreckzeichen so gesühnet, daß die Opferschauer die Götter namhaft machten, denen geopfert werden mußte. In diesem Jahre starb der Oberpriester Marcus Claudius Marcellus, gewesener Consul und Censor. Zum Oberpriester wurde sein Sohn Marcus Marcellus in seine Stelle gewählt. Auch nach Luca wurde in diesem Jahre eine Pflanzung von zweitausend Römischen Bürgern ausgeführt. Die Dreiherren der Ausführung waren Publius Älius, Lucius Egilius, Cneus Sicinius. Jedem wurden einundfunfzig und ein halber Morgen Landes angewiesen. Es war den Liguriern abgenommen, und hatte, ehe es Ligurisch wurde, den Hetruskern gehört. Der Consul Cajus Claudius kam zur Stadt. Als er im Senate seine glücklichen Verrichtungen in Istrien und Ligurien aus 193 einander gesetzt hatte, wurde ihm der verlangte Triumph bewilligt. Er triumphirte noch während seines Amts über zwei Völker zugleich. Er lieferte in diesem Triumphe dreihundert und95,934 Conv.-Gulden. siebentausend Silberdenare und fünfundachtzigtausend siebenhundert und zwei13,388 Conv.-Gulden. Halbdenare. Jeder Soldat bekam funfzehn2 Thlr. 16 Ggr. Denare, der Hauptmann das Doppelte, der Ritter das Dreifache. Den Bundsgenossen gab er halb so viel, als seinen Mitbürgern: darum folgten sie auch, ihren Unwillen zu erkennen zu geben, seinem Wagen, ohne sich hören zu lassen.
14. (18.) Indeß hier über die Ligurier triumphirt wurde, boten die Ligurier selbst, bei denen auf die Entdeckung, daß nicht nur das consularische Heer nach Rom abgeführt, sondern auch die Legion zu Pisä vom Tiberius Claudius entlassen sei, sogleich alle Furcht verschwand, in der Stille ein Heer auf, überstiegen auf Querpfaden die Gebirge, kamen in die Ebene herab, plünderten das Gebiet von Mutina und gewannen die Pflanzstadt selbst durch Überfall. Als dies nach Rom gemeldet wurde, befahl der Senat dem Consul Cajus Claudius, je eher je lieber die Wahlversammlungen zu halten, und nach Erwählung der Obrigkeiten für das nächste Jahr, auf jenen Kriegsposten zurückzugehen und die Pflanzstadt den Feinden zu entreißen. Man schritt sogleich, wie der Senat verlangt hatte, zu den Wahlen. Die gewählten Consuln waren Cneus Cornelius Scipio Hispallus, Quintus Petillius Spurinus. Dann wurden zu Prätoren ernannt Marcus Popillius Länas, Publius Licinius Crassus, Marcus Cornelius Scipio, Lucius Papirius Maso, Marcus Aburius, Lucius Aquillius Gallus. Dem Consul Cajus Claudius wurde der Oberbefehl nebst dem Standplatze Gallien auf ein Jahr verlängert; und damit es nicht auch die Istrier eben so machten, wie die Ligurier, so solle er die Latinischen Bundestruppen, die er zu seinem 194 Triumphe aus der Provinz mit abgeführt habe, nach Istrien gehen lassen.
Als die Consuln Cneus Cornelius und Quintus Petillius an ihrem ersten Amtstage dem Jupiter, wie gewöhnlich, jeder einen Stier opferten, fand sich in dem Opferthiere, welches Quintus Petillius darbrachte, der eine Lappen an der Leber nicht. Als er es den Vätern meldete, hießen sie ihn das Opfer mit Stieren bis zum Gelingen fortsetzen. Auf die Anfrage wegen der Standplätze erklärte der Senat Pisä und Ligurien zu Standorten der Consuln. Wer Pisä zu seinem Posten bekäme, der sollte, wenn es Zeit sei, die Obrigkeiten zu wählen, zum Wahltage zurückkommen. Auch stand in diesem Beschlusse, jeder von ihnen solle zwei neue Legionen ausheben, [jedequina millia in singulas et ducenos pedites]. – So ergänzen Crevier und Drakenborch diese Lücke.von fünftausend zweihundert Mann zu Fuß] nebst dreihundert Rittern; und eben so jeder sich von den Bundsgenossen und Latinern zehntausend Mann zu Fuß und sechshundert Ritter stellen lassen. Dem Tiberius Claudius wurde der Oberbefehl, bis zur Ankunft des Consuls auf seinem Standposten, verlängert.
