Victor Hugo
Victor Hugo's sämmtliche poetische Werke. Zweiter Band
Victor Hugo

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Danksagung

Die in Thränen säen, werden in Freuden ernten.

Ps. 125,5.

Vierzehnte Ode.

Du ließst dem Hafen zu mein irres Schifflein schwimmen,
Hast meinen welken Stamm mit neuem Grün bedacht.
O Herr, ich danke dir; mein Licht, das am Verglimmen
Schon war, zu heller Glut hat's neu dein Hauch entfacht.

Dem jungen Adler gleich, dem schwachen, flügellosen,
Der ins Gebüsch herab von hoher Eiche fällt,
Hört' ich, ein Kind, um mich schon wilde Stürme tosen,
Fast wär', in der ich lag, die Wiege schon zerschellt.

Ja, in der Kindheit schon war ich zum Leid erlesen,
Obwohl des Himmels Blitz sonst Blumen nicht erschreckt,
Obwohl er sonst nicht will, daß ein wehrloses Wesen
Der Thränen Bitterkeit schon kaum geboren schmeckt.

Von Wunderdingen hat die Jugend mir gelogen,
Von Ruhm und Liebesglück, von künft'ger Größ' und Pracht,
Und als mein Feuergeist den Träumen nachgeflogen, –
In einem schwarzen Sarg, weh mir, bin ich erwacht.

Da hab' ich mich verbannt aus meiner Brüder Mitte,
Wohl war im Herzen Gram, doch keine Reue wach.
Den Leichenzügen folgt' ich oft mit scheuem Schritte,
Ach, das verwaiste Kind sang oft den Todten nach.

Zum Himmel sah ich auf, wenn müd ich war gesunken,
Dem Schicksal trotzt' ich kühn, das mir nur Leiden gab,
Da sind dem jungen Geist entsprüht die hellen Funken,
Die Feuerzunge ließ sich auf mein Haupt herab.

Der Geist von Patmos kam auf mich, das heilge Feuer,
Ein Schauer faßte mich, wie vor und nach der Schlacht.
Und traurig war mein Herz, die Saiten meiner Leier,
Wie Stimmen klangen sie, die weinen in der Nacht.

Ich sah in Leid verkehrt mein Glück, und ohne Klagen;
O Herr, ich wußte nicht, daß ich verlassen war,
Den Pfad der Wüste hab' ich schweigend eingeschlagen,
Ich habe nie den Tag verflucht, der mich gebar.

Durch Leiden stieg' hinan zum Heil ich steile Stufen,
Gott war's, zu dem ich floh in meinem tiefen Gram.
Wohl uns, es kommt das Schaf, wenn ihm die Lämmer rufen:
Ich schrie in meiner Noth zum Herrn, und sieh', er kam.

Er sprach: »Mein Joch ist leicht! Mein Sohn, Du bist gegangen
In finstrer Nacht den Pfad der Tugend, das Gewand
Der Seligen soll Dich, das leuchtende, umfangen,
Mit den Unschuld'gen sollst Du waschen Deine Hand!«

Nicht aus der Ferne nur will ich dich sehn und lieben,
O Ruhm, du Widerschein des Lichts, das Gott umschlingt,
Du lichte Feuerspur, vom Genius beschrieben,
Du wunderbarer Strahl, der einem Grab entspringt.

Ein Engel ist's, der heilt mein Herz von seinen Wunden,
Ihr, meiner Süßen, ist die Waise nicht verhaßt.
Ach, neben ihr, wie schön verfließen meine Stunden!
Denn lieblich ist ihr Joch, und leicht ist ihre Last.

Du ließst dem Hafen zu mein irres Schifflein schwimmen,
Hast meinen welken Stamm mit neuem Grün bedacht,
O Herr, ich danke dir: mein Licht, das am Verglimmen
Schon war, zu heller Glut hat's neu dein Hauch entfacht.

August, 1823.


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