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Mannheim, 10. Dezember 1777.
Hier ist es dermalen nichts mit dem Kurfürsten. Ich war vorgestern in der Akademie bei Hof, um eine Antwort zu bekommen. Der Graf Savioli wich mir ordentlich aus; ich ging aber auf ihn zu. Als er mich sahe, schupfte er die Achseln. »Was?« sagte ich, »noch keine Antwort?« – »Bitte um Vergebung,« sagte er, »aber leider nichts.« – » Eh bien,« sagte ich, »das hätte mir der Kurfürst eher sagen können.« – »Ja,« sagte er, »er hätte sich noch nicht resolviert, wenn ich ihn nicht dazu getrieben und vorgestellt hätte, daß Sie schon so lange hier sitzen und im Wirtshaus Ihr Geld verzehren.« – »Das verdrüßet mich auch am meisten,« versetzte ich, »das ist gar nicht schön; übrigens bin ich Ihnen, Herr Graf (denn man heißt ihn nicht Exzellenz), sehr verbunden, daß Sie sich so eifrig für mich angenommen haben, und bitte, sich im Namen meiner beim Kurfürsten zu bedanken für die zwar späte, doch gnädige Nachricht; und ich versicherte ihn, daß es ihn gewiß niemalen gereuet hätte, wenn er mich genommen hätte.« – »O,« sagte er, »von diesem bin ich mehr versichert, als Sie es glauben.« Ich sagte hernach die Resolution dem Herrn Wendling, welcher völlig rot wurde und ganz hitzig sagte: »Da müssen wir Mittel finden; Sie müssen hierbleiben, die zwei Monate aufs wenigste, bis wir hernach miteinander nach Paris gehen. Morgen kömmt so der Cannabich von der Jagd zurück, da werden wir das mehrere reden.« Ich ging jetzt gleich von der Akademie weg und gerade zur Madame Cannabich. Dem Herrn Schatzmeister, der mit mir weggegangen und der ein recht braver Mann und mein guter Freund ist, habe ich es im Hingehen erzählt. Sie können sich nicht vorstellen, wie sich der Mensch darüber erzürnet hat. Als wir ins Zimmer traten, nahm er gleich das Wort und sagte: »Nu, da ist einer, der das gewöhnliche schöne Schicksal vom Hof hat.« – »Was?« sagte die Madame, »ist es also nichts?« Ich erzählte dann alles. Sie erzählten mir dann auch allerhand dergleichen Stückchen, die hier so passiert sind. Als die Mademoiselle Rose (welche drei Zimmer weit entfernt war und just mit der Wäsch umging) fertig war, kam sie herein und sagte zu mir: »Ist es Ihnen itzt gefällig?« Dann es war Zeit zur Lektion. »Ich bin zu Befehl,« sagte ich. - »Aber«, sagte sie, »heut wollen wir recht gescheut lernen.« – »Das glaub ich,« versetzte ich, »dann es dauert so nicht mehr lange.« – »Wie so? wie so? warum?« Sie ging zu ihrer Mama, und die sagte es ihr. »Was?« sagte sie, »ist es gewiß? ich glaube es nicht.« – »Ja, ja, gewiß!« sagte ich. Sie spielte hierauf ganz seriös meine Sonata. Hören Sie, ich konnte mich des Weinens nicht enthalten. Endlich kamen auch der Mutter, Tochter und dem Herrn Schatzmeister die Tränen in die Augen; dann sie spielte just die Sonata, und das ist das Favorit vom ganzen Haus. »Hören Sie,« sagte der Schatzmeister, »wenn der Herr Kapellmeister (man nennt mich hier nie anderst) weggehet, so macht er uns alle weinen.« Ich muß sagen, daß ich hier sehr gute Freund habe, dann in solchen Umständen lernt man sie kennen; dann sie sind es nicht allein in Worten, sondern in der Tat. Hören Sie nur folgendes.