15. (19.) Cneus Cornelius, der, während dieser Verhandlungen im Senate vom Gerichtsdiener herausgerufen, das Statsgebäude verlassen hatte, kam bald nachher mit verstörtem Blicke wieder und eröffnete den versammelten Vätern, die Leber eines von ihm geopferten sechshundertpfündigenbovis sescenaris]. – Ich folge dem von Grävius vorgeschlagenen: bovis sexcenarii, eines 600pfündigen, wie thorax quinquagenarius ein 50pfündiger Panzer heißt. Hätte sich die zartere Leber eines jüngeren Thiers im Kochen aufgelöset, so war dies eher zu erklären, als wenn es die harte Leber eines ausgewachsenen 600pfündigen Ochsen war. Gerade darum wurde das Prodigium so viel auffallender. Auch gleich nachher folge ich der Lesart des Perizonius und Drakenb. diffluxisse (statt defluxisse). Denn hier ist nicht vom defuisse caput, oder vom non inventum caput die Rede; sondern die victimarii hatten die Leber mit den andern Stücken in den Kessel geworfen, sie zu kochen. Ibi diffluxerat. Darum läßt der Consul das Wasser abgießen, und sieht, omne iecur absumtum. Stieres sei zergangen. Weil er dies dem Opferdiener auf dessen Anzeige nicht so geradezu habe glauben wollen, habe er selbst von dem Kessel, in 195 welchem die Eingeweide gekocht würden, das Wasser abgießen lassen, und gesehen, daß die übrigen Theile der Eingeweide unversehrt gewesen, die ganze Leber aber auf eine unerklärliche Weise verkocht sei. Die über dieses Schreckzeichen betroffenen Väter machte der andre Consul noch mehr besorgt. Er sagte, es habe ihm, weil immer an der Leber der eine Lappen gefehlt habe, mit drei Stieren kein Opfer gelingen wollen. Der Senat befahl, mit großen Thieren bis zum Gelingen fortzuopfern. Man sagt, bei den übrigen Gottheiten sei es gelungen; nur bei der Lebensgöttinn habe es dem Petillius nicht gelingen wollen.
Nun loseten die Consuln und Prätoren um ihre Standplätze. Pisä fiel dem Cneus Cornelius zu, Ligurien dem Petillius. Den Prätoren, dem Lucius Papirius Maso, gab das Los die Rechtspflege in der Stadt, dem Marcus Aburius die über die Fremden. Marcus Cornelius Scipio Maluginensis bekam das jenseitige Spanien, Lucius Aquillius Gallus Sicilien. Zwei verbaten sich die auswärtigen Anstellungen; Marcus Popillius die in Sardinien. «Denn Gracchus bewirke schon auf jenem Posten Ruhe, auch sei ihm der Prätor Titus Äbutius vom Senate zum Gehülfen gegeben. Den Fortgang der Unternehmungen stören zu lassen, zu deren Vollendung der Zusammenhang gerade so wirksam sei, tauge durchaus nicht. Während der Abgabe des Oberbefehls und der Neuheit des Nachfolgers, die doch immer eher mit dem Kennenlernen, als mit dem Ausführen der Geschäfte sich befassen müsse, gingen oft die Gelegenheiten zum glücklichsten Schlage verloren.» Die Weigerung des Popillius wurde gebilligt. Publius Licinius Crassus führte an; ihn halte ein festgesetztes Opfer ab, auf seinen Posten zu gehen. Ihm war nämlich das diesseitige Spanien zugefallen. Gleichwohl wurde ihm zur Pflicht gemacht, entweder hinzugehen, oder vor der Volksversammlung zu beschwören, daß ihn das festgesetzte Opfer abhalte. Nach dieser Verfügung über den Publius Licinius wünschte auch Marcus Cornelius, man möge denselben Eid von 196 ihm als Entschuldigung annehmen, warum er nicht auf seinen Standort abgehe. Beide Prätoren schwuren nach einerlei Formel. Marcus Titinius und Titus Fontejus mußten an Consuln Statt bei ihrem bisherigen Oberbefehle in Spanien bleiben: auch sollten ihnen dreitausend Römische Bürger mit zweihundert Rittern und fünftausend Latinische Bundsgenossen nebst dreihundert Rittern als Ergänzungstruppen hingeschickt werden.
