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7

Eine Stunde später war Frances gekleidet, geschminkt, gekämmt und schlürfte Schokolade aus einer chinesischen Porzellantasse, einem Geschenk der East India Company. Da trat, ein Rosenbukett in der Hand, die Putzmacherin Mistris Turner ein. Ihre ihr folgende Dienerin, ein bleichsüchtiges aschblondes Mädchen, breitete das Hochzeitskleid über die Lehne eines Sessels. Welch ein lilienweißer Schaum und Traum, welch ein tauflirrendes Spinngewebe aus Brüsseler Spitzen und Silberbrokat, – welch ein Wunderwerk, welch ein Zauberwerk! Doch Frances streifte das Hochzeitskleid bloß flüchtig mit einem finstern Blick.

Während der Anprobe waren Frances und Mistris Turner allein, und niemand außer der lachenden Sonne hörte ihr ruchloses Geflüster.

»Was macht Franklin?«

»So ein loser Schelm! Meinem stolzen Engel sein teuerstes Juwel zu stehlen!«

Frances kicherte vor sich hin:

»Was stahl er denn? ...«

»Deinen süßen roten Mund, Frances!«

Und Mistris Turner küßte Frances auf den geschminkten Kindermund.

John Franklin war ein Apothekerlehrling in Diensten der Putzmacherin: er arbeitete in der ihr durch Erbschaft zugefallenen Apotheke des Master Turner, ihres nach einjähriger Ehe jählings verstorbenen Gatten. Mit Schröpfköpfen, Spanischen Fliegen, Hühneraugenpflastern und Klystieren verstand Franklin gut umzugehn und wurde darum nicht selten in Adelspaläste gerufen; so hatte er kürzlich erst Frances von einer Kolik kuriert ...

»Hast du ihn gebeten? ...«

»Ja, dies schickt er dir.«

»Was ist das? Vitriol? ...«

»Sprich nicht so laut ... Franklin war weiß wie ein Laken, als er es mir gab.«

»Der arme weiße Junge! Eigentlich brauche ich das Mäusegift nicht mehr – das Mäuschen will den Speck nicht und will mich zur Strohwitwe machen ... zum Mäusestrohwitwelein!«

»Lord Essex?«

»Seine Majestät hat befohlen, daß Robert gleich nach unserer Hochzeit nach Italien reist. Seine Majestät meint nämlich, Robert sei noch zu jung, in meinem Bett zu liegen!«

»Dann gib mir bitte das Fläschchen wieder, Frances!«

Aber Frances schloß schnell das Fläschchen in eine Kommode.

»Wer weiß – vielleicht kann ich's mal brauchen ...«

»Höre, Frances, versprich mir ... Versprich mir, recht vorsichtig zu sein! Franklin trug mir auf, dir's zu sagen ... Du könntest sonst ihn und mich an den Galgen bringen!«

»Dich, Ann? Hahaha, das möchte ich sehn: Du wirst die entzückendste Galgenfrau sein, Ann, die jemals vom Winde geschaukelt wurde! Alle Männer werden um dein Nonnengesicht weinen – glaubst du nicht, Ann? Und wie viele Balladen man auf deine schönen toten Augen dichten wird, Ann! Stell dir's doch vor: der Wind wird dich um und um wie einen Kreisel drehn – so wie ich dich jetzt herumdrehe, Ann!«

Hell und kindisch lachend, in krampfhafter Ausgelassenheit, packte Frances Mistris Turner an den Ellenbogen und schwirrte und tanzte mit ihr im Zimmer umher. Dann schlang sie den Arm ihr um den Nacken und strahlte sie mit unschuldigen Kinderaugen an.

»Du glaubst doch nicht wirklich, daß ich einem armen niedlichen Mäuschen ein Leid tun könnte, Ann? Sehe ich denn wie eine Katze aus? Alle sagen, ich sehe wie ein Reh aus – nicht wahr? ... Sieh mal, es ist nur so aufregend zu wissen: daß man könnte, wenn man wollte! ... Aber, wahrhaftig, ich will nicht! ... Und ich wollte auch gar nicht! – Das schwöre ich bei Jesus Christus, unserm Herrn! ... Das Fläschchen werde ich wegwerfen, – habe keine Angst, Ann! Ich bin keine kleine Schlangenkönigin, wenn auch Elisabeth mich so genannt hat! ...«

»Und wenn du's wärst, man kann nicht anders als dich lieben, du Kindchen du!«

Seit frühster Jugend kannte Frances die Putzmacherin. Diese hatte, als sie noch Ann Norton hieß, in Suffolk House eine bevorzugte Stellung als Oberhofmeisterin innegehabt. Durch die keltischen Sagen, die sie in ihren freien Stunden den Kindern erzählte, war früh in Frances, ihrer aufmerksamsten Zuhörerin, ein Hang zum Unheimlichen und Dämonischen geweckt worden. Eine Freundschaft entstand zwischen der Erwachsenen und dem Kinde, eine leidenschaftliche Freundschaft von Seiten der Erwachsenen, die bald in eine Art Hörigkeit und Idolatrie ausartete: Frances hätte sich den Mond zum Abendessen wünschen können und Ann Norton wäre vor dem Versuch nicht zurückgeschreckt, ihr den Mond zu fangen und zu braten. Eines Tages wurde Ann entlassen, weil Lady Suffolk entdeckt hatte, daß sie vom Oheim ihres Gatten, dem Haupte der spanischen Hofpartei, Henry Earl of Northampton, verführt worden war. Der greise, sündenbeladene Junggeselle behielt die Verführte eine Weile noch in Northampton House und verheiratete sie dann an einen »Doctor of Physicke« namens Turner. Da nach des Doctors plötzlichem Tode sich herausstellte, daß seine Apotheke überschuldet war, eröffnete seine Witwe ein Putzmacherei- und Schneidereigeschäft. Nicht lange, und ihr strömte die vornehmste Kundschaft zu.

Ann Turner war fünfunddreißig Jahre alt und glich einer Madonna. Das hinderte ein leise schleichendes, ungreifbares Gerücht nicht, dem Madonnenbilde Kränkendes nachzusagen: in ihrem vierstöckigen Hause, das einst ein Karmeliterinnenkloster gewesen war, gäbe es – außer der Werkstatt und der Apotheke – auch noch andere geheimnisvolle durchaus nicht klösterliche Räume ... Das Gerücht war taktvoll genug, mehr nicht anzudeuten, – es hätte ja sonst zu viele Damen und Herren des Hofes bloßgestellt ...


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