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1. Im Anfange des Jahrs, in welchem dies geschah, lieferte der Prätor Sextus Digitius im diesseitigen Spanien den Städten, die nach der Abreise des Marcus Cato in großer Menge zum Kriege aufgestanden waren, mehr häufige als merkwürdige Gefechte, und meistens so zu seinem Nachtheile, daß er an seinen Nachfolger kaum halb so viel Truppen ablieferte, als er selbst bekommen hatte. Auch würde sich ohne Zweifel ganz Spanien erhoben haben, wenn nicht der andre Prätor, Publius Cornelius Scipio, des Cneus Sohn, jenseit des Ebro in vielen Schlachten gesiegt hätte, so daß, hiedurch geschreckt, nicht weniger als funfzig Städte zu ihm übertraten. Dies hatte Scipio als Prätor ausgerichtet. Als Proprätor griff er die Lusitanier, die nach Verheerung der jenseitigen Provinz mit einer ansehnlichen Beute in ihre Heimat zurückkehrten, noch unterweges an, und schlug mit ihnen von Morgens neun Uhr bis Nachmittags um zwei ohne bestimmten Erfolg, weil er ihnen an Truppenzahl nachstand, so sehr er ihnen sonst in allen Stücken überlegen war. Denn mit seiner starkbesetzten schlagfertigen Linie hatte er ihren gedehnten in ein Gewühl von Viehheerden verwickelten Zug, und mit frischen Truppen die vom langen Marsche Ermüdeten angegriffen. Die Feinde waren nämlich mit der dritten Nachtwache ausgerückt; drei Stunden vom Tage waren auf diesen nächtlichen Marsch schon zugegeben und ohne ihnen einige Ruhe zu gestatten, schloß sich jetzt an den ermüdenden Marsch die Schlacht. Also zeigten sie sich beim Ausbruche des Kampfes an Körperkraft und Muth noch rüstig genug und brachten anfangs die Römer in Unordnung: dann aber wurde das Gefecht allmälig sich gleich. In diesem Augenblicke der Entscheidung gelobte 284 der Proprätor dem Jupiter Spiele, wenn es ihm gelänge, die Feinde zu werfen und niederzuhauen. Endlich drangen die Römer mit Nachdruck ein und die Lusitanier wichen; dann nahmen sie völlig die Flucht. Und da die Sieger den Fliehenden nachsetzten, so verloren diese an zwölftausend Mann: fünfhundert vierzig wurden gefangen genommen, meistens Reuter, und hundert vierunddreißig Fahnen erbeutet. Der Verlust des Römischen Heeres bestand in dreiundsiebzig Mann. Die Schlacht fiel in der Nähe der Stadt Ilipa vor. In diese führte Publius Cornelius sein siegreiches, mit Beute beladenes Heer zurück. Die ganze Beute wurde vor der Stadt ausgestellt, und den Eigenthümern die Erlaubniß gegeben, das Ihrige auszusuchen. Was übrig blieb, wurde dem Schatzmeister zum Verkaufe abgeliefert und die daraus gelosete Summe unter die Soldaten vertheilt.
2. Noch war der Prätor Cajus Flaminius nicht von Rom aufgebrochen, als dies in Spanien vorging. So gab er denn mit seinen Freunden sowohl den widrigen als den günstigen Ereignissen durch vergrößernde Mittheilungen einen Ruf, und hatte schon versuchsweise vorgeschlagen, «da doch in der Provinz der Krieg so bedeutend geworden sei, und er vom Sextus Digitius nur kleine Reste eines Heeres, und diese noch dazu in einer solchen Stimmung zur Muthlosigkeit und Flucht, in Empfang zu nehmen habe, ihm eine von den Stadtlegionen anzuweisen, um sich dann, wenn er die von ihm zufolge des Senatsbeschlusses geworbenen Truppen dazunähme, aus der ganzen Anzahl sechstausend fünfhundert Mann zu Fuß und dreihundert Ritter auszuwählen. Mit dieser Legion getraue er sich – denn von des Sextus Digitius Heere lasse sich nicht viel erwarten – den Krieg zu übernehmen.» Allein die Bejahrteren im Senate erklärten ihm: «Auf bloße Sagen, die von Privatpersonen geradezu erdacht würden, um die Beamteten zu begünstigen, ließen sich keine Senatsschlüsse ausfertigen. Es dürfe nichts als gültig angenommen werden, wenn es nicht entweder die Prätoren aus ihren Provinzen schriftlich, oder von ihnen Abgeschickte mündlich berichteten. Eigne sich der 285 Krieg in Spanien zum Aufstande, so solle der Prätor durch ein Aufgebot außerhalb Italien Truppen zusammenbringen.» Die Absicht des Senats war die, durch ein Aufgebot Truppen in Spanien ausheben zu lassen. Valerius von Antium schreibt, Cajus Flaminius sei auf Werbung nicht allein nach Sicilien gesegelt, sondern da er auf seiner Fahrt von Sicilien nach Spanien durch Sturm nach Africa verschlagen sei, habe er von des Publius Africanus Heere dort hin und wieder zerstreute Soldaten in Eid genommen, und diese Aushebungen in zwei Provinzen noch in Spanien durch die dritte verstärkt.
3. Auch der eben so lebhafte Krieg in Italien gegen die Ligurier wurde wichtiger. Schon umlagerten Pisä vierzigtausend Menschen, weil auf den Ruf des Krieges und in Hoffnung auf Beute täglich Scharen herbeiströmten. Consul Minucius kam auf den Tag zu Arretium an, auf den zufolge seiner Bekanntmachung die Soldaten sich stellen mußten. Von hier führte er sie in Schlachtordnung nach Pisä, und da sich die Feinde mit ihrem Lager auf die andre Seite des Flusses, tausend Schritte von der Stadt, zurückzogen, so rückte der Consul in die unstreitig durch seine Ankunft gerettete Stadt. Am folgenden Tage lagerte er sich ebenfalls jenseit des Flusses, etwa fünfhundert Schritte vom Feinde; und von hier aus schützte er durch leichte Gefechte das Gebiet seiner Bundsgenossen vor Plünderungen. In Linie auszurücken wagte er nicht, weil seine Truppen neu, aus mehrern Arten von Menschen zusammengeworben und zum gegenseitigen Vertrauen auf einander sich noch zu unbekannt waren. Die Ligurier hingegen, die sich auf ihre Menge verließen, rückten in Linie aus, zu einer entscheidenden Schlacht bereit; bei ihrem Überflusse an Truppen sandten sie ganze Scharen auf Plünderung in die Gränzgegenden, und wenn sie Viehheerden und Beute in großer Menge zusammengetrieben hatten, so war schon eine Bedeckung in Bereitschaft, um sie in ihre festen Plätze und Flecken abzuführen.
