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Montags mitternachts. Januar 1776.
Mein lieber Freund, wenn ich am Leben bleibe, muß ich mich noch mehr von Ihnen losmachen. Sie sind allzusehr ein Mann der Öffentlichkeit. Alle die Mißlichkeiten eines Staatsmannes umdrängen Sie. Ihre übrige Zeit gehört der Gesellschaft, und selbst in den flüchtigen Augenblicken, die Sie Ihren Freunden gönnen, sogar in den traulichsten Stunden, hat man Sie nicht völlig. Ihre Gedanken fliegen immer wieder zurück zu Ihren Geschäften.
Diese Bemerkung ist durchaus keine Kritik. Ihre Fähigkeiten, Ihr Geist sollen Ihrem Leben in der Tat einen Inhalt geben. Sie sind allzu tatenlustig und viel zu empfänglich, um sich mit einem Alltagsleben zu begnügen. Sie müssen unbedingt eine tätige Rolle spielen, nicht bloß die eines müßigen Zuschauers.
Ich habe mein Leben lang Ehrgeiz und Streberei verachtet. Dieser Abscheu in mir war so ehrlich und stark, daß ein ehrgeiziger Mann noch so liebenswert hätte sein können, noch so reizvoll, ich wäre vor seiner Verführung gefeit gewesen. Aus Ekel vor den öffentlichen Angelegenheiten, hätte ich ihm eine nüchterne Seele und viel Eitelkeit zugetraut.
Mein Lieber, ich werde Sie von Ihren Plänen ganz gewiß nicht abhalten, aber ich sage Ihnen offen, mehr Freuden als eben die des Ehrgeizes werden Sie nicht haben. Zweifellos glauben Sie sich von einem idealen Drang getrieben. Täuschen Sie sich hierbei nur nicht! Es ist der Egoismus, die Sucht, die große Masse zu überragen. Meinetwegen, erhabener ausgedrückt, es ist ein edler Stolz, das Kraftgefühl, an der Spitze der Menschheit marschieren zu wollen. Vielleicht führt Sie Ihr neuer Weg zu etwas anderem. Sie werden gehaßt und verleumdet werden. Im Anfang verursacht das einem Verdruß, dann überwindet man den Haß, wie es manchem mit der Liebe geht. Man steht schließlich über der öffentlichen Meinung; man ist sozusagen stark geworden.
Also gut. Sie sind ehrgeizig geworden, weil Sie von der Natur dazu bestimmt sind. Sicherlich werden Sie alle Ihre Kräfte darein setzen. Und ich? Was habe ich dabei zu erhoffen? Ihren Ruhm werde ich nicht mehr erleben. Eine Weile werde ich betrübt sein, daß Sie einen andern Weg eingeschlagen haben, um Ihrem Ziele zuzustreben, aber dann werde ich meinen Pfad tapfer weiter wandern, und ich weiß bestimmt, daß meiner eher zu Ende geht als der Ihre, und einmal am Ziele angelangt, werde ich mich gewiß nicht umblicken, sondern Gott dafür danken.
Lieber Freund, haben wir uns denn nicht gestern wieder versöhnt? Eben war es mir, als seien wir tausend Meilen voneinander getrennt. Ich war tief unglücklich darüber. Ihr Name klang mir durchs Herz, eine Vorahnung von Glück ergriff mich, und dann erschien vor mir ein blasierter Weltmann, voll Ungeduld, mich wieder zu verlassen. Mein Gott, und Sie sagten mir, Sie liebten mich? Vergessen Sie diese Worte, sprechen Sie sie nie wieder aus! Sie hallen zu schmerzlich in mir wider und machen mir mein Unglück nur um so fühlbarer.
Gute Nacht, mein Lieber! Ich werde Sie morgen nicht sehen, das ahne ich. Heute haben Sie Ihre Arbeiten, morgen Ihre Frau, dann wieder Geschäfte, Pflichten bei Hofe, was weiß ich... So viel ist sicher, Sie haben immer recht, aber dabei lassen Sie mich hinsterben. Ist das nicht wahr? Sie haben keine Zeit, mir zu antworten.
Ach, warum Sie und kein andrer? Doch das ist nun zu spät! Mir schaudert dabei vor dem Tode, der bereits an meiner Türe klopft.