Julie de Lespinasse
Die Liebesbriefe der Julie de Lespinasse
Julie de Lespinasse

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151.

Dienstag, den 24. Oktober, abends.

Mein letzter Brief ist vom Freitag nachmittag. Ich hatte mir ausgerechnet, daß Sie Sonntags oder Montags abreisen würden. Heute bilde ich mir ein, Sie werden wohl bis zur Ankunft des Grafen von Saint-Germain bleiben, den man am Mittwoch oder Donnerstag erwartet. Mein Lieber, ich sehe Sie nahe daran, Dummheiten zu sagen und zu machen. Folgen Sie meinem Rat, wenn noch Zeit dazu ist; halten Sie ein!

Saint-Germain ist ein Mann von Verdiensten, ein Selfmademan. Er ist ohne Partei-Intrigen hoch gekommen. Man muß überzeugt sein, daß er das Beste will. Wenn er Reformen und Änderungen plant, so besitzt er von vornherein das Vertrauen der Militärs, denn man weiß, daß er Kenntnisse und eine große Erfahrung hat. Niemand könnte beispielsweise die Arbeit, die Sie Turgot gegeben haben, besser in die Praxis umsetzen.

Und dann müssen Sie auch an sich selber und an Ihre Karriere denken. Er kann Ihre Fähigkeiten verwenden, Ihnen ein Arbeitsfeld eröffnen. Sie sagen selbst, er habe ein großes Interesse für Sie an den Tag gelegt. Warum wollen Sie denn Ihr Glück mit den Füßen treten? Bei Gott, Sie sind ein Querkopf!

Ihre Briefe vom Freitag und Sonntag habe ich erhalten. Wenig und kurz! Aber, mein Lieber, ich beklage mich nicht. Sie haben so vielerlei Dinge im Kopfe und so manche Sorge, daß ich nicht fasse, wie Sie dem genügen können. Aber sagen Sie nicht wieder, ich müsse mir Mühe geben, mich in Ihre Verhältnisse zu schicken! Mein Lieber, diese Worte: »mir Mühe geben müssen«, die sind ebenso hart wie unsinnig, wo es sich um Gefühl und Leidenschaft handelt. Wenn es sich um Benehmen, Geschäfte, Vorteile handelt, dann kann man sich in der Tat Mühe geben, sich anstrengen, denn Maßregeln und Handlungen sind oder sollten von der Überlegung geleitet werden. Es wäre Dummheit oder Leichtsinn, sich andauernd in Widerspruch mit seinen eigenen Plänen und Absichten zu setzen. Aber ich, ich sollte mir Mühe geben, mir Zwang anlegen! Warum? Habe ich bestimmte Absichten?

Nein, nein, mein Lieber, ich habe mein Leben verfehlt, ich habe keine Pläne mehr für mich. Ich werde schweigen, aber ohne daß ich mir dabei Mühe gebe. Es wird mir schon gelingen, nachdem ich so viel erfahren, so viel durchschaut habe, und ganz besonders, wo ich das Ende nun so nahe vor mir sehe. Ich hoffe, das mildert meine letzte Leidenszeit. Gegen das Ende einer Reise pflegt man alles zu ertragen. Ich will Ihr Leben nicht mit Reue belasten, ich möchte, daß ich Ihnen nicht einmal ein Gefühl des Bedauerns koste; ich mag auch nach meinem Tode keine Tränen. Nur um Nachsicht und Güte bitte ich Sie, wie man sie den Kranken und Unglücklichen gönnt.

Leben Sie wohl, mein Lieber! Ich habe einen schlimmen Tag gehabt. Ich bin am Husten fast gestorben. Abends ist Fieber aufgetreten. Trotzdem muß ich noch ein paar Zeilen an Herrn von Vaines richten. An seine Adresse soll dieser Brief gehen.


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