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32

Weder im St. James-Park noch im Whitehall-Park fand Hal das Hosenband. Schon war er dicht an das Königsschloß herangekommen, schon schimmerte die riesige Kalkstein-Fassade mondgebadet zwischen Baumstämmen und Stauden hindurch. Schon hatte er alle Hoffnung aufgegeben und wollte umkehren. Da, plötzlich, durchschauerte es ihn. Er erblickte in einer Seitenallee eine merkwürdig schwebende jasminweiße Frauengestalt.

Sein erster Gedanke war: es müsse eine Sinnestäuschung sein. Denn barbeinig, nur mit einem Hemd bekleidet war die Gestalt. Das volle schwere Haar, das ihr wellig über die Schulter bis an die Knie herabrieselte, war goldblond ...! Sollte das Arbella sein, so war sie wahnsinnig ...!

Hal bog in die Allee ein und stürzte ihr nach. Bald hatte er sie eingeholt, wenige Schritte nur trennten ihn von ihr. Nun war kein Zweifel mehr möglich: mit zaghaftem, gleichsam tastendem Gang wandelte da Arbella vor ihm her. An ihrem Handgelenk trug sie seinen glitzernden Hosenbandorden wie ein Armband.

Angst überkam ihn. Durfte er zu ihr sprechen? Wenn sie wahnsinnig war, so würde sie vor ihm davonlaufen. Auch wenn sie ihre fünf Sinne hatte, würde sie davonlaufen und ihm niemals verzeihen, daß er sie so gesehn ...

Sie redete vor sich hin. Doch hinter ihr gehend, konnte er ihr Gemurmel nicht erhaschen. Schwermutsvoll klang es ... Da kam es wie eine Erleuchtung über ihn: nicht gestört war sie, nein, – sie schlafwandelte! Und er entsann sich, von Overbury vernommen zu haben, an Mondsucht leide Arbella seit ihrer trüben Kindheit in Cymry Castle, und auch neuerdings noch nachtwandle sie zuweilen ... Ja, so war es gewiß: der Mond, der mächtige Magnet droben, hatte sie aus ihrer zu ebener Erde gelegenen Schlafkammer herausgezogen, an sich gezogen, als wäre sie ein willenloses Stück Eisen oder Stahl.

Hal schritt jetzt neben ihr. Sie blickte ihn nicht an; mit großgeöffneten, glanzigen Augen blickte sie geradeaus.

»Wohin gehst du, Harpy?«

»Zum Teich ... Ich will nicht in die Themse. Lady Catherine hat gesagt: es kann auch ein kalter, tiefer Teich sein.«

»Was willst du am Teich tun?«

»Bei den Fröschen wohnen.«

»Warum, Harpy? Ist die Welt nicht schön? Ist nicht Gott ein Zauberer?«

»Ohne Hal ist die Welt schwarz.«

»Wer ist Hal?«

»Er, um den ich mich tot blute.«

»Du liebst ihn wohl gar?«

»Das wissen bloß Gott und ich ... Hal weiß es nicht und darf es nicht wissen.«

»Warst du nicht herzlos zu ihm?«

»Die Seele habe ich ihm und mir verletzt. Mit kaltem Gesicht gab ich ihm den Abschied.«

»Obgleich du ihn liebtest, Harpy?«

»Weil ich ihn liebe! Gar übel gebunden bin ich; – er aber soll frei sein! – von allen Stricken und Banden frei! – Ich habe ihn frei gemacht, – oh! kein Kinderspiel war das! ... Nun wird kein böser Wind ihn anwehn!«

»Doch wenn du traurig bist, wird auch er traurig sein.«

»Du bist ohne Sinn. Bin ich denn traurig? Mein Herz ist heilig jetzt, – alle Teufel habe ich besiegt ...«


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