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36

Die jüngste kreideblasse Tochter der Countess of Suffolk, die zwölfjährige Catherine Lady Howard, war von ihrer ältesten Schwester Elisabeth Lady Knollys auf eine Besuchsfahrt nach Ambergate Park mitgenommen worden. Als die Kalesche der Ladies am Portal der Villa vorfuhr, schlüpfte Arbella durch eine Gartentür ins Freie hinaus. Das tat sie stets, sobald Besucher kamen, und erfüllte damit einen Wunsch des Lord Moray. Diesem hatte James erst kürzlich wieder eingeschärft, vom Aufenthalt Arbella's in Ambergate Park dürfe die Welt zunächst noch nichts erfahren.

Lady Knollys kam heute mit einem Anliegen zu Lady Moray. Und da das, was ihr auf der Seele brannte, nicht besprochen werden konnte, ohne ihr ehebrecherisches Verhältnis mit Lord Vaux zu erwähnen, wurde Lady Catherine, während die beiden Damen sich im Boudoir einschlossen, in den Garten zum weißen Pfau hinausgeschickt.

Obgleich erst zwölf Jahre alt, hatte sich das melancholisch dreinblickende, altkluge Kind mit William Cecil, Viscount Cranborne, dem ältesten Sohn Robert Cecil's verlobt und war durch die Unvorsichtigkeit ihres indolenten Bräutigams Mitwisserin eines Geheimnisses geworden, von welchem in Whitehall Palace die Gescheitesten, mochten sie auch sonst das Gras wachsen hören, nicht das geringste ahnten. Besser unterrichtet zu sein als die gesamte Hofgesellschaft, machte die Kleine über die Maßen stolz. Geweckt, aber noch nicht ganz befriedigt war ihre krankhafte Neugier; – der Sache auf den Grund gehn wollte sie, mit eigenen Augen sich überzeugen.

Daß sie von Lady Knollys hinausgeschickt werden würde, hatte sie vorausgesehn, – das gehörte mit zu ihrem Plan. Bei einem Gärtnerburschen, den sie im Garten traf, erkundigte sie sich nicht, ob Arbella hier wohne, stellte vielmehr an ihn kühn die Frage, wo die Lady sei. Der Bursche nahm die Mütze vom Kopf und glotzte das damenhaft aufgeputzte Persönchen mit dem pilzähnlichen riesigen Straußenfederhut fassungslos an. Vor Verlegenheit in einen Blumentopf tretend und eine Gießkanne umwerfend, zeigte er auf eine Allee.

Und wenige Minuten hernach stand Catherine vor Arbella und versperrte ihr den Weg.

»Ich bin beglückt, Ihre Bekanntschaft zu machen, Lady Arbella!«

»Du irrst, mein Kind – – –«

»Auch Sie irren, edle Lady, wenn Sie mich ein Kind nennen! Ich tanze bereits auf Hofbällen; die Lords schenken mir Handschuhe und Ypocras-Wasser. Von meiner Großmutter habe ich Peele Castle, Glamis Castle und Berry Pomeroy Castle geerbt und dazu fünfzig Papageien, die alle wie Menschen sprechen. Meine Papageien duzen mich nicht.«

»Oh! ... Ich werde mich von Papageien nicht beschämen lassen und mir solch einen Fehltritt nie wieder zuschulden kommen lassen, süße Lady!«

»Ich heiße Catherine Lady Howard ... Übrigens übertreffen Sie meine Erwartungen: ich mache Ihnen mein Kompliment. Sie sind das schönste Mädchen, das ich in meinem Leben sah.«

»Ihr Leben ist nicht sehr lang, Lady Catherine.«

»Ist Ihr's viel länger, Lady Arbella?«

»Bei Gott, Sie irren wirklich! ...«

»Lügen Sie nicht! Sie verstehn ja gar nicht zu lügen! ... Es würde Ihnen auch nichts nützen, wenn Sie's weniger ungeschickt machten. Ich weiß ja doch allerlei von Ihnen.«

»Von mir oder von Lady Arbella?«

»Soll ich sagen, was ich von Ihnen weiß?«

»Ich bin neugierig. Haben Sie es von Ihren fünfzig Papageien?«

»Nein, – von den Gespenstern in Glamis Castle! Wahr ist es aber doch. Sie haben sich mit einer Diebin auf Rapiere duelliert. Seine Majestät rettete die Diebin – sonst wäre sie nämlich von Ihnen durchbohrt worden. Und weil Sie so schön sind, beschloß Seine Majestät, eine Mätresse aus Ihnen zu machen.«

»So denken die Gespenster von mir? ...«

»Wenn Sie jetzt in einem Spiegel Ihre erschrockenen Augen betrachten könnten, würden Sie einsehn, wer Sie sind!«

