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Anmerkungen:
Die Idee dieses Gedichts gab mir eine herrliche spanische Romanze: »Rodrigo en el campo de batalla,« die wir hier in der wörtlichen Uebersetzung mittheilen, welche der Bruder des Verfassers dieser Sammlung, Abel Hugo, im Jahre 1821 in einem Auszug aus dem Romanzero general veröffentlicht hat.
Rodrigo auf dem Schlachtfeld.
Es war der achte Tag der Schlacht; Rodrigo's Heer floh entmuthigt vor den siegreichen Feinden. Rodrigo verläßt sein Lager, und tritt allein, ohne Begleiter, aus seinem königlichen Zelte. Sein Roß war müd und konnte kaum mehr gehen. Es wankt dahin in der Irre und kümmert sich nicht um den Weg. Fast ohnmächtig vor Ermattung, von Hunger und Durst verzehrt, zog der unglückliche König dahin, mit Blut bedeckt, also, daß er davon roth wie eine glühende Kohle schien.
Seine Waffen sind stumpf von den Steinen, die sie trafen; die Schneide seines Schwerts ist gezackt wie eine Säge; sein zerschlagner Helm drückt schmerzlich sein geschwollnes Haupt. Er steigt auf den höchsten Hügel, und sieht von da sein Heer versprengt und vernichtet, seine Fahnen in den Staub getreten, weit und breit zeigt sich kein Führer; die Erde ist bedeckt mit Blut, das in Strömen dahinfließt. Er weint und spricht:
»Gestern war ich König von ganz Spanien, heute ist nicht Eine Stadt mehr mein. Gestern hatte ich Städte und Schlösser, heute habe ich keine mehr. Gestern hatte ich Hofleute und Diener, heute bin ich allein, keinen Thurm mit Schießscharten besitz' ich mehr. Verflucht die Stunde, verflucht der Tag, an dem ich geboren bin, an dem ich dieses große Reich erbte, das ich in Einem Tag verlieren sollte!«
Man wird übrigens bemerken, daß das, was der Verfasser dieser Sammlung, – ohne Zweifel unberechtigterweise,– entlehnt hat, sich auf einige Einzelnheiten beschränkt, die in der folgenden Strophe wiedergegeben sind:
»Ich hatte Schloß und Stadt, Bazar's mit reichen Buden, Griechinnen, – tausendweis verkauft' ich sie den Juden, Nie war mein Arsenal und nie mein Harem leer, Und heute muß ich fliehn, geplündert und vertrieben, Besiegt! – Von meinem Reich, ach, Nichts ist mir geblieben, Allah! Nicht Einen Thurm, nicht Einen hab' ich mehr.«
Von Emil Deschamps, von dem das Motto zu diesem Gedicht herrührt, haben wir eine schöne Bearbeitung dieser Romanze.
Von dem höchsten Hügel nieder,
Auf den Spieß die schweren Glieder
Stützend, schaut er auf die Schlacht,
Fliehen sieht er seine Schaaren
Und dahin in Fetzen fahren
Seines Zeltes sammtne Pracht.
Emil Deschamps, Roderichwährend der Schlacht.
» Allah! ... Emire, wer wird Reiter und Soldaten,
Zurück mir geben, die mit Lust im Blute waten?
Und wer mein Lager und mein schmuckes Feldherrnzelt? ...
Fern glänzten Feuer Nachts an allen Lagerwegen,
Auf dunkeln Hügeln schien's ein lichter Sternenregen,
Der eben sprühend niederfällt.
Wer gibt mir meine Bey's mit Pelzen, fliegend weiten,
Zurück, die Khans, und die im Feld so wacker streiten,
Die Timarioten, die Spahi's und ihr Geschoß,
Beduinen, sonnenbraun, vom Pyramidenlande,
Die Schaden gerne thun den Bauern, Schimpf und Schande,
Und durch Maisfelder ziehn verwüstend hoch zu Roß?
Die Renner, die so flink ausholen und sich strecken,
Die hüpfen durch das Korn gleich flüchtigen Heuschrecken,
Ich soll sie nicht mehr sehn, die ich so liebgewann,
Und deren Zahl mir nun feindselge Mächte kürzen,
Wie auf Carré's sie sich gleich Wetterwolken stürzen,
Und niederschmettern Roß und Mann?