16. (20.) Am fünften Mai wurde das Latinische Fest gefeiert. Weil an diesem der Lanuvinische Beamte bei Einem Opferthiere die Worte des Gebets: «dem Römischen Volke der Quiriten» ausließ, so gab dies einen Anstoß. Man berichtete die Sache an den Senat; der Senat verwies sie an das Gesamtamt der Oberpriester; die Oberpriester erklärten, weil das Latinerfest nicht gehörig begangen sei, müßten bei der Erneurung desselben die Lanuviner, welche die neue Feier veranlaßt hätten, die Opferthiere stellen. Die Sache noch bedenklicher zu machen, kam dies dazu, daß der Consul Cneus Cornelius auf dem Rückwege vom Albanerberge zusammensank, und als er, an einem Theile seines Körpers gelähmt, sich in das Cumaner Bad begeben hatte, zu Cumä noch heftiger befiel und starb. Er wurde aber im Tode nach Rom gebracht, unter einer prächtigen Bestattung zu Grabe geleitet und beigesetzt. Er war auch Oberpriester gewesen. Der Consul Quintus Petillius erhielt Befehl, sobald es die Götterwinke gestatteten, zur Besetzung der Stelle seines Amtsgenossen einen Wahltag zu halten, und die Latinischen Feiertage anzukündigen. Die Wahlversammlung setzte er auf den dritten, das Latinerfest auf den elften August. Zu der Menge frommer Besorgnisse kam noch die Meldung folgender Schreckzeichen: Zu Tusculum habe sich am Himmel eine Fackel sehen lassen; zu Gabii der Blitz in den Apollotempel und in mehrere Privathäuser geschlagen; zu Graviscä in die Mauer und in ein Thor. Während zuerst beide Consuln durch die frommen Besorgnisse, dann der Eine durch des Andern Tod, durch das Wahlgeschäft und die Wiederholung des Latinerfestes 197 verhindert wurden, unterdeß führte Cajus Claudius sein Heer vor Mutina, welches die Ligurier im vorigen Jahre erobert hatten. In nicht vollen drei Tagen nach eröffneter Belagerung gab er die den Feinden abgenommene Pflanzstadt ihren Bewohnern wieder. Hier hieb er achttausend Ligurier in den Ringmauern nieder und ließ sogleich einen Brief nach Rom abgehen, worin er nicht nur die That erzählte, sondern sich auch rühmte, daß durch seine Tapferkeit und sein Glück jetzt der Römische Stat diesseit der Alpen keinen Feind mehr habe, und es sei eine beträchtliche Strecke Landes gewonnen, so daß sie zur Vertheilung unter Hausväter für viele Tausende zureichen werde.
17. (21.) In Sardinien bezwang zu gleicher Zeit Tiberius Sempronius in vielen glücklichen Gefechten die Sarder. Funfzehntausend Feinde wurden getödtet. Alle Sardinischen Völkerschaften, so viele ihrer abgefallen waren, wurden unterjocht. Von den schon früher zinsbaren wurde eine doppelte Steuer gefordert und eingetrieben; die übrigen lieferten Getreide. Als er den Schauplatz des Krieges beruhigt, und sich von der ganzen Insel zweihundert und dreißig Geisel hatte geben lassen, schickte er seine Abgeordneten nach Rom, um dies zu melden, und dann bei dem Senate anzuhalten, daß für die unter Anführung und Götterleitung des Tiberius Sempronius gelungenen Siege den unsterblichen Göttern der Ehrendank dargebracht, ihm selbst aber erlaubt werde, bei seinem Abgange aus der Provinz das Heer mit sich abzuführen. Der Senat, der den Gesandten im Apollotempel Gehör ertheilte, verordnete ein zweitägiges Dankfest und hieß die Consuln vierzig große Thiere opfern, den Tiberius Sempronius aber als Proconsul bei seinem Heere für dies Jahr auf seinem Posten bleiben. Das Wahlgeschäft, das zur Besetzung der einen Consulstelle auf den dritten August angesetzt war, wurde noch an diesem Tage beendigt. Des Consuls Quintus Petillius Amtsgenoß wurde Cajus Valerius Lävinus, mit der Bestimmung, sein Amt sogleich anzutreten. Schon lange hatte sich dieser einen 198 Kriegsposten gewünscht. Da nun, seinem Wunsche willkommen, mit einem Briefe die Nachricht einlief, daß die Ligurier aufgestanden wären, [so zog er mit seinen beiden neuen Legionen, nach kaum geendigtem Latinerfeste, den dreizehnten] Augustnonis Sextilibus paludatus]. – Gruter fühlte schon das Unnöthige der Worte literis auditis, wenn sie sich auf den Consul beziehen sollten; er sagt: turbandae potius sunt sententiae, quam firmandae. Noch deutlicher stellt Duker die vielen Schwierigkeiten dieser Stelle dar, und vermuthet sehr richtig, daß hier eine Lücke sei, und vom Auszuge des Consuls Valerius die Rede gewesen sein müsse. Weil sich die Stelle ohne einige Ergänzung nicht übersetzen ließ, so mache ich bei der gewagten Ausfüllung auf folgende Punkte aufmerksam. 1) Der Consul Valerius war am 3ten August gewählt. 2) Am 11ten August mußte er noch den feriis Latinis beiwohnen; früher durfte er nicht aus Rom abgehen. 3) Ihm gehörten die zwei vom Consul Cn. Cornel. Scipio, (Cap. 14.) an dessen Stelle er suffectus war, neugeworbenen Legionen. 