Den andern Tag kam ich wie sonst zum Wendling zum Speisen; da sagte er mir: »Unser Indianer (das ist ein Holländer, der von seinen eigenen Mitteln lebt, ein Liebhaber von allen Wissenschaften und ein großer Freund und Verehrer von mir) ist halt doch ein rarer Mann; er gibt Ihnen zweihundert Fl., wenn Sie ihm drei kleine, leichte und kurze Konzerte und ein paar Quattro auf die Flöte machen. Durch den Cannabich bekommen Sie auf das wenigste zwei Skolaren, die gut bezahlen. Sie machen hier Duetti auf das Klavier und ein Violin par souscription und lassen sie stechen. Tafel haben Sie sowohl mittags als abends bei uns. Quartier für sich haben Sie bei dem Herrn Hofkammerrat Serrarius, das kostet Sie alles nichts. Für die Frau Mutter wollen wir die zwei Monat, bis Sie dieses alles nach Haus geschrieben haben, ein wohlfeiles Quartierl ausfindig machen, und alsdann reist die Mama nach Haus, und wir gehen nach Paris.« Die Mama ist damit zufrieden; itzt kömmt es nur auf Ihre Einwilligung an, der ich schon so gewiß bin, daß, wenn es itzt schon zur Reise Zeit wäre, ich, ohne eine Antwort abzuwarten, nach Paris ginge. Dann von einem so vernünftigen und für das Wohl seiner Kinder bisher so besorgten Vater kann man nichts anders erwarten. Der Herr Wendling, welcher sich Ihnen empfiehlt, ist ein Herzensfreund mit unserm Herzensfreund Grimm. Er hat ihm, als er hier war, viel von mir gesprochen; das war, wie er aus Salzburg von uns herkam. Ich werde, sobald ich von Ihnen Antwort auf diesen Brief habe, an ihn schreiben; dann er ist itzt, wie mir ein Fremder hier bei Tisch gesagt hat, in Paris. Ich würde Sie auch bitten, daß Sie mir, wenn es möglich wäre, indem wir vor dem 6. März nicht gehen werden, durch Herrn Mesmer in Wien oder durch etwa jemand zuwegen brächten, daß ich einen Brief an die Königin von Frankreich bekommen könnte: wenn es leicht möglich ist! dann sonst hat es auch weiter nicht viel zu bedeuten. Besser ist es, das ist richtig. Das ist auch ein Rat, den mir Herr Wendling gegeben hat. Ich stelle mir vor, daß Ihnen die Sachen, die ich Ihnen schreibe, wunderlich vorkommen, weil Sie itzt in einer Stadt sind, wo man gewohnt ist, dumme Feind, einfältige und schwache Freund zu haben, die, weil ihnen das traurige Salzburger Brot unentbehrlich ist, immer den Fuchsschwanz streichen, folglich von heut bis morgen sind. Sehen Sie, das ist eben die Ursach, warum daß ich Ihnen immer Kindereien und Spaß und wenig Gescheutes geschrieben habe, weil ich die Sache hier habe abwarten wollen, um Ihnen den Verdruß zu ersparen und meine gute Freunde zu verschonen, denen Sie itzt etwa unschuldigerweise die Schuld geben, als hätten sie unter der Hand entgegengearbeitet, welches aber gewiß nicht ist. Ich weiß schon, wer die Ursach ist! Ich bin aber durch Ihre Briefe gezwungen worden, Ihnen die ganze Geschichte zu erzählen. Ich bitte Sie aber um alles in der Welt, kränken Sie sich nicht wegen diesem: Gott hat es so haben wollen. Bedenken Sie nur diese gar zu gewisse Wahrheit, daß sich nicht alles tun läßt, was man im Sinn hat. Man glaubt oft, dieses würde recht gut sein und jenes würde recht übel und schlecht sein, und wenn es geschähe, so würde man oft das Gegenteil erfahren. Nun muß ich schlafen gehen; ich werde die zwei Monat durch genug zu schreiben haben: drei Konzerts, zwei Quartetti, vier oder sechs Duetti aufs Klavier, und dann habe ich auch im Sinn, eine neue große Messe zu machen und dem Kurfürsten zu präsentieren. Adieu ...