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Dem Meliades-Fest gingen für die Bevölkerung Londons ergötzliche und aufregende Tage voraus. Hohe Gäste nebst ihren Trabanten kamen von Dover her, wuschen auf freiem Felde sich den Staub der Landstraße ab, kleideten sich und die zu Hunderten zählenden Pferde ihrer Kavalkade in grellbunte Seide, schweren Samt und Gold und ritten tänzelnd, einen märchenhaften Pfauenglanz entfaltend, durch die Gassen Londons bis nach Whitehall, angeglotzt, leise bespöttelt und laut umjubelt von der schaulüsternen Volksmenge. Nie zuvor hatten die Taschendiebe so große Beute gemacht, wie bei dem lebensgefährlichen Gedränge an diesen Vorfesttagen.
Als erster traf »the Duke of Holst«, der Bruder der Königin, der ebenso hochnäsige wie beschränkte Herzog Christian von Holstein ein. Vierundzwanzig Stunden nachher konnten die Londoner den protzigen Reiterzug des Prinzen Friedrich Ulrich von Braunschweig angaffen und nasrümpfend bejauchzen. Der verstorbene Lord Cecil hatte es gut mit Prinzeß Elisabeth gemeint, als er – ein von James ausgehecktes Projekt durchkreuzend – den Bewerbungen Friedrich Ulrichs ein schroffes Veto entgegengesetzt hatte. Denn ein Rohling und Trinker war dieser welfische Prinz; – nichts hatte er von der Romantik seines Vaters Julius Heinrich geerbt, welcher einst als Krämer verkleidet über den Großen Belt gezogen war und sich unerkannt in das alte Hamletschloß Helsingör eingeschlichen hatte, um die Schwester der Königin Anna heimlich zu sprechen und ihre Liebe zu gewinnen, – wie das so in mittelalterlichen Epen zu geschehen pflegt ...
Als dritte langte die Kavalkade der Heidelberger Gäste an. In dem Gefolge des kindjungen hübschen Pfalzgrafen stach sein Ratgeber, der weißbärtige, fast allzu ernste Graf Witgenstein hervor; ferner der Bankier des pfälzischen Hofes Levinson; Beachtung auch fand die Reiteranmut der jüngeren rheinischen Dynasten: – als wahre Zentauren produzierten sich Ludwig von Nassau, Erbach, Hohenlohe und der Rheingraf; ihre Kleiderpracht hätte selbst einen Vergleich mit dem verschwenderischen Aufputz Lord Doncaster's oder Montgomery's nicht zu scheuen brauchen. Vor allem aber: der Pfalzgraf und seine vornehmen Begleiter waren Feinde des Hauses Habsburg, also auch Feinde Spaniens; – Grund genug für die Londoner sich mit Heilrufen die Kehlen wund zu schreien.
In den darauffolgenden Tagen ritten noch viele Gäste aus Schweden, Dänemark, Holland und Frankreich durch die Cheapside zum Königspalast, dem Herrn der Inseln gute Wünsche zu überbringen.
Ein letzter absonderlicher Gast zog erst am Vorabend des Meliades-Festes in die Stadt ein. Man hatte ihn nicht eingeladen und erst recht nicht erwartet. Außer der Königin und Suffolk, wußten bloß ganz wenige von seiner Ankunft. Es war ein indischer Elefant, ein Geschenk des Königs von Spanien an den Fürsten von Wales und Cornwall.