Julie de Lespinasse
Die Liebesbriefe der Julie de Lespinasse
Julie de Lespinasse

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137.

Mittwochs, um zehn Uhr. [August 1775]

Weder aus Hochmut noch aus Stolz weise ich Ihre Verzeihung zurück, sondern aus innigster und wahrster Überzeugung, daß ich gar nicht fähig bin, Sie zu beleidigen. Bedenken Sie doch: Wenn ich je, was unmöglich ist, dazu käme, Sie zu verachten, so müßte ich mich auf ewig selber verachten! Verlassen Sie sich also, nicht auf Ihre Tugenden, nicht auf mein Gerechtigkeitsgefühl, aber auf jedwede Art von menschenmöglicher Liebe. Selbst wenn ich Sie haßte, würde ich Sie doch noch hochachten. Kurz und gut, Sie haben nicht das geringste Recht, die Verehrung, die ich zu Ihnen hege, je zu bezweifeln. Gerade sie ist das stärkste Gefühl in mir, die Grundlage und Entschuldigung aller anderen. In jenem Augenblicke, damals, wo Sie mich auf das tiefste verwundeten, wo ich Ihrer entsagte, da flüchtete ich mich zu dieser meiner Verehrung. Unter allen den Briefen, die ich Ihnen geschrieben habe, gibt es keinen, in dem ich mein Unglück, mein Unrecht, meine Schwachheit, mein Vergehen mit mehr Ehrlichkeit und Wahrheit bekannt, eingestanden und mir vorgeworfen habe, als gerade in dem, den Sie erwähnen. Wenn dieser Brief kein aufrichtiges Bekenntnis meiner Hochachtung und meines grenzenlosen Vertrauens zu Ihrer Redlichkeit gewesen ist so diktieren Sie mir einen anderen. Ich will ihn mit meinem Blute unterzeichnen.

Sie haben mich nicht besucht, weil der Tag nur vierundzwanzig Stunden hat und weil diese alle von Ihren Geschäften und Vergnügungen ausgefüllt sind, die Ihnen mehr am Herzen liegen als ich Unglückliche. Ich beanspruche nichts, ich fordere nichts, und ich sage nur immer wieder, daß die Quelle meines Glücks und meiner Lust auf ewig versiegt ist.

Ich werde nicht in den »Konnetabel« gehen. Auf keinen Fall. Ich habe für derlei Vergnügen kein Verständnis mehr. Aber an Ihrem Erfolge werde ich den herzlichsten Anteil nehmen. Das wird mir genügen.

Leben Sie wohl!


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