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Der Eichbaum in der Mark Brandenburg.

Im Jahre 1809.

Ich war ein jung aufblühend Kind,
Die Zweige mir schwach und schwank im Wind,
Als hoch ob all' den ehrbar'n Deutschen Gauen,
Sich Carol Magnus ließ als Kaiser schauen.
Doch war es meistens hier zu Land
Mit seiner Macht nicht wohl bewandt;
Oft that man am mindesten, was er gewollt,
War selten ihm treu und nimmer ihm hold,
Verehrte noch alter Götter Wink,
War sie zu hüthen stark, war sie zu feyern flink.
Ja hielt mich die lustige Wenden-Schar
Selbst für 'ne junge Göttinn gar,
Tanzten und jubelten um mich her,
Als ob mein's gleichen im Wald nicht wär'.
Meth und Wein ha'n sie ausgegossen
Um meine Wurzeln. Da bin ich aufgeschossen,
Und hab' mich, wie ein fechtender Riese thut,
Fest angestämmt mit freud'gem Muth.
Verloschen sind nachher die Flammen
Des Opferfestes um meines gleichen Stammen,
Dagegen unter unsern Zweigen
Sah'n wir manch schönes Kreuz aufsteigen,
Und die Ritter in blanker Harnischpracht
Ritten hin und her zu Spiel und Schlacht,
Daß ich ihnen so rechte freudig hab' zugewinkt,
Denn Grün ist gerne, wo reiche Waffe blinkt.
Hab' auch den Frauen gethan manch art'ges Grüßen,
Ihnen die Müh' des Wandelns zu versüßen,
Wenn sie hinaus am Abend gingen,
Spähend nach lust'ger Blumen entspringen,
Um die in Kranz zu flechten bunt,
Der keusche Minne thäte kund,
»Schön guten Abend, liebe Eiche!«
Sagten sie mir, ich sagte das Gleiche,
Nur sagten sie's mit Worten, mit frommen,
Mit Rauschen ich; sie han's doch vernommen.
Darüber ward ich ein schöner Mann,
Der viel der Äst' und Zweige gewann.
Ach, ich brauchte nachher der guten Kraft,
Die sich 'ne feste Stätte schafft,
Denn in den dreyßigjähr'gen Kriegeszeiten,
Da ich schon alt war, viel gewohnt an's Streiten,
Da ging hier doch solch Tosen los,
Daß auch auf mich kam mancher Stoß.
Sie wollten mich oftmahls gar umhauen,
Aber meinen Wurzeln, denen durft' ich trauen.
Sie hieben und hieben sich fast die Arm' entzwey,
Ich lachte recht innerlich dabey,
Bis sie an and'res Gesträuch sich machten,
Und mich lieber gar nicht mehr bedachten.
Ihr Menschenkinder, jede Fluth
Verrinnt zuletzt, wie keck sie thut.
So war auch der Schwede, so Tilly verronnen;
Man pflügte nun wieder, man grub wieder Bronnen,
Ja man vergaß, daß die Croaten
Jemahls hier sengen und plündern thaten.
Ich ward denn auch in der Ruhe alt,
Mein Laub nur schwach, meine Kraft nur kalt,
Es rann vom Berg der Sand ganz klar,
Ließ mir meine Wurzeln bloß und bar.
Nur manchmahl wußt' ich von großen alten Tagen
In meiner grünsten Zweige Rauschen zu sagen,
Wenn Sturmwind durch sie herüber zog,
Oder die Nacht vom Himmel hoch
Herunter sah mit vielmahl hundert tausend Augen,
Und feuchte Wolken den Thau sich ließen entsaugen.
Oder wenn bisweilen die Kinder spielten
In meinem Schatten, und 's ahnend fühlten,
Hier sey noch so ein alter Rest,
Aus ihren Mährchen geblieben fest.
Sie nannten mich ihre alte Burg;
Unter den hohen nackten Wurzeln durch
Rannten sie oft mit heimlichem Schaudern,
Thäten von Rittern und Damen plaudern,
Hießen meine Äste Burgeszinnen,
Dann ward mir's reg' und jung tief innen, –
'S war noch so meine letzte Jugend.
Das letzte Taugliche meiner Tugend.
Zuletzt sah ich gar noch Wälsche und Franzen
