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Os superbum conticeacat,
Simplex fides acquiescat
Dei magisterio!
Gebet bei Salbung.
Seit dreißig Jahren war der Stolz der Fluch der Erde:
Er sprach von Rechten nur, für Pflichten taub und stumm,
Er stürmt' ins Heiligthum der Macht mit Hohngeberde
Und raubt' ihr ihr Mysterium.
Der Stolz allein gebar den Wahnsinn ohne Gleichen,
Der Brüder-Leichen häuft' auf Leichen
Und ewig schändet' unsern Ruf,
Die blut'gen Gräuel all, die Feste roher Sünder,
Wo auf dem Blutgerüst sich als Prophet der Schinder
Geberdete und Gott erschuf.
Umsonst hat, um das Herz der Thoren zu erweichen.
Uns Gott gewarnt, gestraft: verstockt blieb unser Wahn.
Umsonst hat seine Macht mit Wundern und mit Zeichen
Sich dem Jahrhundert kund gethan.
Umsonst hat ein Tyrann erschreckt durch Blut und Wunden
Die Welt, gefesselt und gebunden,
Betäubt durch den Tumult der Schlacht.
Ach, mit Verblendung sind die Völker oft geschlagen:
Sie sahn nicht, welche Hand gelenkt den Schlachtenwagen
Vom Mittag bis gen Mitternacht.
Wer hat sich stolzer je gespreizt im Hoheitsstrahle,
Als Chlodwig?– Flammen sah man seine Augen sprühn:
Sich in die Wage legt' er und die Welt... die Schale
Sank unter ihm, – so wähnt' er kühn.
Vor zwanzig Königen in Waffen war dem kecken
Sicamber niemals bang, dem Schrecken
Macht' er die Völker unterthan.
Auf Erden weckte Nichts dem Trotzigen ein Grauen;
Sein Haupt zu beugen mußt' – ein Wunder anzuschauen –
Vom Himmel eine Taube nahn.
Zu diesem Altar hier ist sie herabgestiegen,
Und wie sie Chlodwig's Trotz und Uebermuth einst brach,
So kommt sie nun, den Stolz der Völker zu besiegen,
Die Hohn ihr angethan und Schmach.
Und wie der König einst soll nun das Volk sich beugen,
Jetzt, wo an uns, die frohen Zeugen,
Der Ruf: »Versöhnung!« neu erging!
Das Königthum hat, lang getrennt von seiner Krone,
Zur Kette wieder, die aufsteigt zum Himmelsthrone,
Gefunden den verlornen Ring.
Am 6. Oktober 1793 wurde das heilige Oelfläschchen, das seit vierzehn Jahrhunderten in der Gruft des heiligen Remigius (St. Remy) aufbewahrt und in der Kirche von Rheims Gegenstand der Verehrung war, durch einen Commissär des Convents am Piedestal der Statue Ludwig's XV. zerschlagen; aber treuen Händen gelang es, die Scherben des heiligen Oelfläschchens und einen Theil des Balsams, den es enthalten, zu sammeln, wie dies durch ein authentisches Protokoll constatirt ist, das in der Gerichtskanzlei zu Rheims aufbewahrt ist.
– Buch der Gebete und Ceremonien bei der Salbung, herausgegeben aus Auftrag des Erzbischofs von Rheims.
Die Volkstyrannen, stets der Vorzeit heil'gem Walten
Unhold, sie forschten jüngst dem Schatz in diesem Schacht
Selbst unterm Marmor nach, dem heiligen, uralten,
Den Sankt-Remigius bewacht.
Sie wagten in der Gruft den Heil'gen zu verletzen,
Sie rissen das Gewand in Fetzen
Des Bischofs in empörtem Wahn.
Den Frevlern war das Grab nur ein gemeiner Graben.
Und Greise riefen bang: »Gerechter Gott, was haben
Die Gräber ihnen doch gethan?«
Zur Lilie führt der Herr die heilge Taube wieder,
Er hat von ihr die Wuth der Geier abgewehrt.
Auf einen König läßt sie sich noch einmal nieder,
Und Karln ist dieses Glück bescheert.
