Julie de Lespinasse
Die Liebesbriefe der Julie de Lespinasse
Julie de Lespinasse

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80.

Elf Uhr abends.

Ich habe Ihr Briefchen gelesen. Es ist nett und artig. Was Sie mir bei Ihrem Besuche gesagt haben, war recht hart, ja recht grausam. Hinterher bin ich in Gram versunken. Nie, niemals ist meine Seele so niedergeschlagen und mein Leib so leidend gewesen.

Sie haben den Vorsatz gehabt, nie wieder zu mir zu kommen! Nun, warum sind Sie wetterwendisch geworden? Sie hätten mich stark gemacht, meinen Vorsatz auszuführen, der stärksten Sehnsucht meiner Seele nachzukommen. Wir wären alle beide erlöst und frei: ich von einer Bürde, die mich zu Boden drückt, Sie von dem Anblick des Elends, das Sie so häufig belästigt und dauernd beengt.

So aber bin ich Ihnen durchaus nicht dankbar. Ihre erste Regung wäre mir lieber gewesen als das Ergebnis Ihrer Überlegung. Indem Sie mir weh taten, verliehen Sie mir Kraft; indem Sie mich trösten und mir beistehen, hemmen Sie mich, aber Sie halten mich nicht fest. Das habe ich Ihnen schon tausendmal gesagt.

Doch, was kümmert Sie das alles? Die Oper, die Zerstreuungen, der Wirbel der Gesellschaft reißen Sie dahin. Und das ist so natürlich. Ich klage nicht darüber; es betrübt mich nur.

Ich möchte doch, daß Sie morgen vor Tisch zu mir kämen. Sie könnten mit d'Alembert und dem trefflichen Condorcet sprechen. vielleicht auch mit dem Herrn von Vaines. Sie waren ja zugegen, als er mir sagte, er käme vielleicht.

Heute abend war Turgot da. Es ist ein halbes Jahr her, daß ich ihn allein bei mir gehabt habe. Ich war todmatt, und ich glaube, die Zeit wird ihm leid getan haben, die er mir geopfert hat. Ich war fieberheiß und kam fast um dabei. Ach, wie unsäglich langsam reitet der Tod! Heute morgen haben Sie ihn vorwärts gepeitscht, warum lassen Sie ihn heut abend sein Roß wieder parieren?


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