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Aber wir haben noch ein Geschenk des Ostens vergessen, das bei aller Unscheinbarkeit für die Menschheit vielleicht wichtiger war als alle Lieder der ionischen und äolischen Leier. Es sind die Fabeln des Aisopos. Dieser war ein phrygischer Sklave, der zur Zeit der sieben Weisen lebte, häßlich und bucklig, ja anfangs sogar stumm, worin, ähnlich wie bei Hephaistos, wahrscheinlich eine Symbolik zu erblicken ist. Sein Leben war von zahlreichen Anekdoten und Legenden umrankt, in denen er, eine Art griechischer Eulenspiegel, aber edler und tiefer als dieser, sich durch Mutterwitz und Menschenkenntnis aus jeder Situation zu helfen weiß und mit seinem schlichten und warmen Lebensverstand die Großen dieser Erde beschämt. Von ihm stammt die Figur des Königs der Tiere und seines verschmitzten Ministers, des Schakals, der in der europäischen Fassung zum Fuchs geworden ist. Seine Geschichten zeichneten sich durch jene Einfachheit und Knappheit aus, die die Welt erobert, zum Beispiel: »Ein Wolf sagte zu den Hirten, die in ihrem Zelt ein Lamm verzehrten: Was für einen Skandal würdet ihr machen, wenn ich das täte!« Die Athener setzten ihm ein Standbild und machten ihn zum Schulautor. Seine Fabeln übertrug Kallimachos in Hinkiamben, Phädrus, ein Freigelassener des Kaisers Augustus, in elegante lateinische Jamben. Ihre Nachahmung erstreckt sich durch die ganze Nachwelt: über Luther und Reineke Vos, Lafontaine und Lamotte bis zu Gellert, Lessing und Goethe.