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Wien, 22. Dezember 1781.
Ich bin noch ganz voll von Zorn und Wut über die schändlichen Lügen des Erzbubens Winter, ruhig und gelassen, weil sie mich nicht treffen, vergnügt und zufrieden mit meinem unschätzbarsten, liebsten, besten Vater! Ich konnte es aber von Ihrer Vernunft und Ihrer Liebe und Güte zu mir nie anderst erwarten. Meinen Brief und Geständnis meiner Liebe und Absicht werden Sie nun durch mein letztes Schreiben schon erfahren haben und werden daraus gesehen haben, daß ich in meinem sechsundzwanzigsten Jahr nicht so dumm sein werde, so im Tage hinein zu heiraten, ohne etwas Gewisses zu haben, daß meine Ursachen, mich sobald möglich zu verheiraten, sehr gut gegründet sind und daß nach dem, wie ich Ihnen mein Mädchen geschildert habe, mir selbe als Frau sehr gut zustatten kommen wird. Dann so wie ich sie Ihnen beschrieben, so ist sie, um kein Haar besser noch schlechter. Wegen dem Ehekontrakt will ich Ihnen auch das aufrichtigste Geständnis machen, wohl überzeugt, daß Sie mir diesen Schritt gewiß verzeihen werden, indem Sie, wenn Sie sich in meinem Falle befunden hätten, ganz gewiß würden das nämliche getan haben. Nur wegen diesem bitte ich Sie um Verzeihung, daß ich Ihnen nicht längst alles geschrieben. Über diesen Punkt habe ich Ihnen schon in meinem letzten Brief meine Entschuldigung gemacht und die Ursach, die mich davon abgehalten, geschrieben. Ich hoffe also, Sie werden es mir verzeihen, indem niemand mehr dabei gequält war als ich selbst. Und wenn Sie mir auch in Ihrem letzten nicht Anlaß dazu gegeben hätten, so würde ich Ihnen alles geschrieben und entdecket haben; dann länger, länger konnte ich es bei Gott nicht aushalten.
Nun aber auf den Ehekontrakt oder vielmehr auf die schriftliche Versicherung meiner guten Absichten mit dem Mädchen zu kommen, so wissen Sie wohl, daß, weil der Vater (leider für die ganze Familie und auch für mich und meine Konstanze) nicht mehr lebt, ein Vormund vorhanden ist. Diesem (der mich gar nicht kennt) müssen so dienstfertige und naseweise Herren wie Herr Winter und ihrer mehrere allerhand Dinge von mir in die Ohren geschrien haben: daß man sich mit mir in acht nehmen müsse, daß ich nichts Gewisses hätte, daß ich starken Umgang mit ihr hätte, daß ich sie vielleicht sitzen lassen würde und das Mädchen hernach unglücklich wäre usw. Dies kroch dem Herrn Vormund in die Nase, dann die Mutter, die mich und meine Ehrlichkeit kennt, ließ es dabei bewenden und sagte ihm nichts davon. Dann mein ganzer Umgang bestund darin, daß ich dort wohnte und nachher alle Täge ins Haus kam. Außer dem Hause sah mich kein Mensch mit ihr. Dieser lag der Mutter mit seinen Vorstellungen so lange in den Ohren, bis sie mir es sagte und mich bat, mit ihm selbst davon zu sprechen, er wolle die Täge herkommen. Er kam, ich redete mit ihm, das Resultat (weil ich mich nicht so deutlich explizierte, als er es gewollt) war, daß er der Mutter sagte, mir allen Umgang mit ihrer Tochter zu verwehren, bis ich es schriftlich mit ihm ausgemacht hätte. Die Mutter sagte: »Sein ganzer Umgang besteht darin, daß er in mein Haus kömmt, und mein Haus kann ich ihm nicht verbieten, er ist ein zu guter Freund und ein Freund, dem ich viele Obligation habe; ich bin zufriedengestellt, ich traue ihm; machen Sie es mit ihm aus.« Er verbot mir also allen Umgang mit ihr, wenn ich es nicht schriftlich mit ihm machte. Was blieb mir also für ein Mittel übrig? Eine schriftliche Legitimation zu geben oder das Mädchen zu lassen. Wer aufrichtig und solid liebt, kann der seine Geliebte verlassen? Kann die Mutter, kann die Geliebte selbst nicht die abscheulichste Auslegung darüber machen? Das war mein Fall. Ich verfaßte die Schrift also, daß ich mich verpflichte, in Zeit von drei Jahren die Mademoiselle Konstanze Weber zu ehelichen; wofern sich die Ohnmöglichkeit bei mir ereignen sollte, daß ich meine Gedanken ändern sollte, so solle sie alle Jahr dreihundert Fl. von mir zu ziehen haben. Ich konnte ja nichts Leichters in der Welt schreiben; dann ich wußte, daß es zu der Bezahlung dieser dreihundert Fl. niemalen kommen wird, weil ich sie niemalen verlassen werde. Und sollte ich so unglücklich sein, meine Gedanken verändern zu können, so würde ich recht froh sein, wenn ich mich mit dreihundert Fl. davon befreien könnte, und die Konstanze, wie ich sie kenne, würde zu stolz sein, um sich verkaufen zu lassen. Was tat aber das himmlische Mädchen, als der Vormund weg war? Sie begehrte von der Mutter die Schrift, sagte zu mir: »Lieber Mozart! ich brauche keine schriftliche Versicherung von Ihnen, ich glaube Ihren Worten so« und zerriß die Schrift. Dieser Zug machte mir meine liebe Konstanze noch werter, und durch diese Kassierung der Schrift und durch das Versprechen auf parole d'honneur des Vormunds, diese Sache bei sich zu halten, war ich wegen Ihnen, mein bester Vater, einesteils in etwas beruhiget. Dann für Ihre Einwilligung zur Heirat (da es ein Mädchen ist, dem nichts als Geld fehlt) war mir nicht bange zu seiner Zeit, dann ich kenne Ihre vernünftige Denkungsart in diesem Falle. Werden Sie mir verzeihen? Ich hoffe es, ich zweifle gar nicht ...