4. Während der Ligurische Krieg sich auf die Gegend von Pisä beschränkte, führte der andre Consul 286 Lucius Cornelius Merula sein Heer durch die äußerste Ecke von Ligurien auf das Gebiet der Bojer, wo der Krieg eine ganz andre Gestalt annahm, als in Ligurien. Hier rückte der Consul in Linie aus und die Feinde weigerten sich der Schlacht. Die Römer, weil ihnen niemand entgegentrat, zerstreueten sich zum Beutemachen. Die Bojer wollten lieber ihr Eigenthum ungestraft plündern lassen, als zur Beschützung desselben auf ein Treffen eingehen. Als der Consul Alles mit Feuer und Schwert völlig verheert hatte, räumte er das feindliche Gebiet, und nahm, ohne seinen Zug zu decken – er war in Freundes Lande – seinen Weg auf Mutina. Kaum merkten die Bojer, daß der Feind ihr Gebiet verlassen habe, so zogen sie ihm in der Absicht, ihm einen Hinterhalt zu legen, in aller Stille nach; gingen in der Nacht über das Römische Lager hinaus und besetzten einen Waldpaß, durch den die Römer gehen mußten. Weil sie sich aber nicht verdeckt genug gehalten hatten, so wartete der Consul, der sonst erst in später Nacht aufzubrechen pflegte, diesmal den Anbruch des Tages ab, um den Kampf in einem ungeregelten Treffen nicht durch die Nacht noch gefährlicher zu machen; ja, ob er gleich bei Tage ausrückte, schickte er doch ein Geschwader Reuterei auf Umsicht aus. Als ihm die Stärke der Feinde und ihre Lage gemeldet war, ließ er das Gepäck des ganzen Zuges in die Mitte zusammenwerfen und vom letzten Treffen mit einem Pfahlwerke umschließen. Mit dem übrigen Heere rückte er schlagfertig gegen den Feind. Das thaten auch die Gallier; denn sie sahen ihren Hinterhalt entdeckt und sich zu einem förmlichen Treffen in Linie gezwungen, in welchem nur wirkliche Tapferkeit siegen könne.
5. Etwa gegen acht Uhr Morgens erfolgte der Angriff. Die linke Abtheilung der Bundsgenossen und die Auserlesenen fochten vorn in der Linie, befehligt von zwei consularischen Unterfeldherren, dem Marcus Marcellus und Tiberius Sempronius, dem vorigjährigen Consul. Der neue Consul war bald im Vordertreffen, bald wehrte er den Legionen seines Rückhaltes, aus Kampflust eher 287 hervorzubrechen, als das Zeichen gegeben war. Mit der Reuterei dieser Legionen mußten sich die beiden Obersten Minucius – Quintus und Publius – aus der Schlachtreihe in eine freie Stellung ziehen. Von dort aus sollten sie, wenn er das Zeichen gäbe, einen offenen Angriff thun. Noch war er bei dieser Bestellung, als Tiberius Sempronius Longus ihm sagen ließ: «Die Auserlesenen könnten dem Angriffe der Gallier nicht widerstehen und hätten schon größere Verlust gehabt: die noch Übrigen hätten theils aus Ermattung, theils aus Furcht im Eifer des Gefechts nachgelassen. Finde er es rathsam, so möge er die eine von den beiden Legionen ihm nachschicken, ehe sie ein Unglück erlebten.» Er schickte ihm die zweite Legion, und diese nahm die Auserlesenen zwischen ihre Glieder. Nun ging die Schlacht von neuem an. Da jetzt eine Legion frischer Truppen und in so vollen Gliedern eingerückt war, so konnte sich nun auch die linke Abtheilung der Bundsgenossen aus dem Gefechte ziehen, und die rechte trat als Vordertreffen auf. Brennend heiß stach die Sonne den mit der Hitze unverträglichen Galliern auf den Leib; doch hielten sie noch in geschlossenen Gliedern, bald einer auf den andern, bald auf ihre Schilde sich stützend, den Angriff der Römer aus. Als dies der Consul bemerkte, gab er, um sie aus dem Schlusse zubringen, dem Cajus Livius Salinator, dem Anführer der Bundesreuterei, Befehl, im stärksten Schnellaufe gegen sie anzusprengen; und der Reuterei der Legionen, im Rückhalte stehen zu bleiben. Dieser Sturmangriff der Reuterei brachte zuerst Unordnung und Verwirrung unter die Gallier, und trennte dann auch ihre Linie; doch wandten sie sich noch nicht ab zur Flucht. Dies wehrten ihnen ihre Anführer, die von hinten mit ihren Lanzen auf die Unschlüssigen losschlugen und sie ins Glied zurücktreiben wollten: dies aber ließ die dazwischen sprengende Bundesreuterei nicht geschehen. Da beschwur der Consul die Soldaten, «nur noch einen Augenblick sich anzustrengen. Der Sieg sei in ihren Händen. Jetzt müßten sie eindringen, so lange sie noch diese Unordnung und Verlegenheit vor sich 288 sähen. Ließen sie den Feind seine Glieder wieder aufstellen, so würden sie einen völlig erneueten und mißlichen Kampf zu bestehen haben.» Zugleich befahl er den Fahnenträgern, mit der Fahne vorzudringen. Alle in vereinter Kraft zwangen sie endlich die Feinde zur Flucht. Als sie schon den Rücken wandten und nach allen Seiten zur Flucht fortstürzten, da erst wurde zur Verfolgung die Reuterei der Legionen ihnen nachgeschickt. Vierzehntausend Bojer wurden an diesem Tage niedergehauen, tausend zweiundneunzig gefangen genommen, siebenhundert einundzwanzig Reuter und drei ihrer Feldherren. Zweihundert und zwölf Fahnen wurden erbeutet und dreiundsechzig Kriegswagen. Aber auch auf Seiten der Römer war der Sieg nicht ohne Blut. Über fünftausend Mann, Römer oder Bundesgenossen, waren gefallen, dreiundzwanzig Hauptleute, vier Obersten der Bundestruppen, und von der zweiten Legion die Obersten Marcus Genucius und Marcus Marcius.
