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Brief 1, »Geßner«: Salomon Geßner (1730–1788), dessen Idyllen, 1766 erschienen, damals auch in Frankreich Mode waren. Turgot hatte sie im Verein mit seinem deutschen Lehrer Huber ins Französische übersetzt (Idylles, Lyon 1762); zuvor Geßners »Tod Abels« (La Mort d'Abel, Paris 1761). In der deutschen Volksliteratur sind vom Gesamtwerk des Dichters nur die »Idyllen« am Leben geblieben. Es sei aufmerksam gemacht auf den Neudruck: Salomon Geßner, Idyllen. Mit Wiedergabe der 8 Vollkupfer und 16 Kupfervignetten Geßners. Weimar, bei G. Kiepenheuer, 1916.
Der Marquis von Mora weilte damals in Madrid, später wollte er sich nach Paris begeben, mußte aber seines Zustandes wegen unterwegs in Bordeaux bleiben, wo er am 27. Mai 1774 seiner Krankheit erlag. Graf Guibert war eben nach Deutschland abgereist, wo er insbesondere die Schlachtfelder des Siebenjährigen Krieges besuchte. Man kann sich ein Bild seiner damaligen Stimmung machen, wenn man sein Reisetagebuch liest. Es heißt da (Journal d'un voyage en Allemagne, fait en 1773, Paris, 2 Bände, 1803): »20. Mai 1773. Abreise von Paris, im Drange meiner Neugier, des herrischen Bedürfnisses, zu sehen, zu erkunden, aber zugleich tief bewegt; voll von Sorgen, untröstlich über die Trennung von allem, woran mein Herz hängt, traurig, eine weite Reise ganz allein antreten zu müssen, der Erwartung zuwider nicht zusammen mit einem Freunde. Warum bin ich eigentlich nicht da geblieben? Weil der Charakter im Menschen den Oberbefehl führt und selbst über das Gefühl kommandiert...«
Brief 2, »im September«: d.h. nach dem Weggange Moras von Paris, im August 1772. Montaignes berühmtes Kapitel Über die Freundschaft steht: Essais, Edition Charpentier, Bd. I, S. 271 ff.; in der unübertrefflichen Bodeschen Verdeutschung (Neudruck, München, 1911) II, S. 5–18. Der Freund, dessen Verlust Montaigne beklagt, ist Etienne de Laboêtie (1530–1562).
Brief 3, »Rußland«: Diderot folgte einer Einladung der Zarin Katharina II. Er reiste über Holland; seine Rückkehr erfolgte im Oktober 1774.
»Buch von Thomas«: Essai sur le caractère, les moeurs et l'esprit des femmes dans les différents siècles, Paris 1772. Als Graf Guibert 1785 Mitglied der Academie francaise wurde, erhielt er den Sitz dieses Thomas. Der Abbé Galiani schreibt am 24. Dezember 1772 an Thomas, der ihn um ein Exemplar seines Dialogs über (oder vielmehr gegen) die Frauen gebeten hatte: »Wollen Sie von meinem frauenfeindlichen Dialog gütigst weder Fräulein von Lespinasse noch Frau Geoffrin etwas sagen. Ich glaube, die beiden machen eigens eine Reise nach Neapel, um mir das Schicksal des Orpheus oder des Abälard angedeihen zu lassen: Notum quid femina furens. Wir sollten uns einander lieben, aber Gott und die Frauen fürchten!« Eine Kritik der Julie de Lespinasse über das Buch findet man in: Lettres inédites de Mlle. de Lespinasse, publiées par Charles Henry, Paris, E. Dentu, 1887, p. 199–201. Sie schließt mit den Worten: »Thomas ist der tugendhafteste, empfindsamste, geistreichste und beredteste Mensch. Sein größter Fehler ist: niemals dumm zu sein. Der meine ist: dies immer zu sein. Gott sei Dank, ich brauche dies nicht zu sagen!«
Brief 4, »Rue Taranne«: damals wohnte Guibert in dieser Straße.
»Montesquieu«: De l'esprit des lois, Kapitel 14.
»der einzige Brief«: Anspielung auf Madame Jeanne de Montsauge, mit der Guibert damals noch immer in galanten Beziehungen stand. Juliens starke Eifersucht spiegelt sich in ihren Briefen immer wieder. In der Urhandschrift steht stets nur: M. Alsbald bricht Guibert mit ihr: aber später nähern sie einander wieder. Auch sonst ist Juliens Eifersucht nicht unbegründet.
»Menschen, die vom Liebesdrang...«: Anspielung auf Mora, der Paris nur dem Rat seiner Ärzte zufolge verlassen hatte.
»Die Hölle...«: Verse aus Voltaires Tragödie Zulime, 2. Akt, 5. Auftritt.
»Die Kommandeurstelle...«: Guiberts Vater, der Generalleutnant Graf Charles Benoit de Guibert, hatte sich u.a. beworben; ernannt ward ein anderer, aber 1782 ist Guibert (der Ältere) Generalinspekteur des Invalidenwesens und damit zugleich Inspekteur der Kriegsschule.
Brief 5, »Dresden«: Es seien hier Guiberts Tagebuchblätter während seines Aufenthalts in Sachsen (im Juni 1773) wiedergegeben:
2. Juni 1773. – Vormittags in Leipzig angekommen. Die Stadt liegt nett, in einer weiten Ebene, in baumreicher Landschaft, rings herum lachende Gärten. Leipzig ist schlecht befestigt; Mauern und Wälle sind in keinem verteidigungsfähigen Zustande. So müßten alle Handelsstädte sein, alle die Orte, die zu verteidigen die Macht des Landes nicht imstande ist. Dann würden sie in Kriegszeiten den Schrecken einer Belagerung entgehen. Leipzig ist keineswegs eine Großstadt, aber seine Straßen sind schön, seine Häuser hoch und gut gebaut. Architektonisch ist der holländische Stil bevorzugt; er hat sich in den Städten Deutschlands eingebürgert, vor allem in den Handelsstädten. Nebenbei bemerkt, der Handel übt selten einen guten Einfluß auf den künstlerischen Geschmack aus; im Gegenteil, die Häuser, die Gärten, ganz Leipzig ist in dieser Beziehung dürftig, überladen von Ornamenten, häßlichen Malereien, schlechten Bildsäulen. Man hatte mir in Frankfurt die Leipziger Gärten vorgelobt. Ich habe die besten besichtigt; sie würden in Frankreich und England als mittelmäßig gelten.
3. Juni. – Die Poststraße führt über Hubertusburg, das Jagdschloß des Kurfürsten von Sachsen. Der letzte Frieden ist dort abgeschlossen worden [1763]. Das Schloß ist hübsch gelegen, in waldiger Ebene. Es war der Lieblingssitz des verstorbenen Landesfürsten [Königs Friedrich August II., gestorben 1763], der es prächtig ausgestattet hatte. Im letzten [im Siebenjährigen] Kriege ist es vollständig geplündert worden, wie man sagt, auf ausdrücklichen Befehl des Königs von Preußen [Friedrichs des Großen]: kriegslustige Fürsten lieben die jagdfreundlichen nicht. Gegen Meißen zu wird die Gegend abwechselungsreicher, weniger ermüdend. Eine Stunde vor Meißen erblickt man die Elbe, an deren linkem Ufer man nunmehr hinfährt. Meißen ist ein Städtchen im Elbtale. Hier passiert man den Strom auf einer Brücke mit steinernen Bogen. Die Elbe fließt majestätisch dahin, zwischen malerischen Hügeln und flachen Ufern. Eine Wegstunde hinter Meißen brach die Nacht herein und raubte mir den Anblick der Landschaft bis Dresden. Es soll liebliches, bevölkertes und sehr fruchtbares Gelände sein. Mitternachts kam ich in Dresden an und nahm Quartier im Hotel de Pologne.
4. Juni. – Ich habe mir das Stadtbild von Westen, das mir gestern die Nacht vorenthalten hat, nachträglich angesehen. Dresden liegt reizend in einem weiten Kessel, rings umgeben von Hügelketten mit zahlreichen Landhäusern und Dörfern. Die Elbe fließt mitten durch die Stadt; eine prächtige steinerne Brücke, eine der schönsten Europas, geht darüber, mit neunzehn Bogen, ein sehr altes Bauwerk. Friedrich August II. hat es erneuern und mit Fußsteigen versehen lassen sowie einem herrlichen eisernen Geländer, das Vasen, Trophäen und Laternen zieren. Dresden ist eine große, ziemlich frei liegende Stadt. Unter dem Bombardement während des letzten Krieges hat es stark gelitten; man sieht noch Spuren davon, aber es ist fast allenthalben wiederhergestellt und neuerbaut.
