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Johannes, Christi Täufer,
Sein Vorbote, sein Vorläufer,
Sein Bruder, sein Freund auserkoren,
War von edlem Stamme geboren.
Unsrer Frauen Mutter Anna
Hatte eine Schwester Ismeria,
Ephraim war der Name
Ihres Gatten. Die Lobesame
Eine Tochter Elisabeth gewann;
Die ward vergeben einem Mann
In ihrem Geschlechte, edel und klar,
Der Zacharias geheißen war,
Ein guter Mann, ein reiner,
Der obersten Priester einer.
Aus Gabriels eignem Munde
Ward ihm die wunderbare Kunde,
Daß ihm trotz seines Alters Bürde
Ein edler Sohn geboren würde.
Weil er der Botschaft nicht geglaubt,
Ward er der Rede gleich beraubt
Und blieb so stumm bis zu der Frist,
Da Johannes erschienen ist.
Drum wird Johannes, der allhie
Die Stimme wieder ihm verlieh,
Von frommen Sängern angefleht,
Daß er durch fürbittend Gebet
Auch ihre Kehle stärke und
Die Zunge löse ihrem Mund,
Daß Gottes Ehre laut erschalle:
Ich selber bin in gleichem Falle.
Erfüllt vom Geist wuchs auf Johann,
Von Sünden frei, wie kaum ein Mann.
Er zog sich in die Wüste gar,
Sein Kleid war von Kameles Haar,
Die Speise Honig und Heuschrecken.
Und er begann alsbald zu wecken
Der Menschen Sinn zu Buß und Reuen.
Er taufte auch die Guten, Treuen.
Als Jesus so zur Taufe kam,
Erscholl vom Himmel wundersam
Des Vaters Wort vom Weltenthron:
»Dies ist mein eingeborner Sohn!«
Und gleich der Taube schwebte wieder
Der heilige Geist vom Himmel nieder.
Nun will ich euch, vor andern Dingen,
Von
Herodes Antipas singen,
Der Vierfürst war von Galiläa.
Als dieser einstens von Judäa
Nach Rom hinreisete, da fand
Er in des Bruders
Philipp Land
Die schöne
Herodias, dessen Weib.
Da reizte ihn ihr stolzer Leib,
Die eigne Gattin zu verachten
Und nach des Bruders Weib zu trachten.
Und er entführte sie auch so.
Doch seine rechte Gattin floh
Zu ihrem Vater
Aretas:
Daraus entstand noch großer Haß.
Johannes rief: »Die du geraubt,
Die Frau, sie ist dir nicht erlaubt,
O Herr!« – Da ließ der Schlimme
Den kühnen Prediger im Grimme
Ergreifen und in Ketten schlagen.
Darauf in kurzen Tagen
Ward er enthauptet, um den Willen
Der frechen
Salome zu stillen,
Herodias' Tochter, die zu viel
Im Tanz dem Wüterich gefiel.
Da Johannes begraben war,
Ward manches Zeichen offenbar.
Julianus, den bösen Mann,
Der später zum Schaden der Welt gewann
Die Ehre, daß er Kaiser ward,
Denselben ärgerte es hart,
Daß die Christen so viel hinab
Kamen zu Johannis Grab;
Er ließ da sein Gebein
Ausgraben allgemein
Und verbrennen. Nun höret da
Das Wunder, das dabei geschah!
Des Heiligen Finger, mit dem er
Auf Jesum weilte und ihm zur Ehr'
So sprach: »Seht, das ist Gottes Lamm!«
Der einzige Finger wundersam
War's, der unverbrannt blieb,
Was da die falsche Rotte trieb
Mit dem anderen Gebein.
So ward der Finger ganz allein
Erhalten in der Christenheit
Bis heut in großer Würdigkeit.
Ich will euch später einmal bescheiden,
Wie durch den Tod Julians des Heiden,
Des grimmigen Mannes,
Gerochen ward der Täufer Johannes.
Vom Haupt des Täufers will ich noch sagen,
Das ihm ward herabgeschlagen
Und erst in späten Stunden
Ward wiederum gefunden.
Es kamen einst zwei Mönche hin
Nach Jerusalem, denen erschien
Johannes und sagte ihnen die Märe,
Wo sein Haupt nun wäre
Erhalten in all den Jahren.
Wie froh die Beiden waren!
Sie gingen hin; da ward gefunden
Das Haupt mit härenen Tüchern umwunden.
Die Mönche thaten den großen Hort
In einen Sack und hätten ihn fort
Gerne in ihr Land genommen.
Nun war ein Mann zu ihnen gekommen,
Der mit ihnen den Weg betrat
Gen Emissena, die gute Stadt.
Es ging der Mann mit leerer Hand
Mit diesen Mönchen unverwandt.
Da baten sie, des Tragens müde,
Daß er auf seine Schultern lüde
Den Sack. Nun habt der Strafe acht,
Die ihre Faulheit ihnen gebracht!
Den Mönchen zürnte Sankt Johann;
Er gab dem Manne heimlich an,
Was in dem Sacke wäre,
Und gab ihm rechte Lehre,
Er sollte mit dem Haupt allein
Zur Stadt Emissena hinein
Sich wenden; doch der Mönche Sinn
Verwirrte er also, daß sie ihn
Nicht mehr fanden, ihren Knecht.
Fürwahr, ihnen geschah wohl recht!
Mit diesem Haupte kam der Mann
In die Stadt also hindann.
Er hielt das Gut in Ehren,
Doch um es den Feinden zu wehren,
Verbarg er es in einer Höhle.
Ein heiliger Mönch gar ohne Fehle,
Marcellus, fand in späteren Tagen
Die Stätte wieder, denn ihm sagen
Gar wunderbare Träume dort
Den heil'gen, längst vergessenen Ort.
In einem Eimer fand er so
Das Haupt; er ward des Fundes froh,
Daran sich manches Wunder zeigte,
Dem sich der ärgste Zweifler neigte.
Ein Kaiser dann nach vielen Tagen
Wollte das Haupt von hinnen tragen
Nach Konstantinopel; doch es blieb
Zu Chalcedon. Nicht war ihm 's lieb,
Weiter zu wandern. Erst der gute
Theodosius mit frommem Mute
Brachte es endlich nach Byzanz
In einen Dom voll Pracht und Glanz.
Dann zu König Pippins Zeit
Kam es wieder fort gar weit
Hin in die Stadt Pictavia
Im schönen Lande Gallia.
Mit tugendlichen Sitten
Wollen wir nun den Heiligen bitten,
Daß er vor Jesus Christus trete
Und uns die Gnade erbete,
Daß auch wir zu ihm hin kommen
Zu ewiglichem Frommen.
Johannes der Täufer, 24. Juni und 29. Aug. Passional S. 345 ff.