Victor Hugo
Victor Hugo's sämmtliche poetische Werke. Zweiter Band
Victor Hugo

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Der Alp.

Oh, einen Traum hab' ich gehabt!...Kein Mensch
Vermag zu sagen, wie der Traum gewesen,
Kein Menschenauge hat es je gesehn,
Vernommen hat´s noch nie ein Menschenohr,
Erfassen kann es keines Menschen Hand,
Kein Sinn begreift´s, und keine Sprache drückt's
In Worten aus, wie dieser Traum gewesen.

Shakespeare.

Siebente Ode.

Vernimm! Der Unhold hat, zuschnürend Brust und Kehle,
Mich diese Nacht geplagt, und tief mein Haupt gebeugt.
Wie Blei lag seine Hand mir auf der müden Seele,
Er hielt, ein welkes Blatt, sie hin in düstrer Höhle
  Den Geistern, die die Nacht erzeugt.

In jedes Element hüllt sich das Ungeheuer,
Jetzt hebt aus blauem Meer sein Haupt sich in die Höh',
Hohnlachend tritt er dann hervor aus rothem Feuer,
Sein Flügel sprüht, sein Aug' umhüllt ein Funkenschleier,
  Er fliegt auf einem Flammensee.

Im Grau'n der Nacht erscheint, um teuflisch mich zu necken,
Als wär's ein Spiegel, rings verzehnfacht sein Gesicht,
Und um die Fratze wehn verschwommne Nebeldecken,
Um's Haupt dem Schläfer läßt er spielen wilde Schrecken,
  Und matt erlischt der Seele Licht.

O Jungfrau, du wirst nie im Schlaf mit Schemen ringen,
Sanft fließt die Nacht dir hin, wenn leis ihr Kuß dich traf.
Nie werden dir ins Herz die bösen Träume dringen,
Und fliegt zum Himmel auf dein Geist auf Traumesschwingen,
  Bewacht ein Engel deinen Schlaf.

April, 1822.


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