»Ich erschrak über das Wort im Munde eines Kindes, – Verzeihung, im Munde einer so jungen Lady.«

»Welch ein Wort? Ach so, – Mätresse? ... Da muß ich mich aber totlachen! Man merkt, daß Sie nie in Whitehall waren. Sie gehn wohl niemals in die Schauspielhäuser?«

»Und was erzählen sich die Gespenster sonst noch von Arbella Stuart?«

»Seine Majestät erzieht Lady Arbella, denn sie war wie ein wildes Tier, als Seine Majestät sie fand. Einem lebenden Täubchen riß sie den Kopf ab und fraß es ungebraten auf – – –«

»Pfui, das tat Lady Arbella?«

»Ja, denken Sie, ihr Kleid war vom Täubchenblut ganz bespritzt. Nicht einmal einen Hofknicks verstand sie zu machen. Darum erteilt ihr Seine Majestät Tanzunterricht – eigenhändig oder eigenbeinig, wer kann das wissen ... Doch die Beine Seiner Majestät sind etwas ungleich geraten. Hihihi! Ich möchte Seine Majestät den Tom Bedlo tanzen sehn! ... Nun, während der letzten Tanzstunde, als eben die Nachricht kam, der König von Frankreich sei ermordet, gingen Sie mit einem Messer auf Seine Majestät los und wollten ihn erdolchen. Seitdem zittert Seine Majestät Tag und Nacht und läßt aus Angst Papisten verbrennen. Und deshalb spricht jetzt meine Schwester mit Lady Moray.«

»Deshalb ...?«

»Wegen Lord Vaux. Sie haben doch gewiß gehört, wie es dem armen Kerl ergangen ist.«

»Nein. Wer ist Lord Vaux?«

»Der Galan meiner Schwester. Das ist ja weltbekannt, daß mein Schwager Lord Knollys ihm ein gewaltiges Hirschgeweih verdankt. Doch nicht darum, sondern weil Lord Vaux ein heimlicher Katholik sein soll, hat ihn Seine Majestät als gemeinen Matrosen auf ein Kriegsschiff kommandiert. So ein parfümiertes Zierpflänzchen – es ist ein Jammer um ihn! Meine Schwester weint sich tot darüber. Doch meine Eltern und mein Oheim, Lord Northampton, weigern sich, zu helfen, denn Lord Knollys soll die Schulden meiner Mutter bezahlen ... Meine Schwester will nun Lady Moray bitten, ein gutes Wort bei Seiner Majestät einzulegen ... Wissen Sie übrigens, wer heute Sie besuchen kommt?«

»Mich?«

»Prinz Hal. Er ist der hübscheste Junge in England. Er ist bezaubernd. Sie werden sich in ihn verlieben, Lady Arbella, passen Sie auf! Jede Frau verliebt sich in ihn.«

»Kleine Frauen, wie Sie, Lady Catherine?«

»Ich bin verlobt, das schützt mich.«

»Nein, wirklich?«

»Aber sogar verheiratete Frauen – ich finde, es ist widerlich, daß Frauen solche Ziegen sind ... Zum Beispiel meine andere Schwester, Frances Lady Essex, – bis an die Ohren ist sie verliebt in ihn ... Wenn Sie mir versprechen, es nicht weiterzusagen – – –«

»Ich verspreche es Ihnen, Lady Catherine.«

»Meine Schwester Frances und der Prinz sind – – – Doch nein, ich bringe es nicht über die Lippen, – es ist zu gemein! ... Ja, ja, diese jungen Leute taugen alle nichts! Seien Sie froh, Lady Arbella, daß Sie nicht in Whitehall leben!«

»Woher wissen Sie, daß der Prinz herkommt?«

»Er und Sir Thomas ritten ein Stück Wegs neben unserm Wagen her. Der Prinz sagte natürlich kein Wort von Ihnen und tat so, als wolle er nur Lord Moray wegen eines Pferdes sprechen. Aber es ist doch klar, daß Sie das magnetische Pferd sind!«

»Von wem kann denn der Prinz erfahren haben, daß ich hier bin? Sind so viele redselige Gespenster in Glamis Castle?«

»Nur drei: Lord Cecil, Sir Thomas und ich! Bei Jupiter, ich will nicht Catherine heißen, wenn nicht des Prinzen Busenfreund ihm den Mund wässerig gemacht hat – – –«

Ein Lakei tauchte am Ende der Allee auf. Lady Catherine machte umständlich einen tiefen Hofknicks und lief wie eine Antilope der Villa zu. Auf sie wartend saß Lady Knollys bereits in der Kalesche.


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