Julie de Lespinasse
Die Liebesbriefe der Julie de Lespinasse
Julie de Lespinasse

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180.

Dienstags, sechs Uhr abends. [Januar 1776]

Mein lieber Freund, ich möchte nicht, daß unter den wenigen Tagen, die mir zu leben übrigbleiben, auch nur einer sei, an dem Sie nicht das Bewußtsein hätten, daß Sie von dem unglücklichsten Geschöpf auf der ganzen Welt bis zur Tollheit geliebt werden. Ja, mein lieber Freund, ich liebe Sie! Ich möchte, daß diese wehmütige Wahrheit Sie allerwegen verfolge und einen Schatten auf Ihr Glück werfe. Das Gift, das mir das Leben erst verlängert, dann verzehrt und am Ende vernichtet hat, soll in Ihre Seele zurückfließen und sie mit einer bitteren Sehnsucht erfüllen, die Sie wenigstens dazu stimmt, die zu bedauern, die Sie in zärtlichster Leidenschaft geliebt hat.

Leben Sie wohl, mein Lieber, lieben Sie mich nicht, denn das wäre gegen Ihre Pflicht und wider Ihren Willen, aber dulden Sie, daß ich Sie liebe und daß ich es Ihnen hundertmal sage und tausendmal, aber immer als Widerhall meines tiefsten Gefühles.

Lieber Freund, kommen Sie morgen mit zu Tisch zu Frau Geoffrin! Meine Tage sind gezählt, und so hat nichts, was Sie etwa noch für mich tun, eine Folge für Sie in der Zukunft. Mein Gott, die Zukunft! Wehe denen, die in Liebe zu Ihnen von ihr viel erwarten!

Aber leben Sie wohl! Es kommt Besuch. Wie qualvoll ist es, in der großen Welt zu leben, wenn man nur einen Gedanken hat!


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