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In urbe omnium mortalium genus vi pestilentiae
depopulabatur, nulla coeli intemperie, quae occur-
reret oculis. Sed domus corporibus exanimis, itinera
funeribus complebantur; non sexus, non aetas periculo
vacua.
Tacitus.
Ich preise Gott, den Herrn: die höchste aller Gnaden,
Das Leben gab er mir, ich sag' ihm freudig Dank.
Gesegnet sei der Herr, der uns zum Mahl geladen,
Wo Honig fließt und Wermuthtrank.
Mit Blumenschlingen sind umwunden unsre Ketten;
Nur, um das Leben sich zu retten,
Trägt Kümmerniß der Mensch und Noth.
Uns freut des Himmels Blau, entzückt das Licht der Sonne!
Ich danke Gott dem Herrn! Des Lebens süße Wonne
Ist's, die mit Glorie schmückt den Tod!
Unselig, wem verhängt es ist, umsonst zu sterben,
Ein Opfer, dessen Tod nicht Einem Leben bringt,
Der, wie der Römer, Heil nicht kann dem Volk erwerben,
Indem der Abgrund ihn verschlingt.
O jammerwürd'ges Volk, das, einem Fluch verfallen,
Hört seines Namens Ruhm verhallen,
Und seinen Stolz gebrochen sieht,
Gebrochen, ohne daß sein Fall die Welt erschüttert,
Daß die Erinnerung auf seinen Trümmern zittert,
Wie auf dem Sarg die Kerze glüht.
Wenn Gott die arge Welt will strafen, in den Mauern
Der Sünder hausen läßt er eine Geißel wild,
Die ein Jahrhundert lang die Welt erfüllt mit Schauern,
Und Stadt verödet und Gefild.
Aus schnödem Keime sproßt ein grauses Ungeheuer,
Ein schlechter Funke wird zum Feuer,
Der Riese wächst, es wächst die Noth.
Wohl flieht vor dem Gespenst, dem fürchterlichen Freier,
Die Stadt, er packt und drückt in wilder Hochzeitfeier
In seinen Armen sie zu todt.
Und wie herab auf's Feld die weißen Flocken fliegen.
So haufenweise fällt das Volk dahingerafft.
Und aus den Leichen saugt, die rings am Boden liegen,
Der Tod sich immer neue Kraft.
Das Ungeheuer mäht die Opfer, Schwestern, Brüder
Und Freunde allzusammen nieder,
Und wehrlos fällt ein ganzes Heer.
Von ekeln Greueln dampft und Moderduft der Boden,
Bleich irren, obdachlos, den gräberlosen Todten
Entflohn, die Lebenden umher.
Im Circus sahn in Rom vom fernen, sichern Platze,
Bei Leichenfeiern zu die Bürger, ernst und klug,
Der blut'gen Metzelei, wo mit der Tigerkatze
Der Mensch sich, der Gefangne, schlug.
So drängt zusammen sich der Völker bunt Gewimmel,
Aufsteigt ein langer Schrei zum Himmel,
Zum fernsten Strande dringt der Ton.
Bang vor dem Ungethüm bewacht die Welt in Waffen
Die Menschen, die im Tod weg andre Menschen raffen,
Bedroht aus Angst, die sie bedrohn.
Ihr in den Städten, sprecht, ihr Sybariten, schmecken
Die Freuden süßer nicht dem Gaumen selbst, der satt,
Wenn eine Geißel haust, viel ärger als der Schrecken
Des Bürgerkriegs, in fremder Stadt?
Und wie behaglich sinkt das Weltkind, fern der Schwüle
Des Krankenbetts, auf seinem Pfühle
In Schlaf, durchwürzt vom feinsten Duft!
Wie schlürft der Heimath Hauch sich wonnig ein, wenn leidend
Ein andres Volk sich härmt, und weint und, uns beneidend,
Einathmen muß des Todes Luft.
Ein Jeder schließt sich ein und lebt im Kreis der Seinen,
Die Mutter küßt ihr Kind, das lächelnd sie umschlingt,
Und fragt nicht nach der Stadt, wo jähen Tod dem Kleinen
Der Busen seiner Mutter bringt.
