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Den Toten wird eine Münze als Fährgeld für Charon in den Mund gelegt, auch allerlei Hausrat in den Sarg gegeben: den Kindern Spielzeug, den Frauen Fächer, Spiegel, 653 Schmuckstücke, den Männern Waffen. Über den Erdhügel wird Wein, Öl und Honig als Opferspende gegossen. Dann folgt das Leichenmahl, bei dem der Verstorbene als Gastgeber anwesend gedacht ist. Das Grabmal schmückte man mit Bändern und Girlanden, auch durch Musik suchte man bisweilen die Seele des Abgeschiedenen zu erfreuen. Denn sie flattert als Totenvogel um ihre Leichenstätte, und manchmal glaubt man sogar ihr Zwitschern zu vernehmen. Das erinnert an den ägyptischen Ba. Als irgendein geflügeltes Wesen stellte man sie sich offenbar vor, denn psyche heißt auch Schmetterling. Aber sie ist doch im Hades? Das sind eben die Widersprüche, und wer sie gegeneinander ausgleichen will, erhält ein getrübteres Bild, als wer sie stehen läßt. »Je präziser wir verfahren wollen«, sagt Burckhardt (in einem anderen Zusammenhange, aber das weise Wort gilt auch hier), »desto sicherer gehen wir in die Irre.« Daß aber die Griechen, wenn auch unter schwankenden Formen, von einem ganz persönlichen Fortleben nach dem Tode überzeugt waren, steht außer Zweifel: Frevler erwarteten Vergeltung, Liebende Wiedervereinigung im Jenseits, alle Welt glaubte an Revenants und Totenbeschwörungen, in Sparta, wo man mit der Unerschrockenheit Ostentation trieb, galt es als höchste Bravourleistung, im Dunkeln zwischen Gräbern umherzugehen, und noch bei Lukian findet sich die reizende Erzählung, wie eine putzsüchtige Dame ihrem Gatten, der ihren ganzen Tresor für sie verbrannt hat, als Geist erscheint und eine goldene Sandale reklamiert, die unter den Kasten gefallen ist. Die Philosophen freilich dachten darüber anders, aber auch nur zum Teil: Demokrit zum Beispiel, den man geradezu den Vater der griechischen »Aufklärung« nennen kann, stellte die Existenz von Gespenstern nicht in Abrede.