Um 9 Uhr vormittags habe ich mir die Wachtparade angesehen, an der 400 bis 500 Mann eines und desselben Regiments teilnahmen. Es ist Brauch, daß jedes Regiment der Garnison reihum den Wachtdienst ausübt. Vor dem Vorbeimarsch manövrierte die Wache eine Zeitlang. Schöne Soldaten, recht schmuck uniformiert, aber mäßig ausgebildet. Der Marsch schlecht, gar nicht flott und ausgiebig. Ruhe, aber bei weitem keine stramme Unbeweglichkeit. Kein einziger Mann sah gerade aus. Nach der Wachtparade war ich beim Grafen du Buat, unserem Gesandten. Liebenswürdige Aufnahme. Er behielt mich zum Mittagessen bei sich. Ich verbrachte drei bis vier Stunden allein mit ihm. Die Empfehlungsbriefe, die ich an ihn mit habe, und mein Werk, [den Essai général de Tactique], das er gelesen hat, haben mir sofort hinsichtlich des Zweckes meiner Reise die Wege gebahnt. Er ist mir gegenüber auf alles das bis ins Einzelne eingegangen, so wie ich es mir nur wünschen konnte, insbesondere auf die gegenwärtigen Verhältnisse in Sachsen. Ich habe die Abschriften der dienstlichen Berichte zur Einsicht mitnehmen dürfen, die er an den [französischen] Hof geschickt hat. Dann habe ich mit ihm einen Besuch beim Chevalier de Sare, dem Feldmarschall der sächsischen Armee, einem Stiefbruder des Marschalls von Sachsen, gemacht. Gute Aufnahme. Darauf beim Grafen von Hagen, dem kurfürstlichen Minister der auswärtigen Angelegenheiten. Allein besucht habe ich dann den Grafen de Bellegarde, Oberstleutnant der Gardedukorps, einem Neffen des Feldmarschalls, und den Geniehauptmann Aster, an den ich Empfehlungen hatte. Beide Offiziere überhäuften mich mit Liebenswürdigkeiten.
Zu Hause habe ich mit Befriedigung die verschiedentlichen Schriftstücke des Grafen du Buat studiert und mir Auszüge gemacht. Diese Berichte zeugen ebenso wie seine persönliche Unterhaltung von einem klugen Manne, einem trefflichen Beobachter, einem gründlichen Kenner der deutschen Verhältnisse und Ansprüche, ebenso wie der kaiserlichen Interessen und derjenigen Frankreichs allen beiden gegenüber. Aber sein Stil ist breit und trocken; Einschachtelungen ohne Ende. Er hat die Politik Deutschlands studiert, sich die gründliche deutsche Art und Weise angeeignet, aber er ist auch selber schwerfällig wie alle Publizisten dieses Volkes.
5. Juni. – Ich hatte eine sehr lange Unterhaltung mit den Herren de Bellegarde und Aster und dem Generalleutnant von Gersdorff, einem verdienstvollen Manne, dem Inspekteur der Genietruppen. Offene, vertrauensselige Herren, die mir alle möglichen Orders und Angaben über ihre Armee gegeben haben. Sie ist in kläglichem Zustande.
Nach der Wachtparade habe ich mir verschiedene Merkwürdigkeiten der Stadt angesehen: zunächst den Zwinger, eine Art öffentliche Promenade innerhalb eines Gebäudes. Man muß ihn als Vorhof zu einem projektierten Schlosse Friedrich Augusts II. auffassen. Ein Bauwerk, überladen an Ornamenten, übrigens dem Verfalle nahe. Im Innern die prächtige Kupferstichsammlung, eine der wertvollsten, die ich je gesehen habe. Man kann hier die gesamte Entwicklung des Kupferstiches von der Wiege dieser Kunst bis zu ihrer heutigen Vollkommenheit verfolgen. Dann die Gemäldegalerie, die mich im höchsten Maße gefesselt hat. Sie ist eine der wertvollsten und erlesensten von ganz Europa durch ihre große Zahl von Meisterwerken aller italienischen Schulen. Allein sieben Correggios; soviel besitzt nicht einmal Italien. Auch die Niederländer sind reich vertreten.
Der König von Preußen hat nach dem Friedensschlusse eine Menge Kopien von Galeriebildern anfertigen lassen. Ich glaube, wenn man die Galerie während des Krieges nicht nach der uneroberten Festung Königstein gerettet hätte, wäre ein viel einfacheres Verfahren angewandt worden. Der Preußenkönig hat in Sachsen schauderhaft gehaust. Der Graf Brühl ist gemein behandelt worden. Wenn der Eroberer Attila Rom hat in Flammen aufgehen lassen, so ist das verständlich, aber ein König, der sich »Philosoph« nennt, der die Künste lieben will, ein Sohn des 18. Jahrhunderts!
Zu Tische beim Grafen du Buat; hinterher mit ihm geplaudert: er hat mir mit grenzenloser Gefälligkeit alle Fragen und Bemerkungen hinsichtlich seiner Berichte beantwortet. Ein gründlich unterrichteter Mann.
Nachmittags Spaziergang mit dem Grafen de Bellegard außerhalb der Stadt. Die Umgegend ist voll Schönheit; nach allen Richtungen hin bequeme Promenadenwege.
Die Befestigungen besichtigt: sie sind mäßig. Der Kurfürst täte gut, sie demolieren zu lassen, um seine Residenzstadt nicht ein zweites Mal den Schrecknissen einer Belagerung auszusetzen. Er hat es nicht getan, weil das Geld kosten würde.
Als die Österreicher unter dem General Maquire in Dresden eingeschlossen waren, haben sie die Friedrichsstadt, die westliche Vorstadt, mit Schanzen umgeben, von der Weißeritz bis zur Elbe. Diese Erdbefestigungen verfallen jetzt. Weiter hinaus erblickt man noch andere Reste von Erdbefestigungen, die aus dem Dreißigjährigen Kriege herrühren. Die preußischen Pioniere und ihre Artillerie haben sich bei der Belagerung von Dresden ungeschickt benommen. Darüber wurde mir mancherlei berichtet.
Ich war in der Stellung des Generals Dann bei Plauen: sie liegt parallel der preußischen Stellung. Die preußischen und österreichischen Streitkräfte haben sich überall auf den Höhen gegenübergestanden, die den Dresdner Talkessel umrahmen. Dresden ist ein strategischer Punkt ersten Ranges und auch taktisch sehr wohl haltbar. Die natürliche Beschaffenheit des Geländes seiner Umgebung hat die erleuchtetsten sächsischen Offiziere zu folgender Behauptung veranlaßt: »Wenn wir eine Armee von 30 000 Mann Effektivbestand unter guter Führung hätten, so könnte Dresden gegen den König von Preußen oder die Österreicher gehalten werden, vorausgesetzt daß man es nicht gleichzeitig mit beiden Mächten zu tun hat.« Zunächst glaubte ich das nicht, weil ich der Ansicht bin, daß es nur ganz ausnahmsweise Stellungen gibt, die eine überlegene, taktisch geschulte Armee nicht entweder angreifen oder umgehen kann. In der Tat sind die Stellungen südlich um Dresden vorzüglich; sie sind gleichwertig einer Festung... Doch zurück zur Wirklichkeit! Die Sachsen haben die 30000 Mann nicht gehabt; sie sind überhaupt keine Soldaten, und auch ihr Fürst ist keiner. Also wird sich jene Behauptung niemals erfüllen, und Sachsen kann sich vor einer Invasion (der Österreicher usw.) nur dadurch schützen, daß es sich mit Preußen eng verbündet.
Den sogenannten »Großen Garten« besucht. Er liegt vor der Stadt und gehört dem Kurfürsten. Dieser Garten ist tatsächlich recht groß, aber er hat nichts besonders Merkwürdiges. Die schönsten Alleen hat der König von Preußen umschlagen lassen; er hat seinen Generalen erlaubt, die Standbilder darin als Beutestücke zu nehmen. Es standen sehr schöne darin. Im Palais und in verschiedenen kleinen verstreuten Pavillons stehen antike Bildwerke, Gruppen und Hermen, Darstellungen aus der Mythologie der Griechen und Römer. Sie sind fast alle beschädigt und im schlechtesten Zustande. Das sind Reste der Prachtentfaltung Augusts II., der sie unter großen Kosten hat aus Italien kommen lassen. Unter anderem sieht man eine Venus, die sogenannte Dresdner Venus, nach der Florentinischen eine der schönsten, die es gibt. Alle diese Werke dienen jetzt zu Studienzwecken. Die Akademie für Malerei und Skulptur, die während des Krieges daniederlag, hat sich unter der Regentschaft des Prinzen Xaver [1763–1768] wieder ein wenig erholt. Italienische Lehrer leiten dieses Institut, das 30000 Taler kostet. Das paßt nicht recht zu der gegenwärtigen wirtschaftlichen Lage Sachsens. Es hätte ein paar ordentliche Regimenter nötiger als eine Kunstakademie. Die sächsische Verwaltung hat Gebrechen sonder Zahl; die Finanzen sind in Unordnung, die Armee ist schlecht und oft kaum besoldet, am Hofe Kabalen, Wirrwarr, Infamien jeder Art. Der Beste in der kurfürstlichen Familie ist noch der Prinz Xaver [1730–1806]; aber er kümmert sich um nichts mehr, lebt auf dem Lande und zöge sich am liebsten nach Frankreich zurück. Er bezieht eine kärgliche Apanage. Alle diese Einzelheiten entnehme ich einer speziellen Denkschrift.
