Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

30

Große Nachtschmetterlinge schlugen dumpf gegen die bleiumrahmten Fensterscheiben Whitehall's. Als dann die Lichter des Palastes erloschen, flatterten sie gespenstisch dem emporsteigenden blauen Monde zu.

Etliche Tage waren seit dem Turnier vergangen. Durch Whitehall's Park, der unmittelbar an den Park des St. James Palastes grenzte, gingen Prinz Hal und sein Fechtlehrer Lord Moray, der lange David.

Hal hatte den Abend bei seiner Mutter dem läppischen Kinderspiel »Rise, pig, and go« zuschauend verbracht. Mit puppenhaften Mädchen hatte er geplaudert, in der Hoffnung, Arbella sprechen oder doch wenigstens sehn zu können.

Umsonst. Sie ließ sich nicht blicken. Ihm widerstrebte es, in Gegenwart von Frances nach ihr zu fragen. Einem zufällig erlauschten Gespräch zweier Hofdamen entnahm er, daß Arbella's Unpäßlichkeit nicht ernstlich geglaubt wurde. War es Strafe, daß sie in ihrem Zimmer blieb?

Enttäuscht trat er den Heimweg durch den Park an.

Ein Käuzchen miaute weinerlich, Fledermäuse umhuschten die Schreitenden. Über Baumäste, Blumen und Gras breitete sich ein bläuliches Zaubergespinst. Noch stand der Vollmond nicht so hoch, daß er die Sterne hätte verdunkeln können.

»Ist es nicht eine Schande, David, daß ich die Sterne nicht kenne! ... Kennst du sie?«

»Ich war noch nicht droben, mein Lord.«

»Das steht uns noch bevor, David. Und ich weiß, du freust dich darauf.«

»Ich leugne es nicht, mein Lord. Anne Gordon ist dort.«

»Aber ich meinte es doch anders. Den gestirnten Bären kenne ich, der ist sogar mein Freund. Wie aber heißen die andern hohen, wirklich hohen Herrschaften? Einen Zeremonienmeister des Himmels müßte man haben, der einen mit den Leuchtenden bekannt macht ... Übrigens kenne ich einen.«

»Einen himmlischen Zeremonienmeister?«

»Ja, freilich, – einen alten Astronomen. Ich befreite ihn aus den Klauen des Hexenfängers Crew – in jener Nacht, weißt du, als ich mit Overbury die köstliche Hundebeerdigung sah. Wir begleiteten ihn bis vor seine Wohnung in Paternoster Row gegenüber der Apotheke ... Da fällt mir ein: ich versprach dem Alten, sein Schüler zu werden, ihn in seiner Sternwarte aufzusuchen. Unverzeihlich, daß ich das vergessen konnte! ... Du mußt mich dahin begleiten, David.«

»Heute, mein gnädiger Lord? ...«

»Nein, – nächstens in einer mondlosen Nacht.«

Lord Moray war aufs äußerste erschrocken. Seit seiner Zusammenkunft mit Patrick Ruthven in der Mauritiuskapelle, hatte er angsterfüllt Tag für Tag der Worte Dr. Forman's gedacht: »Solange meinem Freunde nichts geschieht, werde ich den Prinzen schonen ...« Noch war dem Astronomen kein Haar gekrümmt worden, noch lebte er in der Verborgenheit, abgeschieden von aller Welt. Scheinbar friedlich lauerte das Verhängnis wie eine spiegelglatte Meeresfläche vor dem Sturm. Eine Unvorsichtigkeit von Seiten des Prinzen mußte den Sturm heraufbeschwören.

»Ich fürchte, mein gnädigster Lord, es kann dem alten Mann den Kopf kosten, wenn ihn der Thronfolger Britanniens mit einem Besuch beehrt.«

»In einer Staatskarosse werden wir nicht vorfahren, David.«

»Selbst wenn wir auf Diebessohlen hinschleichen wollten, mein Lord, – kaum je ist ein Thronfolger unbeobachtet. Trotz aller Heimlichkeit könnte der Zufall, falls er's böse meint, uns einen Streich spielen.«

»Du magst recht haben; der Zufall ist ein heimtückischer Gesell ... Gut, dann geh du nächster Tage allein zum Alten, und bitte ihn, zu mir zu kommen. Ich muß ihn sprechen.«

»Muß es sein, mein Lord? Sterne betrachten ist eine verbotene Kunst; die das tun, sagt man, sind Betrüger oder Gottesleugner ...«

»Dem will ich ja gerade auf den Grund gehn, David, ob nicht ein Atheist besser über Gott Bescheid weiß als der Bischof von Canterbury.«


 << zurück weiter >>