W. A. Mozart
Mozarts Briefe
W. A. Mozart

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Paris, 9. Juli 1778.

Ich hoffe, Sie werden bereitet sein, eine der traurigsten und schmerzhaftesten Nachrichten mit Standhaftigkeit anzuhören; Sie werden durch mein Letztes vom 3. in die Lage gesetzt worden sein, nichts Gutes hören zu dürfen. Den nämlichen Tag, den 3., ist meine Mutter abends um zehn Uhr einundzwanzig Minuten in Gott selig entschlafen; als ich Ihnen aber schriebe, war sie schon im Genuß der himmlischen Freuden, alles war schon vorbei. Ich schriebe Ihnen in der Nacht; ich hoffe, Sie und meine liebe Schwester werden mir diesen kleinen und sehr notwendigen Betrug verzeihen, dann nachdem ich nach meinen Schmerzen und Traurigkeit auf die Ihrige schloß, so konnte ich es ohnmöglich übers Herz bringen, Sie sogleich mit dieser schrecklichen Nachricht zu überraschen. Nun aber, hoffe ich, werden Sie sich beide gefaßt gemacht haben, das Schlimmste zu hören und nach allen natürlichen und nun gar zu billigen Schmerzen und Weinen endlich sich in den Willen Gottes zu geben und seine unerforschliche, unergründliche und allerweiseste Vorsehung anzubeten. Sie werden sich leicht vorstellen können, was ich ausgestanden, was ich für Mut und Standhaftigkeit notwendig hatte, um alles so nach und nach immer ärger, immer schlimmer mit Gelassenheit zu übertragen; und doch, der gütige Gott hat mir diese Gnade verliehen, ich habe Schmerzen genug empfunden, habe genug geweint. Was nutzte es aber? Ich mußte mich also trösten: machen Sie es auch so, mein lieber Vater und liebe Schwester! Weinen Sie, weinen Sie sich recht aus, trösten Sie sich aber endlich! Bedenken Sie, daß es der allmächtige Gott also hat haben wollen, und was wollen wir wider ihn machen? Wir wollen lieber beten und ihm danken, daß es so gut abgelaufen ist; dann sie ist sehr glücklich gestorben. In jenen betrübten Umständen habe ich mich mit drei Sachen getröstet, nämlich durch meine gänzliche, vertrauensvolle Ergebung in Willen Gottes, dann durch die Gegenwart ihres so leichten und schönen Tods, indem ich mir vorstellte, wie sie nun in einem Augenblick so glücklich wird, wie viel glücklicher daß sie nun ist als wir, so daß ich mir gewunschen hätte, in diesem Augenblick mit ihr zu reisen. Aus diesem Wunsch und aus dieser Begierde entwickelte sich endlich mein dritter Trost, nämlich, daß sie nicht auf ewig für uns verloren ist, daß wir sie wiedersehen werden, vergnügter und glücklicher beisammen sein werden als auf dieser Welt. Nur die Zeit ist uns unbekannt, das macht mir aber gar nicht bang; wann Gott will, dann will ich auch. Nun, der göttliche, allerheiligste Willen ist vollbracht; beten wir also einen andächtigen Vaterunser für ihre Seele, und schreiten wir zu andern Sachen; es hat alles seine Zeit. Ich schreibe dieses im Hause der Madame d'Epinay und des Monsieur Grimm, wo ich nun logiere, ein hübsches Zimmerl mit einer sehr angenehmen Aussicht habe und, wie es nur immer mein Zustand zuläßt, vergnügt bin. Eine große Hilfe zu meiner möglichen Zufriedenheit wird sein, wenn ich hören werde, daß mein lieber Vater und meine liebe Schwester sich mit Gelassenheit und Standhaftigkeit gänzlich in den Willen des Herrn geben, sich ihm von ganzem Herzen vertrauen in der festen Überzeugung, daß er alles zu unserm Besten anordnet. Allerliebster Vater, schonen Sie sich! Liebste Schwester, schone Dich! Du hast noch nichts von dem guten Herzen deines Bruders genossen, weil er es noch nicht imstande war. Meine liebste Beide! habt Sorge auf Eure Gesundheit, denket, daß Ihr einen Sohn habt, einen Bruder, der all seine Kräften anwendet, um Euch glücklich zu machen, wohl wissend, daß Ihr ihm auch einstens seinen Wunsch und sein Vergnügen, welches ihm gewiß Ehre macht, nicht versagen werdet und auch alles anwenden werdet, um ihn glücklich zu sehen. O, dann wollen wir so ruhig, so ehrlich, so vergnügt (wie es nur immer auf dieser Welt möglich ist) leben und endlich, wenn Gott will, dort wieder zusammenkommen, wofür wir bestimmt und erschaffen sind...