Zum Souper beim Grafen von Sacken, dem Minister des Auswärtigen. Sehr lange mit ihm geplaudert. Er wollte mir beweisen, daß Sachsen die dritte Großmacht Deutschlands sei, daß es eine große Rolle spielen könne. Mit seinen zwei Millionen Untertanen müßte es im europäischen Gleichgewicht mehr wiegen als die meisten Königreiche. Dann entwickelte er seine Pläne für die Armee, die Landwehr, die Kavallerie. Frankreich ist doch nicht das einzige Land, wo Nichtmilitärs klüger sein wollen als die Militärs! Dieses Gespräch hat mir die Worte des Herrn du Buat bestätigt, der mir gesagt hatte: »Der Graf von Sacken ist ein Mensch ohne Einsicht, ohne Geist, ohne Begabung, möchte sich aber gern das Ansehen des Ministers einer Großmacht geben.«
6. Juni. – Ich bin dem Kurfürsten [Friedrich August III.] durch den Grafen du Buat vorgestellt worden; dann der Kurfürstin. Durch den Oberhofmarschall ist mir eine Einladung zur Hoftafel zugegangen. Ich saß zur Seite der Kurfürstin. Schönes Porzellan, mäßige Küche. Nach deutscher Sitte bedient man sich nicht selbst, sondern wartet, bis einem ein Haushofmeister eine Platte reicht. Jede Platte macht die Runde um die Tafel; dadurch dehnt sich die Mahlzeit sehr aus. Die Unterhaltung war mehr als matt. Der Kurfürst ist schüchtern; die Kurfürstin, nichts weniger als hübsch, groß, von recht netter Figur, aber ohne Haltung, ohne Schick, war gesprächiger. Sie richtete eine Menge Fragen an mich über lauter kleinliche Dinge. Nach der Tafel verbrachte man eine Viertelstunde im Saal, worauf sich der Kurfürst und die Kurfürstin in ihre Gemächer zurückzogen.
Ich habe die Gärten des Grafen Brühl besucht. Es gibt deren zwei, einen in der Stadt [die heutige Brühlsche Terrasse], den andern in der Vorstadt. Der erstere in prächtiger Lage am Elbufer. Überraschende Reste der unerhörten Prachtliebe jenes Ministers; Ruinen eines Kiosks, der seinesgleichen in ganz Europa nicht gehabt hat [gemeint ist das Belvedere, damals in Ruinen, 1814 neuerbaut auf Befehl des russischen Gouverneurs von Dresden, des Fürsten Nikolaus Reppin, durch den Hofbaumeister Christian Friedrich Schurig (1753–1831)]. Der König von Preußen hat dieses Bauwerk ohne Grund, ohne ein anderes Motiv als das kleinlichen Hasses gegen den Grafen Brühl, zerstört. Ebenso hat er im Garten alles verwüsten lassen. Statuen, Fresken, alles ist umgeworfen oder verstümmelt. Man hört hier Anekdoten, die für den König sehr entehrend sind. Beispielsweise ließ er einen der Paläste des Grafen Brühl in Brand stecken und sah den Flammen aus einem Fenster zu. Was ist abscheulicher, als wenn sich ein Genie derart erniedrigt!
Die Brühlschen Gärten vor der Stadt sind viel geräumiger, sie haben ihm dafür volle 40000 Taler gekostet. Es sind Riesengärten, die einen Vergleich mit den schönsten Pariser Gärten aushalten. Jetzt verwildern sie, weil man sie nicht erhalten kann; nach und nach schleppt man alle Überbleibsel heraus. Das ungeheure Vermögen dieses Ministers ist wunderbar schnell verschwunden. Aus seinem Nachlaß, der auf mehr denn acht Millionen eingeschätzt worden ist, sind nicht einmal die Gläubiger befriedigt worden. Seine Kinder sind schuldbelastet und haben kaum zum leben. Eine tröstende Tatsache für die Kleinen, die Armen, die Unterdrückten! Eine Tatsache, die mehr Philosophen erzeugen sollte als irgendwelche Moralpredigt!
Abends Gesellschaft bei Hofe. Ich mußte hingehen. Habe den Rest der kurfürstlichen Familie kennen gelernt: den Prinzen Karl, den Bruder des Kurfürsten, den präsumtiven Thronfolger, da der Kurfürst keine Kinder hat. So ganz und gar kein Fürst, ein Krüppel, und am Geiste fast ebenso schwächlich wie am Leibe. Trotz alledem möchte ihn die Kurfürstin-Mutter gern verheiraten. Die Prinzessin Amalie [1794–1870, bekannt als dramatische Autorin] schließlich, die Schwester der Kurfürstin, ist recht hübsch, vorzüglich erzogen; sie plaudert mit Würde und Anmut. Die Hofgesellschaft trübselig, die Damen durchweg häßlich, durchweg schlecht angezogen, die Herren noch schlechter gekleidet. Wer möchte glauben, daß der Dresdner Hof noch in diesem Jahrhundert der prächtigste, galanteste und liebenswürdigste Europas gewesen ist?
Brief 5, »Zadig«: ein philosophischer Roman von Voltaire (1748). Deutsch: Zadig oder das Geschick. Eine morgenländische Geschichte. Übersetzt von Adolf Elissen. Leipzig, bei Wigand, 1844. (Neudruck in Reclams Universal-Bibliothek.)
»in Straßburg«: Guibert verweilte einige Tage in dieser Stadt, dem damaligen Standort seines Regiments, der »Korsischen Legion«.
»Le Connétable de Bourbon«: Tragödie in Versen in 5 Akten, zuerst gedruckt 1785. Es ist das einzige Stück Guiberts, das eine Aufführung erlebt hat.
»Wechselspiel«: Anspielung an ein Lied, das damals in Mode war, mit dem Kehrreim: »Das ist Verschiedenheit – und das ist Ähnlichkeit!«
Brief 6, »Chevalier d'Aguesseau«: später Marquis; damals Oberstleutnant, 1784 Feldmarschall; vertrauter Freund Guiberts; auch in der Einleitung Essai général de Tactique (1772) erwähnt.
Brief 7, »Montauban«: Schloß Montauban, das väterliche Gut, wo Hippolyte Guibert am 11. November 1743 geboren ist.
»Moulin Joli«: Der Landsitz Watelets (vgl. Einleitung S. XIX f.), am linken Ufer der Seine unweit Bezon, mit einem prächtigen englischen Park. Von Watelet hat sich Essai sur les jardins erhalten.
Brief 8, »Frau du Chatelet«: Die ebenso berühmte wie ungetreue Freundin Voltaires, gestorben 1749.
»Larochefoucauld«: Maximes 138: »Lieber sagt man Schlechtes von sich als gar nichts!« Hingewiesen sei auf die deutsche, von Wilhelm Weigand eingeleitete Ausgabe in der Inselbücherei (Nr. 126), wo man den Spruch auf Seite 37 findet. »Graf Crillon«: Der spätere Herzog (1748–1820), zuletzt Generalleutnant und Pair von Frankreich, einer der vertrauten Freunde Guiberts.
»Graf d'Aranda«: 1718–1799, spanischer Gesandter in Paris von 1773–1792.
»Fuentès«: Der Vater des Marquis de Mora (vgl. Einleitung S. XVI).
