Victor Hugo
Victor Hugo's sämmtliche poetische Werke. Zweiter Band
Victor Hugo

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Die Fledermaus.

Was willst du von mir? – Ein Engel schwebte über meinem Herzen und du hast ihn verscheucht... So komm denn, ich will dir Lieder singen, die ich den Geistern der Friedhöfe abgelauscht.

Mathurin, Bertram.

Fünfte Ode.

Ja, ich erkenne dich, ich sah dich oft im Traume,
Trübseliges Geschöpf! Du kreis'st im dunkeln Raume
Vergeblich über mir! Von drohendem Gericht
Gieb Andern Kunde, die ins Ohr dir Geister flüstern.
  Mich kann dein Schwirren nicht verdüstern:
Denn schuldig bin ich nicht, und glücklich bin ich nicht.

So warte doch, bis einst die Jungfrau, die zu finden
Der Himmel mir vergönnt, sich wird mit mir verbinden.
Und bis mein höchster Wunsch gekrönt wird am Altar,
Dann kehre wieder, um das hohe Fest zu stören,
Und schwinge schadenfroh gleich schwarzen Trauerflören
  Mir über'm Haupt dein Flügelpaar.

Der Eule Schwester und des Käuzchens, dir vertrauen
Des Satans Töchter, wenn sie Zaubertränke brauen,
Nachtblumen weihn sie dir, damit du sie nicht schreckst,
Bleib ferne dem Asyl, wo einsam still ich walle,
Nie soll mein Saitenspiel berühren deine Kralle,
  Damit du Todte mir nicht weckst.

Wenn Geister tanzen Nachts, im Sumpf Irrlichter funkeln,
Dann um den Teufelschor kreisst schwirrend du im Dunkeln,
Greif zu, schon ist dir dort der blutge Tisch gedeckt.
Fort, fort aus dieser Luft, erfüllt mit Blumendüften,
  Du kannst nur athmen unter Grüften,
Im ekeln Moderdunst, der einst dich ausgeheckt.

Wer sendet dich zu mir? Kommst du von jenen Trümmern
Der alten Burg, die weiß im Licht des Mondes schimmern? –
So düster wandelt er, wie du, auf öder Bahn.
  Hat meiner Lampe Glanz geschienen
Ins Auge dir, als fern du saßst in den Ruinen? –
So lockt wohl auch der Ruhm das Mißgeschick heran.

Kommst du aus jenem Thurm, den Geister wild durchsausen?
Bist du ein Gnom, ein Zwerg, wie im Gebirg sie hausen,
Das Flämmchen, das im Moor geglüht auf irrer Flucht,
Der Kobold in der Luft, der lacht und zaust die Locken
Der Bäume, streift am Rand des Abgrunds, und, wie Brocken,
Nachts hin die Wandrer wirft den Geiern in der Schlucht.

Was flatterst du um mich, verbreitest Grabesdüfte,
Und Menschenasche streust und Staub du in die Lüfte? –
Mich schreckt dein Anblick nicht, der Eckel nur gebiert.
Flieh, daß ich morgen nicht zur Schau vor allen Leuten
  Ausstelle deinen Leib mit schlappen Flügelhäuten,
Womit den schwarzen Herd der Hirt und Bauer ziert!

Dein räuberischer Zahn wird Spaß den Kindern machen,
Neugierig, schüchtern wird ein Mädchen nahn, und lachen,
Und necken dich, – wie oft hast du ihr Angst gemacht?
Am hellen Tage blind verstoßen wirst vom Himmel
  Du, schweren Fluges, im Gewimmel
Der Vögel, deinen Weg du suchen heim zur Nacht.

April, 1822.


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