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Morgensonnenschein färbt das Schlafzimmer der Königin mit Rosenschimmer. Sie hat die Ehrendamen hinausgeschickt, die ihr beim Lever geholfen. Sie ist allein mit Prinz Hal.
Hohläugig, ungekämmt, ungewaschen, in zerknülltem schwarzem Seidenanzug, steht er vor ihr. In den nervös zuckenden Händen hält er die goldene Krone von Wales und läßt sie spielerisch von Finger zu Finger gleiten.
»Das muß ich mir doch verbitten, Hal, daß du in solchem Aufzug zu mir kommst! Welche Unziemlichkeit! Schämst du dich nicht?«
»Ich schäme mich, Mutter. Ach, wenn du wüßtest, wie grausam sehr ich mich schäme! ...«
»Hast du in Hurenhäusern die Nacht verbracht? Hast du gelumpt? ... Herr, du mein Gott! wie siehst du übernächtig aus! Darf ein Prinz so aussehn?«
»Bin ich ein Prinz? ... Ach Mutter, sage mir doch, daß ich ein Prinz bin!«
»Du bist ja betrunken. Geh, schlaf dich aus! ... Was hast du da für einen roten Fleck auf der Brust? ... Zeig her! Du bist doch nicht etwa verwundet, Hal?«
»Nur in der Seele, Mutter ... Ich schlug mein rot Roß tot, Mutter – – –«
»Was redest du für Zeug! ...«
»Ich schlug meinen Falken tot, Mutter, Mutter, und habe nun keinen wie er! – Oh!«
»Ich muß den Arzt rufen lassen, Hal ... Du bist gestört!«
»Es gibt keinen Arzt für mich, Mutter ... Ich stach ihn nieder, der es mir gesagt hat. Sein Blutstrahl schoß wie ein roter Springbrunnen auf mein Wams.«
»Wen stachst du nieder?«
»Er ist beinah mein Oheim, Mutter.«
»Doch nicht meinen Bruder Christian? ...«
»Nein, nein, beruhige dich; – aber Patrick Ruthven. Ich fand den Verschollenen. Ich suchte ihn auf ... Er hat es mir gesagt.«
»Was, Hal?«
»Das Furchtbare. Daß ich immer ein Lügenbold gewesen bin, ohne es zu wissen ... Ich zog den Degen. Wir fochten oben auf dem Dach. Vier Stockwerke hoch, mußt du wissen. Doch er wollte mich nicht töten. Er wollte, daß ich weiterlebe mit der Kummerlast im Herzen.«
»Welche Kummerlast, mein Liebling? Sage es doch endlich!«
»Ich bin ein Bastard, Mutter. Ich heiße Moray – nicht Stuart!«
»Das hat Patrick gelogen! Beim höchsten Gott im Himmel droben, – es ist nicht wahr! Glaube ihm das nicht, mein Kind!«
»Ich komme eben von Seiner Majestät. Ich wollte die Krone von Wales zurückgeben, auf Titel und Rang und Ehren Verzicht leisten ... Seine Majestät hat es bestätigt: Patrick sprach die Wahrheit, Mutter!«
»Großmächtiger Gott! Ist der König verrückt? ... Aber die Krone von Wales hat er nicht zurückgenommen? – Na, also!«
»Er bat mich, es geheimzuhalten meiner Schwester und des Pfalzgrafen wegen. Er fürchtet, der Pfalzgraf könnte sich zurückziehn. Denn meine Schwester ist eine Lady Gowrie, Alexander Ruthven's Tochter.«
»James ist ja toll! ... Hat er das gesagt?«
»Nein. Von Patrick weiß ich es. Der König widersprach nicht. Er fürchtet das Gerede an den andern Höfen – sonst würde es ihn kalt lassen ... Ach, Mutter! um meinetwillen hat Huntley's Dolch meines Vaters schönes Antlitz zerfetzt und zerfleischt!«
»O mein Gott, mein Gott! Wie bin ich gestraft!«
»Ja, weine Mutter! Sei froh, daß du Tränen hast! Ich habe keine ... Aber denke nicht, daß ich dies Krönlein behalten und mein Lügenleben fortführen werde ... Ich habe anderes vor, Mutter.«
»Was hast du vor, mein lieber Hal?«
»Noch bin ich nicht arm genug, Mutter. Noch bin ich nicht ein Mensch, wie er aus dem Mutterleibe kommt – nackt und frei. Als ich aus deinem Leibe kam, Mutter, ein kleiner Moray, trug ich am Knie nicht den Hosenbandorden ... Es ist ja die Lüge meines Daseins, an der ich ersticke. Hinausschreien möchte ich es in die Welt, wie stolz ich auf meinen Vater bin, – wie dankbar ich dir bin, daß du ihn geliebt, ihn sündhaft und glorreich geliebt und seinen Mörder verabscheut hast, – wohl auch heute noch verabscheust! ...«
»Ach, Hal! Warum haben wir früher nie so miteinander geredet? Ich kannte dich ja nicht. Ich glaubte, du verurteiltest mich, weil mein Leben zuchtlos war ... Doch sage mir, was hast du vor, mein Kind?«
»Ein Mensch zu werden ... wie im Mutterleibe, nackt und frei ... Nein, reiße die Augen nicht so auf! Ich werde wohl reisen ...«
»Wohin?«
»Nach Heidelberg, Lizzi hinbegleiten. Ihr zuliebe muß ich ja die schmähliche Maske weitertragen ... Man spricht von deutschen Rüstungen zu einem Kriege gegen Habsburg ... Ich könnte als pfälzischer Feldherr – – –«
»Hal! Versprich mir, das nicht zu tun!«
»Was?«
»Du willst den Tod suchen!«
»Heute nacht auf dem Dache wollte ich es. Doch, wie sucht man, wie findet man den Versteckspieler? Wo wohnt der Prince du pays des larmes? Ist das Tränenland hier oder drüben? Ich gab es auf, ihn zu suchen; – Freude und Zerstreuung will ich suchen. Ich kann das Meer nicht in Brand stecken, Mutter! ...«