Todt sind sie, Staub und Blut besudeln die Schabracken,
Mit rothen Flecken ist getupft ihr Kreuz und Nacken,
Kein Sporn wird ritzen mehr den fleischig weichen Bug,
Und neben ihnen ruhn die Reiter, todt, die guten,
Die gestern lebend noch in ihrem Schatten ruhten,
Als um die Mittagszeit Halt macht' ihr müder Zug.
Allah!... Wer gibt zurück mir Reiter und Soldaten?
Da liegt mein ganzes Heer zerstreut nun in den Saaten,
Wie blankes Gold, umher verzettelt auf der Flur.
Tartaren, Araber, die Renner und die Reiter,
Turbane, Fahnen, all die lärmend wilden Streiter,–
So ist ein Traum denn Alles nur?
O meine Tapfern, Roß und Mann auf Einem Hügel!
Stumm ist die Kehle nun, das Bein ist ohne Flügel,
Und Säbel und Gebiß vergessen, Muth und Brunst!
Das ganze, weite Thal ist Eine große Bahre,
Ein Feld des Unglücks ist's für lange, lange Jahre!
Heut Abend Blutgeruch, und morgen Leichendunst!
Die stattliche Armee, was ist sie nun? – Ein Schatten!
Sie kämpften wacker fort und ohne zu ermatten
Vom Morgen bis zur Nacht, zerschlagen und zerfetzt;
Ihr schwarzes Leichentuch schlägt nun um ihre Glieder
Die Nacht, die Braven ruhn, die Raben steigen nieder
Und gehn an ihre Arbeit jetzt.
Den Schnabel ziehn hervor sie unter'm schwarzen Flügel,
Und aus dem Schooß des Walds, vom kahlen Berg und Hügel
Zum Schmause fliegen sie von allen Seiten her.
Und die Armee, so stolz noch gestern, so erhaben,
Unwiderstehlich, – ach, erschrecken keinen Raben,
Verscheuchen keinen Aar noch Geier kann sie mehr.
O hätt' ich die Armee noch heut, mit Einem Streiche
Erobert' ich mit ihr die Welt, und ihre Reiche
Und ihre Fürsten wärf' ich ihr, der Herrin, zu.
Sie wäre Schwester mir, Geliebte, Gattin, ... wehe,
Nun schloß der neid'sche Tod die unfruchtbare Ehe
Mit ihr, die schläft in tiefer Ruh!
Warum noch leb' ich? – Läg' im Staube der bestaubte,
Mein grüner Turban doch sammt diesem stolzen Haupte!
Noch gestern war ich groß. Da saßen treugesinnt
Vor meinem goldnen Zelt drei Führer noch, die Glieder
Nicht rührend, hoch zu Roß, drei Büsche wehten nieder,
Roßschweife, glänzend schwarz, hinflatternd mit dem Wind.
Von hundert Trommlern ward begrüßt mit lautem Schalle
Ich gestern noch, auf mich nur sahn die Aga's, alle
Die vierzig, ging ich nur vorüber, zitternd schon.
Steinböller nicht, die auf dem Schiff wie Klötze stehen,
Kanonen hatt' ich, die sich auf vier Rädern drehen,
Und Kanonier' aus Albion .
Ich hatte Schloß und Stadt, Bazar's mit reichen Buden,
Griechinnen, – tausendweis verkauft' ich sie den Juden,
Nie war mein Arsenal und nie mein Harem leer.
Und heute muß ich fliehn, geplündert und vertrieben,
Besiegt! Von meinem Reich, ach, Nichts ist mir geblieben!
Allah! Nicht Einen Thurm, nicht Einen hab' ich mehr.
Ja, fliehn muß der Vezier und Pascha von drei Schweifen,
Fort über blaue Höhn ins Weite muß ich schweifen,
Ein Flüchtling, Bettler fast, gebeugt durch Sorg' und Noth,
Ein Dieb, der in der Nacht verscheucht durch jähen Schrecken,
In jedem Baum am Weg die Arme sieht sich strecken
Des Galgens, der von Ferne droht!«
Geschlagen also sprach Reschid in später Stunde;
»Uns Griechen gingen mehr als Tausend nicht zu Grunde,
Nur der Vezier entfloh und jagte kreuz und quer.
Den blut'gen Säbel wischt' er träumend unter'm Reiten,
Zwei Pferde liefen ihm im Flug zu beiden Seiten,
Um ihre Lenden schlug der Bügel klirrend, leer.«