6. Fast zugleich trafen die Briefe beider Consuln ein, der des Lucius Cornelius über die bei Mutina den Bojern gelieferte Schlacht, und des Quintus Minucius von Pisä, des Inhalts: «Das Los habe zwar ihm die Haltung der Wahlen bestimmt, allein er sehe in Ligurien Alles in einer so bedenklichen Lage, daß er, ohne Aufopferung der Bundsgenossen und ohne Nachtheil für den Stat sich nicht entfernen könne. Fänden es die Väter rathsam, so möchten sie seinen Amtsgenossen beschicken, damit dieser, der über das Mißliche des Krieges schon hinaus sei, zur Haltung der Wahlen nach Rom zurückkäme. Sollte dieser Anstand nehmen, weil ihm das Los dies Geschäft nicht angewiesen habe, so wolle er freilich dem Ermessen der Väter Folge leisten, bitte sie aber ernstlich zu erwägen, ob es nicht dem Besten des Ganzen angemessener sei, lieber eine Zwischenregierung eintreten zulassen, als ihn unter solchen Umständen von seinem Posten abzurufen.» Der Senat gab dem [Prätor] Cajus Scribonius den Auftrag, aus den Mitgliedern des Senats zwei Abgeordnete an den Consul Lucius Cornelius zu schicken, um ihm den 289 beim Senate eingegangenen Brief seines Amtsgenossen einhändigen und ihm zu sagen: «Wenn er nicht zur Wahl der neuen Obrigkeiten nach Rom käme, so werde der Senat, ehe er den Quintus Minucius mitten im Laufe des Krieges abrufen lasse, lieber seine Einwilligung zu einer Zwischenregierung geben.» Die Abgeschickten brachten die Antwort, Lucius Cornelius wolle zur Wahl der neuen Obrigkeiten nach Rom kommen.
Über den Brief des Lucius Cornelius, den er gleich nach der Schlacht mit den Bojern geschrieben hatte, äußerten sich die Meinungen im Senate verschieden, weil der Unterfeldherr Marcus Claudius an mehrere Senatoren in Privatbriefen geschrieben hatte: «Man müsse es dem Glücke des Römischen Volks und der Tapferkeit der Soldaten Dank wissen, wenn Alles so gut abgelaufen sei. Auf des Consuls Rechnung komme Einmal, daß er den bedeutenden Verlust an Leuten gehabt, zum Andern, daß er die Feinde habe entkommen lassen, da es in seiner Macht gestanden habe, sie aufzureiben. Der Soldaten seien deswegen mehrere gefallen, weil die im Rückhalte, die den Nothleidenden hätten zu Hülfe kommen sollen, zu spät angerückt wären. Die Feinde habe man aus den Händen gelassen, weil die Reuterei der Legionen das Zeichen zu spät bekommen und die Fliehenden nicht habe verfolgen dürfen.»
7. Die Väter beschlossen, in dieser Sache nicht geradezu zu entscheiden: die Berathschlagung darüber wurde bis zu einer zahlreicheren Senatsversammlung ausgesetzt. Sie sahen sich nämlich von einer andern Sorge bedrängt, insofern ihre Bürger dem Wucher erlagen, und die Habsucht alle sie beschränkenden Wuchergesetze listig genug dadurch umging, daß die Ausleiher den Schuldbrief an einen Bundsgenossen ausstellen ließen: denn auf diese erstreckten sich jene Gesetze nicht. So richteten sie durch Zinsen nach eigner Bestimmung die Anleiher zu Grunde. Da die Väter auf ein Mittel dachten, diesem Übel zu steuern, so beschlossen sie, das zuletzt eingefallene Fest aller Seelen als festgesetzten Tag anzunehmen, so daß 290 jeder Bundsgenoß, der nach diesem Tage einem Römischen Bürger Geld geliehen habe, es angeben und der Gläubiger über jede seit jenem Tage ausgeliehene Summe sich den Rechtsspruch gefallen lassen müsse, je nachdem der Anleiher nach den einen oder den andern Gesetzen gerichtet sein wolle. Da nun aus den Angaben die Größe der aus diesem Betruge erwachsenen Schuldenmasse hervorging, so trug mit Genehmigung der Väter der Bürgertribun Marcus Sempronius bei dem Bürgerstande darauf an, und der Bürgerstand machte es zum Gesetze, daß gegen Bundsgenossen und Latiner in Schuldsachen dasselbe Recht gelten sollte, das gegen Römische Bürger galt. So viel von den Stats- und Kriegsangelegenheiten in Italien.
In Spanien war der Krieg bei weitem nicht so groß, als ihn das Gerücht gemacht hatte. Cajus Flaminius eroberte im diesseitigen Spanien die Stadt Illucia im Oretanischen; dann führte er die Truppen in die Winterquartiere. Auch während des Winters fielen mehrere Gefechte vor, welche keine Erwähnung verdienen, mehr gegen Streifzüge von Räubern als von Feinden, doch mit ungleichem Erfolge und nicht ohne Verlust an Leuten. Marcus Fulvius that mehr. Bei der Stadt Toledum lieferte er den Vaccäern, Vectonen und Celtiberern eine wirkliche Schlacht, warf das Heer dieser Völker, trieb es in die Flucht und nahm den König Hilermus gefangen.
8. Noch waren dies die Beschäftigungen in Spanien, als der Tag der Wahlen schon heranrückte. Also ließ der Consul Lucius Cornelius den Unterfeldherrn Marcus Claudius beim Heere zurück und kam nach Rom. Nachdem er im Senate seine Verrichtungen und den Zustand der Provinz aus einander gesetzt hatte, machte er den versammelten Vätern einen Vorwurf daraus, daß man für die durch einen einzigen Sieg bewirkte glückliche Beendigung eines so wichtigen Krieges den unsterblichen Göttern den Ehrendank nicht dargebracht habe. Dann verlangte er von ihnen die Bewilligung eines Dankfestes und zugleich des Triumphs., Ehe es aber hierüber zum Antrage kam, sagte Quintus Metellus, der schon Consul und Dictator gewesen 291 war: «Es seien zu gleicher Zeit Briefe vom Consul Lucius Cornelius an den Senat, und von dem Marcus Marcellus an einen großen Theil der Senatoren eingelaufen, die einander widersprächen; und darum habe man die Berathschlagung verschoben, um die Sache in Gegenwart der Verfasser jener Briefe auszumachen. Er für seine Person habe erwartet, der Consul, dem es doch bekannt sei, daß sein Unterfeldherr ungünstig von ihm geschrieben habe, werde diesen, da er selbst habe kommen müssen, nach Rom mitnehmen; da es ohnehin schicklicher gewesen sei, dem mit dem Oberbefehle bekleideten Tiberius Sempronius das Heer zu übergeben, als einem Unterfeldherrn. Jetzt scheine es so, als sei dieser mit Fleiß entfernt gehalten, damit er das, was er geschrieben habe, nicht mündlich aussagen, unddiceret, aut argueret coram, et si quid]. – Ich folge in der Übersetzung Creviers Lesart: qui ea quae scripsisset praesens dicer et, et aut argueret coram, aut, si quid vani afferret, argui posset. Drakenb. selbst begünstigt sie, durch die aus dem Cod. Gaert. angeführte Lesart coraut si quid vani afferret. entweder dem Consul ins Gesicht behaupten, oder, falls er Unwahrheiten vorbringe, überführt werden könne; so daß die Wahrheit hätte aufs Klare gebracht werden müssen. Er also gebe seine Stimme dahin, daß dem Consul für jetzt keine seiner Forderungen zu bewilligen sei.» Da dieser nun dessenungeachtet darauf antragen wollte, daß ein Dankfest verordnet und ihm gestattet würde, triumphirend in die Stadt einzuziehen, so erklärten die Bürgertribunen, beide Titinier – Marcus und Cajus – wenn es hierüber zum Senatsschlusse kommen sollte, so würden sie dagegen Einsage thun.
