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»Hommt, Schwestern! Früh am Tag ist kühler noch die Flut!
Der Schnitter weilt daheim noch in der Hütt' und ruht;
Still, einsam Fluß noch und Gestade,
Still Memphis, das noch schläft und kaum erst leise rauscht.
Kommt in das Dickicht, kommt, Aurora nur belauscht
Uns hier im keuschen Wellenbade.
Prangt meines Vaters Schloß nicht reich an schmuckem Tand? –
Ha, mehr entzückt der Strom mich und sein Blumenrand,
Als alle Gold- und Porphyr-Becken.
O wie der Vögel Lied im Freien mich erfreut!
So herrlich duftet nicht der Weihrauch, den man streut
Im Schloß, wie jene Rosenhecken.
Rein ist der Himmel, kommt, die Welle schläft am Strand!
In blauen Falten laßt das schimmernde Gewand
Hinflattern, aufgehängt am Strauche.
Nehmt Kron' und Schleier mir vom Haupt, wir scherzen heut
Und plätschern in dem Fluß, so lang das Spiel uns freut.
Gekost von Zephyrs lindem Hauche.
Kommt, kommt doch!... Ha... im Duft des grauen Morgenlichts,
Was seh' ich? – Schwestern, kommt, schaut hin!... O fürchtet Nichts,
Was schaukelt fern dort auf den Wellen? –
Ein alter Palmbaum, den hinunter treibt der Fluß,
Der aus der Wüste kommt, vielleicht um einen Gruß
Den Pyramiden zu bestellen? –
Wie? – Täuscht mein Auge mich? – Schwimmt dort im Morgenroth
Des Hermes Nachen nicht... der Isis Muschelboot...
Hingleitend auf des Wassers Tiefe?
Doch nein,... ein Kästlein ist's, darauf ein Kind,... es ruht
Im Arm des Schlummers, sanft gebettet auf der Flut,
Als ob's am Mutterbusen schliefe.
Erscheint sein schwimmend Bett, auf dem so süß, so fest
Es ruht, von fern nicht, wie der weißen Taube Nest,
An das sich rings die Wellen schmiegen?
In seinem Kissen wogt es, wie es treibt der Wind,
Auf dem bewegten Strom, der, spielend mit dem Kind,
In seinem Grab es scheint zu wiegen.
Es schreit, es wacht! – Jungfrau'n von Memphis, kommt geschwind! –
Grausame Mutter, die im Wasser mocht' ihr Kind
Aussetzen! – Schwestern, kommt zu Hilfe!
Es streckt die Aermchen aus,... die Woge schwillt und droht,...
Weh, keinen andern Schutz hat es vor jähem Tod
Als seine Wieg' aus leichtem Schilfe.
Ich rett' es! – Ha, ein Kind von Israel vielleicht...
Mein Vater tödtet sie, wo sie sein Arm erreicht,
Der Unschuld gönnt er nicht das Leben!
Wie hart! – Du armes Kind, komm her, dich bergen wir!
Ich will dir Mutter sein, das Leben dankst du mir,
Hab' ich es auch dir nicht gegeben.« –
So sprach zu ihren Frau'n die Tochter Pharao,
Iphis, als sie am Nil, des kühlen Morgens froh,
Durch Uferbüsch' und Blumen eilte,
Der Schönheit Göttin schien der jungen Mädchenschaar
Die Königstochter, als, der goldnen Schleier baar,
Die Herrliche die Wellen theilte.Die Aegypter glaubten, wie die Griechen und die Tyrier, die Göttin der Schönheit sei aus dem Meeresschaum hervorgegangen.
Aufrauschend spielt die Flut um ihren zarten Fuß,
Sie schauert,... doch das Kind... es wimmert! – In dem Fluß
Fort schreitet sie mit zagem Gange.
Sie nimmt die süße Last,... da flammt des Stolzes Strahl
Zusammen mit dem Roth der Scham zum ersten Mal
Auf ihrer jungfräulichen Wange.
Das Knäblein auf dem Arm, durch Wellen, Schilf und Rohr
Geht langsam sie und steigt am Uferrand empor,
Die keusche, königliche Dirne.
Die Schwestern lächeln zu dem Kinde, staunend blickt
Es auf zu ihnen; hold verschämt und schüchtern drückt
Den Mund ihm Jede auf die Stirne.
Du aber, Mutter, die von Ferne schreckenbleich
Du deinem Kind gefolgt, tritt, einer Fremden gleich,
Hervor: denn Moses ist geborgen! Die Bibel erzählt, die Mutter des Moses habe ihre Tochter am Ufer des Flusses zurückgelassen, um die Wiege zu überwachen. Der Dichter glaubte sich zu der Annahme berechtigt, daß die Mutter selbst zurückgeblieben sei, um diese traurige Pflicht zu erfüllen.
Sei ruhig: wenn dein Arm auch heiß das Kind umflicht,
Die Freudenthräne, sie verräth bei Ihr dich nicht:
Noch weiß Sie Nichts von Muttersorgen!
Und als die Jungfrau, stolz und froh der guten That,
Von Mutterthränen feucht das Auge, selig trat
Zum grimmen König mit dem Kinde: –
Da sang der Engel Chor und jauchzt' um Gottes Thron,
Zur Erde trug ihr Lied und ihrer Harfen Ton
Herab der Hauch der Himmelswinde:
»O Jakob, sei getrost, nun endet Dein Exil,
Nicht länger weinen sollst Du am unheil'gen Nil.
Zum Jordan zieht das Volk der Frommen.
Trotz Deiner Feinde brichst Du bald der Knechtschaft Band,
Aus Gosen wanderst Du nach dem gelobten Land,
Der Tag der Freiheit ist gekommen!
Das Kind, das aus dem Strom durch einer Jungfrau Hand
Der Herr errettet, schlägt einst der Aegypter Land,
Befreit und führt Dein Volk zum Siege.
Ihr Sünder, beugt das Knie! So spricht des Herrn Befehl!
Hört: eine Wiege wird erlösen Israel,
Die Welt erlöst einst eine Wiege.«