Victor Hugo
Victor Hugo's sämmtliche poetische Werke. Zweiter Band
Victor Hugo

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XXIV.

Lebewohl der arabischen Wirthin.

Und wohnet bei uns. Das Land soll euch offen sein,
wohnet und werbet und gewinnet drinnen.

1 Mos. XXXIV, 10.

Da Nichts Dich fesseln kann bei uns, o fremder Gast,
Nicht Palmenschatten, nicht der gelbe Mais, die Rast
  Und Ruhe nicht beim reichsten Segen,
Auch unsre Schwestern nicht, die, wenn Dein Lied erklingt,
Froh an die junge Brust sich schlagen und beschwingt
  Im Abendreigen sich bewegen; –

Lebwohl denn, weißer Mann! – Gezäumt mit eigner Hand
Hab ich Dein kühnes Roß, damit auf Stein und Sand
  Es nicht Dich werfe, wild sich bäumend,
Am Boden scharrt sein Huf, sein Kreuz ist glänzend fein,
Rund, wie der schwarze Fels, den glatt gespült und rein
  Die Flut der Brandung, ihn umschäumend.

Du wanderst ohne Ruh! – O wärst Du, fremder Mann,
Doch Deren Einer, die festhält in trägem Bann
  Ihr Dach von Leinwand oder Zweigen,
Die müßig Abends, still den Mährchen horchen zu,
Und, sitzend vor dem Thor in träumerischer Ruh,
  Hinan die Himmelsleiter steigen,

O hättest Du gewollt, als Dienerin gepflegt
Hätt' Eine gern von uns Dich kniend, treu gehegt
  Dich unter Einem unsrer Dächer.
Sie hätte Dich in Schlaf gesungen und bewacht,
Und, um die Fliegen zu verscheuchen, gern gemacht
  Aus grünen Blättern einen Fächer!

Du gehst! – Du ziehst dahin, bei Tag, bei Nacht allein.
Es schlägt Dein Pferd, es knirscht der harte Kieselstein,
  Und stäubend helle Funken springen.
Hinjagst Du, und Dein Speer blitzt durch die Finsterniß,
Schon mancher Nachtgeist stieß daran sich und zerriß
  Vorüberfliegend sich die Schwingen.

Kehrst Du zurück, entdeckst Du meine Hütte leicht,
Steig' auf den schwarzen Berg nur, der dem Rücken gleicht
  Des Dromedars, hast Du erklommen
Den Fels, dann denk' daran: ihr Dach ist hoch gebaut,
Gleicht einem Bienenkorb, und ihre Pforte schaut
  Dahin, woher die Schwalben kommen.

Und kehrst Du nicht zurück, Du schöner, weißer Mann,
Denk' an die Töchtern doch der Wüste dann und wann,
  Die tanzen über Sand und Steine
Barfuß mit hellem Sang! Zugvogel, der dahin
Nur streicht, o denk' an sie! – Ach, Dein mit treuem Sinn
  Denkt wohl im Dorfe mehr als Eine!

Lebwohl denn! – Wandre fort gradaus! – Sei auf der Hut,
Daß Dir die Sonne, die uns bräunt, die Rosenglut
  Nicht welken macht mit ihrem Brande;
Nimm vor der Wüste Dich in Acht, der Zauberfrau,
Der alten, und dem Mann, der Kreise zieht im Grau
  Der Nacht mit weißem Stab im Sande!

November, 1828.


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