W. A. Mozart
Mozarts Briefe
W. A. Mozart

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Mannheim, 28. Februar 1778.

...Gestern war ich beim Raaff und bracht ihm eine Aria, die ich diese Täge für ihn geschrieben habe. Die Worte sind: Se al labro mio non credi, bella nemica mia usw. Ich glaub nicht, daß der Text vom Metastasio ist. Die Ali« hat ihm überaus gefallen. Mit so einem Mann muß man ganz besonders umgehen. Ich habe mit Fleiß diesen Text gewählet, weil ich gewußt habe, daß er schon eine Aria auf diese Wörter hat; mithin wird er sie leichter und lieber singen. Ich habe ihm gesagt, er soll mir aufrichtig sagen, wenn sie ihm nicht taugt oder nicht gefällt; ich will ihm die Aria ändern, wie er will, oder auch eine andere machen. »Behüte Gott,« hat er gesagt, »die Aria muß bleiben, dann sie ist sehr schön; nur ein wenig, bitte ich Sie, kürzen Sie mirs ab, dann ich bin itzt nimmer so imstande zu soutenieren.« – »Von Herzen gern, soviel Sie wollen,« habe ich geantwortet, »ich habe sie mit Fleiß etwas länger gemacht; dann wegschneiden kann man allzeit, aber dazusetzen nicht so leicht.« Nachdem er den andern Teil gesungen hat, so tat er seine Brille herab, sah mich groß an und sagte: »Schön, schön! Das ist eine schöne seconda parte!« und sange es dreimal. Als ich wegging, so bedankte er sich sehr höflich bei mir, und ich versicherte ihm im Gegenteil, daß ich ihm die Aria so arrangieren werde, daß er sie gewiß gerne singen wird. Dann ich liebe, daß die Aria einem Sänger so akkurat angemessen seie wie ein gutgemachtes Kleid.

Ich habe auch zu einer Übung die Aria Non sò d'onde viene usw., die so schön vom Bach komponiert ist, gemacht, aus der Ursach, weil ich die vom Bach so gut kenne, weil sie mir so gefällt und immer in Ohren ist; dann ich hab versuchen wollen, ob ich nicht ungeacht diesem allem imstande bin, eine Aria zu machen, die derselben vom Bach gar nicht gleicht. Sie sieht ihr auch gar nicht, gar nicht gleich. Diese Aria habe ich anfangs dem Raaff zugedacht. Aber der Anfang gleich schien mir für den Raaff zu hoch und, um ihn zu ändern, gefiel er mir zu sehr, und wegen Setzung der Instrumenten schien er mir auch für einen Sopran besser. Mithin entschloß ich mich, diese Aria für die Weberin zu machen. Ich legte sie beiseit und nahm die Wörter Se al labro usw. für den Raaff vor. Ja, da war es umsonst, ich hätte ohnmöglich schreiben können, die erste Aria kam mir immer in Kopf. Mithin schrieb ich sie und nahm mir vor, sie akkurat für die Weberin zu machen. Es ist ein Andante sostenuto (vorher ein kleines Rezitativ), in der Mitte der anderte Teil Nel Seno a destarmi, dann wieder das Sostenuto. Als ich sie fertig hatte, so sagte ich zur Mademoiselle Weber: »Lernen Sie die Aria von sich selbst, singen Sie sie nach Ihrem Gusto, dann lassen Sie mir sie hören, und ich will Ihnen hernach aufrichtig sagen, was mir gefällt und was mir nicht gefällt.« Nach zwei Tägen kam ich hin, und da sang sie mirs und akkompagnierte sich selbst. Da habe ich aber gestehen müssen, daß sie akkurat so gesungen hat, wie ich es gewunschen habe und wie ich ihr es lernen hab wollen. Das ist nun ihre beste Aria, die sie hat; mit dieser macht sie sich gewiß überall Ehre, wo sie hinkömmt. Gestern habe ich beim Wendling die Aria, die ich ihr versprochen, skizziert mit einem kurzen Rezitativ. Die Wörter hat sie selbst verlangt, aus der Didone: Ah non lasciarmi no. Sie und ihre Tochter ist ganz närrisch auf diese Aria. Der Tochter habe ich noch einige französische Anettes versprochen, wovon ich heut eins angefangen habe...

Ich freue mich auf nichts als auf das Concert spirituel zu Paris, dann da werde ich vermutlich etwas komponieren müssen. Das Orchester seie so gut und stark, und meine Hauptfavoritkomposition kann man dort gut aufführen, nämlich Chöre, und da bin ich recht froh, daß die Franzosen viel darauf halten. Das ist auch das einzige, was man im Piccini seiner neuen Opera Roland ausgestellt hat, daß nämlich die Chöre zu nackend und schwach seien und überhaupt die Musik ein wenig zu einförmig. Sonst hat sie aber allen Beifall gefunden. Zu Paris war man itzt halt die Chöre vom Gluck gewohnt. Verlassen Sie sich nur auf mich, ich werde mich nach allen Kräften bemühen, dem Namen Mozart Ehre zu machen. Ich hab auch gar nicht Sorg darauf.

Aus den vorigen Briefen werden Sie alles ersehen haben, wie es ist und wie es gemeint war. Ich bitte Sie, lassen Sie sich nicht öfter den Gedanken in Kopf kommen, daß ich auf Sie vergessen werde! Dann ich kann ihn nicht vertragen. Meine Hauptabsicht war, ist und wird immer sein, mich zu bestreben, daß wir bald zusammenkommen und glücklich. Aber da heißt es Geduld. Sie wissen selbst besser als ich, wie die Sachen oft quer gehen, doch wird es schon noch gerade gehen. Nur Geduld! Hoffen wir auf Gott, der wird uns nicht verlassen. An mir wird es nicht fehlen, wie können Sie doch an mir zweifeln? Liegt denn mir nicht selbst daran, daß ich nach allen Kräften arbeite, damit ich je ehender je lieber das Glück und Vergnügen habe, meinen besten und liebsten Vater von ganzem Herzen zu umarmen? Da sehen Sie! es ist doch nichts auf der Welt ohne Interesse! Wenn Krieg etwa in Bayern werden soll, so kommen Sie doch gleich nach, ich bitte Sie. Ich habe auf drei Freunde mein Vertrauen, und das sind starke und unüberwindliche Freunde, nämlich auf Gott, auf Ihren Kopf und auf meinen Kopf. Unsere Köpfe sind freilich unterschieden, doch jeder in seinem Fach sehr gut, brauchbar und nützlich, und mit der Zeit, hoffe ich, wird mein Kopf dem Ihrigen in dem Fach, wo er itzt den meinigen überwieget, doch auch nach und nach beikommen. Nun leben Sie recht wohl! Sein Sie lustig und aufgeräumt. Denken Sie, daß Sie einen Sohn haben, der seine kindliche Pflicht gegen Sie wissentlich gewiß nie vergessen hat und der sich bemühen wird, eines so guten Vaters immer würdiger zu werden ...


 << zurück weiter >>