9. Censoren waren die im vorigen Jahre gewählten Sextus Älius Pätus und Cajus Cornelius Cethegus. Cornelius schloß die Schatzung. Geschatzt wurden hundert dreiundvierzig tausend siebenhundert und vier Bürger. In diesem Jahre war das Wasser groß und die Tiber überschwemmte die flachen Gegenden der Stadt; ja in der Gegend des Flußthores stürzten einige Gebäude ein. 292 Ferner schlug der Blitz in das Cälimontanische Thor, und die Mauer umher wurde an mehreren Stellen getroffen. Zu Aricia, zu Lanuvium und auf dem Aventinus regnete es Steine; und von Capua wurde gemeldet, es sei ein großer Wespenschwarm auf den Markt geflogen und habe sich auf dem Tempel des Mars niedergelassen: man habe sie alle sorgfältig gesammelt und verbrannt. Dieser Schreckzeichen wegen mußten sich die Zehnherren an die heiligen Bücher wenden; man beging die neuntägige Opferfeier, ordnete einen Bettag an und entsündigte die Stadt. In diesen Tagen weihete auch Marcus Porcius Cato neben dem Tempel der Siegesgöttinn der jungfräulichen Siegesgöttinn einen kleinern Tempel, den er ihr vor zwei Jahren gelobet hatte. In diesem Jahre wurden auch Latinische Pflanzbürger auf das Thurinische Gebiet von den Dreiherren Cneus Manlius Vulso, Lucius Apustius Fullo und dem Quintus Älius Tubero ausgeführt, der diese Ausführung in Vorschlag gebracht hatte. Dreitausend Mann zu Fuß gingen hin und dreihundert Reuter; für den Überfluß an Land eine sehr kleine Zahl. Es konnten ihnen, jedem zu Fuß dreißig Morgen, und jedem Reuter sechzig Morgen gegeben werden. Aber auf des Apustius Vorschlag wurde der dritte Theil des Ackers zurückbehalten, um für diesen, falls man in Zukunft wollte, eine Sendung neuer Pflanzer einzeichnen zu können. So bekam der Mann zu Fuß zwanzig Morgen, der Reuter vierzig.
10. Schon war das Jahr im Ablaufe, und die Bewerbungen am consularischen Wahltage wurden hitziger betrieben, als je. Es rangen nach der Ehre viele und geltende Männer vom Adel und vom Bürgerstande. Der aus der Provinz Spanien nach großen Thaten erst neulich abgegangene Publius Cornelius Scipio, des Cneus Sohn; ferner Lucius Quinctius Flamininus, der in Griechenland die Flotte befehligt hatte, und Cneus Manlius Vulso waren die Adlichen; die Bürgerlichen Cajus Lälius, Cneus Domitius, Cajus Livius Salinator, Manius Acilius. Doch aller Augen waren auf den Quinctius und Cornelius gerichtet. Denn für beide als Bewerber vom Adel war 293 doch nur der Eine Platz offen; und ihr noch neuer Thatenruhm empfahl sie beide. Vorzüglich aber veranlaßten eine lebhaftere Theilnahme für den Streit dieser Bewerber ihre Brüder, die beiden berühmtesten Feldherren ihres Zeitalters. Auf Scipio's Seite stand der größere Ruhm; doch auch je größer, desto näher dem Neide; auf Quinctius Seite der frischere Ruhm; hatte er doch in diesem Jahre triumphirt. Dazu kam noch, daß Jener fast schon ins zehnte Jahr den Bürgern beständig vor Augen gelebt hatte, und gerade dies, wodurch uns die großen Männer etwas Altes werden, macht sie weniger ehrwürdig. Nach Hannibals Besiegung war ihm das zweite Consulat zu Theile geworden, auch die Censur. Beim Quinctius hingegen hatte Alles, was ihn begünstigte, Neuheit und frisches Leben. Nach seinem Triumphe hatte er bei dem Volke um nichts nachgesucht, nichts von ihm erhalten. «Er bitte, sagte er, für einen leiblichen Bruder, nicht für seines Vaters Brudersohn; für seinen Unterfeldherrn und Theilnehmer an der Führung des Krieges: den Oberbefehl zu Lande habe er, zur See sein Bruder gehabt.» Dadurch wirkte er ihm den Vorzug vor einem Mitwerber aus, den ein Africanus als Vaters Brudersohn, den das Geschlecht der Cornelier, gerade da ein Cornelier als Consul bei der Wahl den Vorsitz hatte, den eine ehrenvolle frühere Erklärung des Senats empfahl, vermöge welcher er für den rechtschaffensten Mann im State anerkannt wurde, der die Idäische Mutter bei ihrer Ankunft von Pessinus zur Stadt in Empfang nehmen durfte. Lucius Quinctius und Cneus Domitius Ahenobarbus wurden Consuln. So drang Africanus, der sich für den Cajus Lälius verwandte, auch nicht einmal mit dem bürgerlichen Consul durch. Tags darauf wurden zu Prätoren gewählt Lucius Scribonius Libo, Marcus Fulvius Centumalus, Aulus Atilius Serranus, Marcus Bäbius Tamphilus, Lucius Valerius Tappo, Quintus Salonius Sarra. Marcus Ämilius Lepidus und Lucius Ämilius Paullus zeichneten sich in ihrem diesjährigen Ädilenamte aus. Sie verurtheilten viele Triftenpächter, und stellten von den Strafgeldern 294 vergoldete Schilde auf den Giebel des Jupiterstempels. Vor dem Drillingsthore legten sie einen Säulengang an, mit einem daranstoßenden Warenlager an der Tiber; einen zweiten vom Brunnenthore bis an den Altar des Mars, als Weg nach dem Marsfelde.