Brief 9, »König von Preußen«: Friedrich der Große (gestorben 1786). Guibert schreibt in seinem Tagebuche (I, 215 f.): »...Gestalt, Gesicht, das ganze Wesen dieses Fürsten hat mir in jeder Beziehung alles das bestätigt, was man mir von ihm vorher berichtet hatte. Indessen gestehe ich, daß ich bei meiner heutigen ersten Unterhaltung ein schlechter Beobachter gewesen bin. Ich habe meine ganze Aufmerksamkeit seinen Worten gewidmet und dem Trachten, sie gut zu beantworten. Eine gewisse magische Luft schien um seine Person zu schweben, etwas von dem, denke ich, was man um einen Heiligen ›Heiligenschein‹ und um einen großen Mann ›Gloriole‹ nennt. Jetzt erinnere ich mich seiner Züge, als hätte ich sie im Traume gesehen.«
»jene Dame«: Madame de Montsauge.
»Gräfin Boufflers«: 1746–1726, Ehrendame der Prinzessin Conti, bekannt durch ihre intimen Beziehungen zum Prinzen Conti. Sie hatte den Spitznamen »Idole du Temple«; der Fürst wohnte im ehemaligen Hause des Templerordens. Die »kleine Boufflers« ist ihre Schwiegertochter Gräfin Amélie, die spätere Gräfin von Lauzun. Es gibt ein berühmt gewordenes (weil Mozart als Wunderkind darauf dargestellt ist) Ölbild von Michel Barthélemy Ollivier, gemalt 1766, heute im Louvre: »Tee beim Prinzen Conti im Temple«; beide Damen erscheinen auf diesem reizvollen Bilde, das ich in meinem »W.A. Mozart« (Inselverlag 1913) I, S. 117 ff. ausführlich geschildert habe. Es ist das anschaulichste Gesellschaftsbild jener Tage!
»Die Dauphine«: Marie Antoinette, die am 8. Juni 1773 ihren feierlichen Einzug in Paris gehalten hatte und am 15. Juni zum ersten Male die Königliche Oper besuchte.
»Graf d'Argenson«: 1696–1764, ein Sohn des berühmten Polizeipräsidenten, der jüngere Bruder des bekannten Verfassers von »Denkwürdigkeiten«.
»Voltaire«: Die Stelle steht im Enfant prodigue, Komödie in Versen (1738).
Brief 10, »Polyeukt«: Polyeucte, Tragödie von Corneille, III. Akt, 5. Auftritt.
»König von Preußen«: Guibert hatte dem König vor seiner Audienz in Potsdam, die am 17. Juni stattfand, einen Empfehlungsbrief d'Alemberts übersandt, dazu folgende Zeilen: »Sire! Eurer Majestät unterbreitet das Schreiben des Herrn d'Alembert, dem ich dies hinzuzufügen mir die Freiheit nehme, die Gründe, die mich in Ihre Lande führen. Ich komme hierher, um Ihrem Ruhme zu huldigen, ich komme, um mich zu unterrichten, ich komme insbesondere, um zu versuchen, den Eindruck zu verwischen, den in Eurer Majestät Erinnerung etliche Sätze meines »Buches des Essai general de Tactique hinterlassen haben. Könnte es anders sein als daß der Mann, der Ihnen sein Werk in großer Verehrung überreicht und an einem Dutzend andrer Stellen den Eurer Majestät mit Recht zukommenden Tribut enthusiastischer Bewunderung gezollt hat, nur unbeabsichtigt Ausdrücke gebraucht hat, die Ihnen mißfallen haben? Sire, ich wage vor Eurer Majestät gegen jede andre Auslegung Einspruch zu erheben. Genehmigen Sie ihm Allergnädigst die Huld, Ihnen seine Aufwartung machen zu dürfen. Gestatten Sie ihm, einen König zu sehen, von dem die Geschichte so viel Wunderbares zu erzählen haben wird. Es ist der Schmerz der Nachwelt, große Helden, deren Taten sie liest, nicht persönlich kennen lernen zu können. Ich habe den Vorzug, im Jahrhundert Eurer Majestät geboren zu sein; und das Glück, Sie zu sehen, Sie mit eigenen Augen zu bewundern, erscheint mir wie ein Recht. Man betete im alten Athen den Unbekannten Gott an; gewähren Sie es, Sire, daß ich mein ganzes Leben lang nicht dem Ungekannten Helden zu huldigen habe. Ich bin usw.«
Brief 12: Guibert hatte Wien am 19. Juli 1773 verlassen, um sich nach Ungarn zu begeben.
»Chevalier von Chastellut«: Der spätere Marquis (1734–1788), Offizier. Er wurde 1775 Mitglied der Akademie Française. Sein (bestes) Buch »La Felicite publique« war 1772 erschienen. Er war ein liebenswürdiger charaktervoller Mensch, von seinen Zeitgenossen hochgeschätzt. Julie freut sich, ihn wiederzusehen, d.h. er wurde damals von seiner Italienreise zurückerwartet.
Brief 13, »Breslau«: Guibert reiste am 12. August 1773 von Wien ab, um den preußischen Herbstmanövern beizuwohnen, zu denen ihn Friedrich der Große eingeladen hatte; eine Gunst, die der König Ausländern selten gewährte. Guibert traf am 16. August in Breslau an.
»Helvetius [De l'homme, de ses facultés intellectuelles et de son éducation, 1772, 2 Bände; nachgelassenes Werk des Philosophen (gest. 1771).
»Stücke von Dorat«: »Regulus«, Tragödie, und Feinte par amour [Gift aus Liebe], Lustspiel: Uraufführung beider am 30. Juli 1774. Claude Joseph Dorat (1734–1780) war damals Hauptmann. Brief 14, Marquis Caraccioli: Dominique Marquis de Caraccioli (1715–1789), neapolitanischer Gesandter in Paris 1771–1784, befreundet mit d'Alembert, Diderot, Condorcet, Galiani usw. Es existiert ein Portrait du Marquis de Caraccioli, verfaßt von Julie de Lespinasse; man findet es in: Lettres inédites de Mademoiselle de Lespinasse, publiées par Charles Henry, Paris, E. Dentu, 1887, pp. 258 f.
Brief 15, »König von Polen«: Stanislaus August Poniatowski (1722–1798), König von Polen seit 1764, zuvor sächsischer Gesandter in Petersburg, ein Günstling Katharina II. Er war engbefreundet mit Madame Geoffrin. Beider Briefwechsel ist 1875 herausgegeben worden von Mouy.
»La Bretèche«: »Die Zinne«, Landgut der Madame de Montsauge.
Brief 16, »Fernay«: der berühmte Wohnort Voltaires. Chastellur hat ihn auf seiner Rückreise von Italien besucht.
Brief 17, »Marschall von Morangiès«: Der Prozeß des Feldmarschalls Grafen Morangiès (geb. 1726) mit der Familie Veron beschäftigte damals die Allgemeinheit, besonders weil Voltaire für ihn eintrat (Vgl. Oeuvres de Voltaire; Bd. 47, passim Bd. 67, S. 479.)
»Frau von Beauvau«: Die Souvenirs der Marschallin von Beauvau (1729–1807) sind 1872 veröffentlicht. Ihr Gatte ist der Fürst Beauvau (1720–1793).
Brief 18: Die Manöver dauerten vom 16. August bis zum 5. September 1773. Graf Guibert beabsichtigte sodann nach Polen zu reisen, mußte aber fieberkrank in Breslau bleiben. Erst am 16. September konnte er nach Wien aufbrechen. Drei seiner Briefe aus Wien, vom 20. September, 7. und 9. Oktober, findet man in den Lettres inédites (vgl. Anmerkung zu Brief 14) pp. 213–222. (S. 213 daselbst ist statt le 7 septembre 1773 wohl le 7 octobre zu lesen.) Ebenda (pp. 196–198) steht auch der Brief Julies an Guibert vom 17. Oktober 1773, den die französische Edition définitive nicht mit aufgenommen hat, weil ihn Guibert niemals erhalten hat. Er hat sich in den Akten des französischen Ministerium des Äußeren gefunden.
Brief 19, Guibert war über München, Basel, Fernay am 30. Oktober 1773 wieder in Paris eingetroffen.
Brief 24, »beim spanischen Gesandten«: beim Grafen d'Aranda.
Brief 26, »Sie bekommen ihn niemals wieder!« Offenbar ein Brief von einer Anderen, vermutlich der Komtesse Amelia Bouffiers.
Brief 27: Die Bedeutung des 10. Februars für Julie, vgl. S. XXI–XXII.
Konrad Ferdinand Meyer hat die berühmten Worte »In allen Augenblicken meines Lebens« zum Kehrvers seines schönen Gedichtes »Ohne Datum« gemacht. Es ist an seine Schwester gerichtet. Brief 29, »ein Briefchen«: wohl wieder Eifersucht auf die jüngere Bouffiers oder auf Madame de Montsauge?
Brief 31, »Sterbetag Ludwig XV.«: 10. Mai 1774.
