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In der Schloßkapelle fand gegen mittag die Trauung der beiden Paare durch Dr. George Abbot, Erzbischof von Canterbury, statt. Die prunkvolle Zeremonie, an der auch der Bischof von London und der Bischof von Winchester teilnahmen, erlitt eine kleine Störung durch Lady Suffolk, die unausgesetzt sich schneuzte aus Rührung über die Lieblichkeit ihrer Tochter, der dreizehnjährigen Braut Frances, und dann plötzlich in ein lautes Schluchzen ausbrach, weil das Orgelspiel sie – ein memento mori – an den eigenen Tod gemahnte. Das Hottentottenkind mußte die fassungslose Dame hinausführen.
Gleich nach der Feier setzte man sich an die Hochzeitstafel im Großen Saal ( – nicht im Bankettsaal, wo der Architekt Inigo Jones noch einige letzte Vorkehrungen für das Schauspiel traf). Zwei Orchester sorgten für Tafelmusik. Achtundvierzig Gänge wurden serviert (darunter wahre Meisterwerke der Schleckerei, von siebzehn Köchen zubereitet!). Erst um neun Uhr abends erhob sich der König, nachdem ein Herold verkündet hatte, daß Hymen's Maskenspiel beginne. Die Mitwirkenden hatten, um sich zu kostümieren, schon vordem unauffällig die Tafel verlassen.
Die riesige Lichterpyramide des Kronleuchters im Bankettsaal streute Strahlenbündel auf die Hereinflutenden. Da die Bühne ein Drittel des Saales einnahm, erwies sich der Raum zu klein für die Menge der Gäste. James ordnete an, die vordersten Sesselreihen bis vorn an die Bühne heranzuschieben (– was der Oberzeremonienmeister Sir Lewis Lukenor anzuordnen nie gewagt hätte). Mehr Stühle wurden gebracht. Trotzdem fanden viele keinen Platz und mußten an den Wänden stehn unter dem Wachsgeträufel der Wandleuchter.
In der Mitte der vordersten Reihe saßen zwischen James und Prinz Hal die Neuvermählten. Ernst, allzu ernst blickte der vierzehnjährige Robert Essex drein. Allzu vergnügt und keck versuchte seine junge Frau, die bezaubernd hübsche dreizehnjährige Frances, ihn flüsternd zum Lachen zu bringen, – vergebens, sie gab es auf und ließ ihre schwarzen Fuchsaugen zu Prinz Hal hinwandern. War der aus Stein, daß er sie nicht beachtete? ... Moray und Anne Gordon verhielten sich kalt, steif, überhöflich zueinander, wie Wildfremde, – die sie ja auch waren. Des Bischofs Segen hatte sie zu Mann und Frau gemacht, und doch hatten sie noch kein Wort allein miteinander gesprochen. Mitleid war in Gordon's Blick: so wie er, war ja auch sie ein Opfer ...; und wenn auch gewiß nicht schön, sah sie doch hilfsbedürftig, sanft und anziehend aus ...
Das Geflirr der tausend Kerzen, das Geblink der Frauennacken, das Geblitze der Brillanten erlosch nicht, als der Vorhang sich teilte. Im Windzug der auseinanderrauschenden Sammetdecken hüpften und flatterten die Kerzenflammen der Rampe wie aufgescheuchte Vögel; doch da der Zuschauerraum hell blieb, fiel es nicht weiter auf.
Der Stimmenlärm verebbte. Die goldenen Verse Ben Jonson's verscheuchten das letzte Gesumm und Geflüster, nahmen Besitz vom Saal und von der Andacht der Lauscher; – sie zitterten sehnsuchtsvoll, schmetterten sieghaft, formten sich zu Melodien dunkel und hell, rauh und süß, als kämen sie nicht aus Menschenmündern, seien vielmehr Tonfolgen, aufschwebend aus Waldhörnern, Flöten und Geigen.
Gegen das Dunkelgrün einer Zypressenallee hob sich marmorblank der Kubus eines griechischen Altares ab. Und hinter dem Altar ragte die Erdkugel empor. Darüber ballten sich hohe Wolkenkulissen. Ein kurzhalsiger, ziegenbärtiger Hymen (Lord Harbert of Chirbury) führte einen Jüngling; eine fette, wenig verhüllte Juno (Königin Anna) führte eine Jungfrau, um beide auf dem »Altar der Ehe« zu opfern. Alsbald drehte sich die Erdkugel und wurde zu einer Halbkugel, in welcher – wie in einer mächtigen Nußschale – die von jungen Kavalieren dargestellten, barbarisch aufgeschminkten, in zinnoberrote Tunikas gekleideten acht Leidenschaften saßen. Wild mit den Armen durch die Luft fuchtelnd, wollten die Scheusäler das Opfer verhindern. Sie wurden beschwichtigt von der Vernunft – (Lady Penelope) –, die, gekrönt mit einem Diadem aus brennenden Kerzen, von ihrem Wolkensitz herniederstieg. Schon begann die Opferung, da glitten auch acht weißgekleidete, brillantenübersäte Genien, Segensmächte der Juno, aus dem Gewölk herab, – was nicht ohne einiges lachenerregendes Malheur vor sich ging, weil die Röcke und Unterröcke nicht so schnell gleiten wollten wie die hübschen Damenbeine.
