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An Karl N.
Hic chorus inges
colit orgia.
Avienus
Seht ihr im Dunkel dort die schwarzen Klostermauern,
Vor denen sich der Mond verhüllt in leisen Schauern? –
Der Geist der Mitternacht geht um und zwölfmal schwingt
Und wiegt er sich, indem vom Thurm die Glocke klingt.
Erschüttert bebt die Luft von ihrem dumpfen Klange,
Wie eingeschlossen in der Glocke, summt er lange,
Bis mit dem Geist zurück er schweigend sinkt... Doch schaut!
Was glänzt so wunderbar? Was rauscht und lärmt so laut?
O Gott, der Thurm, das Thor, die Bogen, das Gemäuer
Sind eingehüllt in Ein gewalt'ges Netz von Feuer.
Im Kessel von Granit zischt, siedet in der Glut,
Schlägt hohe Wellen, bäumt sich die geweihte Flut...
Verlaß uns nicht, o Herr, hier hausen Bösewichter! –
In rother Feuerglut, im Glanze blauer Lichter,
Mit Singen und mit Schrein, mit Heulen und Gebell,
Aus Wäldern, vom Gebirg, aus See und Fluß und Quell,
Von allen Seiten nahn Gespenster, Gnomen, Drachen,
Vampyrn, Scheusale, die ausspeit der Hölle Rachen,
Die Hexen, die dem Grab am wüsten Ort entfliehn,
Und sausend durch die Luft auf ihrem Besen ziehn,
Die Nekromanten mit den hochgethürmten Mützen,
Woran der Kabbala geheime Zeichen blitzen,
Die finstern Teufel und Kobolde, lustig, keck, –
Aus Thoren ohne Schloß, aus Dächern, morsch und leck,
Durch das zerbrochne Glas von funkelhellen Scheiben
Ziehn sie ins Kloster ein, ihr Wesen dort zu treiben.
Aus ihrer Mitte ragt Fürst Lucifer hervor,
Von Erz die Mitra auf dem breiten Ochsenohr,
Ein Meßgewand bedeckt die Flügel ihm, die Stufe
Des Hochaltars betritt er mit dem Pferdehufe.
O Gräuel! Hier, wo stets des Ew'gen Auge wacht,
Da plärren Litanein sie frech um Mitternacht.
Die Hände suchen sich... Und wie Sturmsäulen steigen,
So wirbelt jäh sich rund herum der wüste Reigen.
Dem Auge, das verwirrt schaut auf den Knäuel hin,
Zeigt jede Larve klar sich im Vorüberziehn.
Man glaubt den höllischen Zodiacus mit Grauen,
Der durch die Finsterniß im Kreis sich dreht, zu schauen.
Sie kreisen hin im Flug, wie sie der Wirbel packt,
Und mit dem Fuße schlägt Satan dazu den Takt.
Sie stampfen, daß Gewölb' und Dach und Pfeiler dröhnen.
Und daß in ihrem Schlaf gestört die Todten stöhnen.
»Tanzt den bunten Reih'n!
Unsre Lust zu büßen
Drehn wir uns und grüßen
Satan, der mit Füßen
Tritt Altar und Schrein.
Chor der Hölle, brülle!
Seine Königshülle
Ist der Flammen Fülle
Und ihr Purpurschein.«
Sie stampfen, daß Gewölb' und Dach und Pfeiler dröhnen,
Und daß in ihrem Schlaf gestört die Todten stöhnen.
»Kommt, der König ruft!
Schwestern kommt und Brüder,
Schüttelt das Gefieder,
Schwingt euch auf und nieder,
Kommt aus Wald und Kluft,
Kommt von allen Seiten,
Fliegen oder gleiten
Und auf Greifen reiten
Sollt ihr durch die Luft!«
Sie stampfen, daß Gewölb' und Dach und Pfeiler dröhnen,
Und daß in ihrem Schlaf gestört die Todten stöhnen.
»Kommt, die Stund' ist gut!