Brief 32: Der Vers ist aus Racine, Phèdra, IV. Akt, 6. Auftritt.
»Herr von Vaines«: Jean de Vaines (gestorben 1803), Finanzbeamter, Schriftsteller, ein Freund Turgots.
Brief 33: Julie hatte die Nachricht empfangen, daß sich der Zustand des Marquis de Mora während seiner Fahrt von Paris nach Bordeaux stark verschlimmert hatte. Er blieb deshalb in Bordeaux. Dort starb er am 27. Mai 1774. Julie erfuhr seinen Tod am 2. Juni.
Brief 34, »Meister Gluck«: Christoph Willibald Gluck (1714–1787) kam im Herbst 1773 nach Paris, aber Guibert hatte ihn bereits in Wien kennen gelernt. (Vgl. sein Journal, I., p. 306.) Am 19. April 1774 fand die erfolgreiche Uraufführung der »Iphigenie in Aulis« an der Pariser Großen Oper statt, nicht ohne den Einfluß der Kronprinzessin Marie Antoinette, Glucks früherer Schülerin. Der Streit der Gluckisten und Piccinisten ist allbekannt. In der Folge kamen auch Glucks »Orpheus und Eurydike« und die »Alkeste« in Paris zur Aufführung.
»Frau von Forcalquier«: Die verwitwete Gräfin von Forcalquier, Ehrendame der Gräfin d'Artois, von Madame du Deffand »La Bellissima« genannt.
»Frau von Brionne«: Eine Tochter des Fürsten von Montauban. Von ihr schreibt Marmoniel (Mémoires II, p. 134): »Wenn sie nicht die leibhafte Aphrodite war, so war sie das bloß deshalb nicht, weil sie bei der vollendeten Regelmäßigkeit ihrer ganzen Gestalt und ihrer Gesichtszüge doch nicht alles das besaß, was zur Vorstellung und Verkörperung der idealen Schönheit gehört. Ein einziger Reiz fehlte ihr, ohne den es auf der ganzen Welt keine Aphrodite geben kann: das Element der Wollust.«
»aus Auteuil«: vermutlich weilte Guibert in der Villa Montmorency, dem prächtigen Besitztum der Gräfin Bouffiers, das uns in einem der Briefe des Horace Walpole anschaulich geschildert wird.
Brief 35, »Anna von Boleyn«: zu finden in Oeuvres dramatiques de Guibert.
Der Vers ist aus Racine, Andromache, I. Akt, 4. Auftritt.
»Gestern Abend ...«: Julie hatte Moras (letzten) Brief vom 23. Mai 1774 aus Bordeaux mit hoffnungsloser Nachricht über sein Befinden erhalten.
»Abbe Morellet«: André Morellet (1727–1819), Philosoph und Nationalökonom, engbefreundet mit Turgot, Malesherbes, Julie de Lespinasse u. a. Seine »Denkwürdigkeiten« sind 1821 in Paris erschienen. Brief 36: Der Selbstmordversuch (durch Opium?), den Julie offenbar nach dem Empfange der Nachricht von Moras Tode gemacht, ist hiernach von Guibert verhindert worden.
»Aufenthaltsort«: Guibert weilte etliche Tage im Schlosse La Bretèche Madame de Montsauge.
Brief 38, »Graf Broglie«: Charles François Comte de Broglie (1719–1781). Er kehrte damals aus der Verbannung zurück, in die ihn Ludwig XV. geschickt hatte.
»Guard«: Jean Baptiste Antoine Suard (1734–1817), Journalist und Schriftsteller.
Brief 40: Guibert hielt sich auf dem Gute Courcelles-le-Roi (in der Gegend von Orléans) auf, bei den Eltern seiner künftigen Braut und Frau, der Mademoiselle Louise Alexandrine Boutinon des Hayes de Courcelles. Guibert hatte damals zweifellos die Absicht, allmählich mit Julie zu brechen. Er schrieb ihr deshalb vom Schlosse Courcelles, wo er weilte, ohne daß sie wußte, wo er war, einen ziemlich gefühllosen Brief, in dem er unter anderem sagte, er wäre ihrer Liebe überdrüssig. Julie war verzweifelt (vgl. Brief 4l, zweiter Teil), und Guibert bereute seine grausame Art und Weise aufrichtig. Von neuem loderte seine Leidenschaft zu ihr auf. So schrieb er ihr einen herzlichen Brief, kehrte nach Paris zurück, erbat und erhielt die Verzeihung der Geliebten. (Bemerkung des Grafen de Villeneuve-Guibert, des Urenkels des Grafen Hippolyte de Guibert.)
»Frau d'Arcambal«: Die Marquise Françoise Félicité d'Arcambal war eine Kusine der bekannten Gräfin de Genlis; der Marquis ein Regimentskamerad Guiberts.
Brief 48, »Frau von Montsauge«: Guibert hatte in der Tat einige Tage in der Bretèche, dem Landgute der Madame de Montsauge, verlebt, ohne es Julien vorher zu sagen. Vgl. Guiberts Brief im Anhange (S.295 f.).
»Zaire«: Tragödie von Voltaire.
»Rochambeau«: Das in der Nähe von Vendôme gelegene Schloß gehörte damals dem Grafen Rochambeau (1725–1807), dem späteren Marschall.
»Chanteloup«: bei Amboise, der ehedem berühmte Wohnsitz des Herzogs von Choiseul, dessen Gast Guibert öfters war. Es gehörte zum guten Tone, den gestürzten Minister in diesem seinem Exil (seit dem 24. Dezember 1771) aufzusuchen.
»Turgot«: Anne Robert Jacques Turgot, Baron de I'Aune (1727–1781), das bedeutendste Mitglied der Partei der Ökonomisten. Er ist nur zwei Jahre am Ruder geblieben. (Vgl. über ihn: Leon Say, Turgot, Paris bei Hachette 1891.) »Prévost«: Der Abbé Prévost (1697–1763), dessen Roman »Manon Lescaut« (1731) in die Weltliteratur übergegangen ist. Eine reizend ausgestattete deutsche Ausgabe im Insel-Verlage.
»Richardson«: Samuel Richardson (1689–1761), englischer Romandichter. Seine »Clarissa Harlowe« (1747) war eines der berühmtesten Bücher des 18. Jahrhunderts.
Brief 49, »Der Freudenrausch ist allgemein«: Der Abbé Galiani (Deutsche Ausgabe, München, bei Georg Müller, 1907, II, S. 538 f.) schreibt in kluger Voraussicht bereits am 17. September 1774: »Endlich ist Turgot Generalkontrolleur geworden. Er wird zu kurze Zeit im Amte bleiben, um sein System durchführen zu können. Er wird einige Spitzbuben abstrafen, er wird fluchen, er wird wütend werden, wird das Gute tun wollen, wird überall auf Dornen, Schwierigkeiten und Halunken stoßen. Sein Ansehen wird sinken, man wird ihn hassen, man wird behaupten, er sei für das Amt untauglich. Die Begeisterung wird erkalten. Er wird seine Entlassung erbitten oder empfangen, und man wird endlich einmal den Irrtum einsehen, eine solche Stelle in einer Monarchie wie der Eurigen einem sehr tugendhaften und sehr philosophischen Mann anvertraut zu haben.«
»in Montigny«: bei Herrn von Trudaine, Generalintendant der Finanzen, bekannt aus Galianis Briefen.
Brief 50, »Millico«: italienischer Sänger, der auf Glucks Anregung (sie hatten sich 1769 in Parma kennen gelernt) Gastspiele in Wien und in Paris gab.
Brief 53, »Herr von Vaines«: Diese Briefstelle hat Julie herausgeschnitten und in ihren Brief an Guibert eingeklebt.
»Bankier Beaujon«: Nicolas Beaujon (1708–1786), berühmter Finanzmann seiner Zeit.
Brief 54, »Lobschrift auf Lafontaine«: von Laharpe (1739–1803), geschrieben im Wettbewerb um einen Preis der Akademie von Marseille, den Nicolas Chamfort (1740–1794) davontrug. Vgl. Correspondance de Grimm, VIII, p. 405. Guibert schreibt Julien am 30. September 1774 aus Fontneuve bei Montauban: »... Ich habe die Lobschrift auf Lafontaine von Laharpe gelesen und wieder gelesen. Sie hat mir großes, ganz außerordentliches Vergnügen bereitet. Der zweite Teil gefällt mir besser als der erste, aber ich bitte Sie um Verzeihung, naiv kann ich seinen Stil nie und nimmermehr finden ...«
Brief 55: Verse aus Racine, Andromache, III. Akt, 5. Auftritt. Glucks »Orpheus und Eurydike«: Pariser Erstaufführung am 2. August 1774. Brief 56: »Larochefoucauld«: hier irrt sich Julie. Es ist Labruynère, der in seinen Caractères (1688) sagt (VIII, p. 8): »Das Hofleben macht nicht zufrieden, aber unfähig, es anderswo zu werden.«
»Abbé Boismont«: Nicolas Thyrel de Boismont (geb. um 1715, gest. 1786), berühmter Prediger seiner Zeit, Mitglied der Akademie, dabei ein vielseitiges Weltkind, das gelegentlich sogar den Lorbeer der Bühne einheimste.
