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In alledem liegt eine große Verführung zum Stilisieren. Schon Niebuhr sagte, man habe die alte Geschichte bisher 104 behandelt, als ob sie nicht wirklich geschehen wäre. Sie trug ausnahmslos, ob sie poetisch oder »wissenschaftlich« traktiert wurde, Märchencharakter. Alle ihre Taten waren typisch, alle ihre Gestalten Figurinen. Hier einmalige Tonfälle und Gesichter herauszulesen, hätte man für blasphemisch gehalten. Auch die Kausalität war die des Lesebuchs. Man sah sie grundsätzlich immer gesteigert, überdimensional, heroisch. Aber gerade dadurch wurde sie unwirklich, und das heißt: unheroisch. Denn der Held ist die realste Erscheinung, die es auf dieser Erde gibt. Das Große an einem Luther oder Cromwell, Napoleon oder Bismarck war, daß sie ganz und gar in Wirklichkeiten lebten, die die anderen entweder gar nicht sahen oder ängstlich mieden. Durch dieses Pathetisieren der Antike wurde der Alexanderzug zu einem Abenteuerroman und das Reich der Cäsaren zu einem lateinischen Aufsatz. Ein bis zur Unbewußtheit selbstverständlicher Zweifel an der Existenz dieser Zeitläufte und Personen begleitet uns durch die Schulen, Theater, Bibliotheken, von ihm ist dieser ganze Vorstellungskomplex »Altertum« imprägniert. Toga und Tiara sind ein Alibi. Seit Mommsen und Burckhardt, Nietzsche und Shaw wissen wir allerdings, daß auch die Alten Geschöpfe wie wir waren, und nur bornierte Schulmeister können hier von zerstörten Idealen reden. Wer nicht auch im Schlafrock ein König ist, der ist nie einer gewesen. Der Alte Fritz ist größer bei Menzel als bei Schadow. Ein bekanntes Sprichwort sagt zwar: vor dem Kammerdiener gibt es keinen Helden; aber das ist falsch, wie die meisten Sprichwörter: erst vor dem Kammerdiener zeigt sich, ob einer ein Held ist. Die großen Menschen sind gerade in ihren menschlichsten Augenblicken am allergrößten. Das Schönste und Unvergänglichste an ihnen werden immer ein paar Alltagsanekdoten bleiben.