Aus dem Schooß der Berge
Kommt, gaisfüß'ge Zwerge,
Vampyrn, die ihr Särge
Füllt und schwelgt im Blut.
Kommt, ihr alten Eulen!
Hexen, wollt ihr eilen?
Den zahnlosen Gäulen
Gebt den Sporn mit Wuth!«
Sie stampfen, daß Gewölb' und Dach und Pfeiler dröhnen,
Und daß in ihrem Schlaf gestört die Todten stöhnen.
»Juden, gottverflucht,
Kommt von allen Orten,
Ihr Zigeunerhorden,
Gauner aller Orden,
Kommt aus eurer Schlucht,
Durch das Dunkel schreitet,
Ueber Gräser gleitet,
Ueber Mauern reitet,
Fliegt in wilder Flucht!«
Sie stampfen, daß Gewölb' und Dach und Pfeiler dröhnen,
Und daß in ihrem Schlaf gestört die Todten stöhnen.
»Faunen, kommt herbei,
Böcke, seid zu Willen
Eurem Herrn, ihr Psyllen,
Kommt auf krummen Füllen,
Kommt zu Hauf, wie Spreu,
Hüpfen sollt ihr, springen,
Euch im Tanze schwingen,
Lachen, jubeln, singen,
Hussahu, Juhei!«
Sie stampfen, daß Gewölb' und Dach und Pseiler dröhnen,
Und daß in ihrem Schlaf gestört die Todten stöhnen.
»Zaubrer, kommt herein,
Holt die Zauberruthe,
Salbt mit warmem Blute,
Magier, rothbeschuhte,
Schmiert den Bart euch fein!
Gebt dem Feuer Futter,
Brodle, Höllenbutter,
Alte Herenmutter,
Nag' am Todtenbein!«
Sie stampfen, daß Gewölb' und Dach und Pfeiler dröhnen,
Und daß in ihrem Schlaf gestört die Todten stöhnen.
»In den Psalm den Fluch,
In die frommen Noten
Apostolischer Boten
Mengt der Satan Zoten,
Plärrt den heil'gen Spruch,
Und ein Sohn der Hölle
Kreischt in der Kapelle
Stottert eine Stelle
Aus dem Bibelbuch.«
Sie stampfen, daß Gewölb' und Dach und Pfeiler dröhnen,
Und daß in ihrem Schlaf gestört die Todten stöhnen.
»In den Chorstuhl drängt
Auf behender Sohle
Sich ein Mönch: die Stole
Trägt er, die wie Kohle
Glühend ihn umfängt,
Und ein Pfaff vom Stamme
Levi flucht dem Lamme,
Wie mit Höllenflamme
Er die Kerzen sengt.«
Sie stampfen, daß Gewölb' und Dach und Pfeiler dröhnen,
Und daß in ihrem Schlaf gestört die Todten stöhnen.
»Satan sieht euch, – ha,
Schreibt, – sonst sollt ihr ächzen! –
Schreibt mit großen Klexen
An die Wand, ihr Hexen:
» ›Abracadabra!‹ «
Smarra, geh' auf Beute,
Nachtgevögel, breite
Graue Flügel, streite,
Kreische, fern und nah!«
Sie stampfen, daß Gewölb' und Dach und Pfeiler dröhnen,
Und daß in ihrem Grab gestört die Todten stöhnen.
»Hört, das Hüfthorn gellt!
In die Hölle nieder
Fahren, Schwestern, Brüder,
Müssen wir nun wieder. –
Ha, einst wird der Welt
Satans Macht sich zeigen,
Wenn mit Pauk' und Geigen
Sie der Höllenreigen
Ganz umschlossen hält!«
Die morschen Pfeiler, die vom wilden Tanz erdröhnen,
Bescheint der bleiche Tag, der Schwarm zerstäubt, wie Spreu.
Die Todten hören auf in ihrem Grab zu stöhnen,
Und legen in den Staub die kalte Stirn aufs Neu.