11. In Ligurien war lange nichts Merkwürdiges vorgefallen. Aber am Ende des Jahrs sah es hier zweimal sehr gefährlich aus. Die Feinde unternahmen einen Sturm auf des Consuls Lager, und es wurde nur mit Mühe behauptet. Und nicht lange nachher, als der Zug der Römer durch einen engen Gebirgspaß ging, besetzte das Heer der Ligurier die Mündung. Als hier der Ausgang gesperrt war, ließ der Consul sogleich den Zug sich wenden und zurückgehen; aber auch die Mündung des Passes hinter ihm war mit einer Abtheilung feindlicher Truppen besetzt; und nun hatten die Römer das Unglück bei Caudium nicht bloß in der Erinnerung, sondern beinahe als Anblick vor sich. Doch der Consul hatte beinahe achthundert Numidische Reuter unter seinen Hülfstruppen. Ihr Oberster versprach ihm, «auf einer von beiden Seiten, auf welcher er es verlange, sich mit seinen Leuten durchzuschlagen. Nur möge er ihm sagen, wo hinaus die meisten Dörfer lägen; in diese wolle er einfallen, und sein Erstes sein lassen, die Häuser in Flammen zu setzen; damit der Schrecken von dorther die Ligurier zwänge, den gesperrten Paß zu räumen und sich schnell zur Rettung des Ihrigen zu vertheilen.» Unter Lobsprüchen überhäufte ihn der Consul mit Zusagen auf Belohnung. Die Numider saßen auf und ritten, ohne angreifend zu werden, vor den feindlichen Posten auf und ab. Ihr erster Anblick weckte tiefe Verachtung. Pferde und Menschen klein und schmächtig; der Reiter schlotterig in Kleidung und ohne Waffen, außer daß er einige Wurfspieße bei sich führt; die Pferde ohne Zügel; selbst ihr Lauf häßlich, denn sie rennen mit straffem Halse und vorgestrecktem Kopfe. In der Absicht, sich noch verächtlicher zu machen, fielen die Numider zuweilen vom Pferde und gaben sich dem Spotte zum Schauspiele her. 295 Also sahen die, die anfangs, auf den Fall eines Angriffs gespannt und in Bereitschaft, auf ihren Posten gestanden hatten, jetzt schon größtentheils unbewaffnet und sitzend ihnen zu. Die Numider ritten heran, flohen wieder, ließen aber ihre Pferde allmälig in die Nähe des Schlupfweges vorsprengen, als ob diese wider den Willen ihrer ungeschickten Lenker mit ihnen durchgingen. Zuletzt gaben sie ihnen die Spornen, brachen mitten durch die feindlichen Posten, und sobald sie ins Freie hinausgejagt waren, zündeten sie alle Gebäude in der Nähe ihres Weges an. Dann steckten sie das nächste Dorf in Brand und verheerten Alles mit Feuer und Schwert. Zuerst erblickte man im Lager den Rauch, hörte bald das Geschrei der Nothleidenden in den Dörfern, endlich setzten die herüberflüchtenden Greise und Kinder das ganze Lager in Aufruhr. Ohne Plan, ohne Befehl, lief Jeder für sich hin, sein Eigenthum zu schützen. Im Umsehen stand das Lager leer, und der Consul, aus der Einschließung gerettet, erreichte das Ziel seines Marsches.
12. Doch wederSed neque Boii]. – Livius setzt den Völkern, mit welchen Rom in diesem Jahre offenbaren Krieg führte, die Ätoler, mit denen es nicht kriegete, entgegen und sagt von den letzteren, sie hätten sich gegen Rom feindseliger benommen, als jene. Da er nun im vorigen Cap. den Krieg gegen die Ligurier so wenig zu den unerheblichen gerechnet hatte, daß er vielmehr sagte: bis in magnum periculum res adducta est, und nachher: Caudinae cladis memoria – – oculis obversabatur, wie kann er in der Aufzählung der Völker, mit denen Rom damals Krieg führte, die Ligurier ungenannt lassen? Es mußte ja heißen: «Doch weder die Ligurier, noch die Bojer, noch die Spanier, mit welchen etc. Ich vermuthe, er habe geschrieben: Sed neque Ligures, neque Boii, neque Hispani, cum quibus etc. Über die vielen neque ließen die Abschreiber die beiden auf Sed neque folgenden Worte: Ligures, neque, ausfallen, und lasen gleich weiter Boii, neque Hispani.die Bojer, noch die Spanier, mit welchen Rom in diesem Jahre Krieg geführt hatte, waren gegen die Römer so feindselig und aufwiegelnd, als die Ätoler. Nach Abführung der Heere aus Griechenland hatten sie sich anfangs Hoffnung gemacht, Antiochus werde zu der ihm offen gelassenen Besitznehmung nach Europa herüberkommen, und eben so wenig Philipp oder Nabis still sitzen. Da sie aber nirgends Bewegungen entstehen sahen, so beriefen sie in der Überzeugung, daß sie 296 selbst sich regen und etwas einrühren müßten, wenn ihre Entwürfe nicht durch Zögern unwirksam werden sollten, eine Versammlung nach Naupactus. Hier gab ihr Prätor Thoas nach vielen Klagen über die Ungerechtigkeiten der Römer und über die Lage der Ätoler, die unter allen Volksstämmen und Staten Griechenlands den schlechtesten Lohn von einem Siege ernteten, den sie selbst begründet hätten, seine Stimme dahin ab, man müsse an die Höfe der Könige Gesandte schicken, die nicht bloß die Gesinnungen aushören, sondern auch zur Anregung eines Römerkrieges auf jeden die rechten Reizmittel anwenden müßten. An den Nabis wurde Damocritus, Nicander an Philipp, und des Prätors Bruder Dicäarchus an den Antiochus geschickt. Dem Zwingherrn von Lacedämon gab Damocritus etwa dies zu hören: «Mit den Seestädten habe man ihm die Nerven seiner Alleinherrschaft genommen: aus ihnen habe er seine Truppen gehabt, aus ihnen seine Schiffe und Seeleute. Jetzt beinahe auf seine Mauern beschränkt, müsse er zusehen, wie die Achäer im Peloponnes die Herrscher spielten. Nie werde er Gelegenheit haben, wieder zum Besitze des Seinigen zu kommen, wenn er sie, so wie sie jetzt sei, vorbeilasse. Jetzt hätten die Römer kein Heer in Griechenland, und um Gythiums oder andrer Lacedämonischen Seeplätze willen abermals ihre Legionen nach Griechenland herüberzuschicken, würden sie nicht der Mühe werth halten,» Dies war die Sprache, die den Zwingherrn erbittern sollte, damit er sich, wenn Antiochus nach Griechenland überginge, im Bewußtsein, die Freundschaft der Römer durch Beleidigung ihrer Verbündeten gekränkt zu haben, dem Antiochus anschließen müßte.
