W. A. Mozart
Mozarts Briefe
W. A. Mozart

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Paris, 3. Juli 1778.

Ich habe Ihnen eine sehr unangenehme und traurige Nachricht zu geben, die auch Ursach ist, daß ich auf Ihren letzten Brief, vom 11. datiert, nicht eher habe antworten können. Meine liebe Mutter ist sehr krank: sie hat sich, wie sie es gewohnt war, Ader gelassen, und es war auch sehr notwendig; es war ihr auch ganz gut darauf, doch einige Tage darnach klagte sie Frost und auch gleich Hitzen, bekam den Durchlauf, Kopfwehe. Anfangs brauchten wir nur unsere Hausmitteln, antispasmotisch Pulver; wir hätten auch gerne das schwarze gebraucht, es mangelte uns aber, und wir konnten es hier nicht bekommen; es ist auch unter dem Namen pulvis epilepticus nicht bekannt. Weil aber immer ärger wurde, sie hart reden konnte, das Gehör verlor, so daß man schreien mußte, so schickte der Baron Grimm seinen Doktor her. Sie ist sehr schwach, hat noch Hitzen und phantasiert; man gibt mir Hoffnung, ich habe aber nicht viel; ich bin nun schon lange Tag und Nacht zwischen Furcht und Hoffnung, ich habe mich aber ganz in Willen Gottes gegeben und hoffe, Sie und meine liebe Schwester werden es auch tun; was ist denn sonst für ein Mittel, um ruhig zu sein? Ruhiger, sag ich, dann ganz kann man es nicht sein; ich bin getröstet, es mag ausfallen, wie es will, weil ich weiß, daß es Gott, der alles (wenns uns noch so quer vorkömmt) zu unserm Besten anordnet, so haben will; dann ich glaube (und dieses lasse ich mir nicht ausreden), daß kein Doktor, kein Mensch, kein Unglück, kein Zufall einem Menschen das Leben geben noch nehmen kann, sondern Gott allein; das sind nur die Instrumenten, deren er sich meistenteils bedienet und auch nicht allzeit; wir sehen ja, daß Leute umsinken, umfallen und tot sind. Wenn einmal die Zeit da ist, so nutzen alle Mitteln nichts: sie befördern eher den Tod, als sie ihn verhindern; wir haben es ja am seligen Freund Hefner gesehen. Ich sage dessentwegen nicht, daß meine Mutter sterben wird und sterben muß, daß alle Hoffnung verloren seie; sie kann frisch und gesund werden, aber nur wenn Gott will. Ich mache mir, nachdem ich aus allen meinen Kräften um die Gesundheit und Leben meiner lieben Mutter zu meinem Gott gebeten habe, gerne solche Gedanken und Tröstungen, weil ich mich hernach mehr beherzt, ruhiger und getröst finde; dann Sie werden sich leicht vorstellen, daß ich dies brauche. Nun etwas anderes! Verlassen wir diese Trauergedanken; hoffen wir, aber nicht zuviel; haben wir unser Vertrauen auf Gott und trösten wir uns mit diesem Gedanken, daß alles gut gehet, wenn es nach dem Willen des Allmächtigen geht, indeme er am besten weiß, was uns allen sowohl zu unserm zeitlichen und ewigen Glück und Heil ersprießlich und nutzbar ist.