Overbury, der neben Dr. Campion an der Wand stand, raunte ihm zu:
»Ein Anblick, der dreitausend Pfund Sterling kostet! ... Könnte die Königin anderswo billiger haben! ...«
»Für ›anderswo‹«, raunte Campion, »hat sie selbst viel zu wenig an: das wird in Venuspalästen nur Venus erlaubt!«
Bevor die weißen Genien dazu kamen, Glück und Segen zu wünschen, ereignete sich ein anderes kleines Mißgeschick, das schlimmere Folgen hatte. Frances war mit ihrer Brautschleppe den flackernden Rampenlichtern zu nahe gekommen. Der Saum ihres Kleides begann zu glimmen. Niemand bemerkte es außer Prinz Hal. Flink sprang er hinzu und klappte stark mit beiden Händen auf den brennenden Saum, zerrieb mit den Fingern die Glut, bis sie erlosch. Eine Unruhe entstand. Northampton reckte sich den Hals aus, und wie Luftbläschen im Wasserglas, begannen in seinem Hirne Pläne aufzusteigen ...
Juno unterbrach sich mitten in einer langen Rede, warf Hal einen haßerfüllten Blick zu und fragte, in schottische Prosa verfallend, schneidend:
»Was gibt es da?«
»Nichts, Mutter, ich hob einen Fächer auf!«
»Wenn man sich fächelt, während ich Verse spreche, – gut, so können wir ja Schluß machen!«
»Aber Ninive! ...« murmelte James.
»Laß, Jimmy, – ich spreche kein Wort mehr!«
Viele Lippen wurden blutig, doch zu lachen wagte niemand im Saal. Der verschrobene Lord Compton, den man Nebukadnezar nannte, erhob sich und rief, sich zugleich dumm und pfiffig stellend:
»Pst! Merkt ihr's denn nicht? Das gehört ja mit zum Stück! Das hat Ben Jonson so gedichtet! Ein Blitzkerl, der Ben Jonson! – welch ein göttlicher Humor! Das übertrumpft seine schönsten Verse!«
Eine Kühnheit, die nur Nebukadnezar sich leisten konnte.
Achselzuckend, wie sich entschuldigend, blickte James um sich und sagte:
»Nein, – das gehört nicht zum Versspiel, – denn es ist ungereimt!«
Damit freilich goß er Öl ins Feuer. Wütend stampfte Juno mit dem Fuß auf. Da ertönte plötzlich Archie's, des Hofnarren, schrille Stimme:
»Eine Improvisation ist's, Ladies und Gentlemen, – eine Improvisation des unverschämtesten aller Götter, des Gottes Amor! Und Juno hat nie von Amor etwas wissen wollen!«
Damit war der Bann gebrochen. Die erste, die in schallendes Gelächter ausbrach, war die Königin selber. Es war ja auch ganz unsäglich komisch, zu behaupten, daß sie, die dänische Anna, von Amor nie etwas habe wissen wollen ...! Gerettet war der Abend, das Maskenspiel wurde zu Ende gespielt.
Kaum hatte der Vorhang sich geschlossen, eilte Suffolk auf Hal zu, ihm als dem Lebensretter seiner Tochter zu danken. Im Begriff, seinen Mund auf des Prinzen Hand zu drücken, entdeckte er, daß die Hand voller Brandblasen war. Er ließ es sich nicht nehmen, laut bekannt zu geben, mit welchem Heroismus der Prinz die Schmerzen bis zum Schluß der Aufführung ertragen hatte. Und während der Lord Hal's Heldentum pries, sprach sein Oheim Northampton leise mit Frances. Den Rat, den er ihr ins Ohr flüsterte, befolgte sie strahlend. Sie kniete vor Hal nieder. Der aber hob sie auf und küßte sie ... Ein nicht endender Jubel dröhnte durch den Saal. Nur Robert Essex blieb kühl, ernst und sinnend.
Und als der Jubel ein wenig sich gelegt hatte, sprach Don Fernando Gyrone, der Gesandte Spaniens, sich an den venezianischen Gesandten Foscarini wendend, den denkwürdigen Satz: Voto á Dios, que la Corte d'Inglaterra es como un libro de Caballeros andantes! (Ich schwöre bei Gott: der englische Hof ist wie ein von fahrenden Rittern handelndes Buch!)