Er wird nach altem Brauch gesalbt, dem Herrn zum Preise,
Wie König Salomon, der Weise,
Als er bestieg des Vaters Thron,
Als Nathan und Zadok sein Haupt mit Oel begoßen,
Ihn küßten auf die Stirn' und riefen: »Heil dem großen
Sohn Davids, König Salomon!«Unxerunt Salomonem Sadoch sacerdos et Nathan propheta regem in Sion etc.
Gebet bei der Salbung.
Vor allen Münstern ragt im alten Frankenlande
Ein hoher Dom, zu dem all unsre Kön'ge ziehn
Mit jenem Siegerschritt, der dröhnt am fernsten Strande,
Um betend vor dem Kreuz zu knien.
An Wundersagen reich sind die gewölbten Hallen,
Oft hat's den Heiligen gefallen
In diesem Raum sich zu ergehn.
Ein Seraph überwacht der Pforte hohen Bogen;
Auf diesen Thürmen sah, wenn sie vorüberflogen,
Das Volk der Engel Fahnen wehn.
Hier prangen heut zum Fest die Fahnen und Trophäen,
Lasur, Gold, Seide schmückt den säulenreichen Raum,
Er gleicht dem Zauberschloß voll Elfen und voll Feen,
Wie sie die Ritter sahn im Traum.
Der Thron und der Altar erglüht in gleichem Glanze,
Der Lichter reich gewundnem Kranze
Entströmen Strahlen klar und rein.
Die Königslilie rankt um Pfeiler, die sie schützen,
Und Feuerrosen, die durch bunte Scheiben blitzen.
Streut über sie der Sonnenschein.
Der stolze Festzug naht! – Dem König treu verbunden
Vernimmt das Heer, wie laut ihm: » Karl! « der Priester ruft.
Die Oriflamme, neu vor Cadix aufgefunden,
Weht heut in Rheims in heil'ger Luft.
Es donnert das Geschütz, die Kirchenglocken schallen,
Vorm ältsten Könige von allen
Kniet alles Volk auf Ein Gebot.
Ein Meer von Tönen rauscht, die am Gewölb sich brechen.
Und Karl der Zehnte sinkt aufs Knie, die Priester sprechen:
»Erbarm dich unser, Herr und Gott!«»Der König wirft sich nieder, und man singt die Litanei:
Die Bischöfe: Herr, erbarme Dich unser! – Kyrie eleison!«
– Ceremonial bei der Salbung.
»Er der im Festzug kommt zum heil'gen Thron der Gnaden,
Der Chlodwig 's altes Recht, der neue Erb', empfängt,
Das Haupt der Pairs, der zwölf, die er hieher geladen
Zum Dom, um den sein Volk sich drängt.
Schallt seiner Helden-Schaar des Königs Ruf entgegen,
Dann schlagen sie an ihre Degen,
Dann bebt der Feind und wird zum Spott,
Und kehrt vom Feld zurück sein Kriegsheer, Mann und Pferde,
Von ihrem Friedensschritt noch bebt die weite Erde ...
Erbarm des Königs dich, o Gott!
Denn du bist größer doch, als alle Menschengröße!
Herr Gott, dich loben wir, du, unser Trost und Stab,»Te Deum laudamus, le Dominum confitemur.«
Dankhymne.
Du hebst uns hoch empor, die armen Erdenklöße,
Dann rufst du uns vom Leben ab.
Du bist Herr Zebaoth, an deines Thrones Stufen
Den dreimal heil'gen Namen rufen
Die Cherubim von Lieb' entbrannt!»Tibi Cherubim et Seraphim incessabili voce proclamant: Sanctus, sanctus, sanctus Dominus Deus Sabaoth.«
Dankhymne.
In deine Ewigkeit versinken Zeit und Leben,
In deinen Fingern hältst du Welten, die erbeben,
Wie wir den Sperling in der Hand!«
Der König aber spricht: »Wie unsre Väter schwören
Wir Treue unsrem Volk, Lieb' und Gerechtigkeit.
Und seinen Freiheitsbrief, wir halten ihn in Ehren
In guter wie in böser Zeit.
Nie wanken wollen wir im Glauben unsrer Väter,
Ihm dienen treu als fromme Beter,
Als wackre Ritter, recht und schlecht.
Stets wollen wir den Ruf des Unterdrückten hören.