In ähnlichen Vorträgen setzte Nicander dem Philipp zu; und hier fanden die Darstellungen noch reicheren Stoff, da der König von einem weit höheren Gipfel hatte herabsteigen müssen, als der Zwingherr, und weit größere Einbuße gehabt hatte. Noch mehr; Nicander ließ sich auf den alten Ruhm der Macedonischen Könige ein, auf die Siege, unter welchen einst die Nation den Erdkreis 297 durchzogen habe; ferner auf die Sicherheit des ihm mitgetheilten Entwurfs, Philipp möge nun auf den Anfang, oder auf den Erfolg sehen. «Denn er fordere ihn ja nicht auf, sich eher zu regen, als bis Antiochus mit einem Heere nach Griechenland übergegangen sei: und wo die Römer die Macht hernehmen wollten, ihm zu widerstehen, da er ohne den Antiochus den Krieg gegen Römer und Ätoler so lange ausgehalten habe, wenn er nun mit Antiochus vereinigt die Ätoler zu Bundsgenossen haben werde, die ihm den Krieg schwerer gemacht hätten, als die Römer.»Hannibal, als Anführer, blieb nicht unerwähnt, er, der zum Feinde der Römer geboren, ihnen mehr Feldherren und Krieger erschlagen habe, als sie jetzt aufstellen könnten.
Andre Eingänge machte bei dem Antiochus Dicäarch, und gleich zuerst diesen: «Geplündert hätten den Philipp freilich die Römer, besiegt aber die Ätoler; ohne die Ätoler hätten die Römer Griechenland gar nicht betreten können und auch zum Siege hätten ihnen jene die Kräfte geliehen.» Dann, wie viele Truppen zu Fuß und zu Pferde die Ätoler dem Antiochus zu diesem Kriege überlassen würden, welche Plätze für sein Heer zu Lande, welche Hafen für seine Seemacht. Endlich benutzte er auch die Freiheit, hier vom Philipp und Nabis lügen zu können: sie seien beide zur Wiedereröffnung des Krieges bereit, und würden die erste die beste Gelegenheit ergreifen, sich das wieder zu verschaffen, was sie durch den Krieg verloren hätten. So schürten die Ätoler in allen Weltgegenden zugleich einen Krieg gegen die Römer an. Indeß die beiden Könige ließen sich entweder gar nicht, oder doch erst später in Bewegung setzen.
13. Nur Nabis schickte sofort in alle Seeplätze herum, um hier Empörungen zu stiften: von ihren Häuptern brachte er einige durch Geschenke auf seine Seite, andre, die mit Festigkeit bei dem Römischen Bündnisse beharreten, ließ er morden. Die Sorge für den Schutz der sämtlichen Lacedämonischen Küstenbewohner hatte Titus Quinctius den Achäern aufgetragen. Diese schickten also 298 sogleich an den Zwingherrn Gesandte, die ihn an das Bündniß mit Rom erinnern und ihm andeuten mußten, den Frieden, den er so sehnlich gesucht habe, nicht zu stören; zugleich auch nach Gythium, welches schon von dem Zwingherrn belagert wurde, Hülfstruppen, und mit der Anzeige von dem Allen Gesandte nach Rom.
König Antiochus, der in diesem Winter zu Raphia in Phönicien eine Tochter an den König Ägyptens, Ptolemäus, vermählt hatte, ging, nach seiner Zurückkunft nach Antiochien, durch Cilicien und kam, über das Gebirge Taurus, schon am Ende des Winters in Ephesus an: von da brach er mit Frühlingsanfang, nachdem er, um sich auch im Rücken während seiner Abwesenheit vor Unruhen zu sichern, seinen Sohn Antiochus zur Hut der entlegenern Provinzen seines Reichs nach Syrien geschickt hatte, mit seiner ganzen Landmacht zu einem Angriffe gegen die Pisiden auf, die Nachbarn von Sida. Um diese Zeit kamen die Römischen Gesandten Publius Sulpicius und Publius Villius, die, wie oben gesagt ist, zum Antiochus gehen, vorher aber bei dem Eumenes einsprechen sollten, nach Eläa, und gingen von da hinauf nach Pergamus, dem Königssitze des Eumenes. Eumenes hatte zum Kriege gegen Antiochus große Lust, weil er, wenn Friede bliebe, in einem so viel mächtigeren Könige einen furchtbaren Nachbar sah; käme es aber zum Kriege, so würde jener, seiner Meinung nach, den Römern eben so wenig gewachsen sein, als es Philipp gewesen sei, und entweder gänzlich zu Grunde gerichtet werden, oder falls auch dem Besiegten ein Friede zugestanden würde, doch manches Jenem Abgenommene ihm zufallen; so daß er dann auch ohne allen Römischen Schutz sich seiner leicht erwehren könne. Sollte es auch nicht so glücklich ausfallen, so werde es doch für ihn besser sein, in Verbindung mit den Römern sich jedem Schicksale zu unterwerfen, als so allein sich entweder des Antiochus Oberherrschaft gefallen zu lassen, oder im Weigerungsfalle mit Gewalt der Waffen dazu gezwungen zu werden. Aus diesen Gründen stimmte er die Römer, so viel er durch 299 sein Gewicht und durch seine Rathgebungen auf sie wirken konnte, für den Krieg.
14. Sulpicius, von einer Krankheit befallen, blieb zu Pergamus. Villius, der auf die Nachricht, der König sei mit einem Kriege gegen Pisidien beschäftigt, nach Ephesus abging, suchte in den wenigen Tagen seines dortigen Aufenthalts mit dem Hannibal, der sich eben hier befand, öfters zusammenzukommen, um wo möglich seine Gesinnungen zu erspähen, zugleich auch ihm die Besorgniß zu benehmen, daß er sich von den Römern irgend einer Gefahr zu versehen habe. Durch diese Unterredungen wurde freilich weiter nichts ausgerichtet, das aber folgte daraus von selbst, gleich als wäre es absichtlich darauf angelegt gewesen, daß eben darum Hannibal dem Könige weniger werth und in Allem verdächtig wurde.