»ich bringe ... Unglück«: Über die uns wunderlichen abergläubischen Anwandlungen (vgl. auch S. 88) der sonst geistig so hochstehenden Damen jener aufgeklärten Zeit vgl. die Goncourts, Die Frau im 18. Jahrhundert, II. S. 192 ff.
Brief 61, »Frau von Chatillon«: (vgl. S. 106), die Herzogin de Châtillon (geb. 1740), Witwe seit 1762.
»Die Gracchen«: eine der drei Tragödien Guiberts, niemals aufgeführt und erst 1822 gedruckt.
Brief 63, »Der 1. Juni 1774«: Der Tag, an dem Julie Moras Tod erfahren hatte.
Zitat am Schlusse: aus Voltaires Tragödie »Adelaide de Guiesclin«, II. Akt, 7. Auftritt.
Brief 64: Dreimaliges Zitat aus Guiberts »Le Connétable de Bourbon«.
»Sterne«: Lawrence Sterne (1713–1768), Juliens Lieblingsdichter, dessen »Tristram Shandy« damals in Frankreich allgemein bekannt war und selbst auf Voltaire großen Einfluß (seine Candide!) ausgeübt hat. J. J. Bodes Übertragung »Tristram Schandis Leben und Meinungen« ist neuerdings in München (bei Georg Müller) neugedruckt, mit Nachbildungen der Kupfer von Chodowiecki und Hogarth herausgegeben von Otto Julius Bierbaum (3 Bände). Julie war besonders eine Verehrerin von Sternes »A sentimental journey through France an Itlay by Mr. Yorick«, London 1768. (Yoricks empfindsame Reise durch Frankreich und Italien, übersetzt von J. J. Bode) Es existiert das Bruchstück einer Fortsetzung dieses Buches, verfaßt von Julie de Lespinasse, mehrfach gedruckt. Guibert nennt Julie in seinem Nachrufe (s. S. XXIII f.) »Elisa«: das ist eine Reminiszenz an Yoricks Lettres to Eliza.
»Duplessis«: Das schöne Gluck-Bildnis von Joseph Sifrède Duplessis (1725–1802) hängt heute in der Wiener Galerie, als Vermächtnis der Witwe Glucks. Eine Nachbildung findet man im Mozartbilderbuche von Ludwig Schiedermair (München, bei Georg Müller 1916), Blatt 132.
»Lord Shelburne«: William Petty Graf Shelburne (1737–1805), Mitglied des Kabinetts Pitt (1766–1768), später (1782) nochmals Minister. »Graf d'Argental«: (1700–1788), ein Neffe des Kardinals de Tencin (vgl. Einleitung S. XI), eines Freundes von Voltaire.
Brief 66, »Mercier«: gemeint ist die Schrift »Du théâtre, ou nouvel essai dramatique« (1774).
»Fontainebleau«: Der Hof weilte vom 10. Oktober bis zum 9. November 1774 daselbst.
»Marmontel«: Jean Francois Marmontel (1723–1799).
Brief 67: Der Brief d'Alemberts an den Grafen von Fuentès vom 26. September 1774 ist erhalten. (Zu finden in der Asseschen Ausgabe der Lespinasse-Briefe, S. 353 ff.)
Brief 68: Vers aus der Tragödie »Dido« von Lefranc de Pompignan.
Brief 69, »Helvétius«: Claude Adrien Helvétius (1715–1771), der Verfasser der Bücher De l'esprit, De l'homme, Le vrai sens du système de la nature.
»Shelburne«: er war damals mehrere Monate in Paris.
Brief 71, »Fontenelle«: der Verfasser der Nouveaux dialogues des morts (1700).
Brief 72, »aus dem Bade«: d. h. aus Barrège. (Vgl. Oeuvres de Chamfort, Edition Auguis, 1825, V. p. 263.)
»Herzogin von Grammont«: Beatrix von Grammont (1730–1794), Schwester des Herzogs du Choiseul, ein häßliches Mannweib.
»Gräfin Choiseul«: die Gräfin Choiseul-Beaupré (geb. 1732), die Mutter des Grafen Choiseul-Goûffier, des Verfassers der »Voyage pittoresque de la Grèce«.
»die Zarin«: Katharina II.
Brief 73, »Tankred«: Tragödie von Voltaire.
»Lekain«: Henri Louis Lekain (1728–1778), Schauspieler, der auch »Denkwürdigkeiten« hinterlassen hat.
»neue Oper«: Azolan, ou le serment indiscret, heroisches Ballett in 3 Aufzügen, Erstaufführung am 23. November 1774.
»Dorat«: Julie war ebenso wie Galiani, eine Gegnerin Dorats. Er hatte Julie in seinen Les Lyoneurs ou le Tartuffe moderne (gedruckt erst 1777, aber handschriftlich bereits bekannt,) auch im Merlin Bel Esprit karikiert. (Vgl. Goncourt, Die Frau im 18. Jahrhundert, II, S. 198 f.) In die deutsche Literatur ist ein Gedicht Dorats durch die Umdichtung Wilhelm Heinses übergegangen: »Die Kirschen«. (Insel-Ausgabe der Werke Heinses, Bd. II, S.279 ff.)
»Freiherr von Gleichen«: Karl Heinrich Frhr. v. Gleichen (1735–1807), dänischer Gesandter in Paris von 1763 bis 1776.
Brief 74: Vers aus Racine, Phädra, IV. Akt, 2. Auftritt.
»Orpheus«: Chastellur war als Gegner der Musik Glucks bekannt. Brief 75: »Lobschrift auf Lafontaine«: Eloge de Lafontaine, ouvrage qui a romporté le prix au jugement de l'Académie de Marseille, le 25 d'août 1774, Paris 1774.
»Geheimnis, nicht langweilig zu sein...«: bekanntlich ein Wort Voltaires. (Dixième discours en vers sur l'homme.)
Brief 76, »Chanteloup«: beim Herzog von Choiseul.
Brief 77, »Lobschrift der Vernunft«: Eloge historique de la raison... par de Chambon (– Voltaire), 1774.
Brief 78, »Heinrich IV.«: La partie de chasse de Henri IV, Komödie von Collé.
»Mittwochs«: Die Mittwochsdiners bei Madame Geoffrin waren besonders berühmt, weil sie die Größen der literarischen Welt einten.
Brief 79: »ein widerwärtiges Stück«: das ebengenannte Stück von Colle.
»Frau Mutter«: über Guiberts Mutter vgl. [Toulongeon] Eloge véridique de J. A. de Guibert, par un ami, Paris 1790, bzw. [Toulongeon], Notice historique sur M. de Guibert, Paris 1802.
»niemals Ausdauer und Ruhe ...«: Ähnlich sagt Madame de Stael (Oeuvres, VIII, p. 293): »Herr von Guibert ist heftig und ungestüm, aber seine Gefühle sind nicht von langer Dauer und seine Entschlüsse und Handlungen werden nie davon bestimmt.«
Brief 82, »Lancon«: Guiberts Bildnis von Lancon ist diesem Buche in einer Nachbildung des Stiches von B. Roger beigegeben. Das Bildnis Juliens ist nach einer Zeichnung von L. C. de Carmontelle (1717–1816); Original im Museum zu Chantilly.
Brief 83, »Graf Schönberg«: Gottlob Ludwig Graf von Schönberg (auch: Schomberg), ein Sachse. Ihm verdankt Melchior von Grimm seine französische Heimat.
»Frau von Saint-Chamans«: wahrscheinlich die Marquise Louise Charlotte de St.-Charmans (geb. 1731).
Brief 86 und 90: »Frau von Meulan«: Marguerite Jeanne de Meulan, geb. de Saint-Chamans.
Brief 87, »im Temple«: im Palais des Prinzen Conti, vgl. Anmerkung zum Briefe 9.
»Roucher«: Jean Antoine Roucher (1745–1794), dessen Gedicht »Die Monate«, gedruckt 1779, damals handschriftlich verbreitet und in den Salons bekannt war.
Brief 91, »10. Februar«: vgl. Einleitung S. XXI f. und Anmerkung zum Briefe 27.