Als Sieger im Lande schmausen und tanzen.
Sie zogen zwar endlich wieder fort –
'S war doch, als sey entweiht der Ort.
Und man wird denn auch im Alter wunderlich,
Das Gute gefällt einem nicht mehr sunderlich,
Aber erlittene Noth und Schmach
Spuken im Kerne noch immer nach. –
Es war im Lenz ein milder Abend,
Der Regen rauschte vom Himmel labend
Über dürren Acker, über lechzende Au,
Blüthen lachten erquickt, gelb, roth und blau.
Mir auch zwischen den alten Zweigen
Tanzt' es wie ein silberner Reigen,
Und in feyerlichen Tönen, im vollen
Kriegsgang hort' ich herüber den Donner rollen.
Wie ward mir wieder das Leben wach,
Wie seufzt' ich aus allen Blättern: »ach!
Geh' nicht dießmahl so fern vorbey,
Du Blitzeslicht! Mach mich von Nöthen frey.
Du warst ja sonst mein kecker Bekannter.
Dein zuckender Strahl, oftmahlen brannt' er
Mir an der Riesengestalt herab,
Aber ich war frisch, er fand sein Grab,
Verlöschend starb er an meinem Fuß,
Und galt mir nur wie ein leuchtender Gruß.
Nun komm' recht ernst heran gewettert;
Wenn's heut' durch dürre Glieder mir schmettert,
Lodr' ich alsbald im Flammenlauf
Als freud'ges Licht zum Himmel auf,
Juble nochmahls im heitern Erwarmen,
Verstiebe, vergeh' in Deinen kosenden Armen.«
Und er kam, der liebegeruf'ne Strahl,
Fuhr herab in mich mit ehrender Wahl,
Fing an, mir im tiefsten Leben innen
Mit Gluth und Muth umher zu rinnen;
Oben sah er heraus mit freundlichem Licht,
Wie Kerzenschein aus Schlossesfenstern bricht,
Daß alle meine liebsten Blätter im Widerschein
Recht jung und festlich sahen drein.
O herrlich Verklären! O süßer Tod!
O jugendlich schwindende Altersnoth!
So rauscht' ich froh, die Zweige flisterten
Im Flammenhauch, die Gluthen knisterten,
Hieß Alles zusammen Victoria! –
Weh' mir! Da steht ein Dörflein nah
Seit etwa ein lump'gen paar hundert Jahren, –
Gleich kommen die Menschlein d'raus hergefahren,
Kommen gestolpert, kommen gelaufen,
Schleppt Wasser herbey, der tolle Haufen,
Will mich löschen, verkehrt den herrlichen Feuerkampf
In miserablen Kohlendampf.
Und wie ihr Löschen doch nichts gilt,
Die Flamme noch innen fortbraus't und schilt,
Da kommen sie her mit Äxten und Beilen,
Beginnen auf mich los zu keilen,
In Mitten der herrlichen Wetternacht,
Daß mir's zuletzt in den Wurzeln kracht,
Denn ich war nicht mehr so stark zum Sieg,
Als einst im dreyßigjähr'gen Krieg.
Einer stand eben auch dabey,
Der hatte doch sonst manch Liedlein frey
In meinem Schatten mit Deutscher Zungen
Von Deutscher Ritterthat gesungen.
Der war nun aber auch so dumm;
Schrie immerfort: »haut um! haut um!«
So mußt' ich denn endlich gar erliegen,
Konnte nun nicht in Flammen auffliegen.
Schmetterte mich in den Boden tief,
Daß das Menschenvolk aus einander lief.
Nun haucht' ich noch in zürnender Rache,
Grinzte, fauchte sie an, wie ein Drache –
Was half's! – Wasser auf Wasser herbey,
Wüstes Gelaufe, wüstes Geschrey,
Die Flamme schwieg nun aus Verdruß. –
Seht, was ich jetzt erdulden muß:
Gemessen, getheilt, in Klafter zerhackt,
Auf Herde gelegt, in Öfen gepackt –
Lieber Gott, wie mancher kleinen Noth
Hilft ab mein einz'ger großer Tod,
Mein einzig groß Zusammenbrechen! –
'S lohnt nicht mehr der Müh', von mir zu sprechen.

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