4) Daß der Consul bei seiner Begierde, in eine Provinz zu gehen, und da er schon paludatus ist, dennoch nichts weiter gethan habe, als in Rom zu bleiben, und Befehle zum Ausmarsche einer dritten Legion und zum Auslaufen einer Flotte zu geben, läßt sich schon aus diesen Gründen nicht erwarten, und Cap. 18. ist er auch schon im Felde. Ich habe deswegen übersetzt, als hätte ich folgenden Text vor mir gehabt: Is iam diu cupidus provinciae, quum opportunae cupiditati eius literae allatae essent, Ligures rebellasse, novis cum legionibus suis, vix peractis Latinis, idibus Sextilibus palud atus contra Ligures egressus est. Senatus literis auditis, tumultus eius caussa etc. Ich gebe dies für nichts weiter, als einen Versuch, die Lücke zu ergänzen, und der Stelle den nöthigen Sinn zu geben. Müßte ich indeß durchaus lege artis criticae beweisen, daß Livius so ungefähr geschrieben haben könne, so würde ich folgende Gründe anführen. Die beiden legiones movae des Consuls mußten erwähnt sein, weil nachher einer dritten erwähnt wird. Und da der Abschreiber kurz vorher nonas gelesen hatte, und auch nun nonis für novis las, so ließ er, um die beiden Worte des Datums einander näher zu bringen, das zwischen seinen neugeschaffnen nonis und sextilibus Stehende aus; vielleicht ließen ihn auch die gleichen Endigungen in legion ibus, id ibus, sextil ibus in diesen Fehler fallen. Ferner, das Wort idibus kann nicht entbehrt werden, weil der Consul wegen der feriarum Latinarum nicht früher abreisen durfte. Wir dürfen aber auch kein späteres Datum zwischen den idibus und den folgenden calendis annehmen, denn dies hätte nicht durch sextil ibus (mit der Endung ibus) ausgedrückt werden können, sondern mußte sich auf iles (a. d. . . . cal. sext iles) endigen. Durch vix peractis Latinis glaubte ich andeuten zu müssen, daß Valerius, da die feriae 2, 3, auch 4 Tage dauerten, und sie diesmal den 11ten erneuert wurden, wenn er schon am 13ten aufbrach, die Feier kaum ganz abwarten konnte. Das Wort paludatus endlich war wegen seiner gleichen Endung mit senatus Schuld daran, daß ein par Worte mit dem darauf folgenden senatus ausgelassen wurden: wenigstens passen die Worte literis auditis besser zu senatus, als zu Valerius, quum literae allatae essent. im Feldherrnpurpur [gegen die Ligurier aus. Der Senat,] als ihm der Brief vorgelesen wurde, ließ jenes Aufstandes wegen noch eine dritte Legion 199 nach Gallien zum Proconsul Cajus Claudius aufbrechen, und die Zweiherren beim Seewesen mit einer Flotte nach Pisä gehen, um die Ligurier, an deren Küste sie kreuzen sollten, auch von der Seeseite zu bedrohen. Pisä hatte auch der Consul Quintus Petillius seinem Heere zum Sammelplatze gesetzt. Und als der Proconsul Cajus Claudius von dem Aufstande der Ligurier hörte, führte er außer den Truppen, die er zu Parma bei sich hatte, sein durch Nothwerbungen verstärktes Heer gegen die Ligurische Gränze.
18. (22.) Um die Zeit der Ankunft des Cajus Claudius besetzten die Feinde, dessen eingedenk, daß sie neulich von eben diesem Feldherrn am Flusse Scultenna besiegt und in die Flucht geschlagen waren, um sich gegen seine Überlegenheit, die sie zu ihrem Schaden kennen gelernt hatten, lieber durch feste Stellungen, als mit den Waffen zu schützen, die beiden Berge Letum und Balista und umzogen sie noch mit einer Mauer. Die aus den Dörfern zu spät Ausgewanderten wurden eingeholt und hatten an tausend fünfhundert Todte. Die Übrigen hielten sich auf den Bergen, und nicht einmal in dieser Bedrängung ihrer angebornen Rohheit ungetreu, liessen sie ihre Wuth an der Beute aus, welche sie zu Mutina gemacht hatten. Die Gefangenen mordeten sie unter kläglichen Verstümmlungen, und das Vieh metzelten sie in ihren Heiligthümern mehr nieder, als daß sie es gehörig opferten. Des Mordens an dem, was Leben hatte, satt, schlugen sie, was leblos war, gegen die Wände; Gefäße aller Art, gefertigt mehr zum Gebrauche, als um als Putzwerk in die Augen zu fallen. Aus Besorgniß, der Krieg möge ohne ihn geendigt werden, schrieb der Consul Quintus Petillius dem Cajus Claudius, er möge mit seinem Heere zu ihm nach Gallien kommen; er wolle in den Magern Gefilden ihn erwarten. Nach Empfange des Briefs brach Claudius aus Ligurien auf und lieferte sein Heer in den Magern Gefilden dem Consul ab. Hier traf einige Tage nachher auch der andre Consul Cajus Valerius ein. Nachdem sie sich in die Truppen getheilt 200 hatten, musterten sie hier, ehe sie aus einander zogen, beide gemeinschaftlich das Heer; und weil nicht beide den Feind auf Einer Seite angreifen wollten, loseten sie darum, nach welcher Gegend sich jeder wenden solle. Dem Valerius mußte es, laut allen Nachrichten, mit seinem Lose glücken, weil er in dem geweihten Bezirke geblieben war. Bei