Ich habe eine Sinfonie, um das Concert spirituel zu eröffnen, machen müssen. Am Fronleichnamstag wurde sie mit allem Applauso aufgeführt. Es ist auch, soviel ich höre, im Courier de l'Europe eine Meldung davon geschehen, sie hat also ausnehmend gefallen. Bei der Prob war es mir sehr bange, dann ich habe mein Lebetag nichts Schlechters gehört. Sie können sich nicht vorstellen, wie sie die Sinfonie zweimal nacheinander heruntergehudelt und heruntergekratzet haben; mir war wahrlich ganz bang, ich hätte sie gerne noch einmal probiert, aber weil man allzeit so viel Sachen probiert, so war keine Zeit mehr; ich mußte also mit bangem Herzen und mit unzufriedenem und zornigem Gemüt ins Bette gehen. Den andern Tag hatte ich mich entschlossen, gar nicht ins Konzert zu gehen, es wurde aber abends gut Wetter, und ich entschlosse mich endlich mit dem Vorsatz, daß, wenn es so schlecht ging wie bei der Prob, ich gewiß aufs Orchester gehen werde und dem Herrn La Houssaye, erstem Violin, die Violin aus der Hand nehmen und selbst dirigieren werde. Ich bat Gott um die Gnade, daß es gut gehen möchte, indem alles zu seiner höchsten Ehr und Glori ist, und ecce, die Sinfonie fing an, Raaff stund neben meiner, und gleich mitten im ersten Allegro war eine Passage, die ich wohl wußte, daß sie gefallen müßte; alle Zuhörer wurden davon hingerissen, und war ein großes Applaudissement. Weil ich aber wußte, wie ich sie schriebe, was das für einen Effekt machen würde, so brachte ich sie auf die Letzt noch einmal an. Da gings nun Da capo. Das Andante gefiel auch, besonders aber das letzte Allegro. Weil ich hörte, daß hier alle letzte Allegros wie die ersten mit allen Instrumenten zugleich und meistens unisono anfangen, so fing ich mit die zwei Violinen allein piano nur acht Takt an, darauf kam gleich ein Forte, mithin machten die Zuhörer (wie ichs erwartete) beim Piano sch, dann kam gleich das Forte. Sie das Forte hören und die Hände zu klatschen war eins. Ich ging also gleich für Freude nach der Sinfonie ins Palais Royal, nahm ein guts Gefrornes, bat den Rosenkranz, den ich versprochen hatte, und ging nach Haus, wie ich allzeit am liebsten zu Hause bin und auch allzeit am liebsten zu Hause sein werde oder bei einem guten, wahren, redlichen Teutschen, der, wenn er ledig ist, für sich als ein guter Christ gut lebt, wenn er verheiratet ist, seine Frau liebt und seine Kinder gut erzieht.

Nun gebe ich Ihnen eine Nachricht, die Sie vielleicht schon wissen werden, daß nämlich der gottlose und Erzspitzbub Voltaire sozusagen wie ein Hund, wie ein Vieh krepiert ist – das ist der Lohn! ... Daß ich hier nicht gerne bin, werden Sie schon längst gemerket haben. Ich habe so viel Ursachen und die aber, weil ich itzt schon einmal da bin, zu nichts nutzen. Bei mir fehlt es nicht und wird es niemalen fehlen, ich werde aus allen Kräften meine Möglichkeit tun. Nun, Gott wird alles gutmachen! Ich habe etwas im Kopf, dafür ich Gott täglich bitte. Ist es sein göttlicher Wille so, so wird es geschehen, wo nicht, so bin ich auch zufrieden; ich habe dann aufs wenigst doch das meinige getan. Wenn dies dann alles in Ordnung ist und so geschieht, wie ich es wünsche, dann müssen Sie erst das Ihrige darzu tun, sonst wäre das ganze Werk unvollkommen. Ich hoffe auch von Ihrer Güte, daß Sie es gewiß tun werden. Machen Sie sich nur itzt kein unnütze Gedanken, dann um diese Gnade will ich Sie schon vorher gebeten haben, daß ich meine Gedanken nicht eher ins klare setze, als bis es Zeit ist ... Nun leben Sie recht wohl. Haben Sie Sorg auf Ihre Gesundheit, verlassen Sie sich auf Gott, da müssen Sie ja Trost finden; meine liebe Mutter ist in Händen des Allmächtigen. Will er sie uns noch schenken, wie ich es wünsche, so werden wir ihm für diese Gnade danken; will er sie aber zu sich nehmen, so nutzt all unser Ängsten, Sorgen und Verzweifeln nichts. Geben wir uns lieber standhaft in seinen göttlichen Willen mit gänzlicher Überzeugung, daß es zu unserm Nutzen sein wird, weil er nichts ohne Ursach tut. Leben Sie also recht wohl, liebster Papa, erhalten Sie mir Ihre Gesundheit ...


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