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Eigentlich hatten die Puritaner recht. Wozu ein Schiff bauen?
Wenn Gott den Winden erlaubte, die geheiligte Brüderschaft auf fünfhundert Inseln und Riffe zu setzen, war es da nicht offenbar Gottes Wille, daß sie Fort Algernon und Jamestown nie erreichen sollten? Auf den fünfhundert Inseln lebte sich's vortrefflich, während in der Kolonie nur die abenteuerlustigen Kavaliere und die Wohlhabenden vortrefflich – gelebt hatten, bevor sie wie die Fliegen starben.
Denn in der von Sir Walter Raleigh und dessen Halbbruder Sir Humphrey Gilbert gegründeten Kolonie – nach der jungfräulichen Königin »Virginia« genannt – waren noch immer keine Goldminen angelegt, noch immer kein Körnchen Gold gefunden worden. Das Gold der Weizenkörner hatten die ersten Kolonisten noch nicht entdeckt. Mit Indianern zu raufen – oder untereinander – war nicht einträglich und außerdem lebensgefährlich: von den sechshundert ersten Bewohnern der Kolonie lebten nur noch vierzig, hungernd, krank und verwahrlost. Drakonische Gesetze hielten die Gier im Zaume und hinderten die verkommenen Adligen und goldsuchenden Puritaner, weiße Indianer zu werden.
Wieviel besser hatte man es auf dem Bermudaarchipel! Hier gab es keine skalpierenden Irokesen und keinen Häuptling Powhatán, der für ein Stück Prärie eine Kanone forderte. Wie im Schlaraffenland flogen einem die Martinsgänse auf Kopf und Schultern, man brauchte bloß nach ihnen zu langen. Eier aus Nestern zu nehmen und Riesenschildkröten abzustechen, war kaum anstrengender, als sie zu kochen und zu verzehren. Mit dem Fleisch einer Schildkröte ließen sich siebzig Menschen speisen.
Als einmal Helways an einer Schildkrötenjagd teilnahm, fiel ihm ein schwarzer Gegenstand im Ufertang auf. Es war eine Schatulle aus Ebenholz, bis auf eine Kante ganz mit Sand und Tang bedeckt. Er hatte während des Schiffbruchs dies Ebenholzkästchen im Arm der dicken Mistris Rosamund Strahan gesehn, welche, den Tod vor Augen, sich von ihren Schätzen nicht hatte trennen wollen. Unauffällig scharrte er mit dem Fuß Muschelschalen und Sand über die hervorlugende Ecke. Seine Jagdgefährten standen ziemlich entfernt und beachteten es nicht. Er wagte in ihrer Gegenwart nicht, die Schatulle an sich zu nehmen; anderseits fragte er sich, ob er imstande sein werde, nachts die Stelle wiederzufinden.
Ein ungewöhnliches Ereignis, das alle Blicke auf sich lenkte, kam ihm zu Hilfe. Nicht sehr weit vom Ufer wurde ein kaffeebrauner gewaltiger Wal von einem Schwertfisch angegriffen. Sämtliche Schiffbrüchigen kamen aus dem Lager zum Ufer gelaufen und sahn gebannt dem aufregenden Schauspiel zu: wie der Fischriese durchbohrt wurde, furchtbar blutend untertauchte, wieder an die Oberfläche kam, immer wieder rotes Säugetierblut verlor und nach langem Kampf schließlich den Todesstoß erhielt ... Unterdessen erbrach Helways die Schatulle. Sie strotzte von unschätzbaren Juwelen. Er stopfte sich die Taschen voll und warf den leeren Kasten in eine Felsspalte.
Jetzt war er reich. Und jetzt wurde er der treuste Anhänger des Admirals, weil dieser mit eiserner Strenge, unbekümmert um das Murren der Puritaner, den Bau des Schiffes erzwang. Blieb das Schiff unvollendet, so unterschied sich arm und reich so wenig wie in Charons Nachen. Auf wüsten Meeresklippen seine Tage zu beschließen, wünscht sich kein reicher Mann.
Nach Westen zog es Helways nicht mehr, das Ziel seiner Sehnsucht wurde England. Zwar war er unrühmlich aus der Heimat entwichen, ein Flüchtling, geängstigt vom schlechtesten Gewissen. Doch sein Reichtum verbesserte sein Gewissen, vergoldete es, machte es glänzend. Vor den Constables Londons brauchte einen reichen Mann nicht zu bangen. Mit den Perlenketten und Diamanten in der Tasche konnte er Mistris Turner versöhnen, sie hindern, ihn dem Henker auszuliefern. Auch seinen grollenden Gläubiger Northampton konnte er beschwichtigen, alle Schulden bezahlend, die Gunst des eifersüchtigen Greises zurückgewinnen, sich von ihm die Tore Whitehall's wieder öffnen lassen. Ein reicher Mann hatte Aussichten bei Hofe.
Seine allzu weiße, etwas verkrüppelte Hand und sein adliger Name erlaubten ihm nicht, als Zimmermann mit Säge oder Axt sich zu betätigen. Dafür erbat er sich von Sir George Somers eine Hellebarde und förderte den Schiffsbau, indem er mit einigen anderen Bewaffneten für Mannszucht im Lager sorgte.