Das wollen wir vor Gott aufs Evangelium schwören:
Gott schütze jedes gute Recht!«
Montjoye und Saint-Denis! – Ja, Chlodwig selbst vernehme
Den heil'gen Schwur, und Karl der Große, neu erwacht,
Und Ludwig, – sie, die statt der Königsdiademe
Bekränzt des Lorbeers stolze Pracht!
Du, siebter Karl, und Du, Johanna, seid zugegen,
Du, erster Franz, an dessen Degen
Kein Makel in Pavia war!
Und Du, – Märtyrer, der Letzte dieser Zeiten,
O König, welchen sie zweimal zum König weihten,
Auf dem Schaffot und am Altar!
Vor diesen Zeugen, groß einst auf dem größten Throne,
Wird Karl mit heil'gem Oel gesalbt vorm Volk und Heer.
Und unverzagt empfängt sein Haupt die schwere Krone,
Vom Ruhm von sechzig Kön'gen schwer.
Dann weiht der Erzbischof das Scepter und den Degen,
Den altererbten, und den Segen
Gibt er der Hand, die beide hält.
Und taucht den Handschuh ein, der, wenn ihn in die Schranken
Ein Frankenkönig warf, von jeher bracht' ins Schwanken
Aufprallend eine ganze Welt.
Der Dichter suchte in dieser Strophe die Hauptceremonien bei der Salbung zu bezeichnen: die Bereitung des heiligen Oeles, die Salbung des Königs, die Krönung, die Einsegnung des Schwerts, die Uebergabe des Scepters und der Hand der Gerechtigkeit, die Einsegnung der Handschuhe.
Tritt ein, o Volk! –Wenn der König den Thron bestiegen hat, öffnet man dem Volk die Thüre, und läßt, den alten Traditionen des Königreichs gemäß, Vögel fliegen. (Man vergleiche das satyrische Gedicht von Beranger mit gleicher Ueberschrift wie das royalistische V. Hugo's in unserer Bearbeitung (Stuttg. Frankh). D. Uebers.). Ertönt ihr Trommeln und Trompeten!
Der Fürst besteigt den Thron, geheiligt, groß und hehr.
Die Menge rauscht um ihn, den strahlend hoch Erhöhten,
Wie um den Leuchtthurm braust das Meer.
Und seht, – ein heitres Bild des Volks, – in Schaaren wogen
Beschwingte Sänger um die Bogen
Und stimmen ihre Lieder an.
Die Freiheit, glaubten einst die Franken, unsre Väter,
Die mütterliche Fee, sie wandle hoch im Aether
Auf Vogelschwingen ihre Bahn.
Ein Priester ist er nun und König! –»Tu es sacerdos in aeternum, secundum Ordinem Melchisedech.« Psalm 109.
Die Kirche nennt den König einen »äußeren Priester,« bei der Salbungsmesse empfängt er das Abendmahl unter beiderlei Gestalt. Strahlen winden
Um das gekrönte Haupt ihm doppelt lichten Schein.
Nun muß er opfern.»Holocaustum tuum pingue fiat.« Psalm. Wo mag sich das Opfer finden? –
Er ist das Opfer, er allein!
Weh jedem König, der beherrscht das Volk der Franken
Unbändig, feurig, ohne Schranken,
Kühn ist's, ein Feind der Völkerruh'.
Auf diesem Unglücksthron liegt eine Welt voll Sorgen!
Doch, wem um Hülfe bang, der wünscht ihn wohl geborgen,
Und betet: »Herr, beschirm' ihn du!«
Gebet.
»Nimm ihn in deine Hut, den seine Völker lieben,»Domine, salvum fac regem!«
Gebet für den König.
O Herr, der Feinde Pfeil' und Speere brich entzwei,»Rumpe tela inimicorum.« Psalm.
Ob sie zu Wagen, ob zu Roß sie nahn, zerstieben
Laß sie, und steh' dem König bei.»Hi in curribus, et hi in equis.«
Gebet für den König.
Karl sah, wie Moses einst, dein hehres Antlitz strahlen;
O gib ihm, Herr, für lange Qualen
Ein Glück, erhöht noch mit der Zeit!
Laß hier schon ihn im Kleid der Auserwählten glänzen!
Zwei Strahlen deines Haupts laß seine Stirn' umkränzen,
Zwei Engel gib ihm zum Geleit!«