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Juliana

Wie den Teufel bezwingen kann
Ein zartes Mägdlein, das hört nun an!

Juliana war das Kind
Eines Heiden, starr gesinnt,
In der Stadt Nikomedia
In dem Land Bithynia.
Ihr Vater hatte ihre Hand
Einem Fürsten, Eleusius genannt,
Verlobt. Doch sie mag ihn nur nehmen,
Wenn er sich wollte dazu bequemen
Seinen Götzen zu entsagen.
Aus Furcht vor dem Kaiser will er's nicht wagen.
Da sprach die Jungfrau lobesan:
»Fürchtest du so den sterblichen Mann,
Den Kaiser, so kannst du wohl denken,
Wie sehr ich fürchte, Gott zu kränken,
Den ewigen Herrn.« – Man that der Maid
Vergebens alles arge Leid
Und stieß sie in den Kerker dann.

Da kam, als Engel angethan,
Ein Teufel zu ihr in der Nacht
Und sprach also wohlbedacht:
»Gott schickt mich aus Barmherzigkeit
Zu dir; ihn reut dein großes Leid,
Und er gestattet dir, dein Leben
Zu schonen und Opfer den Göttern zu geben.«
Die Jungfrau aber erkannte gleich
Die Täuschung und den Teufelsstreich.
Mit männlichem Mute griff sie ihn an
Und zwang ihn so, bis er begann:
»Laß mich von hinnen! Ja, ich bin
Ein Teufel nur. Mit falschem Sinn
Hat mich mein Vater hergesandt,
Der ist Beelzebub genannt.«

Die heldenhafte Jungfrau, hört!
Band nun den Teufel, unbethört
Von seinem Droh'n, und schlug ihn hie
Mit ihren Ketten, daß er schrie.

Und als man sie am nächsten Tag
Zum Richtplatz führte in den Hag,
Da schleppte sie ihn mit gebunden
Und jagte ihn zum Schluß den Hunden
Der Hölle zu. Mehr denn zweihundert
Des Volkes nahmen, drob verwundert,
Die Taufe an. Doch Juliane
Ward von den Henkern in wildem Wahne
Gemartert, gerädert, in heißes Blei
Getaucht. Da kam jener Teufel herbei
Und reizte auf sie die Henkersmannen.
Doch hei, wie floh er schnell von dannen,
Als sie ein Aug' nur warf auf ihn!
Die Heilige sank endlich hin
Enthauptet. – Ihr Bräutigam
Darauf ein böses Ende nahm;
Er sank zu Grund mit einem Schiffe,
Sein Leichnam schwamm an die Küstenriffe
Und wurde von wilden Tieren zerrissen.

Von seiner armen Seele wissen
Wir nichts; denn das ist Gottes Gericht.
Wir selber, Brüder, richten nicht.

Juliana, 16. Febr. 304. Passional II. S. 187.


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