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Der instandgesetzte St. James Palast, seit Wochenfrist des Thronfolgers und seines Hofstaates Behausung, wurde am Abend dieses Festtages durch ein Gastmahl eingeweiht. An alle, die der Feier in Westminster beigewohnt hatten, waren Einladungen ergangen.

Venezianische Gläser und silberne Tafelaufsätze – schottische Erbstücke aus der Zeit des Königs Malcolm, – schimmerten zwischen Blumengirlanden auf dem hufeisenförmig gestellten Tisch. Und daneben befand sich, funkelnd von schwergoldenem Geschirr, auf einer zweistufigen Estrade (einem Hochsitz) ein anderer kleinerer Tisch mit nur fünf Gedecken für den Fürsten von Wales und Cornwall, für König James, für den Pfalzgrafen und für die Herzöge von Holstein und Braunschweig.

Die Ehren des Abends gehörten heute dem Neugekrönten. Nicht Pagen reichten ihm Speisen und Getränke dar, sondern ihn bedienten, als wäre er ein regierender Fürst, die vornehmsten Earls als Truchsesse und Mundschenken.

Mit wahrem Milchstraßengeflimmer leuchteten die Kandelaberkerzen und erhitzten den Saal. Wandleuchter glitzerten an den Wänden; die darüber hängenden Jagdtrophäen warfen ausgezackte Geweihschatten an die Balkendecke hinauf. In einer Saalecke stand ein Virginal – eine Art Spinet –; daran saß Master Thomas Lupo, griff in die Tasten und sang, begleitet vom prinzlichen Hausorchester, eine Melodie, – von der nur Hal wußte, wessen Lieblingslied sie war ...

Doch sie, für die er sich das Lied erbeten hatte, war heute nicht sein Gast. Königin Anna hatte für sich selbst und ihre Hofdamen die Einladung ausgeschlagen, weil sie in einer Nachtprobe Ben Jonson's Maskenspiele noch einmal durchsprechen lassen wollte.

Außer den Ladies nahmen auch zwei Eingeladene am Festmahl nicht teil. Der eine war der Herzog von Holstein. Zwar hatte er sich rechtzeitig eingefunden und war auch schon die Stufen zum Hochsitz emporgestiegen. Seinen Platz aber weigerte er sich einzunehmen. Der Herzog von Braunschweig – behauptete er – habe einen besseren Platz als er. Ohne sich beschwichtigen zu lassen, verließ er wütend den Bankettsaal und kam nicht wieder. – Ein Mißklang, der jedoch durch schallendes Gelächter und Sarabandenklänge übertönt wurde.

Der andere Abwesende war der spanische Gesandte.

Erst im Verlauf des Abends fiel es Hal auf, daß Don Fernando Gyrone nicht zugegen war; und da er ihn auch in Westminster Hall nicht erblickt hatte, erkundigte er sich. Die Ausflüchte und die verlegenen Gesichter der Gefragten bewirkten, daß er, nun erst recht, darauf bestand, die Wahrheit zu hören. Die hatte man ihm verschwiegen, damit kein Schatten auf seinen Festtag fiel. Jetzt erst erfuhr er vom unschätzbaren Geschenk des Madrider Hofes, dem Elefanten, und von dessen Vergiftung am Vorabend des Meliades-Festes durch einen fanatischen Puritaner. Die Vergiftung am Vorabend der Krönungsfeier galt vielen als ein schreckenerregendes Omen ...

Der indolente James hatte noch keine Schritte zur Versöhnung des gekränkten Gesandten unternommen. Suffolk, der in der vergangenen Nacht den Gesandten hatte besuchen wollen, war nicht vorgelassen worden. Hal ließ sich sofort Tinte und Feder bringen und schrieb einen bezaubernden Brief an Gyrone, bat ihn, die Untat eines Wahnsinnigen nicht ihn entgelten zu lassen, und drückte die Hoffnung aus, während der morgigen Maskenspiele, ihm mündlich sein Bedauern aussprechen zu können.


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