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... Tentanda via est qua me quoque possim
Tollere humo, victorque virum volitare per ora.
Virgil
Der Augenblick ist da: nun schwingt euch auf, ihr Oden,
In kühnem Fluge strebt zum Himmel auf vom Boden.
Es blitzt, der Donner rollt. Wohlan!
Der Glanz der Blitze gibt euch Helle,
Des Volksmeer's frischbewegte Welle
Steigt mit dem steigenden Orkan.
Wer lange Zeit geträumt von Opfern und Gefahren,
Dem ist's willkommen, wühlt der Sturm ihm in den Haaren.
Doch ich – o dürft' auf schönern Höhn,
Ein Geist, vom Glück emporgehoben,
Von Licht und Harmonie umwoben,
Ich eure Schleier flattern sehn;
Hätt' eure Gaben nie befleckt ein Ungeweihter,
Und nie ein schnöder Wurm die Blumen, licht und heiter,
In eklen Geifer eingetaucht;
Und hätten nie die fremden Lüste,
Die euch umwogen, andre Düfte,
Als süßen Weihrauch, ausgehaucht;
Dann meine Muse pries' ich laut, die stolz erblühte,
Und jedem Dichter sagt' ich, der um Ruhm sich mühte:
»O Bach, dich jagt zum Meer dein Muth.
Magst deine Wellen du, die frischen,
Keck mit dem Meer der Welt vermischen:
Denn bitter nicht ist seine Flut!«
Beglückt, wer gern allein, vergessen lebt im Frieden,
Und weiß, wie Ungemach der Ruhm nur bringt hienieden,
Wie mächtig Neid und Hinterlist,
Die in den Weg dem Dichter treten,
Und daß die Palme des Poeten
Nur eine Martyrpalme ist!
Beglückt der Vogel, den nicht Sturm noch Jäger schrecken,
Der über Blumenaun hinfliegt und grüne Strecken,
Beglückt, wer nicht nach Eitlem ringt,
Der, was er soll, nur will erstreben!
Wohl dem, der lebt, nur um zu leben,
Und der nur, um zu singen, singt!
Mein Lied, leb wohl! – Du jagst nach Ruhm ? – In wenig Wochen
Schon wirst du an mein Thor, das festverschlossne, pochen.
Dann weinst du, wenn der Ruhm dir lacht,
Um jene Zeit, wo unterm Schleier
Du leuchtetest in stiller Feier,
Dem Stern gleich, der nur glänzt bei Nacht;
Um jene Zeit, wo dir nur Freunde, keine Richter,
Zuhörten Abends, still nur prüfend, weiche Dichter,
Gern einsam lebend, sich genug,
Die leicht gerührt ein Lied vergüten,
Und deren Hand Isaura's Blüten
In Akademos' Gärten trug.
Ein Engel kamst du einst daher auf goldnen Schwingen,
Und pflegtest vor dich hin manch heil'ges Wort zu singen,
Du brachst der Herzen dumpfen Bann,
Du sangst von allem Großen, Schönen,
Von Allem, was die Leier tönen,
Und was die Seele träumen kann.
In der Arena rangst du um die höchsten Preise;
Gutmüthig den Olymp, den ganzen, jenem Kreise
Von Mitbewerbern ließest du.
Um aufzuhalten die Gesellen,
Wie Atalanta's Freund, die Bellen
Goldäpfel warfst du ihnen zu.
Mit Sylphen spieltest du und mit des Waldes Feen.
Die alten Fascen mit den heutigen Trophäen
Vereintest du in kühnem Schwung.
Du sangst von Krieg, von Noth und Jammer,
Und holtest in der gothischen Kammer
Die alten Sagen, ewig jung.
Vom Dreifuß oft herab verfochtest du die Krone,
Und brachtest frommen Trost der Hütte wie dem Throne;
Die Unschuld stand in deiner Hut.
In der Geschichte düstern Hallen
Oft ließst du eine Thräne fallen,
Ach, in ein ganzes Meer von Blut!
Sei's denn, ihr Lieder! Zieht und wandert, wie die Schwalben,
Lebt wohl! Und bleibet treu der Heimath allenthalben!
Wenn nie des Zweifels Spur hervor
Sich darf an Eurem Herzen wagen,
Wenn Eurem Singen, Eurem Sagen
Man heimlich gerne leiht das Ohr;
Wenn Eure Segel kühn auf hohem Meer sich wiegen,
Verschlagen kreuz und quer, im Wind zerrissen fliegen,
Ach, wenn dann nur Ein treuer Geist,
Ein Freund, der kämpfen mit den Wellen
Euch sieht, das Ufer mag erhellen,
Und Euch den Weg zum Hafen weist!
Ja, säh' ich sinken Euch, die Thränen würd' ich sparen!
So zieht denn muthig aus und trotzet den Gefahren,
Bekämpft die Schlechten überall.
Ein Scepter auch ist eine Laute!
Mit hohen Kräften überthaute
Gott selbst des Liedes süßen Schall.
Der Dichter, der erglüht vor aller Welt verborgen,
Er gleicht dem hohen Berg, der rosenroth am Morgen
Vor allen andern blinkt zu Thal,
Der alle Schatten überfunkelt,
Und Nachts, wenn noch so schwarz es dunkelt,
Aussaugt der Sonne letzten Strahl.