Alle Täge früh um sechs Uhr kommt mein Friseur und weckt mich, bis sieben Uhr bin ich ganz angezogen, dann schreib ich bis zehn Uhr, um zehn Uhr habe ich die Stunde bei der Frau von Trattnern, um elf Uhr bei der Gräfin Rumbeck; jede gibt mir für zwölf Lektionen sechs Dukaten, und dahin gehe ich alle Täge, ausgenommen sie schicken, welches mir niemalen lieb ist. Bei der Gräfin habe ich es schon ausgemacht, daß sie niemalen schickt; treff ich sie nicht an, so habe ich doch mein Billett; die Trattnerin ist aber zu économe dazu. Ich bin keinem Menschen einen Kreuzer schuldig. Ich weiß kein Wort von einem Liebhaberkonzert, wo zwei waren, die schön Klavier spielten, und ich sage es Ihnen aufrichtig, daß ich es nicht der Mühe wert achte, auf allen den Dreck zu antworten, was so ein Lausbub und elender Stümper gesagt haben mag; er macht sich nur selbst lächerlich dadurch. Wenn Sie glauben, daß ich bei Hofe, bei der ganzen und halben Noblesse verhaßt seie, so schreiben Sie nur an Herrn von Strack, Gräfin Thun, Gräfin Rumbeck, Baronin Waldstädten, Herrn von Sonnenfels, Frau von Trattnern, enfin an wen Sie wollen. Unterdessen will ich Ihnen nur sagen, daß der Kaiser letzthin bei der Tafel das größte Eloge von mir gemacht hat, mit den Worten begleitet: »C'est un talent décidé«; und vorgestern, als den 24., habe ich bei Hofe gespielt. Es ist noch ein Klavierspieler hier angekommen, ein Welscher, er heißt Clementi; dieser war auch hineinberufen. Gestern sind mir davor fünfzig Dukaten geschickt worden, welche ich dermalen recht nötig brauche.
Mein liebster, bester Vater, Sie werden sehen, daß es mir nach und nach immer besser gehen wird. Was nutzt der entsetzliche Lärm, das geschwinde Glück? es ist von keiner Dauer. Che và piano, và sano. Man muß sich halt nach der Decke strecken. Unter allen den Hundsfüttereien, die Winter gesagt, ärgert mich nichts, als daß er meine liebe Konstanze ein Luder heißt. Ich habe sie Ihnen geschildert, so wie sie ist; wollen Sie anderer Leute Meinung darüber hören, so schreiben Sie dem Herrn von Auernhammer, bei welchem sie etlichemal war und einmal gespeist hat; schreiben Sie der Baronin Waldstädten, welche sie (leider nur) ein Monat bei sich gehabt hat, weil sie, die Dame, krank geworden; und nun will sie die Mutter nicht mehr von sich lassen. Gott gebe, daß ich sie bald heiraten kann! Der Ceccarelli empfiehlt sich, er hat gestern bei Hofe gesungen. Wegen dem Winter muß ich Ihnen nur das noch sagen. Er hat unter andern einmal zu mir gesagt: »Sie sind nicht gescheit, wenn Sie heiraten; Sie verdienen Geld genug. Sie können es schon, halten Sie sich eine Mätresse! Was hält Ihnen denn zurück? das bissel d... Religion?« Nun glauben Sie, was Sie wollen. Adieu ...