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Des Wahnsinnigen Verklärung.

»Sie haben mir die Kammer zugesperrt,
Und steh'n nun draußen scheu, und flistern sachte:
Furchtbar sey ich, mein Antlitz wild verzerrt.

Und ich, der ich gedörrt nach Regen trachte,
Ich ruf' umsonst: o Herr, gib Regen mir!
Den Augenregen gib, denn ich verschmachte. –

Was ist denn das? Vor mir liegt ein Papier?
Zur Hand ein Griffel? O, ich krankes Wesen,
Ich schreibe – ach! sonst schrieb ich auch allhier.

Sonst schrieb ich. – Menschen mochten's gerne lesen,
Und auch gefiel's der wunderschönen Dame,
Zur Zeit, als mich ihr Minnen hatt' erlesen.

Auch nachher schrieb ich fort im bittern Grame:
Verschlungen ward in Schlacht- und Liebsgeschichten
Viel tausendfach der theure Schmerzensnahme.

Und wie? Jetzt sagst Du, soll ich wieder dichten?
Jetzt kommst Du zu mir, die mich hat verlassen,
Und mahnst mich an die holden Sangespflichten?

Ach nein! Bist fern in Deinem kalten Hassen;
Bist fern, und scheu'st mich zwiefach, den Verrückten;
Einsam soll ich in meiner Zell' erblassen.

Nein! sag' ich, nein! – Die vormahls mich beglückten,
Die Blick' und Reden woll'n ja wieder kommen,
Und mich beklagen, den so grimm Zerstückten.

Ihr süßen Dinge, seyd mir schön willkommen,
Nur seyd dießmahl nicht wieder Traumgestalten, –
O Gott, da kommt die Thränenfluth geschwommen.

Fließt, bitte, fließt, – laßt nichts zurück Euch halten, –
Fließt, thaut mir dieses starre Leben auf;
'S wird Frühling. Laßt den Frost nicht länger walten.

Die Schöne schwimmt heran im Wellenlauf;
Es ist dieselbe nicht, die mich betrogen
Mit weltgeübtem, klugem Herzenskauf.

Jedoch die ist es, die mich hat gezogen
An ihre schöne Brust mit weißen Armen, –
Die ist's, die kommt zurück auf Thränenwogen.

O laß Dir's klagen, Du mit Deinem warmen
Getreuen Herzen, voll der heil'gen Gluth!
Getäuscht, verspottet haben sie mich Armen;

Gebrochen mir den freudig kecken Muth,
Verhüllt mir all' mein Lieben und mein Sehnen,
Und aufgedörrt mein kindlich leichtes Blut.

Da lächelt sie mich an durch Mitleids Thränen,
Da schmieg' ich wieder lind an sie mein Haupt,
Da wird mir's wie den liedeskranken Schwänen.

Mein Gott, wer hätt' an solch ein Heil geglaubt!
Ja, Gott kann Schönes schenken, wem er will.
O daß nur dieser Kranz sich nie entlaubt!

Du schwille, süßer Thränenregen, schwill'!
Und zu den alten Schrecken nimmer, nimmer!«
Da hört' er auf zu schreiben, und ward still.

Die draußen wagten sich herein in's Zimmer,
Und fanden dieses Blatt, den Schreiber kalt,
Auf seinem Antlitz der Verklärung Schimmer.

Er kehrte nicht zum finstern Aufenthalt.
Gelös't hatt' ihn von jeglichen Beschwerden,
Veredelt ihm die bleichende Gestalt
Der große Hirt auch der verirrten Herden.

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