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Ebenso energisch wie behutsam vorgehend gewann Philipp zunächst als Operationsbasis Thessalien mit seinem kostbaren Pferdereservoir und die schon durch ihre Lage entscheidend wichtigen Küstenstädte Thrakiens mit ihren Wäldern und Bergwerken. Im Herbst 338 erlag dann das vereinigte Heer der Athener und Thebaner der überlegenen Disziplin und Taktik der Makedonen: die Entscheidung brachte die Reiterattacke Alexanders gegen die »Heilige Schar« der Thebaner, die bis dahin für unbesiegbar gegolten hatte. Man kann sagen: bei Chaironeia siegte Epaminondas über Epaminondas. Dies ist eine regelmäßige Erscheinung in der Geschichte der Kriegskunst: Ein Großer findet etwas ebenso Einfaches wie Neues, das durch diese Vereinigung siegreich ist; dann erstarrt es zur Routine und unterliegt einem, der es mit Geist und Freiheit zu meistern vermag. So hat die friderizianische Taktik in den Napoleonischen Kriegen, die napoleonische bei Königgrätz ihr Fiasko erlebt. Denn es gibt keine »Königsregeln«, nur Könige, die Regeln geben.
Gegen seine Gewohnheit unterließ es Philipp, wie die Preußen nach Königgrätz, den geschlagenen Feind, den er zum Freunde gewinnen wollte, nach der Schlacht zu verfolgen, und, wie damals Bismarck, stellte er Bedingungen, die zu der Schwere der Niederlage in gar keinem Verhältnis standen: Athen bekam seine Gefangenen ohne Lösegeld zurück, behielt seine volle Freiheit und mußte sich lediglich bereit erklären, dem geplanten panhellenischen Bund beizutreten; die Athener waren von dieser Mäßigung so überrascht und entzückt, daß 911 sie, ganz undemosthenisch, Philipp und Alexander das Ehrenbürgerrecht dekretierten. Der »Korinthische Bund«, den Philipp dann 337 ins Leben rief, umfaßte sämtliche hellenischen Staaten mit Ausnahme Spartas, die im Innern autonom blieben, sich aber verpflichteten, untereinander Frieden zu halten und Streitigkeiten vor dem Synhedrion, dem Bundestag zu Korinth, zum Austrag zu bringen sowie bei Bundesaktionen Heeresfolge zu leisten; Oberhaupt des Bundes, Einberufer des Synhedrions und Oberfeldherr der Hellenen war Philipp unter dem Titel eines Lenkers oder Hegemon, gleichzeitig wurde ihm als »selbstherrlichem Strategen« die unbeschränkte Vollmacht zur Führung des Krieges gegen Persien erteilt: außenpolitisch und militärisch hatten also die griechischen Republiken ihr Selbstbestimmungsrecht eingebüßt. Aber während der umfassendsten Vorbereitungen wurde Philipp im Hochsommer 336 auf der Höhe seines Lebens und in der Mitte seines Wirkens von einem seiner vornehmen Leibwächter aus Privatrache ermordet: eine Tat, nur jener vergleichbar, die zwanzig Jahre früher, im Geburtsjahr Alexanders, am Tempel von Ephesos verübt wurde; doch hat sie ihren Urheber nicht so berühmt gemacht wie Herostrat: Ravaillac, den Mörder Heinrichs des Vierten, und Booth, den Mörder Lincolns, kennt alle Welt, von Cassius und Brutus nicht zu reden; aber fast niemand weiß den Namen des Pausanias aus Orestis, des Sohns des Kerastos.