Wegen der Opera hab ich Ihnen schon im vorigen geantwortet. Wegen dem Ballett des Noverre habe ich ja nie nichts anders geschrieben, als daß er vielleicht ein neues machen wird; er hat just einen halben Ballett gebraucht, und da machte ich die Musik dazu; das ist, sechs Stücke werden von andern darin sein, die bestehen aus lauter alten miserablen französischen Arien; die Sinfonie und Contredanses, überhaupt halt zwölf Stücke werde ich dazu gemacht haben. Dieser Ballett ist schon viermal mit größtem Beifall gegeben worden. Ich will aber jetzt absolument nichts machen, wenn ich nicht voraus weiß, was ich dafür bekomme, dann dies war nur ein Freundstück für Noverre. Der Monsieur Wendling ist den letzten Mai von hier weg. Wenn ich den Baron Bach sehen wollte, müßte ich sehr gute Augen haben, dann der ist nicht hier, sondern in London. Ist es möglich, daß ich dies nicht sollte geschrieben haben? Sie werden sehen, daß ich künftighin alle Ihre Briefe akkurat beantworten werde. Man sagt, der Baron Bach würde bald wiederkommen; das wäre mir sehr lieb aus vielen Sachen, besonders aber, weil bei ihm Gelegenheit ist, etwas Rechtes zu probieren. Der Kapellmeister Bach wird auch bald hier sein; ich glaube, er wird eine Oper schreiben. Die Franzosen sind und bleiben halt Eseln, sie können nichts, sie müssen Zuflucht zu Fremden nehmen. Mit Piccini habe im Concert spirituel gesprochen: er ist ganz höflich mit mir und ich mit ihm, wenn wir so ungefähr zusammenkommen; übrigens mache ich keine Bekanntschaft weder mit ihm noch mit andern Komponisten; ich verstehe meine Sache und sie auch, und das ist genug. Daß meine Sinfonie im Concert spirituel unvergleichlich gefallen, habe auch schon geschrieben. Wenn ich eine Opera zu machen bekomme, so werde ich genug Verdruß bekommen. Das würde ich aber nicht viel achten, dann ich bin es schon gewohnt. Wenn nur die verfluchte französische Sprache nicht so hundsföttisch zur Musik wäre! Das ist was Elendes, die teutsche ist noch göttlich dagegen. Und dann erst die Sänger und Sängerinnen! Man sollte sie gar nicht so nennen, dann sie singen nicht, sondern sie schreien, heulen, und zwar aus vollem Halse, aus der Nase und Gurgel. Ich werde auf die künftige Fasten ein französisches Oratorium fürs Concert spirituel machen müssen. Der Monsieur Le Gros (Direktor) ist erstaunlich portiert für mich. Sie müssen wissen, daß ich (obwohlen ich sonst täglich bei ihm war) seit Ostern nicht bei ihm war, aus Verdruß, weil er meine Sinfonie concertante nicht aufgeführt hatte. Ins Haus kam ich öfters, um Monsieur Raaff zu besuchen, und mußte allzeit bei ihren Zimmern vorbeigehen. Die Bedienten und Mägde sahen mich allzeit, und ich gab ihnen allzeit eine Empfehlung auf. Es ist wohl schade, daß er sie nicht aufgeführt hat; die würde sehr inkontriert haben, nun hat er aber die Gelegenheit nicht mehr so. Wo sind allzeit vier Leute beisammen? Eines Tages, als ich Raaff besuchen wollte, war er nicht zu Haus, und man versicherte mich, er würde bald kommen; ich wartete also. Monsieur Le Gros kam ins Zimmer: »Das ist ein Mirakel, daß man einmal wieder das Vergnügen hat, Sie zu sehen.« – »Ja, ich habe gar so viel zu tun.« – »Sie bleiben ja doch heute bei uns zu Tisch?« – »Ich bitte um Verzeihung, ich bin schon engagiert.« – »Monsieur Mozart, wir müssen einmal wieder einen Tag beisammen sein.« – »Wird mir ein Vergnügen sein.« Große Pause. Endlich: »Apropos, wollen Sie mir nicht eine große Sinfonie machen für Fronleichnam?« – »Warum nicht?« – »Kann ich mich aber darauf verlassen?« – »O ja, wenn ich mich nur so gewiß darauf verlassen darf, daß sie produziert wird und daß es nicht so geht, wie mit der Sinfonie concertante.« Da ging nun der Tanz an, er entschuldigte sich, so gut er konnte, wußte aber nicht viel zu sagen. Kurz, die Sinfonie fand allen Beifall, und Le Gros ist damit so zufrieden, daß er sagt, das seie seine beste Sinfonie. Das Andante hat aber nicht das Glück gehabt, ihn zufriedenzustellen; er sagt, es seie zu viel Modulation darin und zu lang. Das kam aber daher, weil die Zuhörer vergessen hatten, einen so starken und anhaltenden Lärmen mit Händeklatschen zu machen wie bei dem ersten und letzten Stück. Dann das Andante hat von mir, von allen Kennern, Liebhabern und meisten Zuhörern den größten Beifall. Es ist just das Contraire, was Le Gros sagt: es ist ganz natürlich und kurz. Um ihn aber (und, wie er behauptet, mehrere) zu befriedigen, habe ich ein anderes gemacht. Jedes in seiner Art ist recht, dann es hat jedes einen andern Charakter. Das letzte gefällt mir aber noch besser. Ich werde Ihnen die Sinfonie mit der Violinschule, Klaviersachen und Voglers Buch (Tonwissenschaft und Tonsetzkunst) mit einer guten Gelegenheit schicken, und dann will ich auch Ihr Urteil darüber hören. Den 15. August, Mariä Himmelfahrt, wird die Sinfonie mit dem neuen Andante das zweite Mal aufgeführt werden. Die Sinfonie ist ex Re und das Andante ex Sol. Hier darf man nicht sagen D oder G. Nun ist halt der Le Gros ganz für mich...


 << zurück weiter >>