Bei Dem und Jenem glimmt ein blasser Mitleidfunken
Vielleicht, so lang sie, halb noch trunken,
Von einem Fest zum andern ziehn.
So sind die Sterblichen! Verhaßt ist alles Klagen;
Das größte Unglück läßt sie kalt, vorüber jagen
Die Glücklichen und sehn nicht hin.
Doch Edle gibt es auch, die ihre Brüder lieben,
Hochragend aus dem Volk, voll heil'ger Glut im Blick;
Du siehst das schönste Loos auf ihre Stirn geschrieben,
Glaubst sie bestimmt zum höchsten Glück?
Ein glänzender Triumph vielleicht wird ihnen blühen?
Läßt Hoffnung dieses Aug' erglühen,
Der sel'gen Zukunft süßer Wahn?...
So ist es, ach!.. Erscheint auf dieser öden Erde
Die Tugend, ruhig, sanft, und heiter von Geberde, –
Wir sehen für das Glück sie an.
Die Helden, die, auf Gott gestützt, ihr Leben wagen,
Sie gehen sichern Schritts mit heitrer Seelenruh
Dahin zum schweren Kampf mit jenen Völkerplagen: –
Ruft ein: »Lebewohl!« den Edlen zu!
Ihr Frau'n und Mütter, wollt ihr ihnen wohl mit Zähren
Das fromme Liebeswerk erschweren?
Laßt sie sich opfern, schickt euch drein!
Beklagt sie nicht! Wie dürft' ein andres Band sie ketten,
Wo Menschenleben sind allein durch sie zu retten,
Indem sie sich dem Tode weihn?
Sie gehn, sie treten ein in öde, düstre Gassen
Und sehen lebende Gespenster... Ach, sie schrein,
Die Armen, weinen laut, daß sie nicht ganz verlassen
Von Menschen sind in ihrer Pein.
Der Edlen Worte schon sind Balsam auf die Wunden
Der Kranken, die der Tod umwunden
Mit kalten Eisenarmen hält.
Das Scheusal knirscht, bekämpft im eignen Reich, wie weiland
Der Satan, als ein Gott als Opfer und als Heiland
Eintrat in die verdammte Welt.
Die reißen aus den Klau'n den Raub dem Ungeheuer,
Das Leben rufen sie, wie auch das Scheusal droht,
Zurück durch ihre Kunst, es jagt ihr kühnes Feuer
Selbst sein Geheimniß ab dem Tod.
Ist keine Rettung mehr, dann dringen an der Pforte
Des Grabes ihre Trostesworte
Noch lindernd in der Seele Grund.
Und wenn des Todes Pfeil zuletzt sein Haupt auch findet, –
Erst wenn der letzte Hauch dem Märtyrer entschwindet,
Verstummt auch des Apostels Mund.
Ihr Glücklichen! Euch seh' ich unerreichbar ragen,
Ihr bändigt Seuch' und Tod, Euch schreckt kein Ungemach.
Die Menge mag erstaunt Euch zu bedauern wagen,
Ich wein' Euch eifersüchtig nach.
Weh mir! So werd' ich nie hingehn aus freiem Willen,
Der Armen Noth und Qual zu stillen,
An denen eine Seuche zehrt?
Und nie dem Sterbenden die Todeswehen lindern,
Und nie durch mein Gebet den letzten Fluch verhindern,
Der seinem bleichen Mund entfährt?
Kann ich ein Opfer nicht für meine Brüder werden?
Droht nirgends eine Pest, ein rühmliches Schaffot?
Gibt's Unterdrückte nicht, nicht Henker mehr auf Erden?
Winkt nirgends mehr ein Heldentod? –
Schlagt meinen Leib ans Kreuz, mag matt mein Haupt sich senken,
Und mögt Ihr mich mit Galle tränken –
Herr, Zeuge bin ich deines Ruhms!
Du bist's, dem unter Qual und Pein ich mich befehle,
Der schönste Engel ist, der führt zu Gott die Seele,
Der Engel des Martyriums!