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Und das ist nicht bloß symbolisch zu verstehen. Denn man hat in Nordamerika, in der Gegend des Colorado, eine menschliche Höhlenzeichnung auf Rotsandstein gefunden, die einen Dinosaurier darstellt. Ganz in der Nähe des Felsbildnisses fanden sich auch die Fußspuren dieses Tieres. Das ist für die Paläontologie eine sehr unbequeme Zeugenaussage, denn sie wirft ihr ganzes System um. Aber warum sollte der Mensch nicht noch früher, warum sollte er nicht schon immer dagewesen sein? Die Natur befolgt in ihren Hervorbringungen keinen pedantischen Lehrkursus; und es ist für sie offenbar ebenso schwer oder ebenso leicht, eine Muschel hervorzubringen wie einen Menschen. Nimmt man die Schöpfungstage der Genesis, die wie alles Biblische ein tiefes Gleichnis sind, als Erdzeitalter, so ergibt sich, daß alles: Kraut und Baum, Gevögel und Gewürm, jegliches Gewächs und Tier zugleich vor dem Menschen und für den Menschen geschaffen wurde, nämlich für seinen Geist, in dem es sich erst vollendet. Also ist es erst mit ihm da, 78 erst durch ihn da, und der Steinkohlenwald bedarf ebenso seiner Präsenz wie der Menschenaffe.
Auf das Mesozoikum folgte das Känozoikum mit den beiden Unterabschnitten der Tertiärzeit und der Quartärzeit, die man auch als neuere und neueste Erdgeschichte bezeichnen könnte. Im Tertiär, dessen Dauer jetzt auf etwa fünf Millionen Jahre berechnet wird (die Ansätze für die geologischen Zeiträume pflegen sich ungefähr alle zehn Jahre zu verdoppeln oder auch zu vervielfachen), gab es in Mitteleuropa Kokospalmen und Zimtbäume, den schrecklichen Säbeltiger, der aber wahrscheinlich eher löwenähnlich war: ein hochbeiniges Ungeheuer, dessen Fangzähne Sense und Säge zugleich waren, das Mastodon, ein sprichwörtlich gewordenes Monstrum von Rüsseltier, das man sich vermutlich ebenfalls nicht ganz richtig vorstellt, da es nicht so sehr ein Mammut oder Elefant als eine Art kolossaler Tapir war, und das Megatherium, ein sieben Meter hohes Faultier, ein wahres Mausoleum der Trägheit. Der Schrecken des Meeres war ein Riesenhai, der den heutigen an Größe um ein Vielfaches übertraf. Auch die Erdoberfläche sah damals noch wesentlich anders aus. Wo zum Beispiel heute Wien liegt, befand sich im Miozän (der zweitjüngsten Stufe der Tertiärformation) ein Binnenmeer mit algenbewachsenen Felsküsten und weidenden Seekühen, das die ganze ungarische Tiefebene erfüllte und sich als »sarmatisches Meer« bis nach Südrußland fortsetzte. Das Quartär wird wiederum in zwei Epochen eingeteilt: das Diluvium, das nach der niedrigsten Schätzung eine Viertelmillion Jahre währte, und das Alluvium, den Zeitraum nach der letzten Vereisungsperiode, in dem wir uns noch heute befinden: seine bisherige Dauer wird ziemlich allgemein mit zwölftausend bis sechzehntausend Jahren angesetzt, welche Zahl mit Hörbigers Datum des letzten Mondeinfangs recht gut übereinstimmt, da dieses das arithmetische Mittel aus den beiden Zahlen angibt; aber auch mit Plato, der die 79 Atlantis neuntausend Jahre vor Solon, also vor rund zwölftausend Jahren, untergehen läßt. Alle bisher erwähnten Zahlen, höchstens mit Ausnahme der zuletzt genannten, sind jedoch bloß relativ zu verstehen, eine reale Vorstellung läßt sich ohnehin nicht mit ihnen verbinden, und so kann man bloß (und zwar auch nur didaktisch vereinfachend) sagen, daß das Diluvium etwa ein Zwanzigstel des Tertiärs, die bisherige Nacheiszeit ein Zwanzigstel des Diluviums gedauert haben dürfte. Und von dieser ist etwa die Hälfte »Geschichte«. Am ehesten wird man noch zu einem greifbaren Verhältnis gelangen, wenn man sich denkt, daß sich die ganze Neuzeit in einer Stunde abgespielt hätte. Dann hätte das Alluvium ungefähr von vier Uhr morgens bis zum Mittag des nächsten Tages, das Diluvium nahezu vier Wochen, das Tertiär rund anderthalb Jahre gedauert, der Siebenjährige Krieg aber nur eine Minute.