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Was zögert er so lang? Sie harrt zum Tod betrübt.
Weh ihr! Er liebt sie nicht, die ihn so glühend liebt.
Alfred de Vigny,
Dolorida.
»O sag' mir, willst Du fliehn? Und wird das Schiff von dannen
Dich tragen? – Weh, heut Nacht, ... ich harrte Dein so bang, ...
Ihr Zelt abbrechen hört' ich Schiffer, Segel spannen
Und lustig singen ... Oh, die heißen Thränen rannen
Mir nieder bei dem frohen Sang.
Dies Eiland willst Du fliehn! Lacht auf das Deine nieder
Der Himmel schöner denn? Ist's frei von jedem Fluch?
Beweinen, wenn Du stirbst, Dich dort wohl Deine Brüder?
Und decken sie Dir auch mit Blumen zu die Glieder,
Mit ewig grünem Leichentuch?
Denkst Du des Tages noch, wo Dich zum ersten Male
An dieser Insel Strand geführt ein holder Wind?
Du winktest mir von fern im stillen Schattenthale,
Nie hatt' ich Dich gesehn bei meiner Brüder Mahle, –
Doch kam ich, folgsam, wie ein Kind.
Schön war ich damals! Jetzt bin ich von Thränenbächen
Entstellt. O Fremdling bleib', o sei nicht hart, wie Erz!
Von Deiner Mutter laß, von Deinem Gott uns sprechen!
Sing mir aus Deinem Land ein Lied! – O bleibe! Brechen
Wird, wenn Du gehst, mein armes Herz.
Du bist mein Alles, sieh, ich halte Dich umwunden.
Wie kannst Du fliehn? Was that sie Dir, die Dich nur liebt?
Sanft will ich sein und gut, ich heile Dir die Wunden,
Den Namen geb' ich Dir in gut' und bösen Stunden,
Den Dir daheim die Mutter gibt.
Als Sklavin nimm mich an, ich labe Dich, kredenze
Dir Deinen Trank, Du winkst, ich folge Deiner Spur.
Sei freundlich mir, und schön bin ich aufs Neu und glänze.
Ach, flüchtig liebst Du nur, wie unsre Schwalb' im Lenze,
Dich lieb' ich, ... liebend leb' ich nur.
Weh, Du willst gehn! – Es harrt wohl eine Jungfrau drüben
Auf Deine Wiederkehr ... O laß mich nicht zurück,
Nimm mich mit Dir, o Herr, nie werd' ich sie betrüben,
Treu dienen will ich ihr als Magd, vielleicht sie lieben,
Nennst ihre Liebe Du Dein Glück.
Ach, meinen Aeltern fern, die stolz ihr Kind mich nennen,
Dem Wald, aus dem Du mich gelockt, den Blumen hier,
Den Palmen ferne wird mein Lebenslicht verbrennen,
Hier sterb' ich, muß ich mich von Dir, mein Leben, trennen,
Dort sterb' ich doch bei Dir, bei Dir!
Wenn die Banane je Dich gastlich hat empfangen,
Wenn Du mich je geliebt, verstoße mich nicht, ach,
Laß mich allein nicht hier! Sonst schwebt, wenn Du gegangen,
Auf einer Wolke bald, von glühendem Verlangen
Verzehrt, Dir meine Seele nach!« –
Und als im Morgenroth das flücht'ge Segel glühte,
Da war ihr Lager leer .. Wo leuchtet ihr Gesicht? ..
Im Wald, im Thal, am Fluß, der lichte Funken sprühte, –
Sie ward nicht mehr gesehn, die holde Mädchenblüthe;
Doch bei dem Fremdling war sie nicht.