Claudius, der der Griechischen Urschrift des Acilius folgt, erzählt, in dieser Gesandschaft sei Publius Africanus gewesen und er habe zu Ephesus den Hannibal gesprochen. Auch führt er eins der Gespräche an, in welchem Hannibal dem Africanus auf die Frage: Wen er für den größten Feldherrn halte, geantwortet haben soll: Den Macedonischen König Alexander; denn der habe mit einer kleinen Schar unzählbare Heere geschlagen, und Länder durchzogen, welche nur zu sehen andre Menschen nicht hoffen dürften. Auf die Frage: Wem er den zweiten Platz gebe, habe er geantwortet: Dem Pyrrhus. Er habe zuerst gelehrt, sich kunstmäßig zu lagern: außerdem habe niemand so geschickt Lagerplätze gewählt und Posten ausgestellt: auch habe er die Kunst, die Menschen zu gewinnen in so hohem Grade verstanden, daß die Völker Italiens ihm, einem ausländischen Könige, die Oberherrschaft lieber gegönnt hätten, als der Römischen Nation, die schon so lange in Italien obenan gestanden habe. Als er weiter fragte: Wen er für den Dritten halte, soll Hannibal ganz unbefangen sich selbst genannt haben. Da habe Scipio, der sich des Lachens nicht habe enthalten können, hinzugesetzt: Was würdest du denn sagen, wenn du mich besiegt hättest? Ja dann, versetzte Hannibal, 300 würde ich sagen, ich sei über Alexander, über Pyrrhus und über alle andern Feldherren hinaus. Diese mit Punischer Schalkheit verwebte Antwort soll nicht ohne Wirkung auf Scipio geblieben sein, so wenig, als die unerwartete Art der Schmeichelei, mit der ihn Hannibal, gleichsam als den Unbestimmbaren, von der Menge der Feldherren ausgesondert hatte.
15. Villius reisete von Ephesus weiter nach Apamea. Hier kam Antiochus auf die Nachricht von der Ankunft Römischer Gesandten dazu. Auf ihren Zusammenkünften zu Apamea hatte der Wortwechsel fast denselben Inhalt, den jener zu Rom zwischen dem Quinctius und des Königs Gesandten gehabt hatte. Die Nachricht von dem Tode des Prinzen Antiochus, dessen Sendung nach Syrien ich kurz vorher erwähnt habe, hob die Unterredungen auf. Im Pallaste herrschte große Trauer und der Verlust des Jünglings wurde allgemein beklagt. Er hatte schon solche Proben von sich gezeigt, daß man sicher annehmen konnte, seine Anlagen würden, wenn er länger gelebt hätte, einen großen und gerechten König gegeben haben. Je größer sein Werth und seine Liebe bei Allen war, um so mehr erregte sein Tod den Verdacht, der Vater, der für seine späteren Jahre in ihm einen lästigen Thronfolger heranreifen sah, habe ihn durch Verschnittene, wie sie gewöhnlich wegen ihrer Dienstleistung in Ausrichtungen dieser Art die Lieblinge der Könige sind, vergiften lassen. Als zweite Veranlassung der geheimen Unthat gab man auch diese an: Der Vater, da er dem Seleucus Lysimachien zum Wohnsitze angewiesen hatte, habe für den Antiochus, um auch ihn mit Ehren von sich zu entfernen, keinen ähnlichen Hofsitz anzuweisen gewußt, Indessen herrschte dem Scheine nach mehrere Tage lang am königlichen Hofe tiefe Trauer, und der Römische Gesandte, um nicht zur Unzeit als der Unwillkommene zu erscheinen, begab sich nach Pergamus. Der König, der den angefangenen Krieg liegen ließ, ging nach Ephesus zurück. Hier pflog er, so lange der Trauer wegen niemand bei Hofe vorgelassen wurde, mit einem 301 gewissen Minio, dem vornehmsten seiner Günstlinge, geheime Berathschlagungen. Minio, unbekannt mit Allem, was Ausland hieß, und seines Königs Macht nur nach dessen Thaten in Syrien oder Asien beurtheilend, glaubte nicht allein, daß Antiochus die gerechte Sache für sich habe, weil die Römischen Forderungen lauter Unbilligkeiten wären, sondern auch, daß er im Kriege die Oberhand behalten werde. Da der König einer Auseinandersetzung mit den Gesandten auswich, entweder weil er schon erfahren hatte, wie wenig er dadurch gewann, oder weil er noch bei seinem neuen Kummer außer Fassung war, so beredete ihn Minio, mit dem Erbieten, zu sagen, was sich für seine Sache sagen lasse, daß er die Gesandten von Pergamus zu sich laden ließ.
16. Sulpicius war schon genesen: also kamen sie beide nach Ephesus. Der König ließ sich durch Minio entschuldigen und die Verhandlung ging ohne dessen Beisein vor sich. Hier sagte Minio, der sich zu seiner Rede vorbereitet hatte: «Ich sehe, ihr Römer gebt die Befreiung der Griechischen Staten als euren glänzenden Vorwand an: allein eure Thaten stimmen nicht zu diesem Tone; und ihr schreibt dem Antiochus ein andres Recht vor, als ihr selbst ausübt. Denn in wiefern sind die Bürger von Smyrna und Lampsacus in eigentlicherem Sinne Griechen, als die von Neapolis, von Rhegium und Tarent, von denen ihr Abgaben, von denen ihr Schiffe vertragsmäßig eintreibt? Warum schickt ihr nach Syracus und in die andern Griechischen Städte Siciliens jährlich euren Prätor mit dem Rechte, über Leben und Tod zu gebieten? Ihr könnt sicher keinen andern Grund angeben, als daß ihr ihnen, nach eurem Waffensiege über sie, diese Gesetze auferlegt habt. So laßt euch denn auch vom Antiochus in Hinsicht auf Smyrna, Lampsacus und die übrigen Städte Ioniens und Äoliens dieselbe Angabe gefallen. Diese Städte, die von seinen Vorfahren besiegt, ihnen zinsbar und steuerpflichtig wurden, fordert er unter seine alte Gerichtsbarkeit zurück. Ich wünschte also, daß ihm dies beantwortet würde, wenn 302 wir nämlich unsre Auseinandersetzung auf Billigkeit beruhen lassen, und nicht zum Kriege nur ein Vorwand gesucht wird.»