dem Petillius hingegen ging, wie die Vögelschauer hinterher erklärten, der Fehler vor, daß er selbst außer dem Weihbezirke das Los in die Urne geworfen hatte, die nun von draußen auf den Weihplatz gebracht wurde. Nun zogen sie nach entgegengesetzten Richtungen aus einander. Petillius stand mit seinem Lager gegen die Höhe der Berge Balista und Letum, die als fortlaufender Gebirgsrücken diesen Bergen Zusammenhang giebt. Hier soll er in seiner Ermunterungsrede an die Soldaten, ohne an die Zweideutigkeit des Worts zu denken, nicht ohne Vorbedeutung gesagt haben: «Er wolle Letum [den Tod] noch heute haben.» Er rückte auf zwei Stellen zugleich gerade zu den Bergen hinan. Diejenige Abtheilung, bei der er selbst sich befand, drang muthig vorwärts. Allein da die Feinde die andre zurückschlugen, so ritt der Consul selbst, das Treffen wieder herzustellen, dorthin, und brachte freilich die Seinigen von der Flucht zurück, setzte aber an der Spitze seine Person zu unvorsichtig aus, und mit einem Wurfspieße durchschossen sank er. Die Feinde wurden den Fall des Feldherrn nicht gewahr, und die Wenigen von seinen Leuten, die ihn gesehen hatten, verdeckten seinen Körper, – sie wußten ja, daß hierauf der Sieg beruhe – sehr sorgfältig. Der übrige Haufe, Fußvolk und Reuterei, warf, ohne Heerführer, die Feinde herab und eroberte die Berge. Gegen fünftausend Ligurier wurden getödtet: vom Römischen Heere fielen zweiundfunfzig. Außer dem so offenbaren Erfolge der bösen Vorbedeutung hörte man auch nachher von einem Hühnerwärter, es sei bei Beobachtung der Vögel ein Fehler vorgegangen und dem Consul nicht unbekannt geblieben. Cajus Valerius, auf die Nachricht [vom Tode des Quintus Petillius, vereinigte das von dem 201 gefallenen Feldherrn hinterlassene Heer mit seinen Truppen, griff die Feinde noch einmal an und brachte mit ihrem Blute dem Geiste seines Amtsgenossen ein ausgezeichnetes Todtenopfer. Er triumphirte über die Ligurier. Die Legion, an deren Spitze der Consul gefallen war, bestrafte der Senat mit Strenge. Er verordnete, der ganzen Legion solle dies Jahr nicht in der Dienstzeit angerechnet, ihr auch der Sold nicht gereicht werden, weil sie sich nicht selbst, zur Rettung des Feldherrn, den feindlichen Geschossen preisgegeben hatte. Um diese Zeit kamen zu Rom Gesandte von den Dardanern an, welche, wie ich vorhin erwähnt habe, von einem großen Heere der Bastarnen unter Anführung des Clondicus, bedrängt wurden. Als sie die Menge der Bastarnen, ihren hohen und riesenmäßigen Körperbau, ihren Muth in Gefahren geschildert hatten, fügten sie hinzu, die Bastarnen ständen mit Perseus im Bunde, und ihnen sei dieser eigentlich furchtbarer, als die Bastarnen selbst; aus diesem Grunde baten sie den Senat, ihnen Hülfe zu schaffen. Die Väter beschlossen, eine Gesandschaft abgehen zu lassen, um Macedoniens Verhältnisse in Augenschein zu nehmen; und sogleich erhielt Aulus Postumius den Auftrag, dahin abzureisen. Zu Nebengesandten gaben sie ihm jüngere Männer, um die Wirksamkeit und Würde der Gesandschaft vorzüglich auf ihm beruhen zu lassen. Darauf besprach man sich über die Wahl der Obrigkeiten für das folgende Jahr, und hierüber kam es zu einer lebhaften Auseinandersetzung; weil] die des heiligen und des öffentlichen Rechtes Kundigen behaupteten, da die beiden regelmäßig gewählten Consuln dieses Jahrs, der eine an einer Krankheit gestorben, der andre durch das Schwert gefallen sei, so könne von einem nachgewählten Consul der Wahltag nicht füglich gehalten werden. [Man half sich vermittelst einer Zwischenregierung. Von einem Zwischenkönige wurden Publius Mucius Scävola und Marcus Ämilius Lepidus – dieser zum andernmale – zu Consuln gewählt. Darauf wurden Prätoren, Cajus Popillius Länas, Titus Annius Luscus, Cajus Memmius Gallus, Cajus 202 Cluvius Saxula, Servius Cornelius Sulla, Appius Claudius Centho. Die Consuln bekamen zu ihren Standplätzen Gallien und Ligurien; von den Prätoren Cornelius Sulla Sardinien, Claudius Centho das diesseitige Spanien. Die Vertheilung der übrigen prätorischen Standplätze wissen wir nicht. Diesem Jahre wird eine Seuche nachgesagt, die indeß nur unter dem großen Viehe wüthete. Die Ligurier, dies immer besiegte und immer wieder kriegende Volk, hatten das Gebiet von Luna und Pisä verheert: zugleich wurde ein Aufstand der Gallier laut. Lepidus, der die Bewegungen der Gallier leicht beruhigte, ging von da nach Ligurien hinüber. Mehrere Völkerschaften ergaben sich ihm auf Gnade und Ungnade, welche er – denn die Sinnesart der Bewohner stimmt ja fast immer zu ihrem Boden – in der Überzeugung, daß die von ihnen bewohnten rauhen Bergrücken sie so verwildern ließen, nach dem Beispiele einiger früheren Consuln, auf die Ebenen] herabführte.