Brief 92, »Lobschrift der Vernunft«: vgl. Anmerkung zum Briefe 77. Brief 94, »Tom Jones«« : komische Oper (1765) von Francois André Danican Philidor (1726–1795).
»Der falsche Zauber«: La fausse magie, komische Oper von Grétcy (1742–1813), Text von Marmontel; Erstaufführung 1775.
Brief 96: Verse aus Les Regrets (1771) von Laharpe.
»Herr von Magallon«: der Chevalier de Magallon war Legationssekretär an der spanischen Gesandtschaft in Paris. Offenbar hatte er Julien Nachrichten über Moras letzte Tage gebracht.
»Lobschrift auf Catinat«: Eloge du maréchal de Catinat. Paris 1772. Nachdruck: Edimbourg (Paris) 1775. Wiedergedruckt in: Eloges du maréchal du Catinat, du chancelier de l'hospital, de Thomas de l'academie francaise, snivis de l'éloge inédit de Claire-Francoise de Lespinasse.... Paris 1806.
Brief 97, »Gustave Wasa«: Tragödie von Piron.
Brief 100, »Iphigenie«: Glucks »Iphigenie in Aulis« (1774): Text von Leblanc du Roullet, Attaché der französischen Gesandtschaft in Wien, gearbeitet nach Racines »Iphigenie«.
»Frau von Châtillon«: die Herzogin de Châtillon wohnte wie Madame du Deffand im Josephs-Kloster.
»vom Marais«: vom Hotel de Boufflers.
»die Automaten...«: über sie vgl. Bachaumont, Mémoires, VII, p. 273.
Brief 105, »Lobschrift auf den Abbé von Saint-Pierre«: sie wurde am 16. Februar 1775 vorgelesen, am Tage der Aufnahme von Malesherbes in die französische Akademie.
»Condorcet«: er nennt sich gelegentlich den »zweiten Sekretär der Lespinasse«, wobei er d'Alembert als »ersten« rechnet. (Oeuvres de Condorcet, I, p. 193)
»September von Roucher«: vgl. Anmerkung zum Brief 87.
Brief 107, »nicht erwartet!« Guibert hatte der Geliebten soeben seine bevorstehende Verheiratung mitgeteilt.
Brief 110: Der Vers ist aus Guiberts »Konnetabel von Bourbon«, I. Akt, 2. Auftritt: bereits genannt S. 117.
»die junge Dame«: Guiberts Braut. Vermutlich hatte Julie ihr Bildnis, gemalt von Greuze, gesehen.
Brief 111, »Fürst Pignatelli«: der Bruder Moras; in der Einleitung (S. XIX) erwähnt. Voltaire rühmt gelegentlich eines Besuches, den ihm der junge Mann machte, seine »geistige Überlegenheit über seine Altersgenossen«. (Oeuvres, Bd. 66, S. 44l.)
»entzückender Brief«: offenbar an Louise von Courcelles. »Frau von Sévigné«: Marie Marquise de Sévigné (1626–1696), die bekannte Briefschreiberin.
Brief 113, »Mein Urteil ist unterzeichnet«: Guiberts Ehevertrag. Brief 116, »Grétry«: gemeint ist »Céphale et Procris«, Oper von Grétry, Text von Marmontel; Erstaufführung 1775.
»Zemira und Azor«: Oper von Grétry (1771).
»Der Hausfreund«: Oper von Grétry (1771).
Brief 117, »der Mann in der Bibel«: Lazarus. (Johannes XI, 42.)
»d'Alembert«: er hatte in seinem Eloge de Bossuet eine vergleichende Bemerkung über Loménie de Brienne gemacht. (Vgl. Oeuvres, Edition 1805, Bd. VII, p. 287.)
Brief 119, »Mark Aurel«: L'éloge de Marc-Aurèle von Thomas, gedruckt erschienen im Mai 1775.
Brief 120: Die Abreise, von der hier die Rede ist, fühlte den Grafen Guibert nach dem Schloß Courcelles, wo seine Hochzeit am 1. Juni 1775 stattfand. Er hat seine damalige Stimmung in folgender Aufzeichnung festgehalten (Voyages de Guibert, Paris, 1806, S. 5 f.): »1. Juni 1775. Mein Hochzeitstag. Beginn eines neuen Lebens. Während der Zeremonie habe ich gegen meinen Willen gezittert. Meine Freiheit, mein ganzes Leben ward gebunden. Nie haben so viele Gefühle und Gedanken meine Seele gequält. Ach, das Menschenherz ist ein Chaos, ein Labyrinth. Im Wirrwarr des meinen finde ich mich selber nicht. Und doch klopft das Glück an meine Türe. Ich heirate eine junge hübsche sanfte empfindsame Frau, die mich liebt, die wie geschaffen ist für die Liebe und die ich bereits wiederliebe...« Am 8. Juni 1775. »Acht Jage sind vergangen wie ein Traum. Wahrlich, dieser neue Zustand ist ein Traum von Liebe, Freundschaft, Reinheit, Liebenswürdigkeit. Tag für Tag öffnet sich mir die Seele meiner jungen Frau mehr. Ich liebe sie, ich werde sie lieben. Ich bin fest überzeugt, daß ich glücklich werde. Ich verlasse sie mit Wehmut...« Am 8. Juni mußte Guibert zu seinem Regiment nach Livorno gehen.
»Courcelles«: das Schloß gehörte ehedem dem Dramatiker Dancourt. Im 19. Jahrhundert war es u. a. im Besitze des Marschalls Macdonald.
Brief 121, »Agitation«: Laharpe bestätigt die rührende Tätigkeit Juliens um den literarischen Ruhm Guiberts (Correspondance littéraire I, 386): Nach einer Akademiesitzung, in der man die beiden Konkurrenzschriften um diesen Preis zum Vortrag gebracht hatte, die Guiberts und die meinige, machte Saint-Lambert einen Besuch bei Mademoiselle de Lespinasse, wobei er ihr nicht verhehlte, daß er meiner Schrift den Vorzug gebe. »Werden Sie diese Ansicht auch in der Akademie öffentlich bekennen?« fragte sie mich. »Gewiß, Mademoiselle, das ist meine Pflicht!« Sie entgegnete nichts, aber ihre Augen füllten sich mit Tränen.
»Frau Riccoboni«: rührselige Modeschriftstellerin (1714–1792), die ähnlichen Plunder schrieb wie heute etwa Frau Hedwig Courths-Mahler, nur daß sie doch ein bißchen mehr guten Geschmack hatte.
Brief 122, »der Konnetable«: Pierre de Ségur sagt hierzu in seiner Guibert-Studie (Gens d'autrefois, Paris, bei Calmarn-Levy [1903], p. 235): Man sprach so viel vom ›Konnetabel‹, daß Marie-Antoinette, die seit wenigen Monaten Königin war, dieses Stück kennen zu lernen wünschte. Sie befahl Guibert nach Versailles und ließ sich die Tragödie vorlesen. Ihr Lob war enthusiastisch; aber so schmeichelhaft das für Guibert war, so hatte es doch für ihn zwei recht verdrießliche Folgen. Zunächst zog es ihm die eifersüchtige Feindseligkeit Laharpes zu, der der Königin eben auch ein Stück von sich, den ›Menzikoff‹, vorgelesen hatte und die Konkurrenz eines Dilettanten in diesem Gebiete unerträglich fand. Er schrieb damals dem Großfürsten Paul (Corr. litt. I, p. 144): »Wie Sie wissen, habe ich meinen ›Menzikoff‹ der Königin vorgelesen. Graf Guibert hat nichts eiligeres zu tun gehabt als dasselbe für seinen ›Konnetabel‹ zu erreichen, was keine leichte Sache war...« Eine weitere, nicht glücklichere Folge war die Aufführung des ›Konnetabel‹, die gelegentlich der Hochzeitsfeier der Schwester des Königs, Clotilde, mit dem Kronprinzen von Savoien auf ausdrücklichen Wunsch der Königin beschlossen wurde. Guibert bekam Urlaub, um die Proben, die im Théâtre francais abgehalten wurden, persönlich zu überwachen. Die Aufführung selbst fand am 26. August 1775 im Großen Saale des Schlosses zu Versailles statt. Sie kostete die Kleinigkeit von 300 000 Franken, Lekain war aus England herbeigeholt worden, um die Titelrolle zu spielen; die Adelaide des Stückes wurde durch Madame Vestris dargestellt.
»Livorno«: wo Guiberts Regiment stand.