Hierauf antwortete Sulpicius: «Es ist Artigkeit von Antiochus, wenn sich nichts Besseres für seine Sache sagen ließ, dies lieber durch jeden Andern sagen zu lassen, als es selbst zu sagen. Denn was haben die von dir zusammengestellten Staten in ihrem Verhältnisse für Ähnlichkeit? Von den Rheginern, von den Neapolitanern, von den Tarentinern, lassen wir bei gleichem, fortwährenden, immer ausgeübten, nie nachgelassenen Bestande unsers Rechts, uns das entrichten, was sie vertragsmäßig schuldig sind. Kannst du, ich bitte dich! ebenfalls behaupten: so wie jene Völker nie, weder selbst, noch durch sonst irgend jemand, unsre Verträge gestört haben, eben so hätten die Städte Asiens, nachdem sie einmal den Vorfahren des Antiochus unterwürfig geworden waren, als bleibendes Eigenthum zu eurem Reiche gehört? hätten nie – die Einen unter Philipp, die Andern unter Ptolemäus gestanden? und wieder Andre viele Jahre lang die Freiheit behauptet, ohne daß sie ihnen jemand streitig machte? Denn wenn der Vorwand, daß sie im Drange ungünstiger Zeitumstände einmal dienstbar gewesen sind, noch nach so vielen Menschenaltern jemand berechtigen soll, sie wieder dienstbar zu machen; – – bedarf es denn noch eines Mehrern, unsre Befreiung Griechenlands von Philipp zur ungeschehenen Arbeit zu machen, und Philipps Nachkommen, Corinth, Chalcis, Demetrias und ganz Thessalien wieder hinnehmen zu lassen? Doch wozu führe ich die Sache der Städte, da es sich für uns, ja selbst für den König, besser schickt, sie uns von ihnen als eignen Sachführern vorlegen zu lassen?»
17. Nun ließ er die Gesandschaften der Städte hereinrufen, welche Eumenes schon vorbereitet und abgerichtet hatte, weil er sich von Allem, was der Macht des Antiochus abgehen würde, einen Zuwachs für sein Reich versprach. Da aber von den vielen Vorgelassenen jeder 303 bald seine Klagen, bald seine Forderungen einfließen ließ, und die billigen und unbilligen im Gemische aufstellte, so machten sie die Verhandlung zum Gezänke. Ohne etwas nachgegeben oder erlangt zu haben, gingen die Gesandten, gerade wie sie gekommen waren, in völliger Ungewißheit wieder nach Rom zurück.
Nach ihrer Entlassung berief der König über den Krieg mit Rom seine Räthe. Hier in Keckheit mit einander wetteifernd – denn Jeder hoffte, je bitterer er sich gegen die Römer ausließe, sich so viel gefälliger zu machen – schalt der Eine auf den Übermuth der Römer in ihren Forderungen, «mit dem sie nicht anders, als ihrem besiegten Nabis, auch einem Antiochus, dem größten unter Asiens Königen, Gesetze aufbürden wollten. Gleichwohl hätten sie doch dem Nabis die Zwingherrschaft über seine Vaterstadt, und zwar in dieser Vaterstadt über ein Lacedämon! zugestanden: und wenn nur ein Smyrna, ein Lampsacus die Befehle eines Antiochus befolgten, so hielten sie dies für empörendIbi alius alio ferocius (– –) alius – – indignum videri; alii]. – Ich folge dieser Drakenborchischen, von Hrn. Walch (Emend. Liv. p. 214.) noch verbesserten Interpunction.:» Andre sagten: «Für einen so großen König würden diese Städte «eine zu kleinliche, kaum nennenswerthe Veranlassung zum Kriege sein: allein bei ungerechten Zumuthungen mache man immer mit KleinigkeitenSemper a parvis]. – Ich behalte diese Lesart bei, weil sie der Zusammenhang zu fordern scheint, und weil meiner Meinung nach, wenn die Wege der Kritik für die beiden Lesarten a parvis und per ius im Gleichgewichte stände, das a in der Lesart apius für a parvis das Übergewicht giebt. den Anfang; man müßte denn glauben, es sei den Persern, als sie von den Lacedämoniern Wasser und Erde forderten, um eine Erdscholle und einen Trunk Wassers zu thun gewesen. Mit einem ähnlichen Versuche ließen sich die Römer über zwei Städte ein. Auch andre Städte würden, sobald sie sähen, daß jene beiden das Joch abgestreift hätten, auf die Seite der Freiheit bringenden Nation übertreten. Hätte die Freiheit nicht schon ihre Vorzüge vor der 304 Dienstbarkeit, so finde doch jedermann in der Aussicht auf eine neue Verfassung mehr Reiz, als in der jedesmaligen Lage seiner gegenwärtigen Umstände.»
18. Bei dieser Berathschlagung war Alexander aus Acarnanien zugegen, ehedem ein Vertrauter Philipps, der aber diesen, von der größeren Hofhaltung des Antiochus angezogen, neulich verlassen hatte, und dem der König, als dem Manne, der Griechenland kenne und mit den Römern nicht unbekannt sei, einen so hohen Grad des Wohlwollens angedeihen ließ, daß er auch den geheimen Berathschlagungen beiwohnen durfte. Gerade so, als wäre hier nicht die Frage, ob man Krieg führen müsse oder nicht, sondern wo und wie man ihn zu führen habe, versicherte dieser: «Er sehe den gewissen Sieg schon vor Augen, sobald der König nach Europa überginge und in irgend einem Theile von Griechenland dem Kriege seinen Standpunkt gäbe. Vor allen Andern werde er die Ätoler im Herzen von Griechenland schon unter den Waffen finden, bereit, immer in den gefährlichsten Auftritten des Krieges voranzugehen. Gleichsam auf den beiden Flügeln von Griechenland werde – vom Peloponnes aus – Nabis Alles aufbieten, die Stadt Argi wieder zu gewinnen, seine Seestädte wieder zu gewinnen, nach deren Abnahme ihn die Römer auf Lacedämons Mauern beschränkt hatten; und von Macedonien aus werde Philipp auf den ersten Schlachtruf der Feldposaune zu den Waffen greifen. Er kenne den Hochsinn, kenne die Denkungsart des Mannes; wisse, daß ihm, so wie bei wilden Thieren, die man im Zwinger oder in Ketten halte, ein fürchterlicher Grimm schon lange im Busen koche; ja er erinnere sich, wie oft Philipp während des Krieges die Bitte an alle Götter gethan habe, ihm doch den Antiochus zum Mitstreiter zu geben. Würde ihm jetzt dieser Wunsch gewähret, so werde er sich keinen Augenblick bedenken, den Krieg wieder anzufangen. Nur müsse man nicht unschlüssig, nicht unthätig sein. «Denn darauf beruhe der Sieg, daß man sich der dienlichen Plätze und der beitretenden Völker zuvorkommend 305 versichere. Auch müsse man ungesäumt den Hannibal nach Africa gehen lassen, um die Römer auf mehreren Seiten zu beschäftigen.»