W. A. Mozart
Mozarts Briefe
W. A. Mozart

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Paris, 1. Mai 1778.

... Der kleine Violoncellist Zygmontowsky und sein schlechter Vater ist hier, das werde ich Ihnen vielleicht schon geschrieben haben; ich tue es nur im Vorbeigehen, weil ich just darauf gedacht habe, daß ich ihn in jenem Ort gesehen habe, wovon ich Ihnen nun Meldung tun will, das ist nämlich bei der Madame la Duchesse de Chabot. Monsieur Grimm gab mir einen Brief an sie, und da fuhr ich hin. Der Inhalt dieses Briefs war hauptsächlich, mich bei der Duchesse de Bourbon (die damals im Kloster war) zu rekommandieren und mich neuerdings bei ihr wieder bekannt zu machen und sich meiner erinnern zu machen. Da gingen acht Täg vorbei ohne mindester Nachricht; sie hatte mich dort schon auf über acht Täg bestellt, und also hielte ich mein Wort und kam. Da mußte ich eine halbe Stund in einem eiskalten, ungeheizten und ohne mit Kamin versehenen großen Zimmer warten. Endlich kam die Duchesse Chabot mit größter Höflichkeit und bat mich mit dem Klavier vorliebzunehmen, indeme keins von den ihrigen zugerichtet seie; ich möchte es versuchen. Ich sagte, ich wollte von Herzen gern etwas spielen, aber itzt seie es ohnmöglich, indeme ich meine Finger nicht empfinde für Kälte, und bat sie, sie möchte mich aufs wenigste in ein Zimmer, wo ein Kamin mit Feuer ist, führen lassen. »O oui, Monsieur, vous avez raison!«, das war die ganze Antwort. Dann setzte sie sich nieder und fing an eine ganze Stund zu zeichnen en compagnie anderer Herren, die alle in einem Zirkel um einen großen Tisch herumsaßen; da hatte ich die Ehre eine ganze Stund zu warten. Fenster und Türen waren offen, ich hatte nicht allein in Händen, sondern im ganzen Leib und Füßen kalt, und der Kopf fing mir auch gleich an wehe zu tun. Da war also altum silentium, und ich wußte nicht, was ich solange für Kälte, Kopfweh und Langeweile anfangen sollte. Oft dachte ich mir, wenn mir nicht um Monsieur Grimm wäre, so ging ich den Augenblick wieder weg. Endlich, um kurz zu sein, spielte ich auf dem miserablen elenden Pianoforte. Was aber das Ärgste war, daß die Madame und all die Herren ihr Zeichnen keinen Augenblick unterließen, sondern immer fortmachten, und ich also für die Sessel, Tisch und Mauern spielen mußte. Bei diesen so übel bewandten Umständen verging mir die Geduld, ich fing also die Fischerischen Variationen an, spielte die Hälfte und stund auf. Da waren eine Menge Eloges. Ich aber sagte, was zu sagen ist, nämlich, daß ich mir mit diesem Klavier keine Ehre machen könnte und mir sehr lieb seie, einen andern Tag zu wählen, wo ein besseres Klavier da wäre. Sie gab aber nicht nach, ich mußte noch eine halbe Stunde warten, bis ihr Herr kam. Der aber setzte sich zu mir und hörte mit aller Aufmerksamkeit zu, und ich – ich vergaß darüber alle Kälte, Kopfwehe und spielte ohngeacht dem elenden Klavier so, wie ich spiele, wenn ich gut in Laune bin. Geben Sie mir das beste Klavier von Europa und aber Leute zu Zuhörer, die nichts verstehen oder die nichts verstehen wollen und die mit mir nicht empfinden, was ich spiele, so werde ich alle Freude verlieren. Ich Hab dem Monsieur Grimm nach der Hand alles erzählt. Sie schreiben mir, daß ich brav Visiten machen werde, um Bekanntschaften zu machen und die alten wieder zu erneuern. Das ist aber nicht möglich. Zu Fuß ist es überall zu weit oder zu koticht, dann in Paris ist ein unbeschreiblicher Dreck. Im Wagen zu fahren hat man die Ehre gleich des Tags vier bis fünf Livres zu verfahren und umsonst; dann die Leute machen halt Komplimenten, und dann ists aus, bestellen mich auf den und den Tag, da spiel ich, dann heißts: » O, c'est un prodige, c'est inconcevadle, c'est étonnant!« und hiemit Adieu. Ich hab hier so anfangs Geld genug verfahren und oft umsonst, daß ich die Leute nicht angetroffen habe. Wer nicht hier ist, der glaubt nicht, wie fatal daß es ist. Überhaupt hat sich Paris viel geändert: die Franzosen haben lang nicht mehr so viel Politesse als vor fünfzehn Jahren, sie grenzen itzt stark an die Grobheit, und hoffärtig sind sie abscheulich...

Wenn hier ein Ort wäre, wo die Leute Ohren hätten, Herz zum Empfinden und nur ein wenig was von der Musik verstünden und Gusto hätten, so würde ich von Herzen zu allen diesen Sachen lachen, aber so bin ich unter lauter Viecher und Bestien (was die Musik anbelangt). Wie kann es aber anderst sein? Sie sind ja in allen ihren Handlungen, Leidenschaften und Passionen auch nichts anders. Es gibt ja kein Ort in der Welt wie Paris. Sie dürfen nicht glauben, daß ich ausschweife, wenn ich von der hiesigen Musik so rede. Wenden Sie sich, an wen Sie wollen, nur an keinen geborenen Franzosen, so wird man Ihnen (wenns jemand ist, an den man sich wenden kann) das nämliche sagen. Nun bin ich hier, ich muß aushalten und das Ihnen zulieb. Ich dank Gott dem Allmächtigen, wenn ich mit gesundem Gusto davonkomme. Ich bitte alle Tage Gott, daß er mir die Gnade gibt, daß ich hier standhaft aushalten kann, daß ich mir und der ganzen teutschen Nation Ehre mache, indeme alles zu seiner größeren Ehr und Glori ist, und daß er zuläßt, daß ich mein Glück mache, brav Geld mache, damit ich imstande bin, Ihnen dadurch aus Ihren dermalen betrübten Umständen zu helfen und zuwegen zu bringen, daß wir bald zusammenkommen und glücklich und vergnügt miteinander leben können. Übrigens sein Willen geschehe, wie im Himmel, also auch auf Erden. Ihnen, liebster Papa, bitte ich aber sich zu impegnieren unterdessen, daß ich Italien zu sehen bekomme, damit ich doch hernach wieder aufleben kann. Machen Sie mir doch diese Freude, ich bitte Sie darum. Nun bitte ich Sie aber recht lustig zu sein; ich werde mich hinaushauen, wie ich kann; wenn ich nur ganz davonkomme! Adieu! ...


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