Brief 124, »Lovelace«: in der »Clarissa Harlowe« von Samuel Richardson (1747). Die französische Übersetzung dieses Romans, von Letourneur, war 1751 erschienen,
Brief 128, »Frau Necker«: Madame du Deffand erwähnt diese Geschichte, ohne den Anlaß zu nennen. Die Gegnerin der Frau Necker, Madame de Marchais (1735–1808), stand in intimen Beziehungen mit dem Grafen d'Angiviller, der sie später geheiratet hat. Horace Walpole schildert sie als »reizend, die Verkörperung von Beredsamkeit und Anmut in einer Person«. Der in den nächsten Zeilen wieder erwähnte neapolitanische Gesandte, der Marquis de Caraccioli, war ein erklärter Freund der Julie de Lespinasse und d'Alemberts, nicht ohne auch zu Madame du Deffand zu halten. Brief 133, »der Begünstigte«: den ersten Preis hatte Laharpe erhalten, einen zweiten der Abbe d'Espagnac (l753–l794).
Brief 138, »26. August 1775«: d.h. am Tage der Erstaufführung von Guiberts »Konnetabel«.
Brief 139, »den Heiland«: Lukas II, 29 f.: »Herr, nun lassest Du Deinen Diener in Frieden fahren, denn meine Augen haben den Heiland gesehen!«
Brief 141, »Geheimnis«: Offenbar hatte Julie einen Brief der Gräfin Guibert in die Hände bekommen.
Brief 142, »Saint-Lambert«: in Les Saisons(1769), I, 425.
»Das Wahre sieht manchmal unwahrscheinlich aus!«: Anspielung auf eine Stelle bei Boileau, Art poétique, Kap. III.
»letzte Tollheit«: da uns durchaus nicht alle Briefe Juliens überliefert sind und obendrein die wirkliche Reihenfolge der uns erhaltenen nicht mehr festzustellen ist, so kann man nicht sagen, welchen Brief sie hier meint.
Brief 143, »Asträa«: Der ehedem berühmte Hirtenroman von Honoré d'Urfé (1610 ff).
»Herr d'Anlezi«: Jeanne Pierre de Damas, Graf d'Anlezi (1734–1800), Offizier, verheiratet mit einer Nichte der Herzogin de Châtillon.
Brief 146, »die Minister in Montigny«: Beratung über den Nachfolger des Kriegsministers Grafen du Muy. Ernannt ward am 25. Oktober 1775 der Graf de Saint-Germain. Zwei Tage darauf war Guibert in das Kriegsministerium versetzt.
»Baron von Breteuil«: (1730–1807), bis 1758 Offizier, dann Gesandter in Köln, Petersburg, Stockholm, Neapel, Wien (letzteres 1776–1783).
»rasch lesen«: Im Espion anglais, 1799 (II, p. 279), heißt es vom Grafen Guibert: »Er liest fünf Zeilen der Zeitung mit einem Blicke. Sie können sich darnach einen Begriff machen, wie belesen er sein muß.« Ähnliches berichtet Grimm in seiner Correspondance. Vgl. auch Ségur, Gens d'autrefoes, p. 208.
»Diana von Poitiers«: in der »Prinzessin von Cleve«, dem Roman der Madame de Lafayette (1678).
»Frau von Maintenon«: die Geliebte Ludwigs XIV. (1635–1719).
Brief 147, »Gespräch über die Ehe der Protestanten«: dem Abbé Louis Guidi zugeschrieben: 1775 erschienen.
Brief 148, »Saint-Sulpice«: der Friedhof, in dem Julie ein halbes Jahr später ihr Grab gefunden hat.
Brief 150, »Vorteile zuzuschieben«: es handelt sich hier wohl um eine Pension, die von Juliens Freunden für sie angestrebt wurde.
Der Vers ist aus »Philemon und Baucis« von Lafontaine. Brief 153, »Marschall von [Durfort] Ducas« (1715–1789), bereits S. 229 erwähnt, Pair von Frankreich. Es handelt sich hier vermutlich um die Aufführung des »Konnetable«.
»Herr von Vaines«: in der Angelegenheit der Pension für Julie.
Brief 154, »Ministerwahl tadeln...«: es handelt sich um den Erzbischof von Toulouse.
Brief 155, »Herr Boutin«: Charles Robert Boutin (gest. 1794), hoher Finanzbeamter, später Staatsrat.
Über sein damals vielgerühmtes »Tivoli« vgl. Madame Bigée Lebrun, Souvenirs, II, p. 260.
Brief 161 »Logistila über Roland«: in Ariosts »Rasendem Roland«.
Brief 162, »Berenike den Titus«: in der »Bérénice« von Racine.
Brief l64, »Paetus«: vgl. Plinius, Episteln, III, 16; Martial, Epigramme, I, 14.
Brief 172, »Le paysan perverti«: sentimental-erotischer Roman von Rétif de la Bretonne (1734–1806), erschienen 1776 in 4 Bänden, ein uns ungenießbares Buch. In der Gestalt des Edmund schildert sich der Verfasser selber. Der Roman ist übrigens das Vorbild von Ludwig Tiecks Jugendwerk »William Lovell«.
»Saint-Preur und Julie«: die bekannten Helden in der »Neuen Heloise«. In der Tat ist Rétif de la Bretonne stark von Rousseau beeinflußt worden. Seine pathologisch interessante wunderliche Selbstbiographie, der 16bändige »Monsieur Nicolas« (1796), wäre ohne Rousseaus Confessions (1789) niemals entstanden. Sie ist das Meisterstück der Selbstverlogenheit der Weltliteratur.
Brief 173, »Der Konnetabel«: Die zweite Aufführung fand am 30. Dezember im Versailler Hoftheater statt. Juliens Befürchtungen (vgl. S. 244 ff.) bewahrheiteten sich in vollem Maße. Das umgearbeitete Stück erlebte einen Mißerfolg. Guibert hat daraufhin verzichtet, je eines seiner Stücke wieder auf der Bühne zu sehen.
Brief 175, »Edmund«: scherzhafte Anspielung auf den Helden des Paysan perverti.
Brief 181, »Mietvertrag«: Guibert hatte in Juliens Auftrag eine neue Wohnung in der Rue de Grammont gesucht. Sie unterzeichnete den Mietvertrag am 14. Januar 1776. Da sie aber zu krank war, kam es nicht zum Umzug. Übrigens wohnte auch Guibert damals in dieser Straße, in einem Hause, das seinem Schwiegervater gehörte.
Brief 182, »der schwierige Herr«: der neue Hauswirt in der Rue Grammont. Brief 189, »Tenon«: (1724–1816), Chirurg, Mitglied der Akademie der Wissenschaften.
Brief 192, »Frau Geoffrin«: Julie pflegte jeden Mittwoch bei ihr zu Tisch zu sein.
Brief 194, »Wiedersehn mit Frau Geoffrin«: sie war fast ein ganzes Jahr lang schwerkrank gewesen und ist am 6. Oktober 1777 gestorben, hat also ihre Freundin nur um 1/2 Jahr überlebt.
Brief 199 »Monaco«: dem Standort des Obersten Vicomte de Saint-Chamans.
»dem Baron«: vielleicht der Baron von Holbach.
Brief 200, »Tagebuch«: Später gedruckt als: Journal d'un Voyage en Allemagne, fait en 1773,... par Guibert. Paris 1803, 2 Bände. Auch deutsch (gekürzt): Guibert, Reise durch Deutschland, Hamburg 1805.
Brief 204: Juliens letzter Brief. Nachdem sie ihn mit zittriger Hand geschrieben und versiegelt hatte, ließ sie d'Alembert zu sich bitten. Mit kaum noch hörbaren Worten dankte sie ihm demütiglich für alle seine Güte und Treue und bat ihn um Vergebung für ihre Undankbarkeit. Ergriffen, hatte er nicht die Kraft, sie zu fragen, was sie damit meine. Beide weinten. Als es dunkelte, fiel Julie in eine lange Ohnmacht. Durch ein herzstärkendes Mittel wieder erwachend, flüsterte sie erstaunt: »Lebe ich noch?« Das waren ihre letzten Worte. Zwei Stunden nach Mitternacht, also Mittwoch den 22. Mai 1776, hörte sie auf zu atmen.
Am folgenden Tage fand die schlichte Totenfeier in der Saint-Sulpice-Kirche statt. Ihrem Wunsche gemäß (Testament vom 11. Februar 1776) wurde sie »wie die Armen« begraben. Hinter dem Sarge schritten als Erste d'Alembert und Condorcet, ihre beiden besten Freunde. Guibert folgte in aufrichtiger Trauer mitten im Zuge der zahlreichen Anderen.
Einen Denkstein auf ihrem Grabe hat sich Julie verbeten.