Julie de Lespinasse
Die Liebesbriefe der Julie de Lespinasse
Julie de Lespinasse

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166.

Mittwochs, elf Uhr abends.

Ich habe viel nachgedacht. Wenn Sie nicht glücklich, nicht sehr glücklich sind, dann kann es überhaupt kein Glück geben. Dann gibt es so etwas ähnliches auf der ganzen Welt nicht. Denn Sie sind ganz besonders dazu geschaffen, viel zu genießen und wenig zu leiden.

Alles ist Ihnen dienstbar, Ihre Fehler wie Ihre guten Eigenschaften, Ihre Empfänglichkeit wie Ihr Leichtsinn. Sie haben Liebhabereien, aber keine Passionen. Sie haben Gemüt, aber keinen Charakter. Mit einem Worte, die Natur hat es meisterlich verstanden, die Elemente so zu mengen, daß Sie der glücklichste und liebenswürdigste Mensch unter der Sonne geworden sind. Sie werden mich fragen, worauf das hinausgehe? Wenn Sie das nicht selber merken, so glauben Sie nur getrost, ich schwatze ins Blaue hinein.

Mein Lieber, ich hatte zwar nur ganz heimlich gehofft, daß Sie heute abend kämen, und doch hatte ich Mühe, mich um zehn Uhr von zu Hause loszureißen, um noch ein Stündchen mit Herrn d'Anlezi zu Herrn von Saint-Chamans zu gehen, dessen Zustand mir Sorge macht.

Wann werde ich Sie sehen? Haben Sie wirklich die Kraft, sich mir drei Tage lang zu versagen, Sie, der Sie aller Welt so leicht nachgeben? Mein Lieber, bedenken Sie: Was sind drei Tage auf der langen Strecke Ihres Lebens, aber mein Leben ist nur noch kurz. Sie sind fest mit dem Leben verbunden, ich nur noch durch einen schwachen Faden.

Meine Briefe, lieber Freund!


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