19. (23.) Diesseit des Apenninus hatten die Garuler, Lapiciner und Hercaten gewohnt; die Briniaten jenseit des Apenninus. Publius Mucius führte diesseit des Flusses Audena den Krieg mit denen, welche das Gebiet von Luna und Pisä geplündert hatten, und nahm ihnen Allen, als er sie bezwungen hatte, die Waffen. Wegen dieser unter der Anführung und Götterleitung der beiden Consuln in Gallien und Ligurien erfochtenen Siege verordnete der Senat ein dreitägiges Dankfest und ein Opfer von vierzig Thieren. So war nunmehr der Gallische und Ligurische Aufstand, der im Anfange des Jahres ausbrach, ohne große Anstrengung in kurzer Zeit unterdrückt. Schon aber trat die Besorgniß eines Macedonischen Krieges ein, weil Perseus zwischen den Dardanern und Bastarnen Kämpfe veranlassete: auch waren die Gesandten, die zur näheren Ansicht der Dinge nach Macedonien geschickt waren, mit der Anzeige nach Rom zurückgekommen, daß in Dardanien schon Krieg sei. Zugleich waren auch vom Könige Perseus Abgeordnete erschienen, welche zu seiner Rechtfertigung sagen mußten, er habe 203 die Bastarnen so wenig herbeigerufen, als zu irgend einer Unternehmung aufgefordert. Der Senat sprach diese Schuld dem Könige so wenig ab, als zu; doch hieß er die Gesandten ihn erinnern, daß er sich ernstlich dahin zu bemühen habe, das Bündniß, was zwischen ihm und den Römern vor den Augen derut sanctum haberet – – esse videri posset]. – Diese gewöhnliche Lesart behalte ich bei, weil Kortte (Sall. Catil. 52, 3.) sie gegen Jak. Gronovs Vorschlag in Schutz nimmt. Er führt dort mehrere Stellen an, wo videri nicht scheinen, sondern erscheinen, gesehen werden, oder sein bedeute, und erklärt hiernach unsre Stelle so: quod ei cum Romanis esse ab omnibus cognosci posset. Auch Drakenb. widerspricht der Korttischen Erklärung nicht. Nach Gronov müßte unsre Stelle so heißen: ut sanctum habere foedus, quod ei cum Romanis ess et, videri posset. ganzen Welt bestehe, in Ehren zu halten. Als die Dardaner sahen, daß die Bastarnen nicht nur gegen ihre Hoffnung ihr Land nicht räumten, sondern auch, durch die Hülfstruppen der benachbarten Thracier und Scordisker unterstützt, ihnen täglich noch lastender wurden; so sammelten sie sich mit dem Entschlusse, etwas zu wagen, sei es auch bloß auf ein Gerathewohl, von allen Seiten mit Waffen in der Stadt, welche dem Lager der Bastarnen die nächste war. Es war Winter; und diese Jahrszeit hatten sie gewählt, um die Thracier und Scordisker in ihre Heimat abziehen zu lassen. Als dies wirklich erfolgte und sie hörten, die Bastarnen seien allein, so theilten sie ihre Truppen in zwei Abtheilungen: die eine sollte gerades Weges zum offenen Angriffe hinziehen, die andre nach einem Umwege durch einen Nebenwald im Rücken angreifen. Allein ehe sie das feindliche Lager umgehen konnten, kam es schon zum Treffen, und die besiegten Dardaner wurden in die Stadt getrieben, die etwa zwölftausend Schritte vom Lager der Bastarnen entfernt war. Sogleich umschlossen die Sieger die Stadt, in der sichern Hoffnung, am folgenden Tage sie entweder von den geschreckten Feinden durch Übergabe zu bekommen, oder sie mit Sturm zu nehmen. Unterdeß eroberte das zweite Kohr Dardaner, welches den Umweg gemacht hatte, mit der Niederlage der Seinigen unbekannt, das unbesetzt gelassene Lager der 204 Bastarnen [ohne Mühe. Die Bastarnen, aller Vorräthe und Kriegswerkzeuge, die in ihrem Lager gewesen waren, beraubt, und ohne Möglichkeit, sich das Alles auf feindlichem Boden, bei so nachtheiliger Jahrszeit, wieder zu verschaffen, beschlossen, ihr Vaterland aufzusuchen. Bei ihrer Rückkehr zur Donau fanden sie zu ihrer großen Freude den Strom mit Eis von einer solchen Höhe belegt, daß es unter jeder Last halten zu müssen schien. Als aber mit einemmale der ganze Zug der hinübereilenden; und im Laufe sich zusammendrängenden Menschen und Packthiere auf ihm lastete, zersprang plötzlich das unter der ungeheuren Schwere berstende Eis, und setzte, endlich unhaltbar und zerschellet, den ganzen Zug, den es lange getragen hatte, mitten in die Fluten ab. Die meisten wurden sogleich von den Wellen verschlungen. Viele wurden bei dem Versuche, sich durch Schwimmen zu retten, von den über sie hergeschwemmten Bruchstücken der zersprungenen Eisdecke in die Tiefe getaucht. Von dem ganzen Volke retteten sich kaum Einige mit gequetschten Gliedern auf beide Ufer.]
(24.) [Damals bestieg Antiochus, des Großen Antiochus Sohn, welcher lange zu Rom Geisel gewesen war, nach dem Tode seines Bruders Seleucus den Syrischen Thron. Seleucus nämlich, von den Griechen Philopator benannt, als er das durch die Niederlagen seines Vaters sehr geschwächte Syrische Reich übernommen hatte, rief nach einer ruhigen, gar nicht durch Thaten ausgezeichneten, zwölfjährigen Regierung, diesen seinen jüngern Bruder zurück, und schickte an dessen Stelle seinen Sohn Demetrius nach Rom, den Friedensbedingungen gemäß, nach welchen von Zeit zu Zeit andre Geisel gestellt werden mußten. Antiochus war kaum bis Athen gekommen, da starb Seleucus, durch die Ränke eines seiner Kronbedienten, Heliodorus, heimlich gemordet. Diesen, der sich auf den Thron drängen wollte, verjagten Eumenes und Attalus, und setzten den Antiochus in Besitz, weil ihnen darum zu thun war, ihn durch ein so großes Verdienst sich zu verpflichten: denn schon waren ihnen bei kleinen 205 Mishelligkeiten die Römer verdächtig geworden. Antiochus, durch ihre Hülfe Herr des Throns, wurde von seinen Völkern mit so großem Jubel empfangen, daß sie ihm den Zunamen Epiphanes (der Erlauchte) gaben, weil er zu einer Zeit, in welcher ein dem königlichen Stamme blutfremder Mensch sich in die Regierung eindrängte, durch Behauptung des Eigenthums seiner Ahnen, seinen Unterthanen als leuchtendes Gestirn erschienen sei. Auch fehlte es ihm zu Kriegsthaten nicht an Anlagen und Feuer des Geistes: er war aber in seinem ganzen Benehmen und seiner Lebensweise so verkehrt und unbedachtsam, daß er bald, mit Abänderung seines Zunamens, statt Epiphanes Epimanes, das heißt, der Tolle, genannt wurde. Denn oft ging er, ohne daß die Hofbedienten darum wußten, von Einem oder Zweien begleitet, aus dem Pallaste, lief mit Rosen bekränzt und im goldgestickten Kleide in der Stadt herum, und warf bald die ihm Begegnenden mit Steinen, die er unterm Arme trug, bald wieder streuete er Geld unter das Volk und rief: «Greife zu, wem das Glück es beschieden hat!» Dann wieder verlief er sich in die Werkstätte der Goldarbeiter, der Meister in getriebener Arbeit und andrer Künstler, und wollte bei jedem in seinen Gesprächen den Kunstkenner verrathen; bald ließ er sich mit dem Ersten dem Besten, der ihm vom Pöbel aufstieß, auf der Gasse in Unterredungen ein; dann irrte er in die Garküchen umher und gab sich den niedrigsten Ausländern und Landstreichern zum Trinkgesellschafter. Hörte er zufällig, daß junge Leute bei einem Schmause munter waren, gleich erschien er, ehe sie sichs versahen, mit seinem Becher in der Hand und mit Musik als der Schwärmer, als der Ausgelassene, so daß sie meistens durch die Überraschung bestürzt die Flucht nahmen, zum Theile auch aus Furcht verstummeten. Man weiß, daß er sogar in öffentlichen Bädern mit dem großen Haufen badete. Da er sich gleichwohl auch hier der küstlichsten Salben bediente, soll einmal ein gemeiner Mann ihm gesagt haben: «Wie glücklich bist du, König! du duftest von den theuersten Salben.» Der König, dem dies 206 behagte, antwortete: «So will ich dich denn jetzt so beglücken, daß du deine volle Sättigung gestehen sollst.» Und damit ließ er ihm eine große Urne voll der edelsten Salbe über den Kopf gießen; so daß auf dem schlüpfrigen Boden, weil das Estrich schwamm, nicht nur die Übrigen ausglitten, sondern auch der König, lauter lachend als sie Alle, niederfiel.
20. (25.) Zuletzt legte er statt des königlichen Gewandes eine Toga an, ging, wie er es zu Rom die Amtsbewerber hatte machen sehen, auf dem Markte herum, drückte jedem gemeinen Manne die Hand, umarmte ihn mit der Bitte bald um ein Ädilenamt, bald um ein Bürgertribunat; und hatte er nun durch die Volksstimmen die Würde erhalten, dann sprach er nach Römischer] Sitte von dem aufgepflanzten elfenbeinernen Thronsessel herab als Richter und entschied die geringfügigsten Sachen: kurz, sein Geist, der sich in allen Lebensarten umtrieb, hing so ganz und gar an keiner Form, daß er selbst so wenig, als Andre, mit sich darüber eins werden konnte, was an ihm sei. Mit seinen Freunden sprach er nicht; Leuten, die er kaum kannte, lachte er vertraulich entgegen. Mit seiner ungleichen Freigebigkeit machte er sich und Andre zum Gespötte. Manchen Vornehmen, die etwas Großes verdientmagnoque aestimantibus se]. – Man sehe über diese Worte Dukers Anmerkung. Diese veranlaßt mich zu der Vermuthung, es habe geheißen: magnoque (scil. dono) dignos aestimantibus se. In der Abkürzung waren sich magnoq 3 und dignos noch ähnlicher, noch eher zu vertauschen. zu haben glaubten, gab er kindische Geschenke, zum Beispiele, Eßwaren oder Spielzeug; Andere, die nichts erwarteten, machte er reich. Deswegen glaubten Manche, er wisse selbst nicht, was er wolle. Einige sagten, er tändle aus wahrer Arglosigkeit; Andre, er sei unstreitig toll. Doch in zwei wichtigen und anständigen Dingen zeigte er wahrhaft königliche Gesinnung; in seinen Schenkungen an Städte und in Verehrung der Götter. Den Megalopolitanern in Arcadien versprach er, ihre Stadt mit einer Mauer zu umziehen und gab den größern Theil der Geldsumme dazu her. Zu Tegea unternahm er die 207 Anlage eines prächtigen Schauplatzes von Marmor. Zu Cyzicus gab er in das Prytaneum, oder in das Stadthaus, wo diejenigen, denen diese Ehre zuerkannt ist, vom State gespeiset werden, die goldenen Gefäße zur Besetzung Einer Tafel. Den Rhodiern machte er zwar nicht Ein sich auszeichnendes, aber dafür alle Arten von Geschenken, so wie ihr Bedürfniß sie forderte. Allein von seinem Prachtaufwande für die Götter kann schon der Tempel des Olympischen Jupiter zu Athen Zeuge sein, der einzige in der Welt von einer der Größe des Gottes entsprechenden Anlage. Doch auch Delos schmückte er mit herrlichen Altären aus und mit einer Menge von Standbildern; und den prachtvollen Tempel des Jupiter Capitolinus zu Antiochien, in welchem nicht bloß das Deckengetäfel golden, sondern auch ganze Wände mit Goldblechen belegt waren, und mehre andere, die er andern Orten versprochen hatte, brachte er wegen der nur noch sehr kurzen Zeit seiner Regierung nicht zur Vollendung. Auch die Schauspiele aller Art stellte er mit größerer Pracht an, als die vorigen Könige; und zwar die übrigen nach der Landessitte und unter zahlreicher Aufstellung Griechischer Kunstmänner. Hingegen das bei den Römern übliche Fechterspiel gab er seinen eines solchen Schauspiels nicht gewohnten Unterthanen, das erste Mal zu größerem Schrecken, als zu ihrem Vergnügen. Dadurch aber, daß er es nachher öfter gab, und bald so, daß die Verwundung, bald aber auch so, daß nur der Tod die Kämpfer schied, brachte er es dahin, daß sich ihr Auge daran gewöhnte, daß sie an diesem Schauspiele Geschmack fanden, und weckte bei vielen Jünglingen die Lust zu Waffenübungen. Und da er anfangs die Fechter immer aus Rom kommen ließ, die er nur für große Belohnungen haben konnte, so konnte er nun schon aus seinem [Reiche freiwillige Klopffechter mit leichter Mühe aufstellen, welche ihre Dienste unaufgefordert für einen geringen Preis zum Kampfe darboten. Aber auch bei Aufführung dieser Schauspiele zeigte er, wie in seinem ganzen übrigen Leben, immer dieselbe Verkehrtheit und Gehaltlosigkeit des Geistes; so daß man 208 keine prachtvollere Anstalten sehen konnte, als seine Spiele, und nichts Schlechteres und Verächtlicheres, als den König selbst. Dies zeigte sich zwar auch bei mehreren andern Gelegenheiten, am auffallendsten aber bei den Spielen, die er, um mit den nach Besiegung des Perseus vom Paullus in Macedonien gegebenen an Pracht zu wetteifern, zu Antiochien mit ungeheurem Aufwande und zu seiner eigenen nicht geringeren Beschimpfung gab. Doch ich muß zu Roms Angelegenheiten zurückkehren, von denen mich die Erwähnung dieses Königs zu weit abgeführt hat.