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3

Im Auftrage der Königin war heimlich ein Brustbild ihres getreuen Sir Harbert gemalt worden, so heimlich, daß er selbst nichts davon erfuhr. Sie hatte es malen lassen, um es, dem Kopfende ihres Bettes gegenüber, an die Wand zu hängen, – ein extravaganter Huldbeweis, mit dem sie ihrem Freunde eine Weihnachtsüberraschung bereiten wollte. Da es nicht angängig war, ihm das Bild am Christabend zu zeigen, bestellte sie ihn auf den ersten Feiertag morgens sieben Uhr in ihr Schlafzimmer. Das konnte sie ohne Gefahr tun, denn althergebracht war es, daß der König sich von der Bewirtung des Old Father Christmas bis in die späten Mittagsstunden erholen mußte.

Indes, – die Wände eines Palastes haben nicht nur Ohren, sie haben auch Münder. James wurde benachrichtigt ...

In reizendem Déshabillé empfing die Königin ihren schüchternen Ritter. Mein Gott, wie war er schamhaft! – und hatte doch gar keine Ursache, befangen zu Boden zu blicken! Ihre einstige Amme, die dänische Marthe, bewachte den Vorraum draußen; zartfühlend lagen noch sämtliche Hofdamen und Gentlemen of the Bed-Chamber in ihren Betten; keines Neiders Blick hatte ihn auf Diebessohlen heranschleichen sehen. Was konnte er also fürchten? Oder fürchtete er die Königin?

Ein seltsamer Kauz war Sir Harbert. Auf einer geistigen Abenteuerfahrt entdeckte er gelegentlich den Deismus, blieb aber zeitlebens Zerrbild Don Juans sowohl wie des Helden von La Mancha. An seinem fünfzehnten Geburtstag hatte er seine um dreißig Jahre ältere Base, eine reiche Erbin; geheiratet, – der Bedingung des tollen väterlichen Testaments sich fügend, durch welches er vor die Wahl gestellt worden war, entweder nichts oder – falls er die Bedingung erfüllte – Montgomery Castle nebst großen Liegenschaften zu erben. Nach diesem furchtbaren Opfer an die Vernunft, meinte er, der Vernunft hinfort nichts mehr schuldig zu sein. Mit seiner weißhaarigen Gattin stand er sich ausgezeichnet, denn sie bewohnte Montgomery Castle – irgendwo im Norden –, wo er sie niemals aufsuchte; und von seinen Eskapaden kam ihr nichts zu Ohren. Wie Butter oder wie weiches Wachs war sein Herz: ob Bäuerin, Orangegirl oder Herzogin – wenn das Frätzchen hübsch war, hinterließ es einen tiefen Eindruck; blutjung mußte es freilich sein. Besonders halbwüchsige Mädchen taten es ihm an. Und eine Abneigung hatte er gegen weibliche Wesen, die das zwanzigste Lebensjahr überschritten hatten. Die Königin hatte es längst überschritten ...

Das eben war sein tragikomischer Konflikt, daß er aus Ritterlichkeit und Eitelkeit sich die fürstliche Liebe gefallen lassen mußte. Es wäre ja unritterlich, unklug und grausam gewesen, der Königin die Illusion zu rauben. Sie aber legte seine Seufzer falsch aus und fand seine Zurückhaltung rührend: Wie sollte auch ein Endymion angesichts der Mondgöttin nicht verschüchtert sein!

Mit erkünstelter Dummheit wehrte er sich. Mein Gott, er war ja so ahnungslos! Die Frau des Potiphar girrte ihn an, und er begriff nicht. Deutlich genug war sie doch!

Sie führte ihn vor das Ölgemälde, das mit einem grünseidenen Vorhang verdeckt war. Er sollte raten, was da im Goldrahmen an der Wand hing ... Unglaublich, – er erriet es nicht! Triumphierend zog sie an einer Schnur, der Vorhang glitt zur Seite, – er stand sich selbst gegenüber. Schmolz ihm das harte Herz? ...

Plötzlich pochte es. Durch die Tür rief die dänische Marthe, der König nahe. Zum Glück hatte das Schlafzimmer eine zweite Tür.

Als James hereinhinkte, lag Ihre Majestät im Bett, gähnte, rieb sich die Augen, offenbar eben erst erwachend.

»Ei, Jimmy, findest du auch einmal den Weg hierher?« fragte sie höhnisch und räkelte sich verschlafen. Doch heute nannte er sie nicht Ninive. Streng und böse stellte er ein Verhör an. Weit kam er freilich nicht damit.

»Madam, wo ist Sir Harbert?«

Im Nu sprang sie aus dem Bett (wenig aufs Dekorum bedacht) und stellte sich hoheitsvoll, drohend vor ihn hin. Um Kopfeslänge überragte sie ihn.

»Das ist eine Infamie, Jimmy! ... So krieche doch unters Bett! Schnüffle herum! Klettere in den Kamin! Bitte, bitte ... Soll mich freuen, wenn du als Schornsteinfeger zurückkommst! ...«

»Das habe ich nicht nötig, Madam!« versetzte er giftig lächelnd und zeigte auf das Ölbild. Sie hatte in der Eile vergessen, die grüne Seidenhülle vor das Bild zu ziehen. Wütend schrie sie:

»Was geht es dich an, wie ich mein Schlafzimmer schmücke, das du nie, nie, nie betrittst, du Eunuch!«

Ziemlich kleinlaut klang seine Antwort:

»Das kannst du mir bestätigen, Ninive, daß ich dich nie eingeschlossen habe ...«

»Ich aber dich!«

»Das ist lange her. Tempora mutantur, Ninive! Und wenn du deine Ehre nicht wahrst, so muß ich es tun!«

»Du willst mich wohl aufs Schafott bringen wie Anne Boleyn?«

»Nein, aber ich werde mich scheiden lassen!«

»Du? ... Köstlich! Wie oft hast du's schon gewollt, doch immer warst du und wirst immer zu feige sein! Denn dann würde die Welt über dich etwas zu hören bekommen, was die Welt noch nicht ahnt!«

James verstummte und verließ sie. Eine Stunde später brach er nach